Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400976/5/WEI/Ga

Linz, 26.11.2008

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des H B, geb.   , Staatsangehöriger der Türkei, vormals Schubhaft im Polizeianhaltezentrum L, vertreten durch Dr. G. K von S, W, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Schärding zu Recht erkannt:

 

 

Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft in der Zeit vom 4. bis 21. November 2008 wird für rechtswidrig erklärt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 99/2006) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden S a c h v e r h a l t aus:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (Bf), ein türkischer Staatsangehöriger der kurdischen Volksgruppe, reiste mit Hilfe von Schleppern illegal in Begleitung von Landsleuten und versteckt auf der Ladefläche eines LKWs von Istanbul bis in den Raum Wien in Österreich. Am 7. Oktober 2008 nahm ihn A B, ein Österreicher türkischer Abstammung, gemeinsam mit drei Landsleuten in seinem Pkw Ford Escort, Kennzeichen   , mit dem Ziel München mit, wobei sie über die Innkreisautobahn A 8 und den ehemaligen Grenzübergang Suben Autobahn nach Deutschland einreisten. In der Folge wurden sie auf der A 3 bei km 620,5 am Parkplatz Sulzbach um 22:40 Uhr im Rahmen einer Schleierfahndung von deutschen Polizeibeamten der Bundespolizeiinspektion Freyung kontrolliert und aufgegriffen. Der Bf konnte weder einen gültigen Reisepass noch einen Aufenthaltstitel für Deutschland vorweisen. Er hatte lediglich einen türkischen "N" bei sich und wurde vorläufig festgenommen. Am 9. Oktober 2008 wurde er gemeinsam mit seinen Begleitern nach dem deutsch-österreichischen Rückübernahmeabkommen im Wege der Polizeiinspektion Schärding nach Österreich zurückgestellt und in weiterer Folge der Bezirkshauptmannschaft Schärding vorgeführt.

 

Mit Mandatsbescheid vom 9. Oktober 2008, Zl. Sich41-153-2008, ordnete die Bezirkshauptmannschaft Schärding gegen den Bf auf der Grundlage des § 76 Abs 1 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens und zur Sicherung der Abschiebung oder Zurückschiebung an. Der Bf wurde anschließend zum Vollzug der Schubhaft ins Polizeianhaltezentrum (PAZ) Linz überstellt.

 

In tatsächlicher Hinsicht konnte sich die belangte Behörde auf die Erhebungen der deutschen Bundespolizei (Bundespolizeiinspektion Freyung) bzw die übermittelten Akten stützen. Begründend verwies die belangte Behörde darauf, dass sich der Bf, dessen Identität noch zu klären sei, illegal im Bundesgebiet aufhält, weil er nicht im Besitz eines gültigen Reisedokumentes oder einer für das Schengengebiet erforderlichen aufenthaltsrechtlichen Bewilligung sei. Außerdem habe er sich unerlaubt der Grenzkontrolle entzogen, indem er versteckt auf der Ladefläche eines LKWs und unter Beihilfe von Schleppern einreiste. Weiters verfüge der Bf nicht über finanzielle Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts. Da er die Hilfe einer Schlepperorganisation für die illegale Einreise in Anspruch genommen habe, sei ihm sein strafbares Verhalten auch bekannt. Deshalb bestehe auch die Gefahr, dass sich der Bf dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde entziehen werde. Gelindere Mittel kämen nicht in Betracht, weil die Identität des Bf noch zu klären und das fremdenpolizeiliche Ziel der Anordnung geeigneter Maßnahmen nicht erreichbar wäre. Der Bf sei im Inland auch in keiner Weise sozial verankert.

 

1.2. Bei seiner Beschuldigtenvernehmung des Bf durch die Bundespolizeiinspektion Freyung am 8. Oktober 2008 wegen des Vorwurfs der Einreise ohne gültigen Pass und Aufenthaltsgenehmigung gab er an , dass ihm ein M aus Istanbul zugesagt hätte, dass er nach München gebracht werde. Dieser hätte ihm auch versprochen, dass ihn in Österreich ein anderer Mann abholen und nach Deutschland bringen werde. Ein von M beauftragter Junge hätte ihm den LKW gezeigt, auf den er steigen sollte. Er sollte auf den Anhänger steigen und sich ruhig verhalten. Gegen 20:00 Uhr des 7. Oktober 2008 wären sie in der Nähe einer Tankstelle in Österreich angekommen. Ein unbekannter Mann hätte die Ladefläche geöffnet und zum Aussteigen aufgefordert. Erst dann bemerkte er noch die anderen aufgegriffenen Personen am LKW. Der Mann hätte zu ihnen gesagt, sie sollten die Straße entlang gehen und die Hand heben und es werde sie jemand mitnehmen. Der Ausstiegsort wäre 300 bis 400 m vor einer Tankstelle gelegen. Dort wäre ein Auto betankt worden und als der Fahrer losfuhr hätten sie die Hand gehoben und er wäre stehen geblieben. Sie hätten ihn gefragt, ob er sie nach Deutschland bringe und er antwortete, dass er nach München fahre und sie einsteigen sollten.

 

Der Landsmann und Mitfahrer M T gab bei der Beschuldigtenvernehmung vom 8. Oktober 2008 durch die Bundespolizeiinspektion Freyung ebenfalls an, dass ihn ein gewisser M (Nachname unbekannt) in Istanbul zu einem LKW brachte, der am Abend losfuhr und in dem sich insgesamt sieben Personen befunden hätten. Irgendwann hätte der LKW angehalten und er und drei weitere Personen wären ausgestiegen, an einer Tankstelle vorbeigegangen und per Autostop weitergefahren. M hätte aber gesagt, dass er dafür sorge, dass der Bf nach Deutschland komme. Die anderen Personen wären auch ausgestiegen und von Leuten abgeholt worden. Den Fahrer für die Reise nach München hätte niemand angerufen, sondern er hätte nur angehalten und sie mitgenommen. Angeblich wollte er auch kein Geld und es wäre nur das Wort "München" gefallen.

 

Der Landsmann und Mitfahrer E E meinte bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 8. Oktober 2008 durch die Bundespolizeiinspektion Freyung, dass er nur sagen könne, dass sie mit einem LKW von Istanbul nach Österreich gefahren wären, wo sie an einer Tankstelle ausgestiegen wären, wo auch eine Autobahn gewesen wäre. Der Schleuser hätte gesagt, sie sollten winken, es werde sie jemand mitnehmen. Das hätten sie an der Tankstelle getan und ein Auto wäre stehen geblieben und hätte sie mitgenommen. Über den Fahrer könnte er nichts sagen. Sie wären dann noch eine Stunde übers Land gefahren und erst dann wieder auf die Autobahn.

 

1.3. Der wegen des Vorwurfs des Einschleusens von Ausländern am 8. Oktober 2008 ebenfalls als Beschuldigter einvernommene A B behauptete bei einer Tankstelle in Aland an der Autobahn getankt und sich etwas gekauft zu haben. Dort hätten ihn vier Männer gefragt, ob er sie nach München mitnehmen könnte. Da er immer Leute mitnehme, habe er es auch dieses Mal so gehalten.

 

Trotz mehrerer Vorhalte über Ungereimtheiten – die Polizei fand einen Zettel mit Wegskizze und diverse Zahlungsaufforderung – erzählte der arbeitslose B eine unglaubhafte Geschichte und blieb dabei, dass er keine finanzielle Probleme und auch kein Geld bekommen hätte. Er wollte angeblich nur nach München fahren, um mit einer Bekannten seines Schwiegersohnes, die aber nicht näher kenne und von der er auch keine Telefonnummer habe, zu sprechen, dass der Streit zwischen seiner Tochter und dem Schwiegersohn vorbei wäre. Bei der Unterhaltung im Auto hätte er die Mitfahrer nur gefragt, von welcher Stadt sie kämen und wohin sie wollten. Mehr hätte er nicht gefragt, weil er sich auf die Straße konzentrieren hätte müssen. Sein Fehler wäre nur gewesen, die Leute nicht gefragt zu haben, wie sie zur Autobahntankstelle kamen, was ihm doch ein bisschen komisch vorgekommen wäre.

 

1.4. Über Amtshilfeersuchen der belangten Behörde sah die BPD Linz für den 13. Oktober 2008 einen Termin zur fremdenpolizeilichen Einvernahme vor. Der Bf erklärte, dass er die Türkei vor ca. einer Woche in einem LKW versteckt in Richtung Deutschland/München verlassen hätte. Der LKW-Fahrer hätte ihn in Wien/Österreich aussteigen lassen. Für die Fahrt bis München hätte er 5.500 Euro bezahlt.

 

In Wien hätten er und drei weitere Mitfahrer den Türken A B kennen gelernt, der sie mit seinem PKW nach Deutschland brachte, wo sie festgenommen und nach Österreich zurückgestellt worden wären. Schon vor der deutschen Polizei hätte er einen Asylantrag stellen wollen. Man hätte ihm aber gesagt, dass sie nicht zuständig wären. Zur beabsichtigten Erlassung eines auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes durch die belangte Behörde meinte der Bf, dass er um Asyl ansuchen möchte.

 

Sein Landsmann und Begleiter M T erklärte bei seiner Einvernahme am 13. Oktober 2008, dass er auf seinen Rechtsanwalt warten würde und ohne dessen Beisein keine Angaben machen wolle.

 

Auch der Landsmann und Begleiter E E berichtete bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme am 13. Oktober 2008, dass er die Türkei versteckt in einem LKW in Richtung Deutschland verlassen hätte. Der Fahrer hätte ihn in Wien/Österreich aussteigen lassen. Für die Fahrt nach Deutschland hätte er 2.200 Euro bezahlt. In Wien hätten er und die drei Mitfahrer den Türken A B kennen gelernt, der sie mit dem PKW nach Deutschland brachte. Bei einer Polizeikontrolle am 7. Oktober 2008 wären sie festgenommen und in der Folge nach Österreich zurück überstellt worden. Zur beabsichtigten Erlassung eines auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes durch die belangte Behörde meinte auch E E, dass er um Asyl ansuchen möchte.

 

Im Hinblick auf die am 13. Oktober 2008 gestellten Asylanträge, die im Rahmen der Erstbefragung durch Beamte des Stadtpolizeikommandos Linz aufgenommen und an die EASt West weitergeleitet wurden, hielt die belangte Behörde mit Aktenvermerk fest, dass die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens aufrecht bleibe und als nach § 76 Abs 2 FPG verhängt gelte.

 

1.5. Aus dem Asylinformationssystem gehen die Antragstellung mit 13. Oktober 2008 und daraufhin ein Informationsersuchen der Asylbehörde an Bulgarien und Rumänien am 15. Oktober 2008 hervor. Mit 29. Oktober 2008 scheint als Ergebnis des "Inforequests" für den Bf und seine Begleiter die Eintragung auf, dass rumänische Visa vorhanden wären. Detaillierte Angaben dazu fehlen.

 

Mit der per Telefax versendeten Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 gab das Bundesasylamt Erstaufnahmestelle West (BAA EASt West) dem Bf bekannt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, weil Dublin Konsultationen mit Rumänien seit dem 11. November 2008 geführt werden würden. Das Nähere sei dem Informationsblatt über die Anwendung der Dublin II Verordnung zu entnehmen. Durch diese Mitteilung gelte die Zwanzigtagesfrist des Zulassungsverfahrens (Hinweis auf §§ 5 , 28 Abs 2 AsylG) nicht. Die Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 oder 5 AsylG gelte auch als eingeleitetes Ausweisungsverfahren. Der Bf hat diese (zweisprachige) Mitteilung am 11. November 2008 um 13:15 Uhr erhalten. Sie wurde auch per Telefax an den Integrationsverein SPRAKUIN und die belangte Behörde übermittelt.

 

1.6. Mit der per Telefax am 18. November 2008 außerhalb der Amtsstunden beim Oö. Verwaltungssenat eingelangten Eingabe erhob der Bf durch seinen Rechtsvertreter Dr. G. K vom Integrationsverein S (Vollmacht vom 15.10.2008) Schubhaftbeschwerde mit der sinngemäßen Behauptung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft, weil die Dublin Konsultationen mit Rumänien zeitverzögert eingeleitet wurden.

 

2.1. In der Schubhaftbeschwerde wird begründend vorgebracht, dass der Bf schon sechs Wochen in Schubhaft wäre, ohne dass das Asylverfahren (gemeint wohl: das asylrechtliche Ausweisungsverfahren) eingeleitet worden wäre. Der Bf stamme als Kurde aus der Stadt Bingöl, einem Kriegsgebiet. Er wäre in der Türkei politisch aktiv gewesen und hätte den Militärdienst verweigert. Auch auf Grund des schlechten psychischen Gesundheitszustandes werde ersucht, den Bf zu entlassen und das (gemeint: materielle) Asylverfahren so rasch wie möglich einzuleiten.

 

2.2. Die belangte Behörde hat nach Übermittlung der Schubhaftbeschwerde durch den Oö. Verwaltungssenat am 19. November 2008 auf elektronischem Wege die Bezug habenden Akten am 20. November 2008 durch Boten vorgelegt und mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Schubhaft bis zur Beendigung des Dublinverfahrens aufrecht zu erhalten.

 

Mit Schreiben vom 21. November 2008, übersendet per Telefax um 11:43 Uhr, teilte die belangte Behörde mit, dass die Schubhaft gemäß § 81 Abs 1 Z 1 FPG aufgehoben und der Bf auf freien Fuß gesetzt worden sei. Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats hatte zuvor telefonisch die Aufhebung der Schubhaft empfohlen.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die Beschwerde und die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

 

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 83 Abs 4 FPG).

 

Der Bf wurde in Oberösterreich im Rahmen der Rücküberstellung durch die deutsche Polizei festgenommen und wurde in der Zeit vom 9. Oktober 2008 bis 21. November 2008 für die belangte Behörde im PAZ Linz in Schubhaft angehalten. Seine Beschwerde wegen Anhaltung in Schubhaft ist zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Nach § 76 Abs 6 FPG kann die Schubhaft aufrecht erhalten werden, wenn ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Liegen die Voraussetzungen des § 76 Abs 2 FPG vor, gilt die Schubhaft als nach dieser Gesetzesstelle vor. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft nach Abs 2 ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

4.3. Gemäß § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Art 2 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr.4/2008) ist ein Antrag auf internationalen Schutz das -auf welche Weise immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (vgl Z 15) und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten (vgl Z 16).

 

Asylwerber ist nach § 2 Abs 1 Z 14 AsylG 2005 ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Gemäß § 13 AsylG 2005 ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Entzug des Aufenthaltsrechts (§ 62 Abs 1 FPG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. Wird Asylwerbern gemäß § 62 FPG ihr Aufenthaltsrecht entzogen, kommt ihnen faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

 

Gemäß § 28 Abs 1 Satz 2 AsylG 2005 erfolgt die Zulassung durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51).

 

Nach § 28 Abs 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz entscheidet, dass der Antrag zurückzuweisen ist, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

 

4.4. Im gegenständlichen Fall war die Verhängung der Schubhaft zunächst auf der Grundlage des § 76 Abs 1 FPG möglich, weil der Bf versteckt auf einem LKW und ohne Reisedokument und Aufenthaltstitel nach Österreich gekommen ist und die belangte Behörde zunächst davon ausgehen musste, dass der weitgehend mittellose und sozial nicht integrierte Fremde seinen Aufenthalt nicht legalisieren werde können. Dem in mehrfacher Hinsicht illegal reisenden Bf, der sich ganz bewusst einer Schlepperorganisation bediente, war auch zuzutrauen, dass er auf freiem Fuß untertauchen werde, um sein Reiseziel München doch noch zu erreichen.

 

Während der Schubhaft stellte der Bf am 13. Oktober 2008 einen Asylantrag. Nunmehr war die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 Z 4 FPG und in weiterer Folge allenfalls nach § 76 Abs 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (gemäß § 10 AsylG 2005) und zur Sicherung der anschließenden Abschiebung möglich. Die belangte Behörde hat einen entsprechenden Aktenvermerkt verfasst und sich allgemein auf den § 76 Abs 2 FPG berufen. Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung konnte die belangte Behörde im Hinblick auf die Angaben des Bf zum Fluchtweg, wonach die Reise per LKW ab Istanbul nach Österreich zwangsläufig über Länder der Europäischen Union erfolgt sein musste, noch annehmen, dass nach dem Dublinabkommen für den Asylantrag des Bf ein anderer EU-Mitgliedsstaat zuständig sein und der Asylantrag mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werden werde.

 

4.5. Die belangte Behörde hat in der Folge nichts weiter unternommen und das asylrechtliche Verfahren bzw die Verständigungen durch die Asylbehörde abgewartet. Aus dem aktenkundigen Auszug vom 3. November 2008 aus dem Asylinformationssystem ergibt sich, dass die Erhebungen des BAA EASt West via "DublinNet" per 29. Oktober 2008 nur den Hinweis auf ein rumänisches Visum ohne nähere Angaben erbrachten. Ein Zusammenhang mit der gegenständlichen Reise des Bf nach Österreich versteckt in einem LKW wird nicht konkret aufgezeigt. Das BAA EASt West hat dann einige Zeit zugewartet und schließlich doch noch Dublin Konsultationen mit Rumänien am 11. November 2008 eingeleitet und die beabsichtigte Zurückweisung des Asylantrags mit der Mitteilung gemäß dem § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 per Telefax gleichen Datums bekannt gemacht. Diese Bekanntgabe galt auch als Einleitung eines Ausweisungsverfahrens nach dem § 27 Abs 1 Z 1 leg.cit..

 

Dabei fällt aber auf, dass die Asylbehörde offenbar die Sonderbestimmungen für das Zulassungsverfahren nach § 28 Abs 2 AsylG 2005 verletzt hat. Denn das laut Asylinformationssystem seit 13. Oktober 2008 mit Antragstellung "bei EASt West" anhängige Asylverfahren hätte binnen 20 Tagen zurückgewiesen oder innerhalb dieser Frist hätte mit Konsultationen begonnen und dem Asylwerber eine entsprechende Mitteilung gemacht werden müssen. Die 20-Tagesfrist ist am 2. November 2008 abgelaufen. Da dies ein Sonntag war, fiel gemäß § 33 Abs 2 AVG das Ende der Frist auf Montag, den 3. November 2008. Spätestens an diesem Tag hätte die Asylbehörde mit Konsultationen beginnen und dem Bf eine entsprechende Mitteilung zukommen lassen müssen. Der entsprechende Vorgang per 11. November 2008 erfolgte offenkundig um mehr als eine Woche verspätet. Diese Säumnis des BAA EASt West musste auch der belangten Behörde bei gehöriger Sorgfalt und Einsichtnahme in das Asylinformationssystem auffallen.

 

Gemäß § 28 Abs 2 AsylG 2005 hätte die Asylbehörde daher nach Ablauf der 20-Tagesfrist den Asylantrag zulassen müssen, zumal ein Umstand, dass sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen hätte oder daran nicht mitwirkt nicht bekann geworden ist. Die Zulassung des Asylverfahrens hat bekanntlich gemäß dem § 27 Abs 4 AsylG 2005 die Einstellung eines Ausweisungsverfahrens zur Folge. Im vorliegenden Fall hätte das Ausweisungsverfahren aber gar nicht eingeleitet werden dürfen. Mit einem zugelassenen Asylverfahren wäre auch ein vorläufiges Aufenthaltsrecht des Bf nach § 13 AsylG 2005 bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung verbunden.

 

4.6. Nach der jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichthofs (vgl näher VwGH 17.7.2008, Zl. 2007/21/0560 und VwGH 19.6.2008, Zl. 2007/21/0509) haben die Fremdenpolizeibehörden und der unabhängige Verwaltungssenat ein eindeutig rechtwidriges Vorgehen der Asylbehörde in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen und zu berücksichtigen, dass etwa bei korrekter Verfahrensführung ein bereits eingeleitetes Ausweisungsverfahren einzustellen gewesen (Wegfall des § 76 Abs 2 Z 2 FPG) oder wie hier ein Asylverfahren zugelassen hätte werden müssen, was mit einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung verbunden ist. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichthofs erfordert beispielsweise eine massive Überschreitung der Entscheidungsfrist im Asylverfahren (vgl 3-Monatsfrist im § 27 Abs 8 AsylG 2005) eine ständige Kontaktaufnahme der Fremdenpolizeibehörde mit der Asylbehörde, um den weiteren Gang des insoweit nicht gesetzeskonform verlaufenden Asylverfahrens zu verfolgen (vgl VwGH 17.7.2008; Zl. 2007/21/0560).

 

Im vorliegenden Fall hätte der belangten Behörde schon bei näherer Betrachtung des aktenkundigen Auszugs aus dem Asylinformationssystems vom 3. November 2008 auffallen müssen, dass vom BAA EASt West noch immer keine Konsultationen eingeleitet wurden und die 20-Tagesfrist des § 28 Abs 2 AsylG 2005 ungenützt abzulaufen drohte. Im Hinblick darauf wäre es angezeigt gewesen, das BAA EASt West telefonisch zu kontaktieren und die Frage der Zulassung des Asylverfahrens und damit auch der weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft aufzuwerfen.

 

Dabei hatte die belangte Behörde auch zu bedenken, dass dem Bf im Zulassungsverfahren gemäß § 2 iVm § 9 Grundversorgungsgesetz-Bund 2005 (vgl Art 6 des BGBl I Nr. 100/2005) einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Grundversorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes (zBsp EASt West) zukam. Im weiteren Asylverfahren hätte er Anspruch auf Grundversorgung durch das Land Oberösterreich, solange nicht rechtskräftig über den Asylantrag abgesprochen wurde oder er aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden kann (vgl näher Oö. Grundversorgungsgesetz 2006, LGBl Nr. 12/2007, iVm Art 2 und 4 der Grundversorgungsvereinbarung nach Art 15a B-VG, BGBl I Nr. 80/2004 und LGBl Nr. 93/2004). Die Unterkunfts- und Mittellosigkeit des Bf wird damit relativiert. Hinsichtlich der Identität des Bf ist außerdem ein türkischer "N" (Personalausweis) aktenkundig.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände vertritt der erkennende Verwaltungssenat die Ansicht, dass jedenfalls mit dem ungenützten Ablauf der 20-Tagesfrist des § 28 Abs 2 AsylG 2005 die weitere Anhaltung in Schubhaft nicht mehr vertretbar erschien. Die belangte Behörde hätte daher den Bf jedenfalls mit 4. November 2008 aus der Schubhaft entlassen müssen. Dem Bf hätte allenfalls als gelinderes Mittel gemäß § 77 Abs 3 FPG auch aufgetragen werden können, sich gegebenenfalls bei einem Polizeikommando in periodischen Abständen zu melden.

 

5. Im Ergebnis war daher der Schubhaftbeschwerde Folge zu geben und die Anhaltung des Bf in Schubhaft vom 4. November 2008 bis zur Entlassung am 21. November 2008 für rechtswidrig zu erklären.

 

Ein Entscheidung über den Aufwandersatz gemäß § 83 Abs 2 FPG iVm § 79a AVG war mangels Antragstellung nicht zu treffen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 13,20 Euro angefallen.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

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