Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590193/2/SR/Sta

Linz, 11.12.2008

 

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des Mag. pharm. H S, O M, B G, vertreten durch Dr. P M und Dr. T C. M, Rechtsanwälte in  B I, K, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 14. Juli 2008, SanRB01-147-2007, mit dem Mag. pharm. G H, H,  B I, die Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke mit der Betriebsstätte in  B G, H, erteilt wurde, zu Recht erkannt: 

Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen wird.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz  1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 5/2008.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 14. Juli 2008, SanRB01-147-2007, wurde Mag. pharm. G H die Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke mit der Betriebsstätte in  B G, H, erteilt und der Einspruch des Berufungswerbers (im Folgenden Bw) abgewiesen.

 

In der Begründung setzte sich die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und des eingeholten Gutachtens der Österreichischen Apothekerkammer vom 26. Mai 2008, Zl. III-5/2-379/I/08, nur teilweise mit dem Vorbringen des Bw auseinander. Den Ausführungen des Bw, wonach die Anwendung der "anonymisierten Hausapotheken-Studie" durch die Apothekerkammer in diesem Fall nicht gerechtfertigt sei, da in G und H die Medikamentenversorgung ganzjährig und rund um die Uhr gewährleistet wäre und entsprechend der Bestätigung der Ärzte beinahe alle Rezepte in den Hausapotheken eingelöst würden, hielt die belangte Behörde entgegen, dass der Verwaltungsgerichtshof in vielen seiner Entscheidungen und so auch in seinem Erkenntnis vom 21. Mai 2008, Zl. 2007/10/0029, die Anwendbarkeit dieser Studie bestätigt habe. Aufgrund der Auslegung (des Verwaltungsgerichtshofes) seien die vorgetragenen Gründe des Bw nicht geeignet, das Gutachten bzw. die Anwendung dieser Studie in Frage zu stellen. Aufgrund des schlüssigen Gutachtens der Apothekerkammer sei die beantragte Konzession zu erteilen gewesen.

 

2. Gegen diesen den Rechtsvertretern des Bw am 16. Juli 2008 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 28. Juli 2008 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin wendet der Bw ein, dass entgegen der Annahme der Apothekerkammer der bestehenden Apotheke im 4 km-Umkreis lediglich 3.622 Einwohner verbleiben würden, da die geplante gewerbliche Infrastruktur nicht berücksichtigt worden sei. Ebenso sei hinsichtlich des grünen Polygons in keiner Weise berücksichtigt worden, dass die 828 ständigen Einwohner die zu errichtende Apotheke leichter und bequemer erreichen können.

 

Des weiteren berücksichtige die Apothekerkammer in ihrem Gutachten 2.342 ständige Einwohner des gelben Polygons. Abstellend auf eine allgemeine Statistik habe die Apothekerkammer 22% der ständigen Einwohner der nächsten öffentlichen Apotheke zugerechnet. Die der Studie zugrunde liegenden Prämissen seien aber aufgrund der zurückzulegenden Verkehrswege, der Entfernungen (eine Fahrt mehr als 16 km) und der ständigen, durchgehenden und umfassenden Versorgung der Bevölkerung durch die Hausapotheken auf den hier gegebenen Einzelfall nicht 1:1 zu übertragen. Im Bereich des gelben Polygons hätten lediglich drei Hausärzte mit Hausapotheken ihren Sitz. Eine Einzelerhebung wäre leicht möglich gewesen. Diese sei trotz des Antrages nicht vorgenommen worden.

 

Neben wesentlichen Verfahrensmängeln und unrichtiger Sachverhaltsfeststellung werde auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Nach ausführlicher Darstellung der besonderen Umstände des Einzelfalles und den Besonderheiten im Raum B G und Umgebung legt der Bw dar, dass der bestehenden öffentlichen Apotheke ein Mindestpotential von 5.500 Personen nicht verbleibe.

 

Zur Zurechnung der ständigen Einwohner aus dem gelben Polygon führt der Bw aus, dass eine tatsächliche Inanspruchnahme der Edelweiß-Apotheke von den Bewohnern des gelben Polygons gar nicht stattfinde, da diese "vollständig" über die Hausapotheken versorgt würden. Einerseits müssten die Bewohner von G und H eine Wegstrecke von mehr als 16 km zurücklegen und andererseits seien die ärztlichen Hausapotheken umfassend ausgestattet und durchgehend betreut. Es gebe keinen Grund, warum die Bewohner aus dem gelben Polygon eine öffentliche Apotheke aufsuchen sollten. Die Prämissen des angesprochenen Gutachtens lägen in diesem Fall nicht vor. Der Bw habe aus diesem Grund auch die Befragung der ansässigen Ärzte beantragt und Schreiben jener Ärzte vorgelegt. Die belangte Behörde sei dem Beweisangebot nicht näher getreten, habe sich auf allgemeine statistische Werte aus dem Jahr 2001 berufen und sich ausschließlich auf das Gutachten der Apothekerkammer gestützt. Gerade für den gelben Polygon wäre lediglich die Befragung von 3 Ärzten erforderlich gewesen. Diese hätte relativ einfach und ohne großen Aufwand durchgeführt werden können. Auch die weitere Erhebung – Marktstudie über die Verlagerung von Kundenströmen – wäre ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich gewesen. Ohne die erforderlichen Beweise aufzunehmen habe die belangte Behörde standardmäßig auf einen Leitsatz des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

 

Neben weitergehenden Ausführungen und Judikaturverweisen hat der Bw aufgezeigt, dass der Konzessionswerber einen maßgeblichen Einfluss auf die Kurapotheke in B I habe und die Erteilung der beantragten Konzession eine Kumulierung im Sinne des § 2 ApG darstelle und diese einer Konzession für die neu zu errichtende Apotheke entgegen stehe.

Abschließend beantragte der Bw, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und den Antrag auf Erteilung einer Konzession abzuweisen. In eventu wurde die Bescheidaufhebung und die Zurückverweisung zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides beantragt.     

 

3.1. Mit Schreiben vom 4. August 2008, SanRB01-147-2007 wurden der Konzessionswerber Mag. pharm G H, vertreten durch Dr. E B-O und die weiteren Verfahrensbeteiligten von der Einbringung des Rechtsmittels in Kenntnis gesetzt.

 

3.2. Versehen mit dem Begleitschreiben vom 5. August 2008, GZ SanRB01-147-2007, hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt vorgelegt.

 

3.3. Aufgrund des Vorlageaktes steht folgender Sachverhalt fest:

 

3.3.1. Mag. pharm. G H hat mit Schreiben vom 10. Oktober 2007 bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden um die Erteilung der Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in  B G, B, angesucht.

 

Der Konzessionswerber erfüllt alle persönlichen Voraussetzungen für eine Konzessionserteilung.

 

Die Entfernung zwischen der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke beträgt mehr als 500 Meter.

 

3.3.2. Innerhalb offener Frist hat der Bw am 9. November 2007 durch seinen Rechtsvertreter Einspruch erhoben und im Schriftsatz vom 7. Dezember 2007 fehlenden Bedarf für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke am angeführten Standort und der bezeichneten Betriebsstätte behauptet. Bedingt durch die örtlichen Gegebenheiten (Übersiedlung der Wirtschaftbetriebe an den Ortsrand, Neuansiedlung zugkräftiger Lebensmittelbetriebe am Ortsrand) würde die Zahl der von der bestehenden öffentlichen Apotheke zu versorgenden Einwohner unter 5.500 Personen sinken. Diese Anzahl könne auch nicht überschritten werden, wenn man über die Grenze von 4 km im Umkreis der Apotheke hinausgehe. Angemerkt wurde weiters, dass der Konzessionswerber als Apotheker in B I in der K tätig und persönlich haftender Gesellschafter der K Mag. pharm. H O sei.

 

3.3.3. Im Gutachten vom 26. Mai 2008, Zl. III-5/2/2-379/I/08, hinsichtlich des Bedarfes an der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke führte die Österreichische Apothekerkammer aus, dass der Apotheke des Bw "nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen und den ergänzenden Erhebungen" aus einem Umkreis von 4 Straßenkilometern "aufgrund der örtlichen Verhältnisse" weiterhin 4.507 ständige Einwohner verbleiben würden. Die Zuteilung sei "unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblicher örtlicher Verhältnisse" erfolgt. Da im "konkreten Fall keine geografischen oder verkehrstechnischen Besonderheiten zu beachten" gewesen wären, sei bei der Zuteilung die Entfernung ausschlaggebend gewesen.  Im Hinblick auf die Nichterreichung der 5.500 Personengrenze wären weitere Ermittlungen erforderlich gewesen. Diese hätten im grünen Polygon (Bereich außerhalb des Umkreises von 4 Straßenkilometern) 828 ständige Einwohner für die bestehende Apotheke des Bw ergeben, da für diesen Personenkreis die Edelweiß-Apotheke die nächstgelegene Arzneimittel­abgabestelle sei. Infolgedessen, dass auch bei dieser Zurechnung die erforderliche Anzahl nicht erreicht werden konnte, waren "trotz bestehen bleibender ärztlicher Hausapotheken in G und H" auch noch die 2.342 ständigen Einwohner des gelben Polygons teilweise zu berücksichtigen. Dazu führte die Österreichische Apothekerkammer wie folgt aus:

"Hinsichtlich der Berücksichtigung von ständigen Einwohnern aus Gemeinden, die auch nach Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke von ärztlichen Hausapotheken versorgt werden, führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass `Feststellungen zu der Frage, in welchem Ausmaß die Bewohner eines Gebietes ihren Arzneimittelbedarf schon bisher bei einer ärztlichen Hausapotheke gedeckt haben, soweit auf den Einzelfall bezogene Ermittlungen nicht oder nur mit unvertretbaren Aufwand möglich sind, auch auf allgemeine, für den jeweiligen Fall repräsentative Untersuchungsergebnisse gestützt werden können´(VwGH 2001/10/0135 vom 14. Mai 2002)."

 

Im Anschluss daran ging die Österreichische Apothekerkammer generell davon aus, dass "Ermittlungen im Einzelfall tatsächlich nur mit unvertretbaren Aufwand (Einzelbefragungen hinsichtlich des Arzneimittelbezuges beim Arzt und/oder in der nächstliegenden öffentlichen Apotheke) möglich sind" und sah sich daher veranlasst, eine diesbezügliche empirische repräsentative Studie durchzuführen.

 

Diese Studie erbrachte das Ergebnis, dass trotz vorhandener ärztlicher Hausapotheken sich 22% der Personen in der nächstliegenden öffentlichen Apotheke mit Arzneimitteln versorgen. Ursache dafür sei, dass

 

Der in der genannten Studie ermittelte Prozentsatz gelte nach Ansicht der Österreichischen Apothekerkammer für ganz Österreich, da die Abweichungen in der Studie nicht auf regionale Besonderheiten sondern auf subjektive Verhaltensweisen der Bevölkerung zurückzuführen gewesen seien. Somit seien weitere 515 Personen dem Versorgungspotential der Apotheke des Bw zuzurechnen.

 

Da die weiterhin von der bestehenden Apotheke zu versorgenden ständigen Einwohner die Zahl 5.500 nicht unterschreite, hätten weitergehende Ermittlungen (Zweitwohnsitze etc) unterbleiben können.

 

Insgesamt kam die Österreichische Apothekerkammer in ihrem Gutachten zum Ergebnis, dass der Bedarf an der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke gegeben sei.

 

3.3.4. In der Äußerung zum Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer brachte der Bw vor, dass die Anzahl der Straßenkilometer von G zur Apotheke in A nahezu gleich weit sei wie jene von G zur Apotheke in B G. Für die Bewohner in G sei die Apotheke in A sogar leichter und schneller zu erreichen, da die Zufahrt über die P G erfolgen könne und vor allen in den Wintermonaten daher eine wesentlich leichtere Erreichbarkeit der öffentlichen Apotheke in A von G aus gegeben sei. Dies sei bei der Berechnung nicht berücksichtigt worden und hätte allein dadurch die zu berücksichtigenden Einwohner reduziert.

 

Darüber hinaus habe die Österreichische Apothekerkammer keinen Befund darüber aufgenommen, wie sich die Einwohner des gelben Polygons derzeit tatsächlich verhalten und im Falle der Begründung einer neuen Apotheke verhalten würden. Im vorliegenden Fall wäre die Befragung der ortsansässigen Ärzte durch Einholung schriftlicher Stellungnahmen zu einem Fragenkatalog leicht möglich gewesen. Im Gebiet von G und H seien lediglich
3 Allgemeinärzte und keine Fachärzte ansässig. Keinesfalls sei ein unvertretbarer Aufwand notwendig. In der von der Österreichischen Apothekerkammer zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes führt dieser aus, "dass eine generalisierende, auf allgemeine strukturelle Unterschiede zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken nicht bedacht nehmende, die konkreten Umstände des Einzelfalls außer Acht lassende Betrachtungsweise nicht dem Gesetz entspreche".

Weiters laute im Erkenntnis, dass "der dem Versorgungspotential einer ärztlichen Hausapotheke zuzurechnende Personenkreis demnach im Allgemeinen nicht nach räumlichen Gesichtspunkten zu bestimmen ist, sondern danach, in welchem Ausmaß die Bewohner des betreffenden Gebietes ihren Arzneimittelbedarf schon bisher in der ärztlichen Hausapotheke gedeckt haben".  

 

Dem habe die Apothekerkammer nicht entsprochen. Sie habe sich vielmehr auf eine allgemeine Studie aus einem geografischen Gebiet berufen, das auf die örtlichen Verhältnisse, auf die Apothekenstruktur, auf die Struktur der Hausapotheken und die Dichte der ansässigen Ärzte und insbesondere auf das tatsächliche Kundenverhalten vor Ort keinerlei Bezug nehme.

 

Der Bw weise daraufhin, dass Patienten erfahrungsgemäß keine großen Distanzen zurücklegen wollen, um sich mit Medikamenten zu versorgen, wenn im Nahebereich die Möglichkeit dazu bestehe. Aufgrund der exponierten Lage in G sei es nahezu ausgeschlossen, dass Patienten die Dienste einer öffentlichen Apotheke, die mehr als 10 km entfernt sei, in Anspruch nehme, wenn eine Hausapotheke im Ort vorhanden sei. Die Hausapotheke des praktischen Gemeindearztes Dr. N R in G befinde sich ca. 16 bis 17 km und die Hausapotheke von Dr. S G  in Hallstatt befinde sich ca. 13 km von der E-Apotheke in B G entfernt. Der Bw habe sich die Mühe gemacht und Anfragen an die ansässigen Ärzte gestellt.

Dabei habe sich herausgestellt, dass die Hausapotheke von Dr. R ganzjährig Tag und Nacht geöffnet bzw. verfügbar und auch an Urlaubstagen und bei Krankheit täglich besetzt sei. Auch würden alle magistralen Verordnungen sowie nicht rezeptpflichtigen Medikamente in der Hausapotheke abgegeben. Weiters würden auch sämtliche von Fachärzten ausgestellte Rezepte in der Hausapotheke eingelöst.

In H wäre ebenfalls eine ganzjährige Medikamentenversorgung rund um die Uhr durch die ärztlichen Hausapotheken von Dr. S G sowie Dr. E M gewährleistet. Alle Rezepte aus der Gegend würden vollständig bei diesen Hausapotheken eingelöst.

 

Nach weitergehenden Ausführungen zur Erreichbarkeit und Verkehrssituation kam der Bw zum Ergebnis, dass das Gutachten eine unvollständige Befundaufnahme enthalte, lediglich auf statistisches Material abstelle und die örtlichen (ländlichen) Gegebenheiten vor Ort in keiner Weise berücksichtigt bzw. befundet habe.

 

Im Anschluss daran beantragte der Bw eine ergänzende Befundaufnahme durch Einzelbefragung der ansässigen Ärzte und legte zu Beweiszwecken Stellungnahmen der hausapothekenführenden Ärzte vor.

 

3.3.5. Aufgrund der Stellungnahme des Bw brachte der Konzessionswerber mit Schreiben vom 9. Juli 2008 eine Stellungnahme ein und führte aus, dass das Vorbringen des Bw nicht geeignet sei, den Nichtbedarf der neu  beantragten öffentlichen Apotheke darzutun. Weder sei er auf gleicher fachlicher Ebene dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer entgegengetreten noch habe er taugliche Angaben gemacht. Sein Vorbringen habe sich nur auf Behauptungen erstreckt. Dem Vorwurf, dass die Österreichische Apothekerkammer unstubstantiiert von den Ergebnissen der anonymisierten Hausapothekenstudie ausgegangen sei, werde die neueste Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegengehalten. Im Erkenntnis vom 21. Mai 2008, Zl. 2007/10/0029 habe der Verwaltungsgerichtshof mit besonderer Deutlichkeit die Anwendung der anonymisierten Hausapothekenstudie trotz gegenteiligen Vorbringens des Beschwerdeführers bejaht.

 

3.4. Das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke bei dem Konzessionswerber ist unbestritten. Unstrittig ist ebenso, dass die Entfernung der geplanten Betriebsstätte zur nächstgelegenen öffentlichen Apotheke mehr als 500 Meter beträgt, im gelben Polygon lediglich drei Ärzte für Allgemeinmedizin mit Hausapotheke ansässig sind und sich darin keine Fachärzte befinden. Wie den Beilagen zum Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer zu entnehmen ist, verläuft die Grenze des gelben Polygons unmittelbar neben der Hausapotheke in G.

Klärungsbedürftig ist, ob der Konzessionswerber vom Verbot des § 2 ApG erfasst wird. Strittig sind die Anwendung der anonymisierten Hausapothekenstudie auf den vorliegenden Fall und das Zurechnungspotential in den einzelnen Polygonen.    

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Nach § 10 Abs. 1 ApG ist die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke zu erteilen, wenn

         1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

         2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

 

Gemäß Abs. 2 besteht ein Bedarf nicht, wenn

         1. sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, oder

         2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

         3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5.500 betragen wird.  

 

Nach Abs. 4 sind gemäß Abs. 2 Z 3 zu versorgende Personen die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

 

Gemäß Abs. 5  sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigten, wenn die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5.500 beträgt.   

 

4.2. Wie bereits dargelegt, ist im vorliegenden Verfahren im Wesentlichen die Bedarfsfrage strittig.

 

Entgegen dem Vorbringen des Konzessionswerbers und entgegen den Ausführungen der belangten Behörde kann die Bedarfsbegründung nicht auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – im Besonderen auf das Erkenntnis vom 21. Mai 2008, Zl. 2007/10/0029-8 – gestützt werden.

 

Im angesprochenen Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ein Abstellen auf die Studie der Österreichischen Apothekerkammer deshalb für zulässig erklärt, weil der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen nicht aufgezeigt habe, dass das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer auf für den vorliegenden Fall nicht anwendbaren oder unzutreffenden Grundlagen beruhe. Der bloße Hinweis, die ermittelte Anzahl an zu versorgenden Personen sei wegen eines Bereitschaftsdienstturnus der hausapothekenführenden Ärzte überhöht, lasse nämlich nicht erkennen, dass und gegebenenfalls inwiefern ein solcher Bereitschaftsturnus zu anderen als den herangezogenen Grundlagen führen könnte. 

 

Wie dem herangezogenen Erkenntnis zu entnehmen ist, hat der Verwaltungsgerichthof vom Rechtsmittelwerber kein "Gegengutachten" gefordert, sich mit seinem gegen das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer gerichteten Vorbringen auseinander gesetzt und ist ihm aus den genannten Gründen ("....keine Prämisse des erstatteten Gutachtens ...") nicht gefolgt. 

 

Der vorliegenden Sachverhalt ist mit jenem im zitierten Erkenntnis nicht vergleichbar.

 

Im Verfahren vor der belangten Behörde hat der Bw aufgezeigt, dass die Studie der Österreichischen Apothekerkammer auf das Konzessionsverfahren nicht anwendbar und daher auch die Zurechnung von 22% der ständigen Einwohner aus dem gelben Polygon  zur bestehenden öffentlichen Apotheke nicht zulässig ist.

 

Der Bw hat vorgebracht, dass es im gelben Polygon keine Ärzte ohne Hausapotheke gibt, die ständigen Einwohner dieses Polygons Patienten von den Ärzten mit der Hausapotheke sind und ausschließlich aus den ärztlichen Hausapotheken mit Arzneimitteln versorgt werden. Träfe diese Annahme zu, wäre der im gelben Polygon wohnende Personenkreis nicht der öffentlichen Apotheke des Bw zuzurechen. Nicht unwesentlich sind auch die weiteren besonderen Umstände, wie z.B. die weiten Entfernungen zwischen den einzelnen Hausapotheken und der öffentlichen Apotheke (teilweise 16 km pro Fahrtstrecke), die Straßenverhältnisse, die je nach Jahreszeit stark variieren und das Fehlen von Fachärzten in H und G.

 

Im Erkenntnis vom 14. März 2008, Z. 2006/10/0258 hat der Verwaltungsgerichtshof wie bisher zur Abgrenzung der Versorgungspotentiale öffentlicher Apotheken zu jenen bestehen bleibender ärztlicher Hausapotheken ausgeführt, dass "der dem Versorgungspotential einer ärztlichen Hausapotheke zuzurechnende Personenkreis im Allgemeinen danach zu bestimmen ist, in welchem Ausmaß die Bewohner des betreffenden Gebietes ihren Arzneimittelbedarf schon bisher in der ärztlichen Hausapotheke gedeckt haben. Bei der Auswahl eines Arztes durch Patienten – der Kundenkreis der ärztlichen Hausapotheke ist sowohl faktisch als auch unter rechtlichen Gesichtspunkten dem Patientenkreis des hausapothekenführenden Arztes gleichzusetzen – sind räumliche Gesichtspunkte im Allgemeinen nämlich nicht von solcher Bedeutung, dass ein ausschließliches Abstellen auf die räumliche Nähe und Erreichbarkeit sachgerecht wäre. Räumliche Gesichtspunkte stehen in diesem Zusammenhang (lediglich) in zwei Fällen im Vordergrund: Zum einen, wenn im Hinblick auf die Entfernung des in Rede stehenden Gebietes vom Berufssitz des hausapothekenführenden Arztes und die Dichte der Versorgung durch andere Ärzte für Allgemeinmedizin nicht angenommen werden kann, dass eine (im Hinblick auf die Aussagekraft der Prognose) ins Gewicht fallende Zahl von Einwohner diese Gebietes den hausapothekenführenden Arzt aufsucht. Zum anderen, wenn das in Rede stehende Gebiet bei Fehlen andersweitiger ärztlicher Versorgung in unmittelbarer räumlicher Nähe des Berufssitzes des hausapothekenführenden Arztes liegt, sodass davon auszugehen ist, dass die Bevölkerung dieses Gebietes – von nicht ins Gewicht fallenden Ausnahmen abgesehen – diesen Arzt aufsucht."

 

Aufgrund des Vorbringens des Bw und seiner Beweisangebote bereits im Verfahren vor der belangten Behörde scheinen die vom Verwaltungsgerichtshof aufgezeigten Voraussetzungen erfüllt zu sein. Neben der räumlichen Nähe der ständigen Einwohner von H und G zu den hausapothekenführenden Ärzten (alle im gelbem Polygon), der großen räumlichen Entfernung zur nächstgelegen öffentlichen Apotheke (ca. 16 km von G nach B G), dem Fehlen von Fachärzten, dem Nichtbestehen einer anderweitigen ärztlichen Versorgung, der "rund um die Uhr" bestehenden Versorgung und der breiten Arzneimittelpalette dürften die ständigen Einwohner des gelben Polygons beinahe ausschließlich von den bestehenden Hausapotheken mit Arzneimitteln versorgt worden sein.

 

4.3. Da sich die belangten Behörde im Grunde nur auf das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer gestützt und sowohl das Vorbringen des Bw als auch seine Beweisangebote außer Acht gelassen hat, ist das erstbehördliche Ermittlungsverfahren bei der Bedarfsvermittlung in wesentlichen Punkten unvollständig geblieben.

 

Der vorliegenden Berufung war daher gemäß § 66 Abs. 2 AVG insoweit stattzugeben, als der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen war. 

 

Die belangte Behörde wird sich im weiteren Verfahren u.a. mit dem Vorbringen des Bw und seinen Beweisangeboten auseinanderzusetzen und nachvollziehbare Feststellungen zu treffen zu haben. Jedenfalls ist zu erheben, in welchem Ausmaß die Bewohner des gelben Polygons (im Besonderen die ständigen Einwohner von H und G) ihren Arzneimittelbedarf schon bisher in den ärztlichen Hausapotheken in G und H gedeckt haben. Sollte sich im Ermittlungsverfahren ergeben, dass ein Zurechnungspotential - wie im Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer ausgeführt – vorliegt, ist die belangte Behörde gehalten, sich mit dem weitergehenden Vorbringen des Bw (z.B. Verbot der Konzessionserteilung im Hinblick auf § 2 ApG) auseinander zu setzen.     

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Christian Stierschneider

 


 

 

VwSen-590193/2/SR/Sta

 

 kein RIS – ausschließlich interner Rechssatz

 

 

 

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