Linz, 23.12.2008
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier, über die Berufung gegen das Strafausmaß gerichtete des Herrn S T, geb. , L, vertreten durch RA Dr. W W L, betreffend das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, vom 27. November 2008, Zl. S 32.503/08-1, zu Recht:
I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 600,-- Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf sieben Tage ermäßigt wird.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 5/2005 - AVG iVm § 20, § 24 § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 5/2008 - VStG.
II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich folglich auf 60,-- Euro; für das Berufungsverfahren entfallen die Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis ein Schuldspruch wegen Übertretung nach § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO gefällt und eine Geldstrafe in Höhe von 900 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Tagen verhängt. Es wurde ein Blutalkoholgehalt von 1,51 %0 als erwiesen angesehen. Ebenfalls wurde dem Berufungswerber die Tragung Barauslagenersatzes für das Gutachten über die Blutalkohol-Untersuchung in Höhe von 256,80 auferlegt.
Dieser Ausspruch ist nicht Gegenstand des Berufungsvorbringens und damit auch nicht des Berufungsverfahrens.
1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend aus:
2. In der dagegen fristgerecht ausdrücklich nur gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung führte der Berufungswerbervertreter folgendes aus:
3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung konnte hier mangels gesonderten Antrages iVm der bloßen Strafberufung unterbleiben (51e Abs.3 Z2 VStG).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt. Daraus ergibt sich der unbestrittene der Bestrafung zu Grunde liegende Sachverhalt.
4. Der Berufungswerber lenkte am 10.8.2008 um 03:35 Uhr ein Fahrrad auf der Goethestraße, wo er offenbar wegen des Verdachtes der Begehung einer gerichtlichen Straftat von der Polizei festgenommen wurde. Auf Grund seiner Müdigkeit bzw. Erschöpfung wurde durch eine Blutabnahme der Alkoholisierungsgrad im hier zur Last gelegtem Umfang festgestellt. Bei seiner Einvernahme gestand er den Konsum von sechs Halbe Bier und auch eine größere Menge Schnaps ein.
6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:
§ 5 Abs.1 Z1 StVO lautet:
"Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt."
§ 99 Abs.1a und 1b lautet:
(1a) "Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 872 Euro bis 4.360 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zehn Tagen bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt."
§ 20 VStG lautet:
"Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden."
7. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 Strafgesetzbuch - StGB sinngemäß anzuwenden.
7.1. Nach § 99 Abs.1a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 872 Euro bis 4.360 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zehn Tagen bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.
7.1.1. Für den Fall des beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe kann nach § 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden. Bei der Beurteilung der Frage des "beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe" kommt es nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der Milderungsgründe an (VwGH 15.12.1989, 89/01/0100). Der Berufungswerber ist wohl verwaltungsstrafrechtlich nicht unbescholten, er verfügt aber einerseits nur über ein deutlich unterdurchschnittliches Einkommen und seine wirtschaftlichen Verhältnisse scheinen eher ungünstig, vor allem ist hier – wie oben schon ausgeführt - sowohl der Tatunwert als auch die Tatschuld unvergleichlich geringer anzunehmen als sie etwa im Fall einer Alkofahrt mit einem 40 t schweren Gefahrenguttransport vorliegt.
Um 03:32 Uhr geschah die Alkofahrt am Fahrrad darüber hinaus noch in der gänzlich verkehrsarmen Zeit. Es kann doch nicht vorborgen bleiben, dass sich ein alkoholisierter Radfahrer sich im Ergebnis überwiegend am ehesten nur selbst gefährdet (vgl. jüngst das h. Erk. 10.11.2008, VwSen-163624/2/Br/RSt).
Diese Umstände sind daher insbesondere mit Blick auf § 34 Abs.1 Z12 StGB, dessen Beurteilungskriterien durch § 19 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren gelten, als besonders überwiegende Milderungsgründe zu qualifizieren.
Daher ist auch ein Fahrentschluss auf geringeren Verschulden basierend, was unter Bedachtnahme auf das Sachlichkeitsgebot nicht unberücksichtig bleiben darf (vgl. dazu die h. Erk. v. 08.02.2005, VwSen-160237/5/Br/Wü, sowie v. 9.2.1998, VwSen-105157/5/BR). Die h. Judikatur ist seit jeher bestrebt unsachliche Ergebnisse in entsprechender Wertung ungleicher Ausgangslagen zu vermeiden (vgl. h. Erk. 19.06.1995VwSen-102913/2/Gu/Atz).
Wenn die Behörde erster Instanz vor diesem Hintergrund nicht einmal geneigt war die Mindeststrafe zu verhängen ist dies sachlich nicht nachvollziehbar.
Wenn der Gesetzgeber keine Möglichkeit einer diesbezüglichen Differenzierung einräumt hat eine entsprechende Berücksichtigung durch eine am Sachlichkeitsgebot zu orientierenden Gesetzesvollziehung geboten.
Die Bestimmung des § 20 VStG gelangt nach Aufhebung des § 100 Abs.5 StVO 1960 durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH 9.10.1997, G 216/96) auch für sogenannte Alkoverfahren wieder zur Anwendung. Bei vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht darauf ein Rechtsanspruch (vgl. etwa VwGH vom 31. 1.1990, 89/03/0027, VwGH 21.5.1992, 92/09/0015 und VwGH 2.9.1992, 92/02/0150).
Bereits mehrfach wurde durch den Unabhängigen Verwaltungssenat ausgesprochen, dass der Schutzzweck dem die Strafdrohung dient und das Ausmaß der mit einer Tat verbundenen Schädigung gesetzlich geschützter Interessen (§ 19 VStG) muss bei rechtsrichtiger Auslegung auf die Umstände des konkreten Falls und nicht bloß formelhaft zur Anwendung gelangen. Widrigenfalls käme es unvermeidlich zur Ungleichbehandlung dadurch, mit einer schablonenhaften Anwendung einer Bestimmung, Ungleiches in den Sanktionsfolgen nämlich gleich zu behandeln (vgl. unter vielen h. Erk. v. 21.2.1997, VwSen-104374).
Angesichts der hier vorliegenden Tatumstände schien daher auch in diesem Fall – so wie es bei alkoholisierten Radfahrern den Unwert des Deliktes zu differenzieren und im Sinne der Sachlichkeit und Gerechtigkeit anders zu werten gilt – das Vorgehen mit dem außerordentlichen Strafmilderungsrecht rechtlich geboten. Dem Berufungswerber kann daher in seinen Ausführungen dem Grunde nach durchaus gefolgt werden.
Ebenfalls stehen dieser für den alkoholisierten Radfahrer reduzierten Geldstrafe keine Aspekte der Prävention entgegen.
Eine volle Ausschöpfung des auf die Hälfte reduzierbaren Strafsatzes war jedoch angesichts der bestehenden Vormerkungen nicht vertretbar.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r
Beschlagwortung:
Radfahrer Unwertgehalt Sachlichkeitsgebot