Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281081/18/Wim/Pe/Ps

Linz, 26.11.2008

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn J O, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 27.3.2008, Ge96-2423-2007, nachträglich eingeschränkt auf die Strafhöhe, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutz­gesetzes (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 18.11.2008 zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe zu Faktum 1) und 2) auf jeweils 1.000 Euro, die Ersatzfreiheitsstrafen auf jeweils 45 Stunden, herabgesetzt werden.

 

II.        Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf insgesamt 200 Euro. Für das Berufungsverfahren ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 64 Abs.2 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Im angefochtenen Straferkenntnis wird der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) zweier Veraltungsübertretungen gemäß § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG und § 87 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) für schuldig erkannt und wurden über ihn zwei Geldstrafen von je 2.000 Euro, falls diese uneinbringlich sind eine Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 90 Stunden verhängt.

 

Ferner wurde der Bw gemäß § 64 VStG verpflichtet 400 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

 

Dem Schuldspruch liegt nachstehender Tatvorwurf zugrunde:

„Sie haben als Inhaber einer Gewerbeberechtigung für ‚Tischler (§ 94 Z21 GewO 1994)’ am Standort, Gemeinde, nicht dafür gesorgt, dass die Vorschriften des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes in Verbindung mit der Bauarbeiterschutzverordnung eingehalten wurden.

Anlässlich einer am 29.11.2006 von einem Arbeitsinspektionsorgan durchgeführten Erhebung bei der Baustelle W, K S, wurde festgestellt, dass die Arbeitnehmer, Herr R R, und Herr T S, als Leiharbeiter des Unternehmens H P Gesellschaft m.b.H., G, L (Überlasser) für Sie Arbeiten auf der ungesicherten Dachfläche durchführten.

Obwohl Absturzgefahr vom Dach (Höhe ca. 25,0 m) bestand, waren keine geeigneten Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 BauV vorhanden. Die Arbeitnehmer waren auch nicht mittels persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (Sicherheitsgeschirr) sicher angeseilt, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von bis zu 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein müssen.“

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung erhoben und das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach angefochten. Begründend wurde ausgeführt, dass zu Beginn der Arbeiten ein Gerüst vorhanden gewesen sei, sodass eine ausreichende Absturzsicherung existiert habe. Die Nichtkenntnis von der Entfernung dieses Gerüstes könne nicht als Fahrlässigkeit angesehen werden und werde dazu auf die Bestimmung des StGB hingewiesen. Weiters stehe fest, dass keine Außerachtlassung von Sorgfaltspflichten seitens des Bw vorliege, da bei Vorhandensein eines Gerüstes eine weitere Absturzsicherung unsinnig sei. Worin ein Sorgfaltsverstoß durch den Bw, wenn ohne sein Wissen und ohne ihn zu informieren, eine Absturzsicherung entfernt werde, erblickt werde, sei unbegründet geblieben und wäre aufgrund des Vorhandenseins von Absturzsicherungen zu Beginn der Arbeiten eine nochmalige Unterweisung der Arbeiter als nicht erforderlich erschienen. Weiters habe es seitens des Bw keine Anweisung an die Arbeitnehmer gegeben, das Dach zu betreten und entziehe es sich der Kenntnis des Bw, warum die Arbeiter das Dach betreten haben. Dem Bw sei somit nur dann Fahrlässigkeit vorzuwerfen, wenn er eine Weisung an die Arbeitnehmer erteilt hätte, das Dach trotz fehlender Absturzsicherungen zu betreten oder er Kenntnis von der Entfernung des Gerüstes gehabt hätte. Im Übrigen sei die verhängte Geldstrafe zu hoch bemessen und sei es nicht nachvollziehbar, die Höhe der Geldstrafe anhand der Absturzhöhe zu bemessen, weshalb beantragt werde, der Berufung Folge zu geben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 18.11.2008, an welcher der Bw und sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Linz in Vertretung für das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten teilgenommen haben. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Weiters wurde Herr Arbeitsinspektor Ing. H S zeugenschaftlich einvernommen. Die ebenfalls geladenen Zeugen T S und R R sind unentschuldigt nicht erschienen.

Im Zuge der Berufungsverhandlung hat der Bw seine Berufung auf das Strafausmaß eingeschränkt.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 87 Abs.2 BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Da der Bw anlässlich der mündlichen Verhandlung die Berufung auf die Strafhöhe eingeschränkt hat, ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und ist es daher dem Oö. Verwaltungssenat verwehrt, hierauf einzugehen.

 

4.2. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmten, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familien­verhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs handelt es sich bei der Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, die Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist.

 

4.3. Im angefochtenen Straferkenntnis wurden über den Bw zwei Geldstrafen von jeweils 2.000 Euro gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG verhängt. Als strafmildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit und als straferschwerend wurde die Absturzhöhe von ca. 25 m gewertet, da es zu schweren bzw. tödlichen Arbeitsunfällen hätte kommen können. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. 1.500 Euro, Schulden von rund 700.000 Euro und keinen Sorgepflichten zugrunde gelegt.

 

Nichtsdestotrotz erscheinen dem Oö. Verwaltungssenat die verhängten Geldstrafen als zu hoch bemessen, da der Bw keine einschlägigen rechtskräftigen Verwaltungsvorstrafen im Zeitpunkt der Tatbegehung aufweist und sich kein Arbeitsunfall ereignete. Dem Oö. Verwaltungssenat erscheinen die nunmehr verhängten Geldstrafen im Ausmaß von je 1.000 Euro noch tat- und schuldangemessen und geeignet, den Bw von der Begehung gleichartiger Übertretungen abzuhalten. Im Übrigen hat auch das Arbeitsinspektorat in  der Verhandlung einer Herabsetzung der verhängten Strafen zugestimmt.

 

5. Der Kostenspruch ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Leopold Wimmer