Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-522125/9/Br/RSt

Linz, 18.12.2008

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau W K, geb.  , G, dzt. aufhältig p.A. S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 8.5.2008, Zl. VerkR20-2385-2004, wegen einer Aufforderung nach § 24 Abs.4 FSG 1997, nach der am 18.12.2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben; der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 67a AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008; §§ 24 Abs.4 iVm 8 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 31/2008.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Berufungswerberin wurde mit dem angefochtenen Bescheid aufgetragen, sich binnen einem Monat ab Rechtskraft des Bescheides amtsärztlich bei dieser Behörde untersuchen zu lassen.

In der Bescheidbegründung berief sich die Behörde erster Instanz auf ein bei ihr eingelangtes Schreiben wonach sie als Lenkerin eines Kraftfahrzeuges mehrfach kritische Verkehrssituationen hervorgerufen habe.

 

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt die Berufungswerberin aus:

"gegen den Bescheid vom 3. November 2008, worin die gesundheitliche Eignung, ein KFZ der Klasse B zu lenken, aufgrund eines Schreibens eines Nachbarn, Herrn Mag. S, (wohnhaft erst seit kurzem gegenüber meiner Wohnung, wo mein Mann und ich seit über 38 Jahren leben), angezweifelt wird.

Herr Mag. S behauptet in seinem Schreiben an die Behörde, dass er beobachtet habe, dass ich ohne zu schauen aus meinem Parkplatz vorm Haus auf die Strasse (L) gefahren sei. Ihm scheint entgangen zu sein, dass mein Mann prinzipiell, wenn wir 1 — 2 Mal pro Woche mit dem Auto notwendige Besorgungen tätigen, sich auf die Strasse begibt, wo er guten Überblick über die Verkehrssituation hat, mir Zeichen gibt, wann ich gefahrlos ausparken kann.

Da es bereits mehrmals aus diversen Gründen zu Meinungsverschiedenheiten mit Herrn Mag. S kam, liegt der Verdacht nahe, dass die Sachverhaltsdarstellung des Herrn Mag. S weniger aus einem Sicherheitsdenken heraus entstand, sondern eher einer Animosität entsprang.

Ich fühle mich absolut imstande, ein Fahrzeug der Klasse B zu lenken. Fahre seit über dreißig Jahren unfallfrei. Außerdem empfinde ich es nicht für richtig, aufgrund einer unbewiesenen Behauptung einer Beobachtung Jemanden vor eine Behörde zu zitieren, und ersuche, meinem Einspruch stattzugeben."

 

 

 

3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 Z2 AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier geboten (§ 67d Abs.1 AVG).

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt und durch Beweisaufnahme im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu der die Berufungswerberin persönlich erschienen war.

 

 

3.1. Die Berufungswerberin übermittelte über die in der Ladung zur Berufungsverhandlung ausgesprochene Empfehlung ein ärztliches Attest. Damit wird ihr im Ergebnis ein ihrem Lebensalter entsprechender Gesundheitszustand und ein normwertiges Leistungsprofil attestiert. Davon konnte sich die Berufungsbehörde auch persönlich überzeugen. Die Berufungswerberin machte einen durchaus rüstigen und geistig regen Eindruck. Sie erklärte über eine jahrzehntelange Fahrpraxis zu verfügen, wobei sie früher jährlich im Durchschnitt 20.000 km zurücklegte.

Zwischenzeitig sind es nur mehr jährlich vielleicht 4.000 km, wobei sich ihre Fahrten überwiegend auf Einkaufsfahrten und Fahrten zum Arzt mit ihrem 85-jährigen Ehemann beschränken. Sie hat all die Jahre nie einen Verkehrsunfall oder sonst eine Beanstandung im Straßenverkehr verursacht.

Vor dieser Faktenlage vermag ein sachlicher Anhaltpunkt  für eine gesonderte Untersuchung der gesundheitlichen Eignung iSd Führerscheingesetzes anzuordnen nicht erblickt werden. Selbst wenn die Anzeige hier von einer rechtskundigen Person erfolgte, vermag dies objektiv nicht die Grundlage für eine Zuführung zum Amtsarzt iSd § 24 Abs.4 FSG bilden. Es kann dahingestellt bleiben ob diese Anzeige aus seriösen Motiven erfolgten und der Anzeiger hierfür qualifiziert anzusehen ist.

Wenn die Behörde erster Instanz in ihrem Entschuldigungsschreiben vom 9.12.2008 hinsichtlich der Nichtteilnahme an der Berufungsverhandlung auf die "im Bescheid vertretene Rechtsansicht" hinwies, vermag sie damit ihre Entscheidung auf der Sachebene nicht zu verteidigen. Vielmehr stützt sich die im Bescheid getroffene Anordnung lediglich  auf die eher unsubstanzierte Mitteilung, die laut Berufungswerberin in einer Animosität des Mitteilenden vermutet wird. Darauf alleine kann bei sachlicher Betrachtung die Anwendung des § 24 Abs.4 FSG jedenfalls noch nicht gestützt werden.

Damit würde im Ergebnis seitens der Verwaltung dem Gesetzgeber vorgegriffen, welcher bislang eine am Lebensalter orientierte Nachuntersuchung nicht normiert hat. Schließlich scheint es rechstaatlich problematisch auf Zuruf eines – möglicher weise nicht wohl gesonnenen Nachbarn – einen Bürger einer Tauglichkeitsuntersuchung zuzuführen. Ein vermeintliche Ungeschicklichkeit beim Ausparken, selbst wenn diese Bedenken von einem angeblich rechtskundigen Bürger erhoben werden, reichen für solch begründete Bedenken aus der Sicht der Berufungsbehörde (noch) nicht aus. In diesem Punkt kann der Berufungswerberin durchaus in ihren Bedenken gefolgt werden.

Nicht zuletzt unterstützt die bisherige Verkehrsbewährung der Berufungswerberin keineswegs (sach-)begründete Zweifel an deren  gesundheitlichen Eignung.

Sohin können die im angefochtenen Bescheid ausgesprochenen Bedenken sachlich nicht begründet werden.

 

 

4. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinn des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

 

     1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

     ...

     Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen.

 

     ...

 

(3) Ergibt sich aus der Vorgeschichte oder anlässlich der Untersuchung der Verdacht auf das Vorliegen eines Zustandes, der die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen würde, so ist gegebenenfalls die Vorlage allfälliger fachärztlicher oder verkehrspsychologischer Stellungnahmen zu verlangen. Diese Stellungnahmen sind bei der Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen und im Gutachten in geeigneter Weise zu bewerten, wobei die zusätzlichen Risiken und Gefahren, die mit den Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 verbunden sind, besonders zu berücksichtigen sind.

 

 

4.1. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind für einen Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs.4 FSG jedenfalls begründete Bedenken in der Richtung notwendig, dass der Inhaber der Lenkerberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Es müssen hiefür zwar nicht Umstände vorliegen, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Überprüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (vgl. hiezu VwGH vom 25.5.2005, GZ. 2004/11/0016 und andere). Hiefür spricht auch der klare Wortlaut des § 24 Abs.4 1. Satz FSG, dessen Inhalt besagt, dass zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind. Diese Formulierung setzt jedenfalls ein aktuelles Ereignis voraus, das begründete Bedenken hinsichtlich des Wegfalls der – im Zweifel jedenfalls vorliegenden – Voraussetzungen bei der Behörde hervorruft.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ferner ein Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs. 4 in Verbindung mit § 26 Abs. 5 FSG nur dann zulässig, wenn begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hierbei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (siehe dazu unter anderem VwGH 10.11.1998, Zl. 98/11/0120, VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0248 und VwGH 18.3.2003, Zl. 2002/11/0230). Ein solcher Aufforderungsbescheides wurde beispielhaft dann als rechtens erachtet, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestanden hätten, der Betroffene sei wegen mangelhaften Sehvermögens oder mangelhaften Hörvermögens nicht hinreichend frei von Behinderungen oder ihm fehle die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung (s. VwGH 13.8.2003, 2002/11/0103).

Auch hier enthielt der Bescheid nicht nur keine ausreichende, sondern überhaupt keine sachlich ableitbare Begründung für einen solchen Verdacht! Vielmehr können diese auf Grund des vorgelegten ärztlichen Befundes widerlegt gelten.

 

Zuletzt ist vor diesem Hintergrund zu bemerken, dass dem Gewalt- u. Gestaltungsmonopol des Staates im Rahmen seiner grundsätzlichen Eingriffsrechte in bürgerliche Belange Grenzen gesetzt sind. Diese Grenzen wären jedenfalls überspannt, wenn durch extensive Auslegung (hier des § 24 Abs.4 FSG) ein Mensch bereits durch ein vermeintlich ungeschicktes Ein- oder Ausparkmanöver dessen gesundheitliche Fahreignung anzuzweifeln wäre bzw. er diese neuerlich zu belegen hätte.

Die Notwendigkeit begründeter Bedenken und deren Inhalte fassen sich auch der nachfolgenden Judikatur ableiten (VwGH 13.12.2005, 2005/11/0191, sowie auch zu § 75 Abs. 1 KFG 1967 z.B. VwGH 20.9.2001, 99/11/0279 mit Hinweis auf VwGH 3.7.1990, Zl. 89/11/0224 unter Hinweis auf die in § 3 Abs. 1 FSG-GV, sowie VwGH 17.3.2005, 2004/11/0014).

 

Der angefochtene Bescheid war demnach ersatzlos zu beheben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum