Linz, 22.12.2008
E r k e n n t n i s
(Bescheid)
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn J W, geb. , O, M, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. S – Dr. S – Mag. A, S, G, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 01.12.2008, VerkR21-15321-2008 betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, Ablieferung des Führerscheines und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, zu Recht erkannt:
I.
Betreffend die
- Entziehung der Lenkberechtigung einschließlich
der Festsetzung der Entziehungsdauer
(zwei Wochen, vom 2.12.2008 bis einschließlich 16.12.2008)
sowie
- Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines
wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und
der erstinstanzliche Bescheid als rechtmäßig bestätigt.
Rechtsgrundlagen:
§ 26 Abs.3 iVm § 7 Abs.3 Z4 FSG,
BGBl. I Nr. 120/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 31/2008
§ 29 Abs.3 FSG
II.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung wird
als nicht rechtmäßig festgestellt.
Rechtsgrundlage: § 64 Abs.2 AVG
Entscheidungsgründe:
Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid
dem/den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) gemäß näher bezeichneter Rechtsgrundlagen nach dem FSG
- die Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Dauer von
zwei Wochen – gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides – entzogen und
- verpflichtet, den Führerschein sofort bei der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen abzuliefern.
Einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgte am 2.12.2008 – Entziehungsdauer somit von 2.12.2008 bis einschließlich 16.12.2008.
Gegen diesen Bescheid hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 04.12.2008 erhoben.
Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a Abs.1 AVG) erwogen:
Gemäß § 67d Abs.1 und Abs.3 erster Satz AVG ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich, da der – durch einen Rechtsanwalt vertretene – Bw diese in der Berufung nicht beantragt hat;
VwGH vom 28.04.2004, 2003/03/0017.
Der Bw lenkte am 19.01.2008 um 15.53 Uhr einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW auf der A 21, nächst Strkm. 0,75, Rampe 2, Fahrtrichtung Linz.
Dabei ist er – nach Abzug von 5 % Messtoleranz (Radarmessung) –
mit einer Geschwindigkeit von 151 km/h gefahren und hat dadurch die
dort durch das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 51 km/h überschritten.
Die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten hat mit Straferkenntnis vom 25.09.2008, PLS2-S-083901 über den Bw wegen der Verwaltungsübertretung nach
§ 52 lit.a Z10a iVm § 99 Abs.2c Z9 StVO eine Geldstrafe verhängt.
Der Bw hat eine Berufung nur gegen das Strafausmaß erhoben –
der UVS des Landes NÖ hat daraufhin die Geldstrafe herabgesetzt .
Der Schuldspruch des oa Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft
St. Pölten ist somit – mangels Anfechtung – in Rechtskraft erwachsen.
Zur Rechtskraft und Bindungswirkung ist auszuführen:
Wird jemand wegen einer Verwaltungsübertretung nach der StVO – mittels Strafverfügung, Straferkenntnis oder Berufungsentscheidung – rechtskräftig bestraft, so besteht in Angelegenheiten der Entziehung der Lenkberechtigung eine Bindungswirkung an diesen Strafbescheid.
VwGH vom 20.9.2001, 2001/11/0237; vom 23.4.2002, 2002/11/0063; vom 8.8.2002, 2001/11/0210; vom 26.11.2002, 2002/11/0083; vom 25.2.2003, 2003/11/0029; vom 25.11.2003, 2003/11/0200; vom 6.7.2004, 2004/11/0046.
1. Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 StVO:
Das Ausmaß der Alkoholisierung ist kein Tatbestandsmerkmal, welches im Spruch des Straferkenntnisses aufzuscheinen hat;
VwGH vom 12.10.2007, 2007/02/0263; vom 16.12.2005, 2005/02/0236;
vom 29.5.1998, 98/02/0179 mit Vorjudikatur.
Betreffend den Alkoholisierungsgrad besteht jedoch Bindungswirkung an die angewendete Strafnorm:
Bindungswirkung nach § 99 Abs.1 lit.a iVm § 5 Abs.1 StVO besteht dahingehend, dass der Alkoholisierungsgrad 0,8 mg/l oder mehr betragen hat:
VwGH vom 22.1.2002, 2001/11/0408; vom 24.4.2001, 2001/11/0101;
vom 23.10.2001, 2001/11/0295
Bindungswirkung nach § 99 Abs.1a iVm § 5 Abs.1 StVO besteht dahingehend, dass der Alkoholisierungsgrad mind. 0,60 mg/l und höchstens 0,79 mg/l betragen hat: VwGH vom 13.12.2001, 2001/11/0298 mit Vorjudikatur
Bindungswirkung nach § 99 Abs.1b iVm § 5 Abs.1 StVO besteht dahingehend, dass der Alkoholisierungsgrad mind. 0,40 mg/l und höchstens 0,59 mg/l betragen hat: VwGH vom 30.5.2001, 99/11/0159;
vgl. auch VwGH vom 24.6.2003, 2003/11/0132 und vom 28.6.2001, 99/11/0265
2. Verweigerung des Alkotests oder der Blutabnahme:
Bindungswirkung nach § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO besteht dahingehend, dass die Vornahme des Alkotests verweigert wurde:
VwGH vom 6.7.2004, 2004/11/0046; vom 25.11.2003, 2003/11/0200;
vom 20.9.2001, 2001/11/0237
Bindungswirkung nach § 99 Abs.1 lit.c iVm § 5 Abs.6 StVO besteht dahingehend, dass die Blutabnahme verweigert wurde:
VwGH vom 7.10.1997, 97/11/0264 mit Vorjudikatur
3. Sonstige Übertretungen nach der StVO:
Bindungswirkung nach § 99 Abs.2 lit.c (iVm z.B. § 18 Abs.1 oder § 16 Abs.2 lit.a) StVO besteht dahingehend, dass eine Übertretung nach der StVO, z.B.
- Nichteinhalten des Sicherheitsabstandes oder
- Überholmanöver, obwohl andere Straßenbenützer hätten gefährdet werden können
unter "besonders gefährlichen Verhältnissen" begangen wurde;
VwGH vom 24.5.2005, 2005/11/0092 ("Ablehnungsbeschluss"); vom 23.4.2002, 2000/11/0091; vom 27.5.1999 ; 99/11/0035; vom 10.5.1998 ; 96/11/0209;
vom 15.12.1992, 92/11/0145;
insbes. vom 23.4.2002, 2002/11/0063 – siehe den ausdrücklichen Wortlaut:
"Bindungswirkung einer rechtskräftigen Bestrafung nach § 99 Abs.2 lit. c StVO"
4. Zwischenergebnis:
Aus den zitierten VwGH-Erkenntnissen geht eindeutig hervor,
dass die Bindungswirkung sich auf die angewendete Strafnorm
(§ 99 Abs. .... lit. ..... StVO ) bezieht.
5. Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit:
Zur Bindungswirkung bei Überschreitung der jeweils geltenden Höchstgeschwindigkeit § 99 Abs.3 lit.a iVm § 20 Abs.2 oder § 52 lit.a Z10a oder § 52 lit.a Z11a StVO ist auszuführen:
Grundsätzlich besteht an das im Straferkenntnis enthaltene Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung keine Bindungswirkung;
VwGH vom 27.1.2005, 2003/11/0169; vom 20.2.2001, 98/11/0306;
vom 12.4.1999, 98/11/0272; vom 28.6.2001, 99/11/0155;
vom 18.12.1997, 96/11/0080 ua.
Der Gesetzgeber hat in § 99 Abs.2c Z9 StVO idF BGBl. I Nr. 15/2005 betreffend Geschwindigkeitsüberschreitungen folgende neue bzw. zusätzliche Strafnorm erlassen:
"Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 2.180 Euro – im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis 6 Wochen – zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschreitet."
6. Ergebnis:
Erfolgt eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.2c Z9 (iVm § 20 Abs.2 oder § 52 lit.a Z10a oder § 52 lit.a Z11a) StVO, steht bindend fest, dass der Betreffende die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit
- im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder
- außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten
und dadurch
(falls diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde)
eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z4 FSG verwirklicht hat!
Im gegenständlichen Fall steht – durch die rechtskräftige Bestrafung nach § 99 Abs.2c Z9 StVO – fest, dass der Bw am 19.01.2008 um 15.53 Uhr an einer näher bezeichneten Straßenstelle mit einem dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten hat.
Die vom Bw begangene Geschwindigkeitsüberschreitung wurde mittels Radargerät – somit einem technischen Hilfsmittel iSd § 7 Abs.3 Z4 FSG (VwGH vom 27.01.2005, 2003/11/0169) – festgestellt; .
Die Entziehung der Lenkberechtigung ist dann nicht mehr zulässig, wenn zwischen der Tat einerseits und der Einleitung des Entziehungsverfahrens andererseits mehr als ein Jahr verstrichen ist und der Betreffende in dieser Zeit im Verkehr nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist;
VwGH vom 17.03.2005, 2005/11/0016; vom 24.06.2003, 2003/11/0138;
vom 24.04.2001, 2001/11/0056; vom 20.02.2001, 2000/11/0279;
vom 12.12.2000, 2000/11/0151 alle mit Vorjudikatur uva.
Es kommt auf die Zeit zwischen der Tat und der Einleitung des Entziehungsverfahrens und nicht auf die Zeit zwischen der Tat und der Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides an;
VwGH vom 24.06.2003, 2003/11/0138 uva sowie
ausführlich VwGH vom 23.03.2004, 2004/11/0008 –
dort zur fixen Entziehungsdauer nach § 26 Abs.2 FSG (vier Monate):
dem dortigen Beschwerdeführer wurde wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO gemäß § 26 Abs.2 FSG die Lenkberechtigung für die Dauer von vier Monaten entzogen.
Zwischen der Tat (15.08.2002) einerseits und dem Beginn der Entziehungsdauer (21.11.2003) andererseits ist ein Zeitraum von ca. 15 Monaten vergangen.
Der VwGH hat die Entziehung der Lenkberechtigung als rechtmäßig bestätigt bzw. die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Im gegenständlichen Fall wurde das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 16.10.2008, VerkR21-15321-2008
"Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" eingeleitet.
Dieses Schreiben wurde dem Bw am 21.10.2008 zugestellt.
Zwischen der Tat (19.1.2008) einerseits und der Einleitung des Entziehungsverfahrens (21.10.2008) andererseits ist ein Zeitraum von 9 Monaten vergangen.
Gemäß § 26 Abs.3 iVm § 7 Abs.3 Z4 FSG ist in einem derartigen Fall die Lenkberechtigung für die Dauer von zwei Wochen zu entziehen.
Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs.3 Z4 FSG genannten Übertretung (ohne Qualifikation) hat die Entziehungsdauer nach dem Wortlaut des § 26 Abs.3 FSG jedenfalls zwei Wochen zu betragen.
Die Wertung jener bestimmten Tatsachen, in Ansehung derer im Gesetz selbst die Entziehungsdauer mit einem fixen Zeitraum normiert ist, hat zu entfallen;
VwGH vom 23.05.2003, 2003/11/0128; vom 23.05.2003, 2003/11/0031;
vom 24.04.2001, 2001/11/0056 alle mit Vorjudikatur.
Auf folgenden Umstand ist hinzuweisen –
auch wenn der Bw diesbezüglich nichts vorgebracht hat:
Dem Bw wurde nicht nur die Lenkberechtigung für die Klasse B,
sondern auch jene für die Klasse A entzogen.
Eine Sinnesart iSd § 7 Abs.1 FSG bezieht sich nicht nur auf einzelne Klassen von Kraftfahrzeugen; VwGH vom 27.06.2000, 99/11/0384 unter Verweis auf das Erkenntnis vom 23.10.1990, 90/11/0134.
Die belangte Behörde hat daher dem Bw völlig zu Recht die Lenkberechtigung für die Dauer von zwei Wochen entzogen.
Die Entziehungsdauer (02.12.2008 bis einschließlich 16.12.2008) ist bereits abgelaufen und der Bw mittlerweile wieder verkehrszuverlässig.
Der UVS hat im Rahmen seiner Kontrollfunktion gegenüber dem Erstbescheid zu beurteilen, ob der Bw während der von der Erstbehörde festgesetzten Entziehungsdauer verkehrsunzuverlässig gewesen ist;
VwGH vom 23.5.2003, 2003/11/0129; vom 28.5.2002, 2002/11/0074 und
vom 22.3.2002, 2001/11/0041 mwH.
Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines ist in der zitierten Rechtsgrundlage (§ 29 Abs.3 FSG) begründet.
Betreffend die
- Entziehung der Lenkberechtigung einschließlich
Festsetzung der Entziehungsdauer sowie
- Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines
war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen und
der erstinstanzliche Bescheid als rechtmäßig zu bestätigen.
Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung ist auszuführen:
Im gegenständlichen Fall erfolgte die Entziehung der Lenkberechtigung ca. 10,5 Monate nach der Tat – für einen Zeitraum von zwei Wochen.
Die Annahme von Gefahr in Verzug und der darauf gestützte Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung kommt in einem derart gelagerten Fall nicht in Betracht;
VwGH vom 09.11.1999, 99/11/0225.
Da die Entziehungsdauer bereits abgelaufen und der Bw mittlerweile wieder verkehrszuverlässig ist, war
die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung (§ 64 Abs.2 AVG) als nicht rechtmäßig festzustellen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.
Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 13,20 Euro angefallen.
Mag. Josef Kofler
Beschlagwortung:
"Zwei-Wochen-Entziehung"; Rechtskraft – Bindungswirkung