Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420568/2/WEI/Ga

Linz, 18.12.2008

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß aus Anlass der Beschwerde des C W, L, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abnahme bzw Beschlagnahme von 23 Schaublättern aus dem EG-Kontrollgerät anlässlich einer Verkehrskontrolle am 12. September 2008 durch dem Bezirkshauptmann von Linz-Land zurechenbare Polizeibeamte den Beschluss gefasst:

 

Die Beschwerde wird samt dem Antrag auf Schadenersatz in Höhe von 3.000,-- Euro als unzulässig zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs 1 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) iVm § 67 Abs 1 Z 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG); §§ 67c und 79a AVG.

 

 

B e g r ü n d u n g :

 

1. Mit der am 23. Oktober 2008 beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingelangten Eingabe vom 20. Oktober 2008 hat der Beschwerdeführer (im Folgenden Bf) laut "Betreff: Maßnahmenbeschwerde nach dem SPG" erhoben und dazu im Wesentlichen folgenden Sachverhalt vorgebracht.

 

Am 12. September 2008 gegen 15:00 Uhr habe der Bf seinen Sattelzug aus Richtung Straßham kommend in Richtung Kirchberg/Thening gelenkt. Zwischen Straßham und Kirchberg/Thenning sei er auf einem Schotterparkplatz von der Polizei angehalten worden. In weiterer Folge hätten ihm die Polizisten 23 Schaublätter und seinen Gewerbeschein (vorübergehend) abgenommen und wären einfach mit dem Bemerken weggefahren, sie müssten die Papiere kopieren. Als sie nach ca. 30 Minuten noch immer nicht zurückgekommen wären, hätte der Bf über Notruf die nächste Polizeidienststelle angerufen. Man hätte ihm dann schließlich telefonisch mitgeteilt, er möge zur Firma D in H, T D S, fahren, wo man ihm die Papiere hinbringen werde. Tatsächlich hätte man ihm dorthin nur den Gewerbeschein sowie eine Bestätigung der PI L, Block Nr.:    , Blatt 01, über die Beschlagnahme von 23 Schaublättern gebracht.

 

Auf seine entsprechende Frage hätte man ihm erklärt, dass er die Fahrzeiten (gemeint: Lenkzeiten) überschritten hätte und die Schaublätter erst ausgewertet werden müssten. Die Beschlagnahme der Schaublätter sei mit der Beweissicherung für das Verwaltungsstrafverfahren begründet worden. Dazu hält der Bf fest, dass es kein Gesetz gäbe, welches die Beschlagnahme auch nur von irgendwelchen Gegenständen (gemeint: zum Zwecke der Beweissicherung) im Zuge eines Verwaltungsstrafverfahrens zulasse.

 

Bei der vorläufigen Beschlagnahme handle es sich um einen Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, der nach dem Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG beim unabhängigen Verwaltungssenat angefochten werden könne. Die in der Abnahmebestätigung angeführten diversen Gesetze (u.A. § 39 VStG, Finanzstrafgesetz, StPO und sogar Waffengesetz) gingen samt und sonders ins Leere und rechtfertigten auf keinen Fall eine Beschlagnahme.

 

Sollte die Behörde anführen, dass die Abnahme auf Grund des Art 14 Abs 1 der EG-VO 3821/85 erfolgte, so vertritt der Bf dazu die Ansicht, dass auch dieses Gesetz keine Beschlagnahme von Schaublättern erlaube. Die zitierte Gesetzesstelle betreffe nur den Unternehmer dahingehend, dass er u. A. eine ausreichende Zahl von Schaublättern den Lenkern zur Verfügung zu stellen habe.

 

Der unabhängige Verwaltungssenat möge erkennen, dass die Beschlagnahme der Schaublätter rechtswidrig war und dem Bf in diesem Fall auch eine Entschädigung in der Höhe von 3.000 Euro zusprechen.

 

Lediglich der Ordnung halber hält der Bf fest, dass er noch von keiner Behörde einen Beschlagnahmebescheid erhalten habe. Eine Kopie der Abnahmebestätigung schloss er seiner Beschwerde an.

 

2. Im Formular der mit 12. September 2008 (um 15:00 Uhr) datierten und in H ausgestellten Abnahmebestätigung (Block Nr. 076709 Ftl. Nr. 01) für den namentlich angeführten Bf wurde die Variante "vorläufige Beschlagnahme zur Beweissicherung etc." angekreuzt, aber keine weitere Präzisierung der im Formular angeführten diversen Rechtsgrundlagen vorgenommen. Im Raum für Eintragungen unter "Verzeichnis" wird angegeben "23 Stück Tachographenscheiben im Zeitraum vom 07.08. 2008 – 12.09.2008.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat von der Beteiligung der belangten Behörde am Verfahren abgesehen, weil er schon auf Grund des Beschwerdevorbringens davon ausgeht, dass die Beschwerde von vornherein mangels des Vorliegens von Prozessvoraussetzungen als unzulässig zurückzuweisen ist.

 

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Zu den begrifflichen Voraussetzungen der Beschwerde

 

Gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist im allgemeinen ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit [1983], 74).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl mwN Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 Rz 610).

 

Im vorliegenden Fall bekämpft der Bf die Abnahme (Beschlagnahme) von insgesamt 23 Schaublättern aus dem Fahrtschreiber bzw EG-Kontrollgerät seines Sattelzugfahrzeuges anlässlich der polizeilichen Lenker- und Fahrzeugkontrolle vom 12. September 2008 gegen 15:00 Uhr in H und begehrt diese Abnahme der Schaublätter für rechtswidrig zu erkennen und ihm eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro zuzusprechen.

 

Nach Ansicht des zuständigen Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats handelt es sich bei der Abnahme (Beschlagnahme) von ausgehändigten Schaublättern des Fahrtschreibers bzw EG Kontrollgeräts durchaus um einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, weil der Betroffene keine reale Möglichkeit hat, sich dem impliziten Duldungsbefehl der Polizei zu widersetzen, ohne die Ausübung von physischer Gewalt zu riskieren.

 

Der für den Fall der Rechtswidrigerklärung ausdrücklich beanspruchte Schadenersatz in Höhe von 3.000 Euro kann allerdings nicht Gegenstand eines Verfahrens über eine Maßnahmenbeschwerde sein, weil den unabhängigen Verwaltungssenaten dafür schon die allgemeine Zuständigkeit fehlt. Der Zuspruch von Schadenersatz aus Anlass von rechtswidrigen Amtshandlungen fällt unter das Amtshaftungsgesetz und ist im Zivilrechtsweg vor den ordentlichen Gerichten durchzusetzen.

 

4.2. Beschlagnahme von Schaublättern zur Beweissicherung?

 

Diese vom Bf für das Verwaltungsstrafverfahren generell verneinte Möglichkeit bzw Frage ist vor dem Hintergrund der nachfolgend dargestellten Rechtsvorschriften zu beurteilen:

 

4.2.1. Rechtslage nach dem Kraftfahrrecht

 

Gemäß § 102 Abs 1a KFG 1967 haben Lenker von Lastkraftwagen und Sattelzugfahrzeugen mit einem Eigengewicht von mehr als 3.500 kg oder von Omnibussen dafür zu sorgen, dass der Wegstreckenmesser und der Fahrtschreiber auf Fahrten in Betrieb sind und dass im Fahrtschreiber ein geeignetes, ordnungsgemäß ausgefülltes Schaublatt eingelegt ist. Es darf pro Person und Einsatzzeit im Sinne des § 16 Arbeitszeitgesetz nur ein Schaublatt im Fahrtschreiber eingelegt sein, in das der Name des Lenkers einzutragen ist. Die Schaublätter, handschriftlichen Aufzeichnungen und die in der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 vorgesehenen Ausdrucke aus einem digitalen Kontrollgerät der laufenden Woche sowie der dieser vorausgehenden 15 Tage, ab 1. Jänner 2008 des laufenden Tages und der vorausgehenden 28 Tage sowie die Fahrerkarte sind mitzuführen. Die Lenker haben auf Verlangen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht diesen das Schaublatt des Fahrtschreibers oder des Kontrollgerätes sowie die mitgeführten Schaublätter, handschriftlichen Aufzeichnungen, die in der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 vorgesehenen Ausdrucke aus dem digitalen Kontrollgerät für Zeiträume, in denen ein Fahrzeug mit digitalem Kontrollgerät gelenkt worden ist, und die Fahrerkarte auszuhändigen. Hierüber ist dem Lenker eine Bestätigung auszustellen. Ist das Fahrzeug mit einem digitalen Kontrollgerät ausgerüstet, so gelten die Bestimmungen des § 102a KFG 1967 über die Fahrerkarte.

 

Nach § 102a Abs 11a KFG 1967 haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Straßenaufsicht die Einhaltung der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 hinsichtlich des Mindestalters und der Lenk- und Ruhezeiten (Artikel 5 ff) sowie des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl Nr. 518/1975, in der Fassung BGBl Nr. 203/1993 zu kontrollieren. Zur Feststellung einer Überschreitung der höchstzulässigen Lenkzeit oder Unterschreitung der vorgeschriebenen Ruhezeit können auch Aufzeichnungen der Schaubblätter vom Fahrtschreiber oder vom Kontrollgerät sowie Aufzeichnungen oder Ausdrucke von der Fahrerkarte oder des digitalen Kontrollgerätes herangezogen werden.

 

4.2.2. Unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht

 

Die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr sollte die wirksame Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (zunächst die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985, mittlerweile aufgehoben durch die Verordnung (EG) Nr. 561/2006) gewährleisten. In den Begründungserwägungen der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 (vgl insb Erwägungen 3, 15, 17 und 31) wird ausgeführt, dass Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 zu allgemein gehalten waren. Die Vorschriften über die Lenkzeiten und Ruhezeiten müssten klarer und einfacher werden, um eine wirksame und einheitliche Durchsetzung mit Hilfe des digitalen Fahrtenschreibers nach der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät (in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 432/2004 der Kommission) zu ermöglichen. Mit der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 sollen die sozialen Bedingungen für die Arbeitnehmer sowie die allgemeine Straßenverkehrssicherheit verbessert werden. Die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 sollte geändert werden, um die besonderen Verpflichtungen der Verkehrsunternehmen und Fahrer klar herauszustellen, die Rechtssicherheit zu fördern und die Durchsetzung der maximalen Lenk- und Ruhezeiten durch Straßenkontrollen zu erleichtern.

 

Gemäß Art 13 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 sorgen der Unternehmer und die Fahrer für das einwandfreie Funktionieren und die ordnungsgemäße Benutzung des Kontrollgeräts sowie der Fahrerkarte, wenn der Fahrer ein Fahrzeug benutzt, das mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I B (gemeint: digitales Kontrollgerät) ausgerüstet ist.

 

Nach Art 14 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 händigt der Unternehmer den Fahrern von Fahrzeugen mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I (gemeint: nicht digitales Gerät) eine ausreichende Anzahl Schaublätter aus, wobei dem persönlichen Charakter dieser Schaublätter (gemeint: ein separates Schaublatt für jeden Fahrer), der Dauer des Dienstes und der Möglichkeit Rechnung zu tragen ist, dass beschädigte oder von einem zuständigen Kontrollbeamten beschlagnahmte Schaublätter ersetzt werden müssen. Der Unternehmer händigt den Fahrern nur solche Schaublätter aus, die einem amtlich genehmigten Muster entsprechen und die sich für das in das Fahrzeug eingebaute Gerät eignen.

 

Ist ein Fahrzeug mit einem (digitalen) Kontrollgerät gemäß Anhang I B ausgerüstet, tragen der Unternehmer und der Fahrer dafür Sorge, dass im Fall einer Kontrolle der Ausdruck gemäß Anhang I B unter Berücksichtigung der Dauer des Dienstes auf Anforderung ordnungsgemäß erfolgen kann.

 

Art 14 Abs 2 der Verordnung Nr. 3821/85 idFd Verordnung (EG) Nr. 561/2006 verpflichtet den Unternehmer die Schaublätter und allfällige Ausdrucke nach Art 15 Abs 1 der Verordnung (bei Beschädigung, Fehlfunktion oder Nichtvorhandensein der Fahrerkarte) in chronologischer Reihenfolge und in lesbarer Form nach der Benutzung mindestens ein Jahr lang aufzubewahren. Nach dem Schlusssatz sind die Schaublätter, die Ausdrucke und die heruntergeladenen Daten jedem befugten Kontrollbeamten auf Verlangen vorzulegen oder auszuhändigen.

 

4.2.3. Zulässigkeit der Abnahme von Schaublättern des EG-Kontrollgerätes

 

Die Zulässigkeit der Abnahme bzw Beschlagnahme von Schaublättern des Kontrollgerätes ergibt sich zwar nicht aus § 102 Abs 1a KFG 1967, weil dort nur von der Pflicht zum Aushändigen die Rede ist. Entgegen der Ansicht des Bf wird die Zulässigkeit aber aus dem Art 14 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 abgeleitet (vgl Grundtner/Pürstl, KFG8 [2008] § 102 Anm 25). Aus dem Regelungszweck der oben unter 4.2.2. dargestellten Bestimmungen dieser Verordnung ist abzuleiten, dass die Abnahme (Beschlagnahme) von Schaublättern zu Beweissicherungszwecken, die an befugte Kontrollbeamte ausgehändigt wurden, als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Dies kommt im Art 14 Abs 1 der zitierten Verordnung zum Ausdruck, indem dem Unternehmer aufgetragen wird, auch die Möglichkeit der Beschlagnahme von Schaublättern durch befugte Kontrollbeamte zu bedenken und seinem Fahrer auch insofern eine ausreichende Zahl von Schaublättern zur Verfügung zu stellen.

 

Da die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Straßenaufsicht gemäß § 102 Abs 1a KFG 1967 die Aushändigung der Schaublätter des Kontrollgerätes verlangen können, handelt es sich bei diesen Organen um die befugten Kontrollbeamten im Sinne der Art 14 und 15 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 (vgl Grundtner/Pürstl, KFG8 [2008] § 102 Anm 24 unter Hinweis auf Materialien).

 

Im vorliegenden Fall der Verwendung eines Sattelzugfahrzeuges zur Güterbeförderung musste nach Art 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 ein Kontrollgerät eingebaut und benutzt werden. Eine Ausnahme für Fahrzeuge iSd Art 3 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 oder Freistellung iSd Art 13 Abs 1 und 3 dieser Verordnung (näher dazu § 24 Abs 2a KFG 1967) kam offensichtlich nicht in Betracht.

 

4.3. Mangelnde Beschwerdelegitimation

 

Für die Beschwerdelegitimation ist nach herrschender Meinung auch die Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechts des Bf erforderlich, was dann anzunehmen ist, wenn die Maßnahme in die Rechtssphäre des Bf eingreift. Konnte der Bf durch die Maßnahme in seinen Rechten aber gar nicht verletzt sein, so ist seine Maßnahmenbeschwerde zurückzuweisen. Dies gilt auch dann, wenn ein objektives Rechtsschutzinteresse von vornherein fehlt (näher zum Ganzen mwN Hengstschläger/Leeb, AVG [3. TB 2007] § 67a Rz 63 ff, 66; Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit [1983] 87; Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde [2006], 65 f)

 

Im vorliegenden Fall hat der Bf (sinngemäß) vorgebracht, dass er über polizeiliche Aufforderung 23 Schaublätter aus dem nach der Verordnung (EWG) 3821/85 vorgeschriebenen Fahrtschreiber bzw Kontrollgerät aushändigte, die ihm in der Folge nicht mehr zurückgegeben wurden. Über die Abnahme (Beschlagnahme) der Schaublätter hat der Bf von einem Polizeibeamten eine Bestätigung erhalten, weshalb er für allfällige weitere Kontrollen abgesichert war. Nach Darstellung des Bf wurde ihm mitgeteilt, dass er die zulässigen Lenkzeiten überschritten habe und die Schaublätter erst ausgewertet werden müssten.

 

Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats besteht bei dieser Sachlage vor dem Hintergrund der oben unter Punkt 4.2. dargestellten Rechtslage in Bezug auf das ordnungsgemäße Funktionieren des EG-Kontrollgeräts und die Auswertung seiner Aufzeichnungen ein öffentliches Beweisführungsinteresse, um mittels dieser technischen Aufzeichnungen die Sozialvorschriften im Straßenverkehr wirksam überwachen zu können und in weiterer Folge auch die Verkehrssicherheit wesentlich zu verbessern. Demgegenüber besteht kein rechtlich geschütztes Privatinteresse des Unternehmers oder des Lenkers eines LKWs am Besitz von Schaublättern oder etwa daran, Schaublätter der Kontrolle durch befugte Organe und der nachfolgenden Analyse und allfälligen sachverständigen Auswertung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens vorzuenthalten. Vielmehr wäre die Fälschung oder Unterdrückung von solchen technischen Aufzeichnungen, die zur Verwendung in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren bestimmt sind, gemäß den §§ 293, 295 StGB gerichtlich strafbar. Auch Fahrtenschreiberdiagramme fallen unter den Beweismittelbegriff (vgl dazu Plöchl/Seidl, Wiener Kommentar2 [48. Lfg. 2004] Rz 12 zu § 293 StGB).

 

Die einschlägige Verordnung über das EG-Kontrollgerät geht ganz selbstverständlich von der Beschlagnahme von Schaublättern zu Beweiszwecken durch befugte Kontrollbeamte aus. Eine solche Beschlagnahme des Originals eines Schaublatts kann den Sinn der näheren Auswertung der technischen Aufzeichnung durch eine Lesegerät oder überhaupt der technischen Untersuchung auf Manipulationen haben. Ohne diese Möglichkeit wären Kontrollen durch die Organe der öffentlichen Sicherheit oder der Straßenaufsicht wenig effektiv und damit auch in präventiver Hinsicht nicht hinreichend wirksam, um Missbräuchen im Güter- und Personentransportverkehr vorzubeugen.

 

Weil das Kontrollgerät mit seinen Schaublättern gerade deshalb vorgeschrieben wurde, um dem öffentlichen Beweisführungsinteresse im Dienste einer wirksamen Kontrolle der Personen- und Güterbeförderung im Straßenverkehr zu genügen, hatte der Bf auch kein eigenes rechtlich geschütztes Interesse an der Nichtabnahme bzw Rückgabe der Schaublätter. Der Bf konnte daher nach dem Zweck der einschlägigen Regelungen durch die von ihm bekämpfte Abnahme der Schaublätter aus dem EG-Kontrollgerät nicht in seinen Rechten verletzt werden. In einem aus diesem Anlass gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahren hat er ohnehin das uneingeschränkte Recht auf Parteiengehör und Akteneinsicht. Er kann sich jederzeit Ablichtungen der Schaublätter anfertigen und Beweisanträge zu den Aufzeichnungen stellen oder zu Aussagen von behördlich beigezogenen Sachverständigen Stellung nehmen.

 

5. Im Ergebnis war daher die Maßnahmenbeschwerde des Bf mangels eines eigenen Rechtsschutzinteresses des Bf bzw deshalb zurückzuweisen, weil der Bf durch die Abnahme des Schaublatts nicht in seinen Rechten verletzt werden konnte.

 

Eine Kostenentscheidung gemäß § 79a AVG zugunsten der belangten Behörde als der obsiegenden Partei war nicht zu treffen, weil die belangte Behörde noch nicht ins Verfahren einbezogen war und ihr daher auch kein Verfahrensaufwand entstanden ist.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Bundesstempelgebühren je von 13,20 Euro für Beschwerde und von 3,60 für 1 Beilage kurz, insgesamt daher von 16,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

Rechtssätze zu VwSen-420568 vom 18. Dezember 2008

(tw wie zu VwSen-420559 vom 16. Dezember 2008)

 

Art 14 Abs 2 Verordnung (EWG) Nr. 3821/85

 

Die Verordnung über das Kontrollgerät (Fahrtschreiber) im Straßenverkehr dient der wirksamen Überwachung der Bestimmungen zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr nach der Verordnung (EG) Nr. 561/2006. Sie geht implizit davon aus, dass eine Beschlagnahme von Schaublättern zu Beweissicherungszwecken durch befugte Kontrollbeamte zulässig ist.

 

§ 67a Abs 1 Z 2 AVG; § 102 Abs 1a und Abs 11a KFG iVm Art 13 ff Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 idFd Verordnung (EG) Nr. 561/2006

 

Am ordnungsgemäßen Funktionieren des EG-Kontrollgeräts und der Auswertung seiner Aufzeichnungen besteht ein öffentliches Beweisführungsinteresse. Hingegen haben weder der Unternehmer noch der Lenker ein rechtlich geschütztes Privatinteresse am Besitz der Schaublätter oder deren Vorenthaltung zur Vermeidung einer beweissichernden Auswertung und von wirksamen behördlichen Kontrollen. Vielmehr fallen Fahrtenschreiberdiagramme als technische Aufzeichnungen, die zur Verwendung in einem behördlichen Verfahren bestimmt sind, unter den Schutz der Beweismitteldelikte nach §§ 293 (Beweismittelfälschung) und 295 (Beweismittelunterdrückung) StGB.

 

Der Bf hat demnach auch kein geschütztes Interesse an der Nichtabnahme bzw Rückgabe der von ihm ausgehändigten Schaublätter des EG-Kontrollgeräts. Im Verwaltungsstrafverfahren kommen ihm ohnehin das Recht auf Akteneinsicht und Parteiengehör zu. Seine Beschwerde war mangels Beschwerdelegitimation infolge fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig zurückzuweisen.

 

 

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