Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240653/2/Gf/Mu/Ga

Linz, 17.12.2008

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung der B B, L, vertreten durch die RAe Dr. A J, Mag. A L und Mag. J W, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 13. Oktober 2008, GZ 117298/2007, wegen einer Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes zu Recht erkannt:

I.       Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.     Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 66 Abs. 1 VStG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 13. Oktober 2008, GZ 117298/2007, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geldstrafe in Höhe von 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Stunden) verhängt, weil sie es als verantwortliche Beauftragte einer AG zu vertreten habe, dass von diesem Unternehmen am 19. Juni 2007 durch Lieferung an eine Firma in Wien ein Produkt in Verkehr gebracht worden sei, das nicht den Bestimmungen der Spielzeugverordnung entsprochen habe. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 16 Abs. 1 Z. 2 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, BGBl.Nr. I 13/2006, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 121/2008 (im Folgenden: LMSVG), i.V.m. § 2 der Spielzeugverordnung, BGBl.Nr. 823/1994, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. II 245/2003 (im Folgenden: SpielzeugV), begangen, weshalb sie nach § 90 Abs. 1 LMSVG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die der Beschwerdeführerin angelastete Tat auf Grund eines Gutachtens eines Amtssachverständigen, in dem zweifelsfrei festgestellt werde, dass die Probe ablösbare kleine Teile enthalte und daher für Kleinkinder nicht als Spielzeug geeignet sei, als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei die bisherige Unbescholtenheit der Rechtsmittelwerberin als mildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien. Mangels entsprechender Mitwirkung seien ihre Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihr am 17. Oktober 2008 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 31. Oktober 2008 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Darin bringt die Rechtsmittelwerberin vor, dass das eingeholte Gutachten übersehe, dass sich aus der Kennzeichnung des gegenständlichen Spielzeuges zweifelsfrei ergebe, dass dieses von Kindern unter 3 Jahren nur unter der Aufsicht von Erwachsenen benützt werden darf, weil sich auf der Verpackung der unmissverständliche Hinweis: „Nicht geeignet für Kinder unter drei Jahren. Verschluckbare Kleinteile!“ befindet. Außerdem könne ihr die angelastete Tat schon deshalb nicht persönlich zum Vorwurf gemacht werden, weil sie sich in einer zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Lieferanten ausdrücklich ausbedungen habe, dass die gelieferte Ware allen in Betracht kommenden europäischen Standards entsprechen müsse. Schließlich habe sie die Ware nach Kenntnisnahme vom Inhalt des Gutachtens ohnehin umgehend aus dem Verkehr gezogen.

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu eine Herabsetzung der Strafe beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates Linz zu GZ 117298/2007; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen schon gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 und 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Weil im angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, ist im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (vgl. § 51c VStG).

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 90 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 Z. 2 LMSVG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 Euro zu bestrafen, der Gebrauchsgegenstände, die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch ungeeignet sind, in Verkehr bringt.

Nach § 3 Z. 7 lit. e LMSVG gilt Spielzeug für Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr ex lege als Gebrauchsgegenstand i.S.d. LMSVG.

Unter „Inverkehrbringen“ ist gemäß § 3 Z. 9 LMSVG i.V.m. Art. 3 Z. 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 u.a. das Bereithalten von Lebensmitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jede andere Form der Weitergabe – gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht – sowie der Verkauf, der Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst zu verstehen. Von daher besehen ist daher auch das Liefern von Spielzeug als ein Inverkehrbringen zu qualifizieren.

3.2. Im gegenständlichen Fall steht offenbar allseits außer Streit, dass das vorliegende Spielzeug, nämlich aus Karton gefertigte Puzzles, die jeweils aus nur 3 Teilen bestehen, fraglos dazu geeignet ist, von Kleinstkindern als Puzzlespiel verwendet zu werden. Sie sind daher zweifelsfrei für einen „bestimmungsgemäßen Gebrauch geeignet“, sodass damit auch kein Verstoß gegen § 16 Abs. 1 Z. 2 LMSVG vorlag.

In dem im erstbehördlichen Akt enthaltenen Gutachten des Institutes für Lebensmitteluntersuchung Linz der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit vom 21. September 2007, GZ 7060255 (im Folgenden kurz: „Gutachten“), wird daher demgegenüber ohnehin primär moniert, dass das Spielzeug bei typischerweise nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch durch Kleinkinder – wie z.B. Herumbeißen, wodurch der Karton infolge Speicheleinwirkung aufgeweicht und so letztlich in derart kleinen Teilen abgebissen werden kann, dass diese von Kindern verschluckt werden können – ein Erstickungsrisiko darstellt, das auch nicht durch zusätzliche Warnhinweise ausgeschlossen werden kann (vgl. S. 5 des Gutachtens).

Diese Auffassung ist zwar der Sache zutreffend, denn ein bloß schriftlicher Warnhinweis – wie z.B. hier: „Nicht geeignet für Kinder unter 3 Jahren. Verschluckbare Kleinteile“, der noch dazu an einer völlig unauffälligen Stelle und in ebenso unauffälliger Schriftgröße und –farbe angebracht ist – kann auch unter der Aufsicht eines Erwachsenen selbstredend keinesfalls eine echte Gewähr dafür bieten, dass ein Abbeißen und Verschlucken solcher Kleinteile durch die Aufsichtsperson rechtzeitig und zuverlässig verhindert werden kann.

Allerdings liegt in einer derartigen Anlastung nicht ein Verstoß gegen § 16 Abs. 1 Z. 2 LMSVG, sondern vielmehr eine Übertretung von Vorschriften der Anlage 2 zu § 2 Abs. 1 SpielzeugV (vgl. z.B. insbesondere die Z. 2 und 3 der „Allgemeinen Grundsätze“ und die Z. 1 lit. a, d und e der „Besonderen Risiken“). 

Dies ist insofern von Wesentlichkeit, weil die SpielzeugV nach § 98 LMSVG zwar als „auf Grund des LMSVG“ erlassen gilt, eine Übertretung derselben jedoch nach § 90 LMSVG nicht unter Strafe gestellt ist (vgl. insbesondere § 90 Abs. 3 Z. 2 und 3 LMSVG). Ob hingegen die ihrer Präambel nach „auf Grund des § 29 des [bereits mit 20. Jänner 2006 außer Kraft getretenen] Lebensmittelgesetzes 1975“ erlassene SpielzeugV inhaltlich nunmehr auch in einer Bestimmung des LMSVG – insbesondere in einer solchen, die in der Aufzählung des § 90 Abs. 3 Z. 2 LMSVG enthalten ist (wie zB in § 19 Abs. 1 LMSVG) – ihre Deckung findet, kann aber schon deshalb dahingestellt bleiben, weil dies selbst dann, wenn dies tatsächlich zutreffen würde, jedenfalls aus der Sicht des Normunterworfenen insgesamt nicht mehr dem Verfassungsgebot des „nullum crimen sine lege“ (vgl. Art. 7 Abs. 1 EMRK) entsprechen würde: Für einen Durchschnittsbürger wäre nämlich die gesetzliche Grundlage der Bestrafung so nicht mehr nachvollziehbar.

3.3. Aus all dem folgt für den gegenständlichen Fall, dass der Beschwerdeführerin seitens der belangten Behörde – wobei diese möglicherweise durch den im Gutachten enthaltenen Hinweis: „Gem. § 16 Abs. 1 Z 2 LMSVG ist es verboten, Gebrauchsgegenstände, die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch ungeeignet sind, in Verkehr zu bringen“ (vgl. S. 5) irregeleitet wurde – unter dem Aspekt des Konkretisierungsgebotes des § 44a Z. 1 VStG eine Tat angelastet wurde, die sie entweder so nicht begangen hat bzw. die keinen Tatbestand einer Verwaltungsübertretung bildet oder für die keine gesetzliche Grundlage für eine Bestrafung existiert.

3.4. Der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG schon aus diesem Grund stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Rechtsmittelwerberin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Grof

Rechtssatz:

 

VwSen-240653/2/Gf/Mu/Ga vom 17. Dezember 2008

 

Art. 7 MRK; § 16 LMSVG; § 90 LMSVG; § 2 SpielzeugV:

 

Keine Strafbarkeit des Inverkehrbringens von Puzzlespielen aus Karton für Kleinstkinder, bei denen Erstickungsgefahr infolge des Abbeißens von verschluckbaren Kleinteilen besteht, gemäß § 16 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 90 LMSVG;

Allenfalls liegt ein Verstoß gegen die Anlage 2 zur SpielzeugV vor; da die SpielzeugV allerdings nicht in der Strafbestimmung des § 90 LMSVG genannt ist, würde eine Bestrafung dem Grundsatz des Art. 7 Abs. 1 EMRK (nulla poena sine lege) widersprechen.