Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251842/28/Kü/Hu

Linz, 22.01.2009

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung des Herrn G S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H-P B, E-K, S, vom 10. Juni 2008 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 27. Mai 2008, SV96-20-2008, wegen Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 4. Dezember 2008 zu Recht erkannt:

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

II.    Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.  Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 27 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr.52/1991 idgF.

zu II.: § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 27. Mai 2008, SV96-20-2008, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 3 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z1 lit.a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) zwei Geldstrafen in Höhe von 2.000 Euro bzw. 1.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 66 Stunden bzw. 33 Stunden, verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis lag folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Die S GmbH mit dem Sitz in der Gemeinde L hat als  Arbeitgeber die Ausländer

1.     S S, geb., mazedonischer Staatsangehöriger, von März 2007 bis zur Kontrolle am 25.3.2008 als LKW-Fahrer nachweislich laut Tachografenschaublätter am 7.2.2008 von 14.00 Uhr – 15.45 Uhr (mit Unterbrechungen), 7.3.2008 von 13.00 Uhr – 16.00 Uhr, 10.3.2008 von 11.30 Uhr – 13.55 Uhr, 12.3.2008 von 10.45 Uhr – 13.45 – 18.20 Uhr (mit Unterbrechungen), 13.3.2008 von 6.30 Uhr – 10.45 Uhr (mit Unterbrechungen), 14.3.2008 von 17.05 Uhr – 20.00 Uhr, 17.3.2008 von 7.05 Uhr – 16.00 Uhr (mit Unterbrechungen), 18.3.2008 von 11.50 Uhr – 13.20 Uhr, 19.3.2008 von 16.25 Uhr – 17.00 Uhr, 20.3.2008 von 11.50 Uhr – 16.45 Uhr (mit Unterbrechungen), 21.3.2008 von 15.45 Uhr – 17.45 Uhr (mit Unterbrechungen) und

2.     M T, geb., bulgarischer Staatsangehöriger, vom 3.9.2007 bis 12.9.2007 als Kraftfahrer nachweislich laut Tachografenschaublätter am 4., 5., 6., 7., 10., 11. und 12.9.2007

beschäftigt, ohne dass ihr eine Beschäftigungsbewilligung oder Zulassung als Schlüsselkraft erteilt noch eine Anzeigebestätigung oder den Ausländern eine Arbeitserlaubnis oder eine "Niederlassungsbewilligung-unbeschränkt" oder ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" oder ein Niederlassungsnachweis ausgestellt wurde.

Hiefür sind Sie als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S GmbH mit dem Sitz in der Gemeinde L verantwortlich."

 

Begründend führte die Erstinstanz aus, dass sich Herr S S im Verhältnis zur S GmbH wirtschaftlich und auch im Hinblick auf die organisatorischen Aspekte in einer ähnlichen Situation befunden habe, wie dies bei einem Arbeitnehmer typischerweise der Fall sei. Es sei daher von einer Scheinselbstständigkeit auszugehen. Da die S GmbH sogar die Rechnungen für S S für seine Tätigkeiten ausgedruckt habe, die Umsatzsteuervoranmeldung für ihn erledigt habe, der Rahmen des Gewerbescheins überschritten worden sei, etc. hätte klar sein müssen, dass hier eine Selbstständigkeit vorgelegen sei bzw. dass eine arbeitsmarktbehördliche Genehmigung notwendig gewesen wäre.

 

Zur Beschäftigung von T M wurde festhalten, dass laut Tachografenschaublättern dieser von der S GmbH als Kraftfahrer beschäftigt worden sei. Die S GmbH habe am 10.9.2007 um Beschäftigungsbewilligung angesucht.

 

Die Anmeldung zur Sozialversicherung und die Einbringung eines Antrags auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung beim AMS vor der Kontrolle stelle im Fall der Beschäftigung von T M einen Milderungsgrund dar. Die Dauer der illegalen Beschäftigung des S S sei als Erschwerungsgrund zu werten gewesen.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Rechtsvertreter des Bw eingebrachte Berufung, in welcher als Berufungsgründe die Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Sachverhaltsfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht werden.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass hinsichtlich S S von einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis im gegenständlichen Fall keine Rede sein könne, zumal die Voraussetzungen hiefür nicht gegeben seien. Herr S sei zu keinem Zeitpunkt organisatorisch in den Betrieb eingebunden gewesen. Weiters habe auch keine Weisungsbefugnis gegenüber Herrn S bestanden, vielmehr sei es so gewesen, dass Herr S seine Leistungen dem Betrieb ordnungsgemäß in Rechnung gestellt habe. Unrichtig sei, dass die Firma S für Herrn S Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt abgegeben habe. Der Firma S gegenüber habe Herr S stets vorgegeben, die entsprechenden behördlichen Bewilligungen zu besitzen. Für die Einhaltung der behördlichen Vorschriften habe demnach ausschließlich Herr S zu sorgen gehabt und seien allfällige diesbezügliche Verstöße nicht der Firma S zuzurechnen.

 

Hinsichtlich T M habe die Behörde unberücksichtigt gelassen, dass der subjektive Tatbestand keinesfalls erfüllt sei. Der Firma S sei bereits vor Antragstellung zugesagt worden, dass Herr M die erforderlichen Bewilligungen für die beabsichtigte Beschäftigung erhalten würde, sodass es sich lediglich noch um eine reine Formalsache gehandelt habe. In Anbetracht dieser Zusagen sei bei Arbeitsantritt umgehend der entsprechende Antrag bei der Behörde eingebracht worden, sodass von einem Verschulden keine Rede sein könne.

 

Im Übrigen seien die verhängten Geldstrafen bei weitem überhöht.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. hat mit Schreiben vom 17. Juni 2008 die Berufung samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 4. Dezember 2008, an welcher der Rechtsvertreter des Bw, ein Vertreter der belangten Behörde sowie Vertreter des Finanzamtes S V und S-S teilgenommen haben. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der namhaft gemachte Zeuge A F einvernommen.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der S GmbH, welche im Firmenbuch mit dem Sitz in S, L, eingetragen ist. Der Standort der Gewerbeberechtigung der S GmbH befindet sich allerdings in N, P. Die Geschäftsführung der S GmbH sowie sämtliche Firmenagenden und auch Dispositionen der Fahrzeuge werden vom Standort in N aus getätigt.

 

Mit Strafantrag vom 22. April 2008 brachte das Finanzamt S V bei der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. zur Anzeige, dass Herr S S beim Lenken des Lastkraftwagens mit dem behördlichen Kennzeichen, zugelassen auf die S GmbH mit Anschrift N, angetroffen wurde, ohne entsprechende arbeitsmarktrechtliche Papiere vorweisen zu können. Diesem Strafantrag ist auch ein Versicherungsdatenauszug beigeschlossen, in dem als Dienstgeber die S GmbH mit Adresse P, N, genannt ist.

 

Mit weiterem Strafantrag vom 25. April 2008 des Finanzamtes S-S wurde der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. angezeigt, dass im Zuge einer Kontrolle der bulgarische Staatsangehörige T M beim Lenken des Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen, zugelassen auf die Firma S GmbH mit Anschrift L, unterwegs gewesen ist und keine arbeitsmarktrechtlichen Papiere vorweisen konnte. In diesem Strafantrag wurde darauf hingewiesen, dass der Standort der Gewerbeberechtigung der S GmbH in der P, N, gelegen ist.

 

In der Folge wurde das Verwaltungsstrafverfahren mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2. Mai 2008 gegen den Bw eingeleitet. Die Stellungnahme des Bw vom 8. Mai 2008 hat dieser auf Briefpapier der S GmbH I T, P, N, abgegeben. Darüber hinaus hat der Bw in seiner Rechtfertigung darauf hingewiesen, dass bezüglich der Arbeitsgenehmigung für Herrn T M beim AMS S angesucht wurde. Diesbezüglich wurde auch der Schriftverkehr mit dem Arbeitsmarktservice S vorgelegt.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den im Akt einliegenden Strafanträgen bzw. den genannten Schriftstücken.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist - auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Ist danach die Zuständigkeit mehrerer Behörden begründet oder ist es ungewiss, in welchem Sprengel die Übertretung begangen worden ist, so ist die Behörde zuständig, die zuerst eine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2) vorgenommen hat.

 

Gemäß § 28 VStG ist die Behörde, die zuerst von einer Verwaltungsübertretung Kenntnis erlangt, zur Verfolgung zuständig, solange nicht ein Umstand hervorgekommen ist, der nach § 27 Abs.1 die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet.

 

5.2. Im Erkenntnis vom 22.1.2002, Zl. 2000/09/0147, stellt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass auch im Fall von Übertretungen gemäß § 28 AuslBG im Zweifel der Sitz des Unternehmens des Arbeitgebers der Tatort ist, den dort wird in der Regel die gegebenenfalls nach dem AuslBG verpönte Beschäftigung eingegangen, bzw. wären von dort aus die allenfalls erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen zu beantragen. Wird die tatsächliche Leitung eines Unternehmens jedoch an einem anderen Ort als dem im Firmenbuch eingetragenen Sitz des Unternehmens ausgeübt, so hat dies zur Folge, dass als Ort der Beschäftigung dieser tatsächliche Sitz der Unternehmensleitung und auch dieser Ort als jener Ort, von welchem aus die allenfalls erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen hätten beantragt werden müssen, anzunehmen ist.

 

In den gegenständlichen Fällen wurden die Strafanträge sowohl des Finanzamtes S V als auch des Finanzamtes S-S aufgrund des im Firmenbuch eingetragenen Sitzes der S GmbH an die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. zur Durchführung des Verwaltungs­straf­verfahrens weitergeleitet.

 

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erstbehörde nicht verhalten von Amts wegen Ermittlungen darüber anzustellen, ob nicht etwa die tatsächliche Unternehmensleitung einer GesmbH von einem anderen Ort aus erfolgt wäre. Ein Umstand, der gemäß § 27 Abs.1 VStG die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet, kann nämlich erst dann als hervorgekommen angesehen werden, wenn er der Behörde zur Kenntnis gelangt ist, allenfalls in dem Zeitpunkt, in dem ihn die Behörde bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt hätten kennen müssen. Kommt ein solcher Umstand nicht bis zur Fällung des Straferkenntnisses hervor, dann ist die nach § 28 VStG vorläufig zuständige Behörde auch zur bescheidmäßigen Bestrafung zuständig (vgl. VwGH vom 22.1.2002, Zl. 200/09/0147).

 

Im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass der einschreitenden Erstbehörde, bereits aufgrund der Strafanträge des Finanzamtes S V bzw. Finanzamtes S-S Zweifel an der örtlichen Zuständigkeit hätten kommen müssen. Im Strafantrag des Finanzamtes S V wird davon gesprochen, dass Herr S S beim Lenken eines Lastkraftwagens, welcher auf die Firma S GmbH mit Sitz in N zugelassen ist, angetroffen wurde. Weiters ist der Anzeige ein Versicherungsdatenauszug angeschlossen, in dem der Dienstgeber S GmbH, P, N, aufgelistet ist. Im weiteren Strafantrag des Finanzamtes S-S wird in der Sachverhaltsdarstellung bereits darauf hingewiesen, dass der Gewerbestandort der S GmbH in N gelegen ist. Ebenso ergibt sich aus dem vorgelegten Versicherungsdatenauszug hinsichtlich T M bzw. den beigeschlossenen Vollanzeigen des Arbeitsmarktservices S, dass der Dienstgeber S GmbH, P, N, ist. In Beantwortung der Aufforderung zur Rechtfertigung hat der Bw durch sein Schreiben, insbesondere mit dem Briefkopf der S GmbH mit Sitz in N ebenfalls verdeutlicht, dass sich der Sitz der Geschäftsleitung nicht wie im Firmenbuchauszug ausgewiesen in L, sondern vielmehr in N befindet. Zudem hat der Bw ein Schreiben der regionalen Geschäftsstelle S des Arbeitsmarktservices, vorgelegt. Aus den erwähnten Strafanträgen bzw. den vom Bw vorgelegten Unterlagen ist zweifelsfrei ersichtlich, dass die tatsächliche Geschäftsführung der S GmbH nicht vom Standort L aus, sondern – wie sich auch im Zuge der mündlichen Verhandlung ergeben hat – vom Standort N aus vorgenommen wird. Die bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen hätten bei der Erstinstanz im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich des Tatortes einer Übertretung nach § 28 AuslBG Zweifel erwecken müssen, ob das Unternehmens tatsächlich von dem im Firmenbuch angegebenen Sitz aus oder doch von dem sich aus den Unterlagen ergebenden Sitz des Unternehmens in N geleitet wird. Im gegenständlichen Fall ist daher davon auszugehen, dass die Unternehmensleitung der S GmbH ausschließlich vom Sitz N vorgenommen wird und daher als Tatort der Verwaltungsübertretung ausschließlich dieser Sitz der Unternehmensleitung in Frage kommt. Aufgrund der vorgelegten Strafanträge bzw. der Rechtfertigung des Bw ist der tatsächliche Sitz der S GmbH in N im laufenden Verfahren zur Kenntnis gebracht worden. Bezogen auf das gegenständliche Straferkenntnis bedeutet dies, dass dieses von der örtlich nicht zuständigen Behörde gefällt wurde, weshalb das angefochtene Straferkenntnis aus diesem Grunde zu beheben war. Eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens ist nicht geboten, da Verfolgungsverjährung nicht eingetreten ist.

 

6. Da die Berufung Erfolg hatte, waren die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 65 VStG dem Bw nicht aufzuerlegen. Aufgrund der Aufhebung der verhängten Strafen entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

 

 

 

 

 

 

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