Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163694/6/Fra/RSt

Linz, 26.01.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung der Herrn S B, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. S M, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 23. Oktober 2008, VerkR96-10629-2008, betreffend Übertretung des § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 19. Jänner 2009, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 unter Anwendung des § 20 VStG eine Geldstrafe von 800 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 240 Stunden) verhängt, weil er am 6.4.2008 um 02.55 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen, ..., in vermutlich alkoholbeeinträchtigtem Zustand in Schwanenstadt auf der B135 Gallspacher Straße auf Höhe des Hauses Gmundnerstraße     gelenkt hat. Obwohl vermutet werden konnte, dass er sich bei dieser Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand (deutlicher Alkoholgeruch aus dem Mund, schwankender Gang, lallende Aussprache, gerötete Augenbindehäute und Vortestergebnis von 0,86 mg/l AAK), hat er sich am 6.4.2008 zwischen 03.12 Uhr und 03.19 Uhr am Ort der Anhaltung gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht insofern geweigert, die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, als er insgesamt acht Testversuche so unzureichend durchführte, dass kein gültiges Messergebnis zustande kommen konnte.

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Über die dagegen rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied (§ 51c erster Satz VStG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 19. Jänner 2009 erwogen:

 

3.1. Unstrittig ist, dass der Bw als Lenker des in Rede stehenden Pkws zum im angefochtenen Schuldspruch angeführten Tatzeitpunkt am angeführten Ort gelenkt und zu der angeführten Zeit von einem von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht aufgefordert wurde, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Unstrittig ist, dass vorerst eine Aufforderung mit einem Vortestgerät erfolgte und dieser Test ein Ergebnis von 0,86 mg/l AAG erbrachte. Bei der anschließenden Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt kam nach acht unzureichenden Versuchen kein gültiges Messergebnis zustande.

 

Der Bw brachte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vor, sich nie geweigert zu haben, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Er habe keinesfalls absichtlich acht Testversuche so unzureichend durchgeführt, dass kein gültiges Messergebnis zustande kommen konnte. Vielmehr habe es ihm seine Kieferspalte unmöglich gemacht, genug Luft für den Test "rauszubringen".

 

Der Bw legte auch eine Stellungnahme des Facharztes für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Dr. R H, N vom 27.6.2008 vor. In dieser Stellungnahme bestätigt Dr. H, dass beim Bw eine angeborene Lippen-, Kiefer-Gaumenspalte besteht, die zuletzt 1997 operativ versorgt wurde. Im Bereich des Gaumendaches kam es jedoch wieder zu einem Rezessiv, dadurch entstand eine Verbindung zwischen Mundhöhle und Nasenhöhle. Durch diese Verbindung ist es dem Bw nicht möglich, mit Atemluft Druck zu erzeugen, da diese durch die wieder entstandene Spalte entweicht. Zu dieser Bestätigung nahm die Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck ua. dahingehend Stellung, dass beim Alkovortest, der ebenso wie der Alkomattest im Prinzip der Atemluftmessung beruht, ein gültiges Messergebnis zustande kam und auch beim eigentlichen Alkomattest beim zweiten Beatmungsversuch ein Blasvolumen von 1,8 l erbracht wurde. Zur genaueren Beurteilung, ob der Bw unter diesen Umständen in der Lage gewesen wäre, nach dem gültigen und positiven Alkovortest auch den rechtlich relevanten Alkotest am Alkomat vorschriftsmäßig durchzuführen, erfolgte eine Zuweisung zu einer kieferchirurgisch-fachärztlichen Untersuchung. Der Bw übersendete mit Stellungnahme vom 31.7.2008 der belangten Behörde den ärztlichen Befundbericht des Facharztes für Kieferchirurgie Oberarzt DDr. M. M, welcher wie folgt lautet: "Bei Herrn B S, geboren 30.12.1969, liegt eine voroperierte Lippen-, Kiefer-Gaumenspalte rechts vor. Es besteht ein Z. n. Lippen- und Gaumenverschluss, die okklusale Situation wurde durch eine Verlagerung von Oberkiefer und Unterkiefer mittels sagittaler Spaltung und Le Fort I-Osteotomie durchgeführt. Derzeit besteht eine funktionell beeinträchtigende Fistel am Übergang harter/weicher Gaumen. Deshalb ist der Patient beeinträchtigt, bei dem Versuch, einen Unterdruck im Bereich der Mundhöhle zu erzeugen (wie bei einem Alkomatgerät notwendig)."

 

3.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat derjenige, der gemäß § 5 Abs.2 StVO 1960 zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, umgehend auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomat aus medizinischen Gründen hinzuweisen.

 

Als kardinale Frage gilt es in diesem Verfahren zu klären, ob der Bw, der seine Beeinträchtigung im Bezug auf die Ablegung einer Atemluftalkoholuntersuchung durch medizinische Atteste belegt hat, auch bei der Ablegung der Atemluftuntersuchung dem auffordernden Straßenaufsichtsorgan gegenüber auf diesen Umstand hingewiesen hat. Der Bw behauptet, dass er beim "Haupttest" sogar zweimal auf seine Beeinträchtigung hingewiesen habe. Die Beamten hätten dies jedoch nicht ernst genommen und ihn zum Weiterblasen aufgefordert.

 

Herr GI H A, der die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt durchgeführt hat, konnte sich nicht daran erinnern, dass der Bw auf seine körperliche Beeinträchtigung hingewiesen hat. Er habe den Bw aber auch nicht darüber befragt, ob er eine körperliche Beeinträchtigung welche ihn an der ordnungsgemäßen Durchführung der Atemluftuntersuchung hindert, aufweise. Auf die Einvernahme des zweiten bei der Anhaltung anwesenden Beamten, Herrn Mag. M M, wird verzichtet, zumal bereits in der Anzeige der PI L als Beweismittel ausschließlich "dienstliche Wahrnehmung des RI A anlässlich einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle" angeführt ist und andererseits der Meldungsleger bei der Berufungsverhandlung aussagte, dass sein Kollege M bei der Untersuchung der Atemluftuntersuchung nicht immer dabei war, sodass es diesem nicht möglich ist, für das hier konkret zu beurteilende Sachverhaltselement, nämlich ob der Bw auf seine Beeinträchtigung hingewiesen hat oder nicht, weder für die Version oder gegen die Version des Bw auszusagen.

 

Unter Berücksichtigung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes (§ 51i VStG) ergeben sich nach Durchführung des Beweisverfahrens Zweifel an der Verwirklichung des Tatbildes insoferne, als möglicherweise der Bw tatsächlich auf seine körperliche Beeinträchtigung, die er im Verwaltungsstrafverfahren belegt hat, schon bei der Amtshandlung hingewiesen hat, und der Meldungsleger im Hinblick darauf, dass diese Beeinträchtigung laut oa. Stellungnahme der Amtsärztin äußerlich nicht erkennbar war, diesem Hinweis möglicherweise zu wenig Bedeutung zugemessen.

 

Es war daher die Anwendung des Zweifelsgrundsatzes "in dubio pro reo" spruchgemäß zu entscheiden. Bei diesem Ergebnis war die Frage des Vorliegens eines (schuldausschließenden) Rechtsirrtums nicht mehr zu überprüfen.

 

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

Dr.  Johann  F r a g n e r   

 

 

 

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