Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281143/2/Kl/Eg

Linz, 28.01.2009

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn J H, P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 3. November 2008, Ge96-2449-2008, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II.     Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 27, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 3. November 2008,  Ge96-249-2008, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 iVm § 118 Abs. 3 ASchG und § 87 Abs. 2 BauV verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gem. § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufene verwaltungsrechtlich verantwortliche Organ der D Dach-, Wand- und F Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in P, nicht dafür Sorge getragen hat, dass die Vorschriften des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) in Verbindung mit der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) eingehalten wurden.

 

Anlässlich einer am 27.3.2008 um 11.00  Uhr durch den Arbeitsinspektor Ing. W W auf der Baustelle Neubau Lagerhalle S A, F, durchgeführten Baustellenkontrolle wurde der Arbeitnehmer W M am Dach, ohne jede Sicherung gegen Absturz, angetroffen. Die mögliche Absturzhöhe des Arbeitnehmers an den Außenkanten des Gebäudes betrug an den Traufen ca. 6 m und an den Absturzkanten ins Innere des Gebäudes ca. 8 m und die Dachneigung des Gebäudes betrug ca. 10°. Am gesamten Gebäude, an dem der Arbeitnehmer beschäftigt wurde, waren keine Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gem. §§ 7 bis 10 BauV angebracht, obwohl gem. § 87 Abs. 2 BauV bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von weniger als 20 ° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen gemäß §§ 7 bis 10 BauV (Geländer an der Absturzkante) oder Abgrenzungen vorhanden sein müssen. Wenn zur Durchführung von Bauarbeiten Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ BauV) entfernt werden müssen, so müssen andere geeignete Schutzmaßnahmen, wie die Verwendung von persönlichen Schutzausrüstungen gem. § 30 BauV getroffen werden.

 

Der Dienstnehmer trug zum Zeitpunkt der Kontrolle keine persönliche Schutzausrüstung und waren am gesamten Dach keine Sicherheitsseile vorhanden und der Arbeitnehmer war somit ungesichert am Dach tätig.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass keine Montagen durch die Firma D Dach-, Wand- und F Ges.m.b.H. & Co.KG. durchgeführt worden seien. Der Mitarbeiter Herr W sei als  Leihverleger im Werk P angestellt und habe er die Aufgabe, die Kunden im Umgang mit den D-Elementen einzuweisen. Herr W sei der Werksleitung in P unterstellt und sein direkter Vorgesetzter sei Herr Dipl.Ing. P H, welcher ihn laufend über die gesetzlichen Sicherheitsvorschriften einweist. Auch sei er bei seiner Schulungsarbeit jeweils der örtlichen Bauaufsicht bzw. der Montageleitung des Bauausführenden unterstellt. Eine direkte Kontrolle bei seiner Arbeit durch seinen Vorgesetzten Herrn Dipl. Ing. P H sei nicht möglich, da Herr W europaweit täglich an verschiedenen Projekten tätig sei. Auch sei es dem Berufungswerber als Geschäftsführer nicht möglich, alle Aktivitäten im Unternehmen persönlich zu überwachen, sondern sei hiemit Herr Dipl. Ing. P H mit allen Personalangelegenheiten, die Herrn W betreffen, betraut bzw. beauftragt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG unterbleiben.

 

4. Aufgrund der Aktenlage, insbesondere aufgrund der Ausführungen in der Anzeige des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck vom 28. März 2008, welche im gesamten Verfahren vom Berufungswerber nicht bestritten wurden, steht als erwiesen fest, dass der Arbeitnehmer M W auf der Baustelle Neubau Lagerhalle S A, 4... F, B.., am Dach angetroffen wurde, ohne dass er gegen Absturz gesichert war. Die mögliche Absturzhöhe an den Außenkanten des Gebäudes betrug an der Traufe ca. 6 m und ins Innere des Gebäudes ca. 8 m; die Dachneigung des Gebäudes betrug ca. 10°. Der Arbeitnehmer trug auch keine persönliche Schutzausrüstung und waren am gesamten Dach keine Sicherheitsseile vorhanden. Die auftragsgemäße Leistung an der Baustelle Neubau Lagerhalle S, F, nämlich die Lieferung der Dachelemente ohne Montageleistungen – es wurde lediglich die Montagefirma beim richtigen Entladen der Großelemente eingewiesen und war in der Anhängetechnik mit Spezialhaken zu unterrichten und anzuleiten -, wurde von der D Dach-, Wand- und F Ges.m.b.H. & Co.KG. erbracht. Dies geht aus der Anzeige, in Stellungnahmen des Berufungswerbers vom 2.4.2008, 15.7.2008 und 22.7.2008, sowie der vorgelegten Auftragsbestätigung Nr. 80110 vom 14.3.2008 sowie auch aus der Berufung selbst hervor. Auch aus dem Firmenpapier (Stellungnahme vom 2.4.2008) ist ersichtlich, dass die Zentrale in V, S, gelegen ist und weiters ein Element-Werk in P, O, und ein Büro in Deutschland in Lauf/Pegnitz vorhanden ist.

Der Oö. Verwaltungssenat hat einen Firmenbuchauszug samt Auskunft aus dem Gewerberegister eingeholt, woraus ersichtlich ist, dass die D Dach-, Wand- und F Ges.m.b.H. & Co.KG. mit dem Sitz in V, deren unbeschränkt haftende Gesellschafter die D Dach-, Wand- und F Ges.m.b.H. sowie J H sind, im Besitz einer Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe (Industriebetrieb) "industrielle Erzeugung von Dach-, Wand- und Fn" mit dem Standort V ist. Als gewerberechtlicher Geschäftsführer ist der Berufungswerber eingetragen.

Die D Dach-, Wand- und F Gesellschaft m.b.H. hat ihren Sitz in P und ist als handelrechtlicher Geschäftsführer der Berufungswerber eingetragen. Über eine Gewerbeberechtigung verfügt diese Gesellschaft nicht.

Die Lieferung der Dachelemente ist daher eindeutig der D Dach-, Wand- und F Ges.m.b.H. & Co.KG. mit dem Sitz in V zuzurechen.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF. BGBl. II Nr. 13/2007, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von 145 bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwider handelt.

Gemäß § 118 Abs. 3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 87 Abs. 2 BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

 

5.2. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen  Anforderungen  entspricht das angefochtene Straferkenntnis nicht.

 

Sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28. Mai 2008 als erster und einziger Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist als auch im angefochtenen Straferkenntnis wird der Berufungswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und zur Vertretung nach außen berufenes Organ der D Dach-, Wand- und F Ges.m.b.H. mit dem Sitz in P, A, zur Verantwortung gezogen. Es wird daher als Tatort der Sitz der genannten Ges.m.b.H. in P vorgeworfen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnis vom 11.10.2002, 2000/02/0187 und vom 15.7.2004, 2001/02/0042) ist bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften als Tatort, dessen Angabe der Spruch nach § 44a Z. 1 VStG zu enthalten hat, jener Ort anzusehen, an dem die gesetzlich gebotene Vorsorgehandlung unterlassen wurde; dies ist der Sitz der Unternehmensführung.

Nach den getroffenen Feststellungen ist die D Dach-, Wand- und F Ges.m.b.H. & Co.KG. mit Sitz in V im Besitz einer Gewerbeberechtigung für die industrielle Erzeugung von Dach-, Wand- und Fn. Diese hat die Leistungen erbracht und den Arbeitnehmer eingesetzt. Von diesem Sitz der Unternehmensführung aus hätten daher entsprechende Vorsorgehandlungen getroffen werden müssen. Es ist daher der Tatort in V gegeben. Ein entsprechender Tatvorwurf wurde aber innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist dem Berufungswerber nicht gemacht und es kann daher das angefochtene Straferkenntnis auch nicht nach abgelaufener Frist ergänzt werden. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis wegen eingetretener Verfolgungsverjährung aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG einzustellen.

 

Abschließend wird angemerkt, dass der Sitz der D Dach-, Wand- und F Ges.m.b.H. in P im Bezirk G gelegen ist und daher nicht dem Wirkungsbereich der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck angehört. Die belangte Behörde wäre daher gemäß § 27 VStG als Tatortbehörde nicht zuständig. Eine Zuständigkeitsübertragung gemäß § 29a VStG hat nicht stattgefunden.

Schließlich ist auch anzumerken, dass die Nennung der Baustelle F ebenfalls nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein wesentliches Sachverhaltselement für die Tatumschreibung nach § 44a Z. 1 VStG darstellt, welches ebenfalls innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorzuwerfen ist. Die Baustelle hingegen ist nicht Tatort.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen gemäß § 66 Abs. 1 VStG alle Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Tatort, Sitz der Unternehmensausführung, Tatkonkretisierung

 

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