Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400983/4/WEI/Se

Linz, 02.02.2009

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde der A A, geb.    , Staatsangehörige von Russland, dzt. Polizeianhaltezentrum (PAZ) Eisenstadt, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft M & S OEG, S, wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird gleichzeitig festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

 

II.                 Die Beschwerdeführerin hat dem Bund den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bfin), eine Staatsangehörige von Russland und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, reiste erstmals am 30. Mai 2008 illegal ohne Reisedokumente und in Begleitung ihrer Tochter S A mit Hilfe eines Schleppers in einem PKW von Polen kommend nach Österreich ein. Dem unbekannten Schlepper, der sie bis G brachte, bezahlten sie die Summe von 500 Euro (vgl Bericht der PI St. Georgen i.A. vom 30.5.2008, Zl. D1/15017/2008). Noch am 30. Mai 2008 brachte sie einen Asylantrag bzw. Antrag auf internationalen Schutz ein, der zur AIS-Zahl 08 04.732 erfasst wurde.

 

Bei der Erstbefragung nach dem AsylG 2005 gab die Bfin an, am 21. November 2007 vom Ort Giche in Tschetschenien die Reise mit dem Zug begonnen zu haben. Die Reise ging über Weissrussland nach Terespol in Polen, wo sie Anfang Dezember 2007 ankamen. Nach einiger Zeit reiten sie schlepperunterstützt mit einem LKW nach Deutschland, wo ihnen gesagt wurde, dass sei in Österreich wären. In der Nähe von Frankfurt am Main wurden sie von der Polizei verhaftet und für die Dauer von ca. 4 Wochen in ein Abschiebelager gebracht und danach nach Polen zurückgeschoben. Die polnische Polizei habe sie dann ins Lager Lomzhe gebracht. Am 29. Mai 2008 reisten sie dann mit dem PKW von Polen nach Österreich. Nach EURODAC-Treffern im Schengener Informationssystem stellte die Bfin am 1. Dezember 2007 und am 5. März 2008 jeweils einen Asylantrag in Polen.

 

Mit Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 des Bundesasylamts Erstaufnahmestelle West (BAA EASt West) vom 2. Juni 2008, übernommen am 4. Juni 2008, wurde die Bfin im Hinblick auf eingeleitete Dublin Konsultationen mit Polen auf die beabsichtigte Zurückweisung ihres Asylantrags und die Einleitung eines Ausweisungsverfahrens hingewiesen.

 

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Juni 2008, Zl. Sich40-1990-2008, eigenhändig übernommen am 4. Juni 2008, wurde über die Bfin das gelindere Mittel angeordnet, dass sie im Gasthof E, T, Unterkunft zu nehmen bzw an dieser Adresse sich zur Verfügung der Fremdenpolizeibehörde zu halten habe. Weiters habe sie sich jeden Dienstag und jeden Donnerstag bei der Polizeiinspektion (PI) T, T, zu melden.

 

1.2. Mit den Bescheiden des BAA EASt West je vom 13. Oktober 2008, Zlen. 08 04.732 und 08 04.733, zugestellt im Wege der PI T am 16. Oktober 2008, wurde jeweils der Asylantrag gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und gemäß § 10 Abs 1 Z 1 leg.cit. die Ausweisung nach Polen angeordnet. Dagegen erhoben die Bfin und ihre Tochter am 29. Oktober 2008 beim BAA EASt West fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof mit Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

 

Mit Erkenntnis des Asylgerichthofs vom 11. November 2008, Zlen. S7402.362-1/2008/3E und S7402.363-1/2008/3E, wurden die Beschwerden der Bfin und ihrer Mutter A A jeweils gegen den Bescheid des BAA vom 13. Oktober 2008 gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis konnte nicht persönlich zugestellt werden, weil die Asylwerber bereits untergetaucht waren. Die vom Asylgerichtshof mitgeteilte Zustellung mit 25. November 2008 erfolgte offenbar gemäß § 23 Zustellgesetz durch Hinterlegung ohne Zustellversuch.

 

Mit Schreiben vom 12. November 2008 ersuchte das BAA EASt West das fremdenpolizeiliche Referat der belangten Behörde um ehestmögliche Überstellung der Asylwerber nach Polen (Zielflughafen Warschau). Die belangte Behörde organisierte daraufhin bereits für den 18. November 2008 einen Flug von Wien nach Warschau (vgl Schreiben vom 14.11.2008 an PI T).

 

Mit Schreiben vom 18. November 2008 teilte die belangte Behörde der Grundversorgungsstelle Oberösterreich mit, dass sich die Bfin und ihre Tochter am 12. November 2008 ungerechtfertigt und ohne Abmeldung aus der Unterkunft im Gasthaus E entfernten und illegal in die Anonymität abtauchten, so dass sie sich der Überstellung nach Polen entziehen konnten. Laut Bericht der Polizei T vom 18. November 2008 konnten die Asylwerber bis zu diesem Tag weder in ihrer Unterkunft im Gasthaus E noch bei Verwandten angetroffen werden. Die Meldeliste und die Entscheidung des Asylgerichtshofs wurden von der PI T mit entsprechendem Vermerk zurückgesandt.

 

Mit Schreiben vom 18. November 2008 erging im Hinblick auf das Untertauchen der Asylwerber ein Festnahmeauftrag der belangten Behörde gemäß § 74 Abs 2 Z 1 FPG. Im Asylinformationssystem wurde daraufhin vom BAA EASt West via Dublinet die Überstellung nach Polen storniert und wegen unbekannten Aufenthalts ausgesetzt. Das Überstellungsfristende wurde mit 6. Dezember 2009 vermerkt.

 

1.3. Am 19. Jänner 2009 tauchten die Bfin und ihre Mutter wieder auf und stellten jeweils beim BAA EASt West persönlich einen weiteren Asylantrag. Dieser wurde bezüglich der Bfin zur AIS-Zahl 09 00.666 erfasst. Die Frage nach ihrem Aufenthalt beantworteten sie damit, dass sie an verschiedenen Adressen in Linz untergekommen wären. Die Erstbefragung nach dem AsylG 2005 vom 20. Jänner 2009 aus Anlass dieses Folgeantrags ergab keine ergänzenden Angaben. Es wurde auf die frühere Erstbefragung zur AIS-Zahl 08 04.732 verwiesen.

 

Schon bei der Erstbefragung nach dem AsylG 2005 vom 30. Mai 2008 gab die Bfin an, dass sie bei ihrem in Österreich wohnenden Sohn leben und nicht nach Polen zurückkehren wollte.

 

Mit Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 vom 20. Jänner 2009, zugestellt am gleichen Tage, gab das BAA EASt West bekannt, dass beabsichtigt sei, den (neuerlichen) Antrag der Bfin auf internationalen Schutz zurückzuweisen, weil entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Als Zusatz für die Fremdenpolizei wurde vermerkt, dass die Mitteilung Gemäß § 29 Abs 3 Z 4 oder 5 AsylG auch als eingeleitetes Ausweisungsverfahren gilt.

 

1.4. Mit Bescheid vom 20. Jänner 2009, Zl. Sich40-1990-2008, ordnete die belangte Behörde gegen die Bfin auf der Grundlage des § 76 Abs 2 Z 2 FPG iVm §§ 77 Abs 4, 80 Abs 5 FPG iVm § 57 AVG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung an. Auf Grund dieses Schubhaftbescheides wurde die Bfin im Auftrag der belangten Behörde von Beamten der PI St. Georgen i.A. festgenommen und noch am 20. Jänner 2009 um 19:00 Uhr in das PAZ Eisenstadt, E, zum Vollzug der Schubhaft überstellt (vgl Bericht der PI St. Georgen i.A. vom 21.1.2009).

 

In ihrem Schubhaftbescheid geht die belangte Behörde vom oben dargestellten Sachverhalt aus. Sie stellt weiter fest, dass die Bfin weder über Krankenversicherungsschutz, noch eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung iSd § 31 Z 6 FPG, noch einen Wohnsitz verfüge. Sie habe nur Mittel für ihren Unterhalt im Rahmen der Grundversorgung gemäß § 2 Grundversorgungsgesetz-Bund. Zum Zeitpunkt der Festnahme am 20. Jänner 2009 durch Polizeibeamte in der EASt West habe die Bfin kein Bargeld vorweisen können. Sie sei daher als mittellos zu bezeichnen.

 

1.5. Mit Schriftsatz vom 23. Jänner 2009, eingebracht beim Oö. Verwaltungssenat per Telefax außerhalb der Amtsstunden (Amtsstunden freitags bis 12:30 Uhr; Sendezeit 13:22 Uhr; Eingabe gilt daher gemäß § 13 Abs 5 AVG als mit Wiederbeginn der Amtsstunden am Montag, dem 26.01.2009, eingebracht), erhob die Bfin vertreten durch ihre Rechtsvertreter Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit der Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft und beantragte die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaft. Die Bfin macht geltend, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt zu sein.

 

Zu dem im Wesentlichen außer Streit stehenden Sachverhalt bringt die Beschwerde noch vor, dass der Sohn der Bfin B A in Österreich Asylstatus genieße und in H, wohne. Weil die Bfin unbedingt bei ihrem Sohn bleiben wollte, hätte sie sich entschlossen, mit ihrer Tochter von Polen nach Österreich zu reisen und am 30. Mai 2008 einen Asylantrag zu stellen, welcher wegen der Zuständigkeit Polens verbunden mit einer Ausweisung rechtskräftig zurückgewiesen wurde.

 

Die Bfin habe bei ihrer Befragung zum ersten Asylantrag angeführt, dass sie wegen ihres Sohnes nach Österreich gekommen wäre, ohne den und ihre Tochter ihr Leben keinen Sinn hätte. Die Tochter der Bfin habe in ihrem Asylverfahren als Fluchtgründe u.A. genannt, dass sie 2007 verhaftet und mit Strom an Händen, Füßen und Ohren gefoltert worden wäre. Da sie als strenge Muslimin nicht außer Haus sein dürfte, gälte sie seither als entehrt. In Tschetschenien hätte sie sich als alleinstehende Frau sehr exponiert gefühlt. Dies wäre auch in Polen so gewesen, wo sie unter ihrer Würde behandelt worden wäre. Der Facharzt für Psychiatrie Dr. A A hätte wegen posttraumatischer Belastungsstörung eine psychotherapeutische Intervention für notwendig erachtet. Allerdings sei Besserungsfähigkeit gegeben, die auch im Bescheid des BAA EASt West vom 13. Oktober 2008, Zl. 08 04.733, angenommen worden sei.

 

Da die Bfin und ihre Tochter durch ihre Ausweisung und Abschiebung nach Polen in eine unerträgliche Lebenssituation gebracht worden wären, hielten sie sich bei Vertrauenspersonen in Österreich versteckt, weshalb die asylrechtlichen Entscheidungen nicht vollzogen werden konnten. Am 19. Jänner 2009 begaben sie sich wieder zur EASt West um einen neuerlichen Asylantrag zu stellen. In weiterer Folge seien sie in Schubhaft genommen worden.

 

2.1. In der rechtlichen Begründung ihres Schubhaftbescheides weist die belangte Behörde auf die unbestritten illegalen Grenzübertritte der Bfin ohne gültiges Reisedokument innerhalb der Europäischen Union hin, die sie bewusst in Kauf genommen habe. Die Gefahr einer Verfolgung sei objektiv nicht gegeben gewesen.

 

Das Stellen von Folgeasylanträgen widerspreche eindeutig der Intention der Genfer Flüchtlingskonvention. Wie die EURODAC-Treffer beweisen, sei der Asylantrag vom 19. Jänner 2009 der vierte innerhalb der Europäischen Union. Die Aussage der Bfin, in Österreich bleiben zu wollen, und ihr Verhalten, das Asylverfahren in Polen trotz Rückstellung durch deutsche Behörden nicht abzuklären und nach Österreich weiter zu reisen, unterstreiche die akute Fluchtgefahr und die Absicht der Bfin, sich - wenn auch illegal - in Österreich als primärem Zielland niederzulassen. Polen gelte gemäß § 39 AsylG als sicheres EU-Land, habe in seiner Verfassung da liberale und rechtsstaatliche Grundprinzip verankert und auch umgesetzt.

 

Am 4. Juni 2008 habe die belangte Behörde der Bfin schon Fluchtgefahr nachgewiesen und ein gelinderes Mittel mit Meldeverpflichtung angeordnet. Dabei sei die Bfin auch belehrt worden, dass Schubhaft anzuordnen sei, wenn sie der Verpflichtung nicht nachkommt. Dennoch habe die Bfin die Flucht angetreten und sei in die Anonymität abgetaucht, um den Vollzug der rechtskräftigen Ausweisung nach Polen zu vereiteln. Sie werde auch die finanziellen Mittel für die Reise nach Österreich nicht als ertraglose Aufwendung abschreiben wollen.

 

Auf Grund des geschilderten Sachverhalts sei ein konkreter Sicherungsbedarf auf Grund von Fluchtgefahr gegeben. Die belangte Behörde kommt zum Schluss, dass sich die Bfin in die Anonymität absetzen werde, um sich der Abschiebung zu entziehen und illegal in Österreich zu bleiben.

 

Dem Eingriff ins Privat- und Familienleben müsse gegenüber gestellt werden, dass die Bfin keinen Respekt vor den Asyl- und Fremdengesetzen zeigte. Die Einhaltung fremdenpolizeilicher Vorschriften sei aber nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vor allem in Zeiten erhöhten Zuwanderungsdruckes von eminentem Interesse. Die belangte Behörde komme nach umfassender Prüfung zum Schluss, dass die Verhängung der Schubhaft verhältnismäßig sei. Denn dem Recht auf persönliche Freiheit stehe das überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Um dieses Ziel zu erreichen, sei die Schubhaft anstelle gelinderer Mittel erforderlich gewesen.

 

2.2. Die Beschwerde argumentiert, dass die Schubhaft einen besonders intensiven Eingriff in die Grundrechtssphäre der Bfin bedeute. Das Zuständigkeitssystem der Verordnung Dublin II ziehe unmenschliche Auswirkungen nach sich. Der Bfin und ihrer Tochter, die ein schweres Lebensschicksal zu tragen hätten, könnte ein sozial isolierter Flüchtlingsaufenthalt in Polen nicht zugemutet werden. Das Bestreben beim Sohn und Bruder wohnhaft sein zu wollen, sei nachvollziehbar. Die Bfin und ihre Tochter würden auch dringend Psychotherapie benötigen, welche während der Schubhaft nicht fortgesetzt werden könne.

 

Bei der Schubhaft handelte es sich eindeutig um einen unverhältnismäßigen Eingriff, der durch gelindere Mittel hintanzuhalten gewesen wäre. Es wäre schlicht unverhältnismäßig, eine 72-jährige Frau und ihre 37-jährige Tochter, die beide alleinstehend und verwitwet und ohne familiären Anschluss in Tschetschenien, Polen oder sonst wo seien, in Schubhaft zu nehmen, nur weil sie sich nicht nach Polen begeben, sondern in Österreich versteckt gehalten hatten. Dieses Verhalten könnte auch nicht als rechtswidrig angesehen werden, weil sich die Bfin und ihre Tochter in einer humanitären Notsituation befänden. Ihre Rechtsgüter wären als bedeutungsvoller als das öffentliche Interesse an einer Effektuierung des Zuständigkeitssystems der EU-Verordnung Dublin II einzuschätzen. Durch die neuerliche Asylantragstellung hätte sie zum Ausdruck gebracht, nicht mehr ertragen zu können, auf Dauer "untergetaucht" zu leben. Aus dem bisherigen Verborgenhalten könnte nicht geschlossen werden, dass sie im Falle einer neuerlich negativen Asylentscheidung erneut "untertauchen" würden. Diese Annahme der belangten Behörde erweise sich als nicht plausibel und zutreffend.

 

2.3. Die belangte Behörde hat ihren Fremdepolizeiakt auf elektronischem Weg übermittelt, ist der Beschwerde im Vorlageschreiben entgegen getreten und hat die kostenpflichtige Abweisung der Schubhaftbeschwerde beantragt. Die belangte Behörde verweist darauf, dass das mit dem Abtauchen in die Anonymität vordergründig die Vereitelung der Abschiebung aber auch die Nichteinhaltung der Überstellungsfrist nach Dublin II bezweckt worden sein dürfte.

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die Beschwerde und die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Nach § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

 

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 83 Abs 4 FPG).

 

Nach § 83 Abs 2 FPG gelten grundsätzlich die für Maßnahmenbeschwerden iSd § 67a Abs 1 Z 2 AVG vorgesehenen Verfahrensbestimmungen der §§ 67c bis 67g sowie § 79 AVG auch im Schubhaftbeschwerdeverfahren.

 

 

Die Bfin wurde am 20. Jänner 2009 in der EASt West im Auftrag der belangten Behörde fremdenpolizeilich festgenommen und ins PAZ Eisenstadt zum Vollzug der Schubhaft überstellt. Die Bfin befindet sich nach wie vor in Schubhaft. Ihre mit Wirksamkeit vom 26. Jänner 2009 eingebrachte Beschwerde gegen die Verhängung und Anhaltung in Schubhaft ist zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3, 4 oder 5 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

Gemäß § 80 Abs 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge ohnehin auch ein Verlängerungsfall nach § 80 Abs 4 Z 1 bis 3 leg.cit. vor.

 

4.3. Gemäß § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Art 2 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl I Nr. 100/2005) ist ein Antrag auf internationalen Schutz das -auf welche Weise immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (vgl Z 15) und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten (vgl Z 16).

 

Asylwerber ist nach § 2 Abs 1 Z 14 AsylG 2005 ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Gemäß § 13 AsylG 2005 ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Entzug des Aufenthaltsrechts (§ 62 Abs 1 FPG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. Wird Asylwerbern gemäß § 62 FPG ihr Aufenthaltsrecht entzogen, kommt ihnen faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

 

Nach § 28 Abs 1 Satz 1 AsylG 2005 ist das Verfahren zuzulassen, wenn der Antrag voraussichtlich nicht zurückzuweisen ist und soweit das Verfahren nicht vor Zulassung inhaltlich entscheiden wird. Gemäß § 28 Abs 1 Satz 2 AsylG 2005 erfolgt die Zulassung durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51), eines Bescheides bedarf es nicht.

 

Nach § 28 Abs 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz entscheidet, dass der Antrag zurückzuweisen ist, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

 

Gemäß § 28 Abs 3 Satz 1 AsylG 2005 ersetzt eine Abweisung des Asylantrages im Zulassungsverfahren die Zulassungsentscheidung. Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 AsylG 2005 gilt der im Zulassungsverfahren abgewiesene Asylantrag als zugelassen, wenn oder sobald der Berufung gegen diese Entscheidung aufschiebende Wirkung zukommt.

 

Gemäß dem § 27 Abs 4 Satz 1 AsylG 2005 ist ein gemäß Abs 1 Z 1 eingeleitetes Ausweisungsverfahren einzustellen, wenn das Verfahren zugelassen wird.

 

4.4. Nach der unbestrittenen Aktenlage ist der erste Asylantrag der Bfin vom 30. Mai 2008 im Instanzenzug durch das BAA EASt West und das abweisende Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 11. November 2008 rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen und die durchsetzbare Ausweisung nach Polen ausgesprochen worden. Diese asylrechtliche Ausweisung konnte Bg wegen des rechtzeitigen Abtauchens der Bfin in die Anonymität nicht durchgesetzt werden.

 

Grundsätzlich liegt eine sogar rechtskräftige und damit normalerweise auch durchsetzbare Ausweisung im Sinne des § 76 Abs 2 Z 1 FPG vor. Allerdings ist sie durch den faktischen Abschiebeschutz für Asylwerber nach dem § 12 Abs 1 AsylG 2005 dann doch nicht durchsetzbar, weil es nach dieser Bestimmung undifferenziert nur darauf ankommt, dass ein Fremder einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Auch ein Asylfolgeantrag ist ein solcher Antrag, mit dem gesetzlich ein Abschiebeschutz bis zur neuerlichen asylrechtlichen Entscheidung verbunden ist.

 

Aus Anlass des Folgeantrags der Bfin vom 19. Jänner 2009 hat das BAA EASt West aber schon am 20. Jänner 2009 mitgeteilt, dass es beabsichtige, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Diese Mitteilung der Asylbehörde galt gemäß § 27 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 auch als Einleitung eines Ausweisungsverfahrens. Die belangte Behörde konnte demnach die Anordnung der Schubhaft am 20. Jänner 2009 auf den Schubhaftgrund des § 76 Abs 2 Z 2 FPG stützen, weil nach dem gegebenen Sachverhalt bereits ein Ausweisungsverfahren gemäß § 27 Abs 1 Z 1 iVm § 29 Abs 3 Z 5 AsylG 2005 eingeleitet worden war.

 

4.5. Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann. Auch vor Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 FPG hat die Fremdenbehörde auf den § 77 Abs 5 FPG Bedacht zu nehmen ist und darf die Schubhaft nur bei konkretem Sicherungsbedarf anordnen.

 

Gemäß § 77 Abs 4 FPG ist die Schubhaft anzuordnen, wenn der Fremde seiner Verpflichtung nach Abs 3 (gelinderes Mittel) nicht nachkommt oder wenn er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zur Behörde, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge leistet.

 

Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats ist mit der belangten Behörde der Ansicht, dass die auf § 76 Abs 2 Z 2 FPG gestützte Schubhaft der Sicherung des Ausweisungsverfahrens nach § 10 AsylG 2005 sowie der Abschiebung zu dienen hat, weil unter den gegebenen Umständen des Falles ein konkreter Sicherungsbedarf angenommen werden muss.

 

Die schlepperunterstützt nach Österreich gekommene Bfin verfolgt nach eigenen Angaben den Zweck, sich in Österreich bei ihrem Sohn illegal niederzulassen, obwohl sie in Polen ein Asylverfahren beantragt hat und ihr die Zuständigkeit Polens auch bewusst ist. Sie will sich offensichtlich dem Zuständigkeitsregime nach der Dublin II Verordnung nicht freiwillig unterwerfen, sondern den Asylstaat nach ihrem Gutdünken frei wählen, wobei ihr das Zusammenleben mit dem in Österreich Asylstatus genießenden Sohn wichtig erscheint.

 

Dieses wenn auch menschlich verständliche Motiv der Bfin vermag nichts an der Rechtswidrigkeit ihrer Reisebewegungen und des Untertauchens in die Anonymität zur Vereitelung fremdenpolizeilicher Maßnahmen zu ändern. Entgegen der Beschwerde kann von einer humanitären Notsituation keine Rede sein, weil Polen als sicheres EU-Land voraussichtlich ein Asylverfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen durchführen wird. Wenn sie Asylstatus erhalten sollte, wird sie auch wieder legal reisen und ihren Sohn besuchen können. Entgegen den Beschwerdevorstellungen kann nämlich ein Recht auf Wahl des Familienwohnsitzes aus Art 8 EMRK grundsätzlich nicht abgeleitet werden (vgl VfGH 13.10.2007, Zl. B 1462/06 unter Hinweis auf den EGMR).

 

Durch ihr bisheriges Gesamtverhalten (wie illegale Grenzübertritte innerhalb der EU, das Stellen von insgesamt vier Asylanträgen in zwei EU-Ländern, die Bezahlung für Schlepperdienste, das Abtauchen in die Anonymität aus dem gelinderen Mittel der zugewiesenen Unterkunft) hat die Bfin geradezu unter Beweis gestellt, dass sie nicht daran denkt, die ihren Vorstellungen zuwiderlaufenden asyl- und fremdenrechtlichen Maßnahmen zu akzeptieren und sich freiwillig zur Verfügung der belangten Behörde zu halten. Es ist ihr daher zuzutrauen, dass sie alles in ihrer Macht Stehende unternehmen wird, um auch künftig die Durchsetzung von asylrechtlichen Ausweisungen zu verhindern.

 

In dem Bescheid vom 4. Juni 2008 betreffend Anordnung eines gelinderen Mittels hat die belangte Behörde ausdrücklich den Hinweis aufgenommen, dass bei Zuwiderhandeln die Schubhaft zu verhängen ist. Trotz dieser Androhung hat sich die Bfin über ihre Verpflichtungen hinweggesetzt und das gelindere Mittel missachtet. Die belangte Behörde durfte schon im Hinblick auf § 77 Abs 4 FPG mit Recht die Schubhaft zur Sicherung der asylrechtlichen Ausweisung und anschließenden Abschiebung für notwendig ansehen, nachdem die Asylbehörde abermals ein Ausweisungsverfahren eingeleitet hatte. Zum Zeitpunkt der Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 war nämlich mit einem abermaligen Untertauchen der Bfin unmittelbar zu rechnen, musste diese doch erkennen, dass ihr Asylfolgeantrag zu keiner anderen, für sie günstigen Entscheidung durch die Asylbehörde führen wird.

 

Von einer Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft kann auf dem Boden der geltenden Rechtslage und des überwiegenden öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen keine Rede sein. Die Beschwerdebehauptung der Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft ignoriert nicht nur das eindeutig rechtswidrige Gesamtverhalten der Bfin, sondern auch die österreichische Fremdenrechtsordnung und die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Sie beruht offenbar auf selbstherrlich geschaffenen Maßstäben und geht damit ins Leere.

 

Im Ergebnis war daher die vorliegende Schubhaftbeschwerde abzuweisen und für den Zeitpunkt dieser Entscheidung festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

 

5. Gemäß § 79a AVG iVm § 83 Abs. 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Im vorliegenden Fall war der Bfin als der unterlegenen Partei auf Antrag der belangten Behörde der Ersatz des Vorlageaufwandes (57,40 Euro) und des Schriftsatzaufwandes (368,80) gemäß dem § 79a Abs 5 AVG iVm der seit 1. Jänner 2009 geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) zugunsten des Bundes, insgesamt daher 426,20 Euro, aufzutragen.

 

Analog dem § 59 Abs. 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl. Erl. zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

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