Linz, 26.01.2009
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn W T, geb. , Z, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. B P, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, vom 29. Oktober 2008, Zl. VerkR96-7982-2008 GA, nach der am 7. u. 26. Jänner 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 5/2008 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 5/2008 – VStG.
Zu II. § 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend aus:
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung:
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates wurde damit begründet. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war hier zwingend durchzuführen (§ 51e Abs.1 VStG).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung der erstinstanzlichen Aktenlage. Der an der Berufungsverhandlung am 7.1.2009 persönlich teilnehmende Berufungswerber wurde als Beschuldigter zum Sachverhalt befragt. Zeugenschaftlich einvernommen wurde RI S. Bei Mercedes Benz in Linz wurde die Aufschaltmöglichkeit des Abblendlichtes in Verbindung mit der Stellung des Zündschlüssels erhoben.
Im Rahmen der antragsgemäß am 26.1.2009 fortgesetzten Berufungsverhandlung wurde der Bruder des Berufungswerbers M. T und der Meldungsleger GI P als Zeuge einvernommen. Neben dem Berufungswerber nahm auch der zuständige Abteilungsleiter der Behörde erster Instanz an beiden Berufungsverhandlungen teil.
4. Sachverhalt:
Unbestritten steht hier fest, dass der Berufungswerber anlässlich der Kontrolle am Fahrersitz seines Kleinlastwagens Mercedes Sprinter (Baujahr 2007 schlafend angetroffen wurde ehe die Aufforderung zur Fahrzeugkontrolle und nachfolgenden Atemlufttest an ihn erging. Sein Bruder und Zeuge M. T befand sich ebenfalls schlafend am Beifahrersitz. Das Fahrzeug war nahe der Einfahrt am Kontrollparkplatz, so knapp an der Betonleitschiene abgestellt, dass gemäß dem vorgelegten und als authentisch geltenden Fotomaterial ein Aussteigen vom Fahrersitz kaum möglich gewesen schien.
Unbestritten ist ferner, dass zum Zeitpunkt der Kontrolle der Motor nicht in Betrieb war aber noch warme Luft aus dem Kühlergrill wahrnehmbar gewesen sein soll.
Zum bewegen der Fahrzeugfenster bedarf es des Einschaltens der Zündung. Das Abblendlicht kann bei diesem Fahrzeugtyp nur bei laufendem Motor eingeschaltet werden.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass zu keinem Zeitpunkt ein Lenken des Berufungswerbers wahrgenommen wurde, weil man dort nach 1:00 Uhr früh eintraf und angeblich dort bis fünf Uhr früh warten wollte um jemanden mitzunehmen. Weil dieses Treffen einen Parkplatz vorher vereinbart wurde an dem man jedoch irrtümlich vorbeigefahren war, stellte der Lenker das Fahrzeug der besseren Wahrnehmbarkeit von der Autobahn aus wegen, so knapp an der Einfahrt des Kontrollparkplatzes ab. Die geänderte Sitzposition wurde damit erklärt, dass der Fahrer kurz nach Eintreffen austreten musste, wobei der Bw nach seiner Rückkehr auf den Fahrersitz hinüberrutschte.
Ob nun der sich jetzt als Lenker bekennende M. T zu diesem Zeitpunkt allenfalls alkoholisiert war muss auf sich bewenden bzw. wurden diesbezüglich weder Feststellungen getroffen noch wurde je ein Tatvorwurf auf einen Lenkzeitpunkt erhoben. Der zeugenschaftlich einvernommene M. T bestätigte nun diese Darstellung seines Bruders. Das er dies gegenüber den einschreitenden Beamten nicht getan hat muss rechtsstaatlich als legitim erachtet werden. Seine Angaben konnten im Rahmen der Berufungsverhandlung jedenfalls nicht widerlegt werden, wobei die diesbezüglichen Angaben auch nicht unlogisch erscheinen.
Die Meldungsleger machten weder eine Wahrnehmung, wonach das Fahrzeug im zeitlichen Zusammenhang mit deren Kontrolltätigkeit in Bewegung gewesen wäre, noch wurde der Motor im Betrieb befindlich wahrgenommen. Als nicht übereinstimmend erweisen sich die Darstellungen ob die Innenbeleuchtung eingeschaltet war. Während RI S vermeinte mit der Taschenlampe in das Fahrzeug geleuchtet zu haben und die beiden Insassen schlafend dort wahrnahm, glaubte der Meldungsleger GI P sich jedenfalls an das eingeschaltete Abblend- oder Standlicht und an die eingeschaltete Innenbeleuchtung sowie das eingeschaltete Radio und Zündung zu erinnern.
Nicht endgültig zu klärende Widersprüche ergeben sich auch hinsichtlich des Aussteigens bei der Fahrertür. Während die Meldungsleger vermeinten der am Fahrersitz angetroffene Berufungswerber hätte sich trotz der sehr knapp an der Betontrennwand befindlichen Parkposition aus der Fahrertür gezwängt, gaben die Fahrzeuginsassen an, der Berufungswerber sei ebenfalls über die Beifahrertür aus dem Fahrzeug gestiegen. Das Foto lässt eher den Schluss zu, dass ein linksseitiges Aussteigen eher nur schwer möglich und daher wohl als unwahrscheinlich gelten dürfte.
Der Berufungswerber verantwortet sich im Ergebnis dahingehend die Zündung vermeintlich nur zum Öffnen des Beifahrerfensters eingeschaltet gehabt zu haben, wobei dieser Handlung keine wie immer Inbetriebnahmeabsicht zugeordnet werden könne. Es ist daher unbeachtlich ob nun tatsächlich das Fenster einen Spalt geöffnet wurde oder nicht.
Ersteres scheint insofern glaubwürdiger, als es durchaus der Lebenspraxis entspricht, dass für den Fall des Anklopfens an das Fahrzeugfenster auf einem Autobahnparkplatz zur Nachtzeit nicht sofort die Tür, sondern zum Selbstschutz eben erst das Fenster einen Spalt geöffnet wird um Außenkontakt herzustellen. Dies tat der Berufungswerber auch im Rahmen der Berufungsverhandlung letztlich nicht unglaubwürdig kund. Das darin keine wie immer geartete Absicht einer Inbetriebnahme des Fahrzeuges erblickt werden kann ergibt sich mit der ebenfalls klar gestellten Absicht, dass man dort bis 5:00 Uhr früh auf das Eintreffen einer Person für die Weiterfahrt auf eine Baustelle gewartet habe.
Dies widerspricht auch keineswegs den Angaben in der Anzeige bzw. den Angaben der einschreitenden Polizeibeamten. Nicht zuletzt erweist sich vor dem Hintergrund des vom Berufungswerber und seinem Bruder betriebenen Gewerbes auch durchaus aus der Lebenspraxis nachvollziehbar. Aus welchem Grund sonst hätte man auf einem Autobahnparkplatz warten sollen.
Als nicht überzeugend erweist sich die Feststellung, wonach laut beiden Meldunglegern das Abblendlicht eingeschaltet gewesen wäre, obwohl der Motor offenkundig längere Zeit nicht in Betrieb gewesen ist. Auch diesbezüglich ist der Verantwortung des Berufungswerbers zu folgen, weil einerseits kaum davon ausgegangen werden könnte, das Abblendlicht eingeschaltet gelassen zu haben obwohl sie sich im Fahrzeug schlafen legten und damit ein Entleeren der Starterbatterie in Kauf zu nehmen. Eine Rückfrage bei Mercedes Benz in Linz führte schließlich zum Ergebnis, dass bei nicht laufendem Motor das Abblendlicht überhaupt weggeschaltet wird (Aktenvermerk v. 13.1.2009). Die Festlegung wegen des Abblendlichtes wurde letztlich vom Zeugen GI P in seiner Aussage relativiert und eingeräumt, es könnte auch nur das Standlicht eingeschaltet gewesen sein.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass kein schlüssiger Beweis für eine Inbetriebnahme des Fahrzeuges zur fraglichen Zeit vorliegt. Da man offenkundig ein Treffen mit einem Arbeiter gegen 5:00 Uhr früh an diesem Parkplatz abwarten wollte, gab es offenkundig auch keinen sachlichen Grund für eine Inbetriebnahme des Fahrzeuges zur fraglichen Zeit an dieser Örtlichkeit. Das hier das Fahrzeug möglicher Weise in einem alkoholisierten Zustand vom Bruder des Berufungswerbers dorthin gelenkt wurde, ist aber weder zur Last gelegt noch gibt es dafür einen Beweis.
Dies kann jedoch nicht auf eine strafbare Inbetriebnahme des am Fahrersitz schlafend angetroffenen Berufungswerbers übertragen werden.
5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Nach § 99 Abs.1b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 581 Euro bis 3.633 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.……
Grundsätzlich ist dazu festzustellen, dass laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB VwGH 16. März 1994, Zl. 93/03/0204) wohl bereits das in Gang setzen des Motors eine vollendete Inbetriebnahme des Fahrzeuges darstellen würde, und zwar auch dann, wenn das Fahren mit dem (= Lenken des) Fahrzeug(es) an sich unmöglich wäre. Umgekehrt ist auch das Lenken ohne Anwendung von Maschinenkraft möglich (VwGH 30.4.2007 2006/02/0305 mit Hinweis zB auf VwGH 28.2.2003, Zlen. 2002/02/0192, 0193).
Im Sinne der gesicherten Rechtsprechung stellt das in Gang setzen des Motors eine vollendete Inbetriebnahme des Fahrzeuges dar (VwGH 27.2.2004, 2001/02/0147 mit Hinweis auf VwGH 15.11.2000, Zl. 2000/03/0237).
Nicht jedoch vermag auch schon eine offenkundig bloß auf die Ingangsetzung des Radios zielenden Handlung oder die Bedienung des Fensterhebers begriffen werden, wenngleich es dafür einer entsprechenden Positionierung des Zündschlüssel durch Drehen bis zur ersten oder zweiten Raste des Schlosses bedarf, als einer auf das Ingangsetzen des Fahrzeuges gerichteten Handlung gleichgesetzt gelten (s. auch Pürstl/Somereder, Kommentar zur StVO, 11. Auflage, S 1009, Rz. 4).
Eine tatsächliche "Inbetriebnahmeabsicht" hat sich im Rahmen der Berufungsverhandlung nicht erweisen lassen, wenngleich losgelöst von den Begleitumständen die Handlung aus der Sicht der Meldungsleger so darstellbar gewesen sein mag.
Das Lenken und die in Betriebnahme muss einen empirischen Bezug zum gesetzlich intendierten Schutzzweck der Norm erkennen lassen. So indiziert etwa auch im Falle des bloßen Schieben eines Fahrrades oder ein Aufgreifen auf einer nicht öffentlichen Verkehrsfläche noch keine Grundlage für eine Aufforderung zur Atemluftuntersuchung (vgl. etwa UVS-Tirol, v. 12.12.2006 2006/13/2293-2, sowie UVS-Steiermark, v. 21.06.2004, Zl. 303.16-1/2003).
Laut gesicherter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ferner unter "in Betrieb nehmen" (nur) eine dem Lenken vorausgehende Willenshaltung zu begreifen. Dazu zählen primär erforderliche Vorbereitungshandlungen zur Aktivierung der Antriebkräfte eines Kraftfahrzeuges zur Fortbewegung. Inbetriebnahme ist somit eine Tätigkeit, die auf das in Gang setzen des Fahrzeuges und dem anschließenden Betrieb gerichtet ist. Das in Gang setzen (Starten) des Motors wird durch die Judikatur als eine solche Inbetriebnahme gesehen, selbst wenn sie einen anderen Zweck verfolgen sollte (wie etwa den Betrieb der Heizung). Nicht jedoch das bloße "in Gang setzen" des Radios oder des Fensterhebers durch Einschalten der Zündung.
Es darf auch nicht der Intention des Gesetzgebers zugesonnen werden in einer derartigen von jeglichem Lenken losgelösten Nebenhandlung als eine von der Strafbarkeit umfasste Verletzung des Normzwecks begreifen zu wollen (VwGH 13.6.1999, 99/03/0188).
Abschließend ist auf Art. 129 B-VG hinzuweisen, wonach die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und der Verwaltungsgerichtshof in Wien "zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen (hoheitlichen) Verwaltung" berufen sind.
Maßstab dieser Tätigkeit ist die Gesetzmäßigkeit in materiellem Sinn (Hinweis auf VfSlg. 7000). Der angefochtene Bescheid war daher mangels einer ausreichenden Beweislage - zumindest im Zweifel - zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.
Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220,00 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r