Linz, 27.01.2008
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J K, W, vertreten durch Rechtsanwalt Ing. Mag. K H, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, vom 11. November 2008, Zl. VerkR96-5382-2008, wegen einer Übertretung der StVO 1960, nach der am 27. Jänner 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
II. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden dem Berufungs-werber zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten 30 Euro auferlegt (20% der verhängten Geldstrafe).
Rechtsgrundlagen:
Zu I. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – VStG.
Zu II. § 64 Abs.1 u. 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretung des § 38 Abs.5 iVm § 38 Abs.1 lit.a u. § 99 abs2c Z6 StVO eine Geldstrafe von 150 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden verhängt.
Zur Last gelegt wurde ihm, er haben trotz Rotlichtes der Verkehrssignalanlage nicht an der Haltelinie angehalten, sondern sei weitergefahren. Dadurch wurden Lenker von Fahrzeugen, für die gem. § 38 Abs. 4 StVO 1960 auf Grund grünen Lichts freie Fahrt galt, zu unvermitteltem Bremsen genötigt und ist es dadurch zu einer Gefährdung der Verkehrssicherheit gekommen.
Tatort: Gemeinde Linz, Gemeindestraße Ortsgebiet, Freistädterstraße stadteinwärts zur Kreuzung mit der Pulvermühlstraße,
Tatzeit: 25.08.2008, 13:35 Uhr.
Fahrzeug: Kennzeichen , PKW, Volvo XC90 D5, grau
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:
1.2. Der Rechtsmittelbelehrung fand sich auch noch der Hinweis beigefügt, wonach mit Rechtskraft dieses Strafbescheides der Begehung dieses Deliktes mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Deliktsbegehung im Führerscheinregister vorgemerkt wird. Sollten innerhalb eines zweijährigen Beobachtungszeitraumes der Berufungswerber ein zweites Vormerkdelikt begehen oder begangen haben, würde die Behörde die Absolvierung einer besonderen Maßnahme anordnen. Sollte innerhalb dieses zweijährigen Beobachtungszeitraumes ein drittes Vormerkdelikt begangen werden, so würde dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für mindestens drei Monate entzogen werden.
2. Gegen dieses Straferkenntnis wendet sich der Berufungswerber mit seiner durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung mit nachfolgenden Ausführungen:
3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat nach Beeinspruchung der von ihr erlassenen Strafverfügung das Verfahren am 23.9.2008 gemäß § 29a VStG der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung zur Durchführung des Verfahrens abgetreten.
3.1. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war antragsgemäß durchzuführen (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).
3.2. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt. Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung war angesichts strittiger Verschuldenslage mit Blick auf das Berufungsvorbringen gemäß § 51e Abs.1 Z1 VStG durchzuführen.
Der Berufungswerber nahm durch seinen Rechtsvertreter entschuldigt an der Berufungsverhandlung nicht persönlich teil. Die Behörde erster Instanz wurde durch den Sachbearbeiter vertreten.
4. Unbestritten ist, dass der Berufungswerber an der Kreuzung Freistädter Straße – Pulvermühlstraße in westlicher Fahrtrichtung (stadteinwärts), das Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage unbeachtet ließ. Dadurch kam es folglich zur Kollision mit einem offenbar bei Grünlicht von der Pulvermühlstraße nach rechts in die Freistädter-Straße einbiegenden und auch mit einem entgegen kommenden Fahrzeug. Unmittelbar vorher war es bereits zum Kontakt mit der Fußgängerampel rechts der Freistädter Straße gekommen.
Anlässlich seiner diesbezüglichen Beschuldigtenvernehmung um 19:40 Uhr des Unfalltages (25.8.2008, Unfallzeit: 13:30 Uhr) vor der Polizei gab der Berufungswerber an, er hätte im Zuge der Annäherung an das etwa 50 m vor der besagten Kreuzung beginnenden Tankstellenareals noch auf die Treibstoffpreise geblickt, habe sich dann jedoch wegen des zu hohen Preises entschlossen nicht zu tanken sondern weiter zu fahren. Er sei mit dem Tempomat mit ca. 40 bis 50 km/h unterwegs gewesen. Auf Grund seiner Allergie habe er vor der Kreuzung plötzlich heftig niesen müssen, wobei es im nächsten Moment zur Kollision gekommen sei.
4.1. Folgt man seiner Darstellung wurde die Wegstrecke von 50 m in einer Zeit von 3,62 bis 4,5 Sekunden zurückgelegt (50 bzw. 40 km/h). Man wird daher mit gutem Grund von einer Durchfahrzeit von vier Sekunden ausgehen können. Dauert nun die "Grün-Blinkphase" vier Sekunden, so musste es zumindest bereits auf Höhe der Tankstelle geblinkt haben.
Nach dem Ende der Grünphase folgt noch eine zwei oder drei Sekunden währende Gelbphase (je nach Ampelphasenplan als sogenannte Räumphase), bis schließlich die Ampelanlage auf Rot schaltet.
Wenn der Berufungswerber in der Folge mit dem von der Pulvermühlstraße nach rechts einbiegenden Pkw am Ende des Kreuzungstrichters zur Freistädterstraße kollidierte, erfolgte dies der logischen Weg-Zeit-Abläufe folgend, zumindest weitere vier Sekunden nach dem Grünlicht der Pulvermühlstraße und sechs bis sieben nach dem Umschalten auf Gelblicht für die Freistädter Straße.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass etwa das Fahrzeug von der Pulvermühlstraße einen sogenannten Frühstart durchgeführt hätte. Daraus folgt letztlich, dass diese offenkundige Rotlichtfahrt jedenfalls nicht (nur) mit einem beim Niesen einhergehenden kurzfristigen Schließen der Augen erklärbar sein könnte.
Vielmehr scheint der Berufungswerber schlichtweg die Ampelanlage übersehen zu haben, wobei er – aus welchen tatsächlichen Gründen auch immer - auch noch unmittelbar vor der Kreuzung nach rechts von der Fahrbahn abkam und die dort aufgestellte Ampelanlage nieder fuhr.
4.2. Insgesamt ist daher zur Verantwortung des Berufungswerbers zu bemerken, dass ein plötzliches Niesen, was immerhin jedem Fahrzeuglenker einmal widerfahren kann, als entschuldigender Grund für die Missachtung des Rotlichtes nicht herhalten kann. Die angebliche Verwendung des sogenannten Tempomaten im Stadtverkehr wäre im übrigen aus fahrdynamischer Sichtweise als suboptimal zu bezeichnen. Dies wäre einer vorausschauenden und ökonomischen Fahrweise abträglich und könnte zur Quelle verspäteter Reaktionshandlungen werden.
Offenbar hat sich der Berufungswerber durch den Blick auf die Preistafel der Tankstelle und seinen Überlegungen soll er tanken oder nicht und vielleicht tatsächlich begleitet von einem plötzlichen Niesen, vom Geschehen vor sich und seinem Fahrzeug kurzfristig distanziert gehabt.
Diese Nachlässigkeit vermag jedoch nicht mit den an einen Fahrzeuglenker zu stellenden Aufmerksamkeitsanforderungen in Einklang gebracht werden.
Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde nach Sichtung der maßstabsgetreuen Luftbilder vom verfahrensgegenständlichen Kreuzungsbereich der Antrag auf Durchführung eines Ortsaugenscheins nicht mehr aufrecht erhalten. Ebenfalls wurde die Einholung eines medizinischen Gutachtens, welches im Vorfeld dem Berufungswerber beizubringen anheim gestellt wurde, nicht mehr weiter vertreten. Der in der Berufung vorgetragenen Verantwortung eines wegen des Niesens fehlenden Verschuldens vermag daher seitens der Berufungsbehörde aus obigen Gründen nicht gefolgt werden.
4.1. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
In Vermeidung von Wiederholungen auf die von der Behörde erster Instanz zutreffend zitierte Rechtsvorschrift des § 38 Abs.5 iVm § 99 Abs.2c Z6 StVO 1960 verwiesen werden.
Gemäß § 20 Abs. 1 erster Satz StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.
Nach § 38 Abs. 4 Satz 1 und 2 StVO 1960 gilt grünes Licht als Zeichen für "Freie Fahrt". Bei diesem Zeichen haben die Lenker von Fahrzeugen, wenn es die Verkehrslage zulässt, weiterzufahren oder einzubiegen.
Gemäß Abs. 6 dieser Bestimmung (in der Fassung der 10. StVO-Novelle, BGBl Nr. 174/1983) ist das grüne Licht jeweils mit viermal grünblickendem Licht zu beenden, wobei die Leucht- und die Dunkelphase abwechselnd je eine halbe Sekunde zu betragen haben. Grün blinkendes Licht bedeutet das unmittelbar bevorstehende Ende des Zeichens für "Freie Fahrt".
4.2. In Anbetracht der Bestimmung des § 5 Abs.1 VStG, wonach bei einem Ungehorsamsdelikt - um ein solches handelt es sich bei der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung - vom Verschulden des Täters auszugehen ist, wenn dieser nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, bildet es daher schon aus diesem Grund keine Rechtswidrigkeit wenn im Lichte der vorgetragenen Verantwortung dem Berufungswerber kein Schuldausschließungsgrund zuerkannt wird (vgl. VwGH 30.6.1993, 93/02/0033).
Der Berufungswerber scheint ferner mit seiner Verantwortung zu übersehen, dass er vom Grünlicht der Verkehrslichtsignalanlage im Zeitpunkt seiner Annäherung nur im Falle der gesicherten Wahrnehmung desselben "überzeugt" sein durfte.
Im übrigen hält der Unabhängige Verwaltungssenat die Argumentation der belangten Behörde für schlüssig, dass der Beschwerdeführer das rote Licht der Verkehrslichtsignalanlage jedenfalls - trotz Niesens - schon im Hinblick darauf wahrgenommen haben müsste, dass er mit dem Umschalten auf Rot bereits bei der Annäherung rechnen musste, wobei er dies während der gesamten Grünblinkphase und weiter noch bei Gelblicht erkennen hätte können und müssen. Selbst wenn der Beschwerdeführer noch nicht beim Zufahren zu der Kreuzung sondern erst in seiner Position unmittelbar vor der Haltelinie infolge plötzlichen Niesens an der Beobachtung der Verkehrlichtsignalanlage gehindert gewesen sein sollte, ist ihm zur Strafbarkeit im Sinne des § 5 Abs.1 VStG ein fahrlässiges Verhalten und sohin als Verschulden anzulasten, weil er schon bei der Annäherung damit rechnen musste, dass die Ampel in absehbarer Zeit auf Rotlicht schalten würde und er schon damit vorsorglich mit seiner Anhaltepflicht hätte rechnen müssen. Dass ihm dies nicht möglich gewesen wäre behauptet er nicht einmal selbst (vgl. VwGH 4.10.1991, 91/18/0152).
5. Zur Strafzumessung hat der Oö. Verwaltungssenat nun erwogen:
5.1. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch – StGB sinngemäß anzuwenden.
5.2. Dem Einfahren in einen Kreuzung bei Rotlicht ist wohl ein noch höherer Unwertgehalt als etwa abstrakt dem Unwertgehalt einer Geschwindigkeitsüberschreitungen zuzuordnen ist. Stellt doch diese Art der Unaufmerksamkeit eine noch, wie hier tatsächlich eingetreten, eine noch viel größere Unfallwahrscheinlichkeit und Gefährdung dar. Wenn die belangte Behörde unter allgemeinen Hinweis auf die Strafzumessungsgründe nach § 19 VStG – in Bindung an die mit der Strafverfügung – 150 Euro verhängte, ist diese Strafzumessung mit Hinblick auf die Rechtsgutschädigung als geradezu überdurchschnittlich milde bemessen zu erachten. Immerhin ist diese Rotlichtfahrt trotz der angeblichen Niesanfalls als Folge eines nicht entschuldbaren Aufmerksamkeitsfehlers begangen zu erachten, was bei der Strafbemessung entsprechend zu berücksichtigen ist. Ein Ermessensfehler vermag jedenfalls seitens der Berufungsbehörde nicht erblickt werden (vgl. hiezu auch die bei HAUER-LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 zitierten Entscheidungen 23b, 24 und 25 zu § 19 VStG).
Der Berufung musste daher sowohl im Schuld- als auch im Strafausspruch ein Erfolg versagt bleiben.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r