Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281086/19/Kl/RSt

Linz, 29.01.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn P H, E, vertreten durch Rechtsanwalt Ing. Mag. K H, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 11. April 2008, Ge96-138-9-2007-Bd/Fr, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 25. September 2008, zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch des Straferkenntnisses unter Ziffer 1 der Arbeitnehmer "Herr S E, alias S R" zu lauten hat und die Verwaltungsstrafnorm im Sinn des § 44a Z3 VStG zu den Fakten 1 und 2 jeweils "§ 130 Abs.5 Einleitung ASchG" zu zitieren ist.

 

 

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 320 Euro, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

Zu II.: § 64 VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 11. April 2008, Ge96-138-9-2007-Bd/Fr, wurden über den Berufungswerber (Bw) zwei Geldstrafen von je 800 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von je 36 Stunden, wegen jeweils einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) iVm § 7 Abs.1 und § 7 Abs.2 Z4 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma H GmbH in E, und somit als das gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ und sohin strafrechtlich Verantwortlicher zu vertreten hat, dass im Zuge einer am 24.9.2007 von einem Organ des Arbeitsinspektorates Linz auf der Baustelle "F B, S, P" durchgeführten Kontrolle festgestellt wurde, dass die gesetzlichen Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung nicht eingehalten wurden.

 

Am 24. September 2007 waren

 

1. der Arbeitnehmer der obgenannten Firma, Herr S R und

2. der Arbeitnehmer der obgenannten Firma, Herr L R

 

in ca. 18 bis 20 m Höhe mit der Demontage von Fertigteilen beschäftigt.

 

Ein Arbeitnehmer befand sich dabei auf einem ca. 50 cm breiten Stahlbetonträger, der zweite Arbeitnehmer im Deckenrandbereich.

Obwohl Absturzgefahr aus ca. 18 bis 20 m Höhe bestand, waren keine Absturzsicherungen gemäß § 8 BauV, keine Abgrenzungen gemäß § 9 BauV oder keine Schutzeinrichtungen gemäß § 10 BauV angebracht. Die beiden Arbeitnehmer waren auch nicht mit Sicherheitsgeschirr gegen Absturz gesichert.

 

Gemäß § 7 Abs.2 Z4 liegt an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe Absturzgefahr vor.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die H GmbH als Subauftragnehmer tätig gewesen sei und das bestehende Gebäude abgerissen werden sollte durch sukzessive Demontage von Bauteilen. Es wäre daher das Anbringen von Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich gewesen, wobei aber durch derartige Einrichtungen die Arbeit gehindert wäre. Es seien daher die Mitarbeiter angewiesen Sicherheitsgeschirre zu verwenden, welche von den Arbeitern in den Firmenfahrzeugen zur Baustelle mitgeführt werden. Vor Ort gibt es auf jeder Baustelle einen Baustellenleiter der auch sicherzustellen hat, dass die Arbeitnehmerschutzvorschriften eingehalten werden. Der Bw überwache die Melde- und Berichtspflichten des Baustellenleiters, indem er regelmäßig zu Baubesprechungen in der Firma kommt und unangekündigt Baustellenbesuche mache. Als Sanktionen seien die Verwarnung und im Wiederholungsfall Kündigung vorgesehen. Bei der H GmbH habe es noch keinen schweren Arbeitsunfall gegeben und sei der Bw verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Aber selbst bei einem grundsätzlich funktionierenden Kontroll- und Überwachungssystem könne nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Mitarbeiter Weisungen nicht befolgen und Schutzvorschriften nicht eingehalten werden. Schließlich wurde bestritten, dass ein Mitarbeiter namens R S für das Unternehmen tätig sei. Dieser habe nicht auf der Baustelle gearbeitet. Hinsichtlich des Arbeitnehmers R L bestehe der Tatvorwurf nicht zurecht, weil keine Vorwerfbarkeit gegenüber dem Bw vorliege.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme, insbesondere in die Anzeige samt beigeschlossenen Fotos, die Einvernahme des Beschuldigten und die Stellungnahmen, sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25. September 2008, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und mit Ausnahme der belangten Behörde erschienen sind. Weiters wurden die Zeugen Ing. K P, Arbeitsinspektorat Linz, und S E geladen und einvernommen. Die als Zeugen geladenen L R und S R erschienen nicht, weil die Ladung wegen Unbekanntheit nicht zugestellt werden konnte. Hingegen gab der Bw anlässlich der Ladung zur öffentlichen mündlichen Verhandlung als Arbeitnehmer Herrn S E mit Adresse bekannt.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht als erwiesen fest, dass am 24. September 2007 zwei Arbeitnehmer für die H GmbH mit Sitz in E auf der Baustelle "F B" in Steyr Abbrucharbeiten, nämlich Demontage von Betonbauteilen, durchgeführt hatten, wobei sie sich auf ca. 18 bis 20 m Höhe befanden und nicht gesichert waren. Ein Arbeitnehmer (S E) befand sich auf einem ca. 50 cm breiten Betonträger, ein weiterer Arbeitnehmer am Deckenrand der darunterliegenden Geschossdecke. Es waren weder technische Schutzeinrichtungen vorhanden, noch waren die Arbeitnehmer angeseilt. Bei den Arbeitnehmern handelt es sich um den bei der H GmbH beschäftigten S E, der sich anlässlich der Kontrolle als S R ausgab sowie um den Herrn L R, welcher als Leasingarbeitnehmer für die H GmbH beschäftigt war.

 

Die H GmbH beschäftigt sich mit Abbrucharbeiten durch Schneiden von Beton. Sie hat den Auftrag als Subauftragnehmer von der Firma B, die mit dem Abbruch beauftragt war, übernommen. Im gegenständlichen Fall waren nur die Träger aus Beton zu entfernen. Die Träger waren dazu zu zerschneiden, damit sie anschließend mittels Kran weggehoben werden konnten. Diese Arbeiten auf der Baustelle nahmen ca. insgesamt eine Woche in Anspruch. Zum Zeitpunkt der Kontrolle war auf der Baustelle schon einige Tage gearbeitet worden. Der Bw hat in der Firma mit Herrn S E die Baustelle besprochen und die Baustelle angesehen, wobei über die Abbruchtechnik gesprochen wurde und dass die Arbeitnehmer sich anzuseilen hätten. Über ein Gerüst wurde nicht gesprochen und war ein solches nicht vorgesehen. Die Arbeitnehmer werden generell hinsichtlich Sicherheitsvorkehrungen geschult und gelten diese für sämtliche Baustellen. Für die Baustelle wird keine Einschulung vorgenommen. Hier wissen die Arbeitnehmer selbst was zu tun ist. Auch hinsichtlich des Anseilens werden dann keine Anschlagpunkte festgelegt, wo genau zu sichern ist, da dies die Arbeitnehmer selbst bestimmen. Sicherungsseile und Sicherheitsgeschirre werden von der Firma dem Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt und sind im Firmenbus. Ein Gerüst muss bei der Firma bestellt werden. Nach der Kontrolle wurde das Gerüst von der Firma zur Baustelle mitgenommen. Am Kontrolltag war ein Sicherheitsseil und Sicherheitsgurt nicht auf der Baustelle vorhanden, weil der Arbeitnehmer dieses am Vortag mit nach Hause genommen hat und für diesen Tag vergessen hat. Auf der Baustelle sind in der Regel zwei Arbeitnehmer, wie auch am Kontrolltag, anwesend, wobei der erfahrenere Arbeitnehmer den anderen Arbeitnehmer zu kontrollieren hat. Am Kontrolltag war daher der gelernte Bauarbeiter S E verantwortlich auf der Baustelle und hatte den Leasingarbeiter, welcher angelernt wurde und ca. drei Wochen für die Firma beschäftigt war, zu kontrollieren. Der Bw kommt – abgesehen von der Baustellenbesprechung zu Beginn der Baustelle – stichprobenartig und unangemeldet auf die Baustelle. Unmittelbar vor der Kontrolle bzw. am Kontrolltag war der Bw nicht auf der Baustelle. Wenn Sicherheitsvorkehrungen nicht in Ordnung sind, werden Arbeitnehmer ermahnt. Von Kündigungen ist den befragten Arbeitnehmern nichts bekannt.

 

Arbeiten in Absturzhöhen von 15 bis 20 m kommen etwa zwei bis dreimal pro Jahr bei der Firma vor. Für den Arbeitnehmer S E war dies die erste Baustelle in der gegebenen Art und Weise. Dem Arbeitnehmer war aber bewusst, dass ein Geländer notwendig gewesen wäre. Es wurde daher erst am nächsten Tag nach der Kontrolle von ihm ein fahrbares Gerüst von der Firma mitgenommen und wurde mit diesem Gerüst weitergearbeitet.

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der H GmbH. Er ist sorgepflichtig für seine Gattin und einen Sohn (ausgewiesen durch eine gerichtliche Vergleichsausfertigung). Abzüglich der Sorgepflichten und der Schuldenrückzahlung für Privatkredite verbleibt ihm ein Einkommen von 2.100 Euro netto monatlich. Er ist im Alleineigentum der Firmenliegenschaft und des Betriebes. Gegen ihn liegt eine rechtskräftige Vormerkung wegen einer Verwaltungsstrafe vor.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf die im Akt befindlichen Fotos sowie die Angaben der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen sowie auch auf die Ausführungen des Bws selbst.

 

Die Zeugen erschienen glaubwürdig und widerspruchsfrei und es konnten ihre Aussagen der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Hingegen konnten die Ausführungen des Bws, dass ein Gerüst hinderlich sei bzw. die Verwendung nicht möglich sei, durch die Zeugen nicht bestätigt werden. Auch wurde dann ein Gerüst in weiterer Folge verwendet. Auch wurde einwandfrei durch Zeugenaussagen erwiesen, dass am Kontrolltag ein Sicherheitsgeschirr und Sicherheitsseil bei der Baustelle nicht vorhanden war und die Baustelle an diesem Tag auch nicht vom Bw kontrolliert wurde und auch sonst eine Kontrolle nicht stattgefunden hat. Hingegen waren die beiden Arbeitnehmer sich selbst überlassen.

 

Zu den Arbeitnehmern wurde durch die Aussagen erwiesen, dass jedenfalls S E, im Straferkenntnis als S R bezeichnet, ein und dieselbe Person sind und an diesem Tage auf dem Träger gearbeitet hat. Hinsichtlich des L R hat das Beweisverfahren einwandfrei ergeben, dass dieser Leasingarbeiter war und für die H GmbH bereits drei Wochen gearbeitet hat und als zweiter Arbeitnehmer auf der Baustelle auf der oberen Geschossdecke gearbeitet hat. Beide Arbeitnehmer sind auf den Fotos ersichtlich.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl Nr. 450/1994 idF BGBl II Nr. 13/2007, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem neunten Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwider handelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl Nr. 340/1994, als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl Nr. 340/1994 idF BGBl II Nr. 13/2007, sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

 

Gemäß § 7 Abs.2 Z4 BauV liegt Absturzgefahr an sonstigen Arbeitsstätten, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe vor.

 

Gemäß § 7 Abs.4 BauV kann die Anbringung von Absturzsicherungen (§ 8) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) entfallen, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber der durchzuführenden Arbeit ist. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer entsprechend § 30 sicher angeseilt sein.

 

5.2. Im Grunde des festgestellten Sachverhalts ist der Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung je Arbeitnehmer erwiesen. Es liegt eine Absturzhöhe von etwa 18 bis 20 m vor und es waren keine Absicherungen vorhanden und die Arbeitnehmer waren auch nicht angeseilt. Ein Gerüst war vom Arbeitgeber nicht beabsichtigt und daher nicht vorhanden. Sicherheitsseil und Sicherheitsgeschirr wurde zwar grundsätzlich vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, allerdings war es zum Tatzeitpunkt auf der Baustelle nicht vorhanden, weil es der Arbeitnehmer am Vortag mit nach Hause genommen hat und es dort vergessen hat.

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der H GmbH und daher auch verwaltungsstrafrechtlich gemäß § 9 Abs.1 VStG verantwortlich.

 

Das Beweisverfahren hat erwiesen, dass S E unmittelbar Arbeitnehmer des Bws war, der weitere Arbeitnehmer als Leasingarbeitnehmer für ihn gearbeitet hat. Er war daher für beide Arbeitnehmer nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz verantwortlich, zumal für die Dauer der zur Verfügung Stellung von Arbeitnehmern der Beschäftiger als Arbeitgeber gilt (§ 9 Abs.1 ASchG).

 

Wenn hingegen hinsichtlich des Leasingarbeitnehmers ausgeführt wird, dass dieser nicht auf dem Träger sondern auf der darunter liegenden Geschossdecke gearbeitet hätte und von dort aus keine unmittelbare Absturzgefahr bestünde, so ist ihm die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 5.9.2008, Zl. 2008/02/0129-3) entgegenzuhalten, wonach § 87 BauV (gleiches gilt auch für § 7 BauV) keine Einschränkung etwa nach der Entfernung der durchzuführenden Arbeit von der Absturzkante enthält. "Dies ist auch klar, wenn man nach dem Sinn aller Arbeitnehmerschutznormen berücksichtigt, dass es auf die Verhinderung abstrakter Gefahrenlagen ankommt." Es ist grundsätzlich nie auszuschließen, dass sich ein Arbeitnehmer (etwa, weil er anderen Arbeitern ausweicht) der Absturzkante nähert und in konkrete Absturzgefahr gerät. Für eine teleologische Reduktion der Bestimmung der BauV jeweils nach dem Ort der gerade durchgeführten Arbeit, verbleibt kein Raum.

 

5.3. Hinsichtlich des Verschuldens macht der Bw geltend, dass die Arbeitnehmer unterwiesen sind und verantwortlich auf der Baustelle der erfahrene Arbeitnehmer, konkret Herr S E ist. Im Übrigen werden die Aufgaben von den Arbeitnehmern auf der Baustelle selbständig durchgeführt und bestimmen sie die Schutzmaßnahmen. Der Bw komme stichprobenartig zur Baustelle und kontrolliere hinsichtlich der Sicherheitsbestimmungen. Bei Mängeln werde ermahnt und in weiterer Folge die Kündigung ausgesprochen. Dieses Vorbringen kann aber den Bw nicht entlasten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

 

Im Sinn der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 2006, 2005/02/0248).Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. "Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war".

 

Im Sinne dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bws nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Insbesondere reicht es nicht aus, dass allgemeine Unterweisungen für die Arbeitnehmer durchgeführt werden und dass Sicherheitsgeschirre und Sicherheitsseile zur Verfügung gestellt werden. Vielmehr ist auch die Einhaltung der Anweisungen zu kontrollieren. Es hätte daher der Bw auch die Verwendung der Sicherheitsseile durch die Arbeitnehmer kontrollieren müssen. Der Bw gab aber selbst zu, am Tattag nicht auf der Baustelle gewesen zu sein. Es hat daher keine Kontrolle stattgefunden. Im Übrigen hat auch das Beweisergebnis gezeigt, dass die Arbeiter selbständig auf der Baustelle tätig sind, und daher Sicherungsmaßnahmen und auch zum Beispiel das Festlegen der Anschlagpunkte für die Sicherheitsseile erst durch sie selbständig durchgeführt wird. Darüber hinaus ist dem Bw auch vorzuhalten, dass das Anseilen alleine nicht genügt hätte sondern dass es eines fahrbaren Gerüstes, also konkreter technischer Sicherheitseinrichtungen, bedurft hätte. Solche waren für die Baustelle – wie der Bw selbst ausführte und auch von den Arbeitnehmern bestätigt wurde – nicht vorgesehen. Mangels der Vorsorge für die erforderlichen Sicherheitseinrichtungen hätte daher auch ein Kontrollsystem nichts geändert. Vielmehr ist dem Bw vorzuwerfen, dass er keine Sorge getroffen hat, dass die nach den Arbeitnehmerschutzbestimmungen erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen, nämlich technische Ausrüstungen, zur Verfügung gestellt und benutzt werden. Wie aber das Beweisverfahren gezeigt hat, war die Verwendung eines fahrbaren Gerüstes durchaus für die konkret durchgeführten Arbeiten möglich, wurde doch nach dem Kontrolltag ein fahrbares Gerüst eingesetzt und verwendet.

 

Es hat daher der Bw auch schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig gehandelt.

 

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass der Verweis des Bws, dass für jede Baustelle ein Baustellenleiter eingesetzt und verantwortlich ist, für eine Entlastung nach der jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht. Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom 26.9.2008, 2007/02/0317, aus, dass es für ein wirksames Kontrollsystem nicht ausreichend ist, dass auf den einzelnen Baustellen Bauleiter bzw. Vorarbeiter und Poliere mit der Überwachung und Einhaltung an Ort und Stelle verantwortlich sind.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses keine Milderungsgründe gewertet und straferschwerend die große Absturzhöhe berücksichtigt. Sie hat gemäß den Angaben des Bws im Zusammenhalt mit dem von ihm vorgelegten Scheidungsvergleich ein monatliches Nettoeinkommen von 2.100 Euro (dieses verbleibt dem Bw nach Abzug der Sorgepflichten) und Sorgepflichten in der Gesamtsumme von 3.100 Euro sowie das Vermögen in Form der Liegenschaft und dem darauf errichteten Betrieb zugrundegelegt.

 

Auch in der Berufung hat der Bw keine geänderten Umstände vorgebracht und kamen auch im Berufungsverfahren nicht hervor. Dem Bw ist eine rechtskräftige Vorstrafe (wenngleich auch nicht einschlägig) entgegenzuhalten, sodass die von ihm eingewendete Unbescholtenheit nicht vorliegt. Weitere strafmildernde Umstände traten nicht hervor. Hingegen ist die Behörde in ihrer Würdigung zu bestätigen, dass im Grunde der großen Absturzhöhe eine erhebliche Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer vorlag, sodass dies in erheblichem Maß dem Schutzzweck der Norm widerspricht. Dies musste bei der Strafbemessung bewertet werden. Es kann daher nicht gefunden werden, dass die Behörde von dem ihr zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise Gebrauch gemacht hat. Die je Arbeitnehmer verhängte Geldstrafe ist im untersten Bereich des Strafrahmens angesetzt und daher nicht überhöht. Sie ist im Gegenteil tat- und schuldangemessen und auch den persönlichen Verhältnissen des Bws angepasst. Es war daher die jeweils verhängte Geldstrafe und auch für den Fall der Uneinbringlichkeit die festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe zu bestätigen.

 

Ein Überwiegen von Milderungsgründen war nicht festzustellen bzw. lagen keine Milderungsgründe vor, sodass von einer außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG nicht Gebrauch zu machen war. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das Verhalten des Bws nicht weiter hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Mangels dieser Voraussetzung war daher von einem Absehen der Strafe gemäß § 21 VStG nicht auszugehen. Vielmehr hat das Verfahren gezeigt, dass der Bw in erheblichem Maße den Schutzzweck der Norm verletzt hat und daher sein Verhalten dem Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung entspricht.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 320 Euro, festzusetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem

 

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