Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400624/6/Le/Ni

Linz, 21.05.2002

VwSen-400624/6/Le/Ni Linz, am 21. Mai 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Beschwerde der Y, türkische Staatsangehörige, vertreten durch Rechtsanwalt wegen Anhaltung in Schubhaft aufgrund des Bescheides der Bundespolizeidirektion Linz zu Recht erkannt:

  1. Der Beschwerde wird Folge gegeben; der Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft in der Zeit vom 19.3.2002 bis 22.3.2002 werden für rechtswidrig erklärt.
  2. Der Bund hat der Beschwerdeführerin den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 610 Euro binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin in Höhe von 122 Euro wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§§ 72 und 73 Fremdengesetz 1997 - FrG 1997, BGBl. I Nr. 75/1997, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 142/2001 iVm §§ 67c und 79a AVG iVm der UVS- Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 499/2001.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit Schriftsatz vom 29.4.2002, beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingelangt am 30.4.2002, erhob die Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: Bf) Beschwerde gemäß § 72 FrG mit der Behauptung, dass ihre Anhaltung in Schubhaft für drei Tage rechtswidrig gewesen wäre.

In der Begründung dazu führte sie im Wesentlichen aus, am 31.8.2001 von A kommend in Österreich eingereist zu sein. Sie wäre im Besitz eines gültigen Reisepasses mit einem gültigen Visum-C, ausgestellt von der deutschen Botschaft in A (gültig vom 28.8 bis 27.9. 2001) gewesen.

In L leben ihre Eltern und ihre beiden Brüder und hätte sie sich gleich nach der Einreise an der gemeinsamen Wohnanschrift in L angemeldet.

Am 27.9. 2001 hätte sie beim Bundesasylamt L einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid vom 18.1.2002 als unzulässig zurückgewiesen und sie gleichzeitig aus dem Bundesgebiet nach Deutschland ausgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Berufung wurde abgewiesen. Am 18.3.2002 wäre die Polizei in ihrer Wohnung erschienen und hätte sie dort zunächst nicht angetroffen, hätte dann aber auf ihre Heimkehr gewartet und ihr dann mitgeteilt, dass bis zum Ablauf der Beschwerdefrist an den VwGH mit fremdenpolizeilichen Maßnahmen zugewartet würde.

Am 19.3.2002 wäre sie dann dennoch in Schubhaft genommen worden, wobei die Schubhaft lediglich mit dem Halbsatz "... sie sich zu ihrer Abschiebung nicht freiwillig bereithalten werden." begründet worden sei.

Am 22.3.2002 wäre ihrer Beschwerde an den VwGH die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden und hätte die Fremdenpolizei die Schubhaft aufgehoben.

Schubhaft dürfe nur dann verhängt werden, sofern sie notwendig ist, um die Abschiebung zu sichern. Dies bedeute, dass in Fällen der Freiheitsentziehung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattzufinden habe und die Freiheitsentziehung das letzte anzuwendende Mittel sei. Dafür hätte die Behörde im vorliegenden Fall jedoch keine Indizien gehabt. Sie lebe aufrecht gemeldet bei ihren Eltern, die in Österreich völlig integriert wären. Es bestehe kein Grund zur Annahme, warum sie plötzlich untertauchen sollte. Darüber hinaus habe ihr die Polizei am Tage vor der Schubhaftnahme versichert, dass sie bis zum Ablauf der Beschwerdefrist nicht in Schubhaft genommen werde. An beiden Tagen, an denen die Polizei bei ihr war, wäre sie anwesend gewesen.

Eine Notwendigkeit, drei Tage lang die Schubhaft zu verhängen, wäre nicht zu sehen, noch dazu da ihr Rechtsvertreter die Polizei davon informiert habe, dass die aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in den nächsten Tagen eintreffen würde.

Es sei weiters als Erfahrungstatsache anzusehen, dass die deutsche Polizei einige Tage Vorbereitungszeit brauche, bevor die Überstellung durchgeführt werden könne. Die Anfrage an die deutsche Polizei hätte aber nicht schon vor ihrer Verhaftung stattgefunden, sodass sie direkt überstellt hätte werden können, sondern fragte die Fremdenpolizei erst bei der deutschen Polizei um einen Überstellungstermin an, als sie sich bereits in Schubhaft befand. Dies sei mit der Prämisse der Minimierung der Schubhaftdauer nicht zu vereinbaren und mache die Schubhaft rechtswidrig.

Wenn aber keine Gefahr besteht, dass sie sich zur Abschiebung nicht freiwillig bereit halten würde, so wäre die Schubhaft rechtswidrig.

Eine weitere Rechtswidrigkeit des Bescheides und der Anhaltung sei darin zu erkennen, dass sich die Behörde nicht mit dem Rechtsinstitut des gelinderen Mittels auseinandergesetzt habe.

2. Die Bundespolizeidirektion L als belangte Behörde hat den zu Grunde liegenden Fremdenakt an den Unabhängigen Verwaltungssenat übermittelt.

Zum Beschwerdevorbringen hat sie eine Gegenschrift erstattet und darin beantragt, der Unabhängige Verwaltungssenat möge die Beschwerde als unbegründet abweisen und erkennen, dass der Beschwerdeführer (gemeint: die Beschwerdeführerin) der belangten Behörde (dem Bund) die Pauschalbeträge für Schriftsatzaufwand, Vorlageaufwand und gegebenenfalls für den Verhandlungsaufwand zu ersetzen habe.

In der Begründung verwies die belangte Behörde auf den Bescheid des UBAS vom 19.2.2002 sowie den Erlass der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13.3.2002.

Die Beschwerdeführerin sei am 19.3.2002 in Schubhaft genommen worden und wäre bereits am nächsten Tag über die SID mit der Polizeidirektion T bezüglich der Übergabe Kontakt aufgenommen worden. In zurückliegenden Fällen wäre binnen kürzester Zeit ein Übergabetermin vereinbart worden.

Aus diesem Grunde und um sicher zu gehen, dass die Bf zum Übergabetermin auch tatsächlich greifbar sei, wäre vor Vereinbarung des Übergabetermines bereits die Schubhaft angeordnet worden. Letztendlich wäre die Beschwerdeführerin am 25.3.2002 beim Grenzübergang überstellt worden. Da am 22.3.2002 der belangten Behörde der Beschluss des VwGH über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung übermittelt wurde, wäre diese aus der Schubhaft entlassen worden.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in die vorgelegten Akten Einsicht genommen und festgestellt, dass der Sachverhalt in den entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdeausführungen ausreichend geklärt ist. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher gem. § 73 Abs.2 Z1 FrG unterbleiben.

Es ergibt sich daraus im Wesentlichen folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

3.1. Nach ihren eigenen Angaben reiste die Bf am 31.8.2001 mit dem Flugzeug von A nach M und von dort mit der Bahn nach Österreich. Sie besaß damals ein gültiges Schengen-Visum des deutschen Generalkonsulates in A, ausgestellt am 27.8.2001 und gültig bis 27.9. 2001.

Am 27.9.2001 stellt sie beim Bundesasylamt L einen Asylantrag, der jedoch in der Folge vom Bundesasylamt, Grundsatz- und Dublinabteilung, mit Bescheid vom 18.1.2002 als unzulässig zurückgewiesen wurde; gleichzeitig wurde die Antragstellerin aus dem Bundesgebiet nach Deutschland ausgewiesen.

Über Ersuchen des Bundesasylamtes vom 28.11.2001 hatte sich das deutsche Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bereits gemäß Artikel 5 Abs.2 des Dubliner Übereinkommens zur Übernahme der Antragstellerin bereit erklärt.

Der Unabhängige Bundesasylsenat wies mit seiner Entscheidung vom 19.2.2002 die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.1.2002 ab.

Mit dem Schreiben vom 18.3.2002 verständigte das Bundesasylamt, Grundsatz- und Dublinabteilung, die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich von der rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens und ersuchte um Überstellung der Fremden nach Deutschland, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die Überstellung bis längstens 5.4.2002 zu erfolgen habe; gleichzeitig wurde ein Laissez-Passer ausgestellt.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates das Rechtsmittel der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

3.2. Die Bundespolizeidirektion L ordnete mit Bescheid vom 18.3.2002 gegen die nunmehrige Beschwerdeführerin die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung an. In der Begründung dazu wurde festgestellt, dass die Bf mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.1.2002 ausgewiesen wurde und sie daher nach Deutschland zu überstellen wäre. Zur Sicherung dieser Maßnahme wäre die Schubhaft zu verhängen, da davon ausgegangen werden müsse, dass sie sich zu ihrer Abschiebung nicht freiwillig bereithalten würde.

Noch am selben Tag wurde versucht, die Bf in Schubhaft zu nehmen, was aber nicht gelang:

Den beiden Polizeibeamten wurde von den Eltern der Bf der Bescheid des UBAS sowie das Begleitschreiben des Rechtsanwaltes gezeigt, aus dem nach Ansicht der einschreitenden Beamten eindeutig hervorgegangen sei, dass eine Festnahme nicht möglich sei, da die Rechtsmittelfrist noch nicht verstrichen sei.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen findet sich in der Meldung der beiden Sicherheitswachebeamten über diese Amtshandlung der Hinweis, dass die Bf persönlich nicht angetroffen werden konnte.

Am nächsten Tag erschienen wieder zwei Polizeibeamte bei der nunmehrigen Bf und nahmen sie fest. Am 19.3.2002 um 21.50 Uhr wurde sie in Schubhaft genommen, woraus sie am 22.3. um 12.15 Uhr wieder entlassen wurde.

An diesem Tage war der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.3.2002, Zl. AW2002/20, der belangten Behörde zugestellt worden.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 72 Abs.1 FrG hat, wer gemäß § 63 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wobei jener Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde (§ 73 Abs.1 leg.cit.).

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich.

Mit der gegenständlichen Beschwerde wurde im Wesentlichen die Rechtswidrigkeit der Inschubhaftnahme und der Anhaltung behauptet und die Feststellung begehrt, den Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung der Bf in Schubhaft vom 19.3. bis 22.3.2002 für rechtswidrig zu erklären.

Die Beschwerdevoraussetzungen sind erfüllt, die Beschwerde ist zulässig; sie ist auch begründet.

4.2. Gemäß § 61 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

Die Schubhaft ist mit Bescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen (§ 61 Abs.2 leg.cit.).

Nach § 66 Abs.1 FrG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann...

Gemäß Abs.2 leg. cit. kommt als gelinderes Mittel insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen. Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese hätte bereits aus dem Grunde des § 96 Abs.1 Z1 von Amts wegen zu erfolgen.

4.3. Mit der Frage, ob an Stelle der Schubhaft auch ein gelinderes Mittel angewendet werden könnte, insbesonders die erwähnte Anordnung, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, hat sich die belangte Behörde im vorliegenden Verfahren offensichtlich nicht beschäftigt. Sie hat in der Begründung ihres Bescheides lediglich behauptet, dass zur Sicherung dieser Maßnahme (= Ausweisung nach Deutschland) die Schubhaft zu verhängen ist, da davon ausgegangen werden müsse, dass sie (= die Bf) sich zu ihrer Abschiebung nicht freiwillig bereithalten würde. Worauf die Behörde diese Annahme stützte hat sie nicht dargelegt.

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht nicht hervor, dass sich die belangte Behörde auch nur ansatzweise mit der Frage auseinandergesetzt hätte, ob anstelle der Schubhaft ein gelinderes Mittel zur Anwendung gelangen hätte können. Dies wäre aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles aber jedenfalls geboten gewesen, zumal die Bf bei ihren Eltern und ihren Geschwistern wohnte, von diesen offensichtlich auch versorgt wurde und dort (wie die übrigen Familienmitglieder) polizeilich gemeldet war; überdies wäre hier auch das junge Alter von immerhin erst 21 Jahren, das ebenfalls für einen besonderen Zusammenhalt mit der Familie spricht, zu berücksichtigen gewesen.

Im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe hiezu etwa VwGH vom 15.12.2000, 98/02/0155, hätte unter diesen besonderen Verhältnissen daher die Anwendung eines gelinderen Mittels, nämlich die Anordnung, in der elterlichen Wohnung weiterhin Unterkunft zu haben, wohl ausgereicht, um die Bf zeitgerecht zur Ausreise nach Deutschland (iSd Ausweisungsbescheides des Bundesasylamtes) verhalten zu können.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Bei diesem Ergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Fremdenbehörde eingeschritten ist, antragsgemäß der Ersatz der notwendigen Aufwendungen der Bf gemäß § 79a AVG iVm § 72 Abs.2 FrG für den Schriftsatzaufwand aufzutragen. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2001 BGBl. II. Nr. 499/2001, beträgt der Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand der Beschwerdeführerin 610 Euro. Da es sich bei diesem Betrag um einen Pauschalbetrag handelte, konnte die beantragte Umsatzsteuer in Höhe von 20 % keine Berücksichtigung finden. Das Mehrbegehren in Höhe von 122 Euro war daher abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. L e i t g e b

Beschlagwortung: Schubhaft; gelinderes Mittel

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