Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163760/2/Fra/RSt

Linz, 05.02.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung der Frau I A, vertreten durch die Rechtsanwälte R, W und Kollegen, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 4. Dezember 2008, VerkR96-18996-2008, betreffend die Übertretung des § 52 lit.a Z10a StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; die Berufungswerberin hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über die Berufungswerberin (Bw) wegen Übertretung des § 52 lit.a Z10a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 120 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil sie als Lenkerin des Pkws, Kennzeichen ..., in der Gemeinde W, Autobahn, W Nr.  bei km 10.600 in Fahrtrichtung Liezen, am 16.7.2008 um 00:41 Uhr die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 33 km/h überschritten hat. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch die ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems – als nunmehr belangte Behörde – sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlasst und legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c erster Satz VStG).

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

Die Bw bestreitet die Lenkereigenschaft und bringt vor, dies müsse sich ohne weiteres aus den Lichtbildern erkennen lassen. Die an sie übersendeten Fotografien lassen keinen Fahrer erkennen.

 

Aufgrund der Aktenlage ist festzustellen, dass die belangte Behörde keine Lenkererhebung durchgeführt hat. Dazu ist rechtlich beurteilend festzustellen, dass das Verwaltungsverfahren und auch das Verwaltungsstrafverfahren von den Grundsätzen der materiellen Wahrheit sowie der Offizialmaxime (§§ 37 und 39 -Abs.2 AVG) geprägt ist. Die Behörde hat die Pflicht, den maßgebenden Sachverhalt (hier: ua. den Lenker) festzustellen. Ein Beschuldigter ist nicht dazu verpflichtet, von sich aus der Behörde seine mangelnde Lenkereigenschaft zu beweisen. Wenn sich die Verantwortung eines Beschuldigten (lediglich) auf einen bestimmten Aspekt der Tat bezieht, ändert dieser Umstand nichts an der Aufgabe der Behörde, von sich aus den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Würde man einem Beschuldigten die Pflicht auferlegen, sich selbst zu belasten, würde dies gegen das verfassungsrechtlich normierte Verbot der Selbstbezichtigung (Art. 90 Abs.2 B-VG) verstoßen. Ein Beschuldigter ist jedoch im Verwaltungsstrafverfahren an eine gewisse Mitwirkungspflicht gebunden. Diese erfordert es, dass er seine Verantwortung nicht nur darauf beschränken darf, die ihm vorgehaltenen konkreten Erhebungsergebnisse für unrichtig zu erklären, ohne diesen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten.

 

Die Beschuldigte hat jedoch im konkreten Verfahren gegen diese Mitwirkungspflicht nicht verstoßen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann zwar die Verwaltungsstrafbehörde ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften aus dem Untätigbleiben eines Zulassungsbesitzers im Verwaltungsstrafverfahren gegenüber dem Vorwurf eines bestimmten strafbaren Verhaltens im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung den Schluss ableiten, der Zulassungsbesitzer selbst sei der Lenker gewesen, wobei es nicht relevant ist, ob es zu einer auf § 103 Abs.2 KFG 1967 gestützen Lenkeranfrage gekommen ist (VwGH vom 11.5.1990, Zl. 90/18/0022). Dieses Judikat ist jedoch auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anwendbar, weil die Beschuldigte laut Aktenlage zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens darüber befragt wurde, ob sie auch Lenkerin des gegenständlichen Fahrzeuges zu der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Zeit war. Wurde sie darüber jedoch nicht befragt, könnte ihr auch eine mangelnde Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung nicht unterstellt werden. Wenn die Beschuldigte erstmals von ihrem Rechtsmittel gegen das oa. Straferkenntnis die mangelnde Lenkereigenschaft releviert, ist ihr dies unter den oa. Prämissen nicht vorwerfbar. Im Übrigen hätte die belangte Behörde, zumal das Rechtsmittel innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist eingebracht wurde, noch eine Lenkeranfrage stellen können.

 

-Da sohin ein Beweis für die Lenkereigenschaft der Beschuldigten nicht vorliegt, war spruchgemäß zu entscheiden. Bei diesem Ergebnis konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG abgesehen werden.

 

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. F r a g n e r

 

 

 

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