Linz, 09.02.2009
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn M J, geb. , L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 12.12.2008, Zl. S-37593/08-4, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 9. Februar 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird mit der Maßgabe bestätigt, dass dem Spruch vor dem drittletzten Wort die Wortfolge "trotz Gegenverkehrs" einzufügen ist.
II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden als Kosten für das Berufungsverfahren 20 Euro (20 % der verhängten Geldstrafe) auferlegt.
Rechtsgrundlagen:
Zu I. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
Zu II. § 64 Abs.1 u. 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bundespolizeidirektion Linz verhängte mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber zwei Geldstrafen in Höhe von 100 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit 36 Stunden als Ersatzfreiheitsstrafe. Es wurde ihm darin zur Last gelegt, er habe am 5.7.2008 um 09.55 Uhr in Steyregg, L569 bei km 4.020, aus Richtung Steyregg kommend, in Fahrtrichtung Plesching, als Lenker des Kfz, Kz. bei Gegenverkehr den rechten Fahrbahnrand nicht eingehalten und sei mit mindestens einem Drittel des Fahrzeuges über die Fahrbahnmitte gefahren. Gestützt wurde der Schuldspruch auf § 99 Abs.1 lit.a iVm § 7 Abs.2 StVO 1960.
1.2. Die Behörde erster Instanz führte begründend folgendes aus:
2. Dem tritt der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung entgegen:
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates begründet. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war angesichts des bestreitenden Berufungsvorbringens erforderlich (§ 51e Abs.1 Z1 VStG). Die Behörde erster Instanz entschuldigte ihre Nichtteilnahme durch eine schriftliche Mitteilung v. 6.2.2009.
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der Behörde erster Instanz vorgelegten Verfahrensakt. Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde der Berufungswerber als Beschuldiger, und die Polizeibeamten AbtInsp. L und RevInsp. J als Zeugen einvernommen. Von der Örtlichkeit wurde ein Luftbild beigeschafft und vom erstgenannten Zeugen wurden Fotos von der Vorfallsörtlichkeit aus einem anderen Bezug zur Einschau vorgelegt.
4.1. Unbestritten bleibt seitens des Berufungswerbers dessen Lenkereigenschaft seines Pkw’s zur fraglichen Zeit und Örtlichkeit auf der L569. Im Bereich von Straßenkilometer 4,020 verläuft der Straßenzug in Fahrtrichtung des Berufungswerbers in einer Rechtskurve. Die zwei Fahrstreifen sind durch eine Leitlinie getrennt und sind je etwas über drei Meter breit (vermessen aus DORIS-Luftbild).
Ebenfalls unbestritten gelangte der Berufungswerber in diesem Bereich mindestens mit einem Drittel der Breite seines Fahrzeuges über die Fahrbahnmitte. Im Zuge dessen hatte sich das vom Zeugen RevInsp. J entgegen kommende Polizeifahrzeug mit den Zeugen bereits so weit angenähert, dass dessen Geschwindigkeit verlangsamt und an den rechten Fahrbahnrand gelenkt werden musste um eine Kollision zu vermeiden.
Der Berufungswerber verantwortet sich damit einem auf der Fahrbahn liegenden Stein ausgewichen zu sein.
Der Meldungsleger wendeten das Dienstfahrzeug ca. 200 bis 500 m nach dieser Örtlichkeit an einer Bushaltestelle um die Straßenkilometrierung (den Tatort) für die Anzeigeerstattung zu erheben. Beide Zeugen gaben diesbezüglich eingehend befragt glaubhaft an, dabei keinen Stein oder sonstigen Gegenstand auf der Fahrbahn gefunden bzw. gesehen zu haben. In ihren Darstellungen machten die Zeugen im Rahmen der Berufungsverhandlung einen in jeder Richtung hin glaubwürdigen Eindruck. Sie trafen dort bereits wenige Minuten nach ihrer Wahrnehmung ein und fanden auf der Fahrbahn nichts vor. Selbst wenn ein anderer Fahrzeuglenker zwischenzeitig das angebliche Hindernis entfernt gehabt hätte, müsste dieser zu diesem Zeitpunkt noch vor Ort angetroffen worden sein. Warum etwa der Berufungswerber diese aus seiner Verantwortung erwachsende Pflicht nicht selbst wahrgenommen haben wollte, wäre schlechthin unerfindlich und verantwortungslos.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Darstellung des Berufungswerbers einen Stein ausgewichen zu haben als Schutzbehauptung. Selbst wenn sich ein Gegenstand auf der Fahrbahn befindet wäre eine allfällige Inkaufnahme einer Gefährdung des Gegenverkehrs durch Umspuren über die Fahrbahnmitte eine strafwürdige Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer.
Nicht gerade glaubwürdig erscheint es zuletzt, wenn der Berufungswerber just erst in der Berufungsverhandlung zwei angebliche Mitfahrer als Zeugen zu benennen können glaubte, welche er bislang in seinen insgesamt drei Äußerungen in diesem Verfahren nicht zu benennen wusste (Einspruch v. 23.9.08, Beschuldigtenvernehmung 21.11.2009 und Berufung 5.1.2009).
Wenn diesbezüglich dem Zeugen AbtInsp. L während seiner 30-jährigen Dienstzeit an seiner Dienststelle ein "Steinschlag" an dieser Stelle nie bekannt wurde, bekräftigt auch dies die bloß diesbezügliche Zweckbehauptung des Berufungswerbers.
Nicht zuletzt würde wohl ein kleinerer Gegenstand in die Mitte des Fahrzeuges genommen um durch ein Überfahren desselben einen Reifen- oder Fahrwerkschaden hintan zu halten.
Hier ist aber kein vernünftiger Anhaltspunkt dafür zu finden gewesen, dass den Zeugen dieser Gegenstand verborgen geblieben wäre. Offenbar unterlief dem Berufungswerber ein Fahr- oder Aufmerksamkeitsfehler, wodurch er dem Schutzziel des sogenannten Rechtsfahrgebotes zu wider handelte, was er als Faktum an sich ja selbst nicht in Abrede stellt.
5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
5.1. Der § 7 Abs. 2 StVO lautet:
Wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, insbesondere in unübersichtlichen Kurven, vor Fahrbahnkuppen, bei ungenügender Sicht, beim Überholtwerden und bei Gegenverkehr, hat der Lenker eines Fahrzeuges am rechten Fahrbahnrand zu fahren; ……
Das Rechtsfahrgebot bedeutet wohl nicht, dass vor einem am rechten Fahrbahnrand befindlichen Hindernis auf jeden Fall angehalten werden müsste; bei Anwendung der erforderlichen Vorsicht und wenn dadurch die Verkehrssicherheit nicht gefährdet wird, dürfte an einem solchen Hindernis vorbeigefahren werden (Hinweis: OGH 19. 4. 1976, ZVR 1976/340).
Abgesehen davon, dass hier nicht davon auszugehen ist, dass überhaupt an einem Hindernis ausgewichen wurde, hat hier der Berufungswerber diese Schutzvorschrift in einer geradezu gefährlichen Art verletzt. Es kann dahingestellt sein was die wirkliche Ursache dafür gewesen sein mag.
Der § 7 Abs 2 legt ‑ anders als § 7 Abs 1 – liegt dem Fahrer die Verpflichtung auf, an bestimmten Stellen ausnahmslos am rechten Fahrbahnrand zu fahren (VwGH 30. 4. 1980, 429/78; 19. 12. 1990, ZfVB 1992/2/562).
Diese Bestimmung ist eine Schutznorm iSd § 1311 ABGB insb. zugunsten des Gegenverkehrs (OGH 29. 3. 1979, ZVR 1979/27).
Mit Blick darauf wurde hier zutreffend der Spezialtatbestand des Abs.2 leg.cit. angezogen, wobei jedoch das Tatbestanselement "trotz Gegenverkehrs" in den Spruch aufzunehmen gewesen ist. Dieses Faktum ist jedenfalls noch von der Verfolgungshandlung durch die Beschuldigtenvernehmung vom 21.11.2008 umfasst zu sehen.
Im Sinne des § 44a VStG war daher in Ergänzung des mündlich verkündeten Bescheides die Tatumschreibung dahingehend zu vervollständigen, dass der Berufungswerber "trotz Gegenverkehr" mit mindestens einem Drittel der Fahrzeugbreite über die Fahrbahnmitte gelangte (VwGH vom 12. 11. 1992, 91/19/0046 mit Hinweis auf VwGH 20. 1. 1993, ZfVB 1994/2/635).
5.2. Der Verfahrensgrundsatz, dass die Behörde von Amts wegen vorzugehen hat (§ 24 VStG iVm § 39 Abs.2 AVG, § 25 Abs.1 VStG), befreit die Partei nicht von ihrer Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen. Dies erfordert, dass der Beschuldigte seine Verantwortung nicht darauf beschränken kann, die ihm zur Kenntnis gelangten Erhebungsergebnisse – welche hier durch die Aktenlage klar gedeckt scheinen – für unrichtig zu erklären, ohne diesen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten.
Wenn der Berufungswerber erstmals in der Berufungsverhandlung von angeblich namentlich bekannten Zeugen sprach, welche angeblich seine Darstellung mit dem Stein stützen können sollten, war diesem Antrag – abgesehen davon, dass in der Ladung bereits hingewiesen wurde dieses Beweismittel zu benennen – als reinem Erkundungsbeweis nicht nachzukommen (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S 339, E 6a zu § 46 AVG zitierte Rechtsprechung des VwGH).
6. Strafbemessung
Laut ständiger Judikatur handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens (bis 726 Euro) um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140 mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980). Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt etwa dann vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.
Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist.
Da dem Berufungswerber keine Milderungsgründe zu Gute kommen, er zeigte sich weder einsichtig noch ist er verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Daher kann selbst unter Bedachtnahme auf sein unterdurchschnittliches Einkommen die hier verhängten Geldstrafe durchaus als milde erachtet werden. Insbesondere sind Fahrfehlern die in den Gegenverkehr führen ein sehr hoher Unwertgehalt zuzuordnen, weil diese häufig zu schwersten und nicht selten tödlichen Verkehrsunfällen führen. Auch bei der Tatschuld ist jedenfalls von grober Fahrlässigkeit bzw. wäre selbst im Falle des behaupteten Ausweichens von einer grob fahrlässigen Fehlentscheidung auszugehen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r