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VwSen-100164/30/Weg/Ri

Linz, 28.02.1992

VwSen - 100164/30/Weg/Ri Linz, am 28. Februar 1992 DVR.0690392 T W, V; Straferkenntnis wegen Übertretung der StVO 1960 und des KFG 1967 - Berufung

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung des T W vom 7. Oktober 1991, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 17. September 1991, VerkR96/4225/1991, auf Grund des Ergebnisses der am 24. Februar 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) i.V.m. §§ 24, 45 Abs.1 Z.1, 51 Abs.1 und 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1. § 5 Abs. 1 StVO 1960 und 2. § 64 Abs. 1 KFG 1967 Geldstrafen von 1. 10.000 S und 2. 3.000 S, im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von 1. 168 Stunden und 2. 96 Stunden verhängt, weil dieser am 18. Jänner 1991 gegen 2 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen in V von der E in Richtung P gelenkt hat, obwohl er sich 1. in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand und 2. nicht im Besitze der erforderlichen Lenkerberechtigung war. Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 1.300 S (10% der Geldstrafe) in Vorschreibung gebracht.

2. Diesem Straferkenntnis liegt eine Anzeige der Andrea Steindl, wonach ihr Lebensgefährte T W in alkoholisiertem Zustand und ohne im Besitze einer Lenkerberechtigung zu sein, in der Nacht zum 18. Jänner 1991 den verfahrensgegenständlichen PKW von V vermutlich nach Deutschland gelenkt hat, sowie das am 24.Jänner 1990 vom Berufungswerber beim Gendarmeriepostenkommando Vöcklabruck abgegebene Geständnis zugrunde, wonach er in der Nacht zwischen 17. Jänner 1991 um 21 Uhr und 18. Jänner 1991 um 1 Uhr ca. 6 bis 7 Halbe Bier konsumiert und in der Folge trotz Alkoholisierung den verfahrensgegenständlichen PKW von Vöcklabruck nach München gelenkt hat. Im Zuge des von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck eingeleiteten ordentlichen Verfahrens hat der Beschuldigte die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen im wesentlichen mit der Begründung bestritten, nicht er sei Lenker seines PKW's gewesen, sondern ein Bekannter namens "Max", den er erst vorher in einem Lokal kennengelernt habe und von dem er weder den vollen Namen noch die Adresse wisse. Dieser Verantwortung schenkte die Erstbehörde nach Durchführung des ordentlichen Verfahrens keinen Glauben und erließ das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

3. In der gegen dieses Straferkenntnis eingebrachten Berufung bringt der Berufungswerber sinngemäß neuerlich vor, daß er bei seiner bisherigen Rechtfertigung bleibe und er den verfahrensgegenständlichen PKW auch nicht von V nach P gelenkt habe.

4. Die Berufung ist rechtzeitig. Von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben, der infolge einer 10.000 S nicht übersteigenden Geldstrafe durch ein Einzelmitglied zu erkennen hat. Gemäß § 51e war eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen, weil ein Verzicht auf die Durchführung seitens der Parteien nicht abgegeben wurde. Bei der schließlich am 24. Februar 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wurden der Beschuldigte, die Zeugin A S und der Zeuge C L einvernommen sowie nach Zustimmung der anwesenden Parteien (vgl. § 51g Abs.4 VStG) das Protokoll über die Einvernahme des Zeugen Rev.Insp. A K vom 18. November 1991 verlesen. Außerdem wurde im Anschluß an die Verhandlung ein Lokalaugenschein durchgeführt, um die Sichtverhältnisse aus dem im ersten Stock gelegenen Fenster des Hauses E in V auf die darunterliegende Fahrbahn zu ergründen.

5. Auf Grund der oben angeführten Beweismittel ergibt sich nachstehender entscheidungsrelevante Sachverhalt: Der Zeuge C L hat dem Beschuldigten in der verfahrensgegenständlichen Nacht lediglich die Autoschlüssel zu einem LKW, aus dem sich dieser den Reisepaß holte, aus dem Fenster geworfen, jedoch den Berufungswerber beim Lenken eines PKW's nicht beobachten können. Vom Fenster des Zeugen zum Standort eines allenfalls vom Beschuldigten gelenkten PKW's besteht keine Sicht. Hinsichtlich der Lenkereigenschaft des Beschuldigten trägt dieser Zeuge zur Wahrheitsfindung nichts bei.

Der Zeuge Rev.Insp. K hat den Berufungswerber ebenfalls nicht beim Lenken eines Fahrzeuges beobachtet, sondern anläßlich der zeugenschaftlichen Befragung lediglich ausgeführt, daß der Beschuldigte am 24. Jänner 1991 beim Gendarmeriepostenkommando Vöcklabruck eingestanden hat, im alkoholisierten Zustand den verfahrensgegenständlichen PKW von Vöcklabruck über die Westautobahn nach München gelenkt zu haben. Dabei wurde der Beschuldigte ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß er auf Grund dieses Geständnisses mit einer Anzeige zu rechnen habe, worauf der Beschuldigte geantwortet hat, daß ihm dieser Blödsinn nur wegen der Alkoholisierung eingefallen sei. Außerdem führte dieser Zeuge aus, daß er anläßlich der von Andrea Steindl erstatteten Anzeige diese eindringlich befragt hat, ob sie eindeutig gesehen habe, daß ihr Lebensgefährte T W der Lenker des Fahrzeuges war. Dies habe die Anzeigerin bestätigt und den nunmehrigen Beschuldigten eindeutig als Lenker erkannt.

Die Zeugin A S führt bei ihrer Vernehmung anläßlich der mündlichen Verhandlung aus, daß ihr Lebensgefährte in jener Nacht alkoholisiert in die gemeinsame Wohnung gekommen sei und den Autoschlüssel, den sie verwahrte, verlangte. Sie gab nach einem Streitgespräch den Schlüssel heraus und sah dann aus dem Fenster des ersten Stockes den PKW wegfahren. Sie hat von ihrer Wohnung aus den Abstellplatz des Fahrzeuges nicht erblicken können. In der ersten Phase der Einvernahme gibt sie zu Protokoll, sie habe nicht sehen können, daß ihr Lebensgefährte das Auto selbst gelenkt hat. Eine zweite Person habe sie nicht gesehen, auf Grund der Sichtverhältnisse aber auch nicht sehen können. Am Schluß der Zeugeneinvernahme führt sie dagegen aus, daß sie es ausschließen könne, daß jemand anderer das Fahrzeug gelenkt hat, da sie ihren Lebensgefährten beim Vorbeifahren von hinten auf dem Lenkersitz sitzend gesehen und auch erkannt hat. Ob eine zweite Person im Fahrzeug gesessen ist, könne sie nicht mit Bestimmtheit sagen.

Wegen der Widersprüchlichkeit dieser Aussagen wurde ein Ortsaugenschein beim Haus E in V durchgeführt. Dabei wurde durch mehrmaliges Vorbeifahren an diesem Hause und zwar in Richtung P rekonstruiert, ob und in welchem Ausmaß aus dem ersten Stock dieses Hauses Sicht auf die Fahrbahn und vor allem auf die Personen eines vorbeifahrenden PKW's bei Dunkelheit bestanden haben kann. Durch Befragung der Nachbarn wurde auch noch erkundet, ob die Straßenbeleuchtung um 2 Uhr Morgens eingeschaltet ist, worauf in Erfahrung gebracht wurde, daß jene Straßenlaterne, die ein vorbeifahrendes Auto von hinten beleuchten würde jede Nacht ausgeschaltet ist, jene Straßenlaterne jedoch, die ein vorbeifahrendes Auto von vorne beleuchtet (Gegenlicht), nächtens eingeschaltet ist. Wenn die Zeugin einen in Richtung P vorbeifahrenden PKW aus ihrer Wohnung beobachten will, so kann sie während des Vorbeifahrens die auf dem Lenkersitz sitzende Person nicht sehen, sondern nur die auf der rechten Seite eines PKW's allenfalls sitzenden Personen. Die Zeugin hätte also eine auf dem Beifahrersitz mitfahrende Person ohne weiteres sehen können. Die Angabe, daß sie diese Person nicht habe sehen können, erweist sich nur dann als richtig, wenn auf Grund der Dunkelheit eine derartige Beobachtung unmöglich gewesen wäre. Die Zeugin hätte bei günstigen Sichtverhältnissen auf Grund des Sichtwinkels eine auf dem Lenkersitz eines PKW's sitzende Person von hinten möglicherweise erkennen können, wenn sich dieser PKW schon in einer Entfernung von ca. 15 m bis 20 m (gemessen vom Beobachtungspunkt) befindet. Daß in der Nacht ein eindeutiges Erkennen dieser Person von hinten möglich war, muß jedoch aus folgenden Gründen bezweifelt werden: Einerseits versperrt ein sich dort befindlicher, ca. 6 m hoher und auch relativ ausladender Nadelbaum die Sicht auf ein Fahrzeug, das weiter entfernt ist als ca. 20 m vom Wohnungsfenster. Es hat also die theoretische Sichtmöglichkeit auf den Lenker von hinten lediglich (wenn überhaupt) auf eine Wegstrecke von ca. 5 m bestanden. In diesem Bereich jedoch befindet sich das Fahrzeug noch vor der Straßenlaterne und bewirkt dieser Umstand, daß der Lenker nicht von hinten beleuchtet wird, somit er von hinten auch nicht eindeutig identifiziert werden kann. Zu erkennen wäre viel eher gewesen, ob sich eine zweite Person im Fahrzeug befunden hat. Diesbezüglich jedoch ist von der Zeugin die Erkennbarkeit negiert worden. Das beim Lokalaugenschein verwendete Fahrzeug (Opel Vectra) erlaubt im übrigen vom Beobachtungsstandort (Fenster) während der gesamten Vorbei- und Weiterfahrt überhaupt keine Sicht auf den Lenker bzw. den Lenkerplatz.

Der Beschuldigte gesteht ein, in dieser Nacht alkoholisiert gewesen zu sein. Er bestreitet auch bei der Einvernahme im Zuge der mündlichen Verhandlung, das Fahrzeug gelenkt zu haben. Er habe im Tanzlokal Hazienda einen Bekannten getroffen, der sich als "Max" bezeichnete. Im Lokal wurde dann die Idee geboren, nach München zu fahren, worauf sich Max, als Lenker angeboten habe. In München habe sich dann diese Person entfernt und er habe ihn nie mehr wieder getroffen, sodaß er weder dessen Namen noch dessen Adresse nennen kann. Er habe jedoch einen österreichischen Führerschein besessen. Warum er damals vor der Gendarmerie - obwohl auf die Folgen der Selbstanzeige aufmerksam gemacht - die Lenkereigenschaft eingestanden hat, führt der Beschuldigte auf die damalige schwierige familiäre Situation (Trennung von Lebensgefährtin und Kind) und einen gewissen Hang zur Selbstzerstörung zurück.

Bei der Wertung der oben angeführten Beweismittel hatte sich der unabhängige Verwaltungssenat ausschließlich auf die Tatörtlichkeit sohin auf den Bereich E zu beschränken. Das bedeutet, daß zwar dem Beschuldigten insofern kein Glauben geschenkt wird, daß ein Bekannter namens Max den verfahrensgegenständlichen PKW nach München gelenkt hat, weil er diesbezüglich 6 Tage nach dem Vorfall trotz ausdrücklicher Belehrung ein Geständnis bei der Gendarmerie ablegte. Daß er jedoch in der Bar Hazienda eine Person getroffen hat, mit der er noch auf eine Spritztour gehen wollte, erscheint nicht denkunmöglich. So kann es ohne weiteres möglich gewesen sein, daß der Beschuldigte mit seinem eben kennengelernten Zechkumpan zum abgestellten PKW ging und sich - alleine - den Schlüssel aus der Wohnung holte, während der andere beim nicht einsehbaren PKW wartete. Während der Vorbeifahrt und Wegfahrt auf Höhe des Hauses E konnte die Zeugin A S wegen der oben beschriebenen Umstände, die Lenkereigenschaft des Beschuldigten nicht eindeutig erkennen, sodaß die Verantwortung, eine andere Person sei der Lenker gewesen, zumindest denkmöglich ist.

Die Möglichkeit, daß der Beschuldigte den PKW um 2 Uhr in der E nicht gelenkt hat, steht auch nicht im Widerspruch mit dem vor dem Gendarmerieposten abgelegten Geständnis, weil dort lediglich die Fahrt nach München (ohne Tatortkonkretisierung) nicht aber die vor dem Hause E eingestanden wurde.

Bei sorgfältiger Wertung der Beweismittel und unter Beachtung des Grundsatzes "in dubio pro reo" kann dem Beschuldigten das Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und ohne im Besitze einer Lenkerberechtigung gewesen zu sein - bezogen auf den Tatort E - nicht mit jener Sicherheit nachgewiesen werden, wie dies für einen Schuldspruch in einem Strafverfahren notwendig ist.

6. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 45 Abs.1 Z.1 VStG ist von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

Da dem Berufungswerber nicht mit ausreichender Sicherheit nachgewiesen werden kann, den verfahrensgegenständlichen PKW zur verfahrensgegenständlichen Zeit auf dem verfahrensgegenständlichen Straßenstück gelenkt zu haben, war im Sinne der eben zitierten Bestimmung die Einstellung des Verfahrens zu verfügen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Ergeht an:

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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