Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163626/2/Fra/RSt

Linz, 17.02.2009

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn Ing. J H N, Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 6. Oktober 2008, VerkR96-3288-2008/Ah, betreffend Übertretung des § 52 lit.a Z1 StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z2 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 52 lit.a Z1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 50 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt, weil er am 13.7.2008 um 18.05 Uhr das Motorrad mit dem Kennzeichen     im Gemeindegebiet Puchenau auf der B127 bei km 5,810 gelenkt hat, obwohl dieser Straßenzug trotz des deutlich sichtbar aufgestellten Verbotszeichens "Fahrverbot (in beiden Richtungen), ausgenommen Linienbusse und Anlieger bis zur Baustelle", befahren hat, obwohl er nicht unter diese Ausnahme fiel.

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding – als nunmehr belangte Behörde – legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil im angefochtenen Straferkenntnis weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51 c erster Satz VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Auf Grundlage des dem UVS vorliegenden Verfahrensaktes der belangten Behörde wird zunächst als unstrittig festgestellt, dass der Bw zu der im angefochtenen Straferkenntnis angeführten Örtlichkeit und zur angeführten Zeit das in Rede stehende Kraftfahrzeug gelenkt hat.

 

Das Vorbringen des Bw in seinem Einspruch vom 28. Juli 2008 gegen die vorangegangene Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 18.7.2008, VerkR96-3908-2008, und in seinem Rechtsmittel gegen das nunmehr angefochtene Straferkenntnis lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass das von ihm missachtete Fahrverbot mangelhaft kundgemacht war. Mit diesem Einwand ist er aus folgenden Gründen im Ergebnis im Recht:

 

3.2. Gemäß § 48 Abs.2 StVO 1960 sind Straßenverkehrszeichen auf der rechten Straßenseite oder oberhalb der Fahrbahn anzubringen, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt. Die zusätzliche Anbringung an anderen Stellen ist zulässig.

 

Aus den vom Meldungsleger angefertigten, im Akt einliegenden Lichtbild ist ersichtlich, dass das gegenständliche Vorschriftszeichen nicht auf der rechten Straßenseite und auch nicht oberhalb der Fahrbahn angebracht war.

 

Gemäß § 54 Abs.1 StVO 1960 können unter den in den §§ 50, 52 und 53 genannten Straßenverkehrszeichen auf Zusatztafeln weitere, das Straßenverkehrszeichen erläuternde oder wichtige, sich auf das Straßenverkehrszeichen beziehende, dieses erweiternde oder einschränkende oder der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs dienliche Angaben gemacht werden.

 

Eine Tafel ist dann eine Zusatztafel mit der ihr zukommenden Bedeutung, wenn sie "unter dem Straßenverkehrszeichen" (vgl. auch den Wortlaut des Abs.3 "das darüber befindliche Straßenverkehrszeichen") angebracht ist. Tafeln, die nicht beim Straßenverkehrszeichen angebracht sind, sondern unabhängig davon in einer bestimmten Entfernung dazu aufgestellt sind, stellen keine Zusatztafel nach § 54 dar (vgl. VwGH 11.6.1986, 86/03/0088). Die gegenständliche Zusatztafel "ausgenommen Linienbusse und Anlieger bis zur Baustelle" war nicht unter dem Vorschriftszeichen gemäß § 52 lit.a Z1 StVO 1960 (Fahrverbot [in beiden Richtungen]) angebracht.

 

3.3. Gemäß Art.89 Abs.1 B-VG steht die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze, Verordnungen und Staatsverträge, soweit in diesem Artikel nichts anderes bestimmt wird, den Gerichten nicht zu.

 

Art.89 Abs.1 B-VG regelt demnach, wie weit Gerichte (gemäß Art.129a Abs.3 B-VG gilt Art.89 B-VG sinngemäß auch für den UVS) befugt sind, die Gültigkeit der von ihnen anzuwendenden Regelungen zu überprüfen. Gerichte können Verordnungen beim Verfassungsgerichtshof nur dann anfechten, wenn sie diese in einem anhängigen Verfahren anzuwenden hätten, das heißt, wenn die Verordnung präjudiziell ist; gleiches gilt für die amtswegige Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof. Voraussetzung eines amtswegigen Prüfungsverfahrens oder eines Antrages eines Gerichtes oder eines UVS ("konkrete Normprüfung") ist also die Präjudizialität der zu prüfenden Bestimmung. Darunter versteht man, dass der Verfassungsgerichtshof selbst oder das Gericht bzw. der UVS bei der Lösung einer Rechtsfrage die fragliche Norm (Verordnung) anzuwenden hat. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die fragliche Norm bzw. Verordnung nicht gehörig kundgemacht wurde. Die Präjudizialität hat das Antrag stellende Gericht bzw. der UVS selbst zu beurteilen.

 

Hat ein Gericht hingegen Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit einer kundgemachten Verordnung, ist das Verfahren zu unterbrechen und ein entsprechender Antrag beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Ist die Verordnung allerdings nicht ordnungsgemäß kundgemacht, sind Gerichte an sie nicht gebunden (Art.89 Abs.1 B-VG); sie ist außer Acht zu lassen, ohne dass ein Antrag an den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt. Daraus ist zu schließen, dass ein Gericht eine Verordnung dann als nicht existent zu betrachten hat, wenn eine gehörige, das heißt gesetzmäßige Kundmachung fehlt; in einem solchen Fall liegt eine Norm nicht vor (absolute Nichtigkeit). Diese Rechtsauffassung wird auch vom Verfassungsgerichtshof in seiner aktuellen Rechtssprechung und von einem Teil der Lehre vertreten (vgl. VfGH im Erkenntnis VfSlg 14.457/1996 und im Beschluss VfSlg 14.425/1996 hinsichtlich der Zulässigkeit von Verordnungsprüfungsanträgen).

 

Diese Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes wurde vom Verwaltungsgerichtshof vollinhaltlich nachvollzogen und wird seitdem vom Verwaltungsgerichtshof die Frage, ob eine Verordnung gehörig (= gesetzmäßig) kundgemacht wurde, als Gericht im Sinne des Art.89 Abs.1 B-VG selbst überprüft (vgl. VwGH vom 18.5.2004, Zl. 2002/17/0271 uva.).

 

Auf Grundlage obiger Ausführungen und in Bindung an die Rechtssprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist sohin festzuhalten, dass der UVS berechtigt und verpflichtet ist, die gehörige (ist gesetzmäßige) Kundmachung von Verordnungen zu überprüfen.

 

Wie oben ausgeführt, ist das Verkehrszeichen gemäß § 52 lit.a Z1 StVO 1960 sowie die entsprechende Zusatztafel nicht entsprechend der Bestimmung des § 48 Abs.2 StVO 1960 und entsprechend der Bestimmung des § 54 Abs.1 und 3 StVO 1960 angebracht, woraus eine nicht gehörige (= nicht gesetzmäßige) Kundmachung resultiert, weshalb das verordnete Verbot nicht rechtwirksam geworden ist.

 

Das Strafverfahren gegen den Bw war daher unter Anwendung des § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

 

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. F r a g n e r

 

 

 

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