Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163268/3/Kei/Bb/Jo

Linz, 24.02.2009

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung des Herrn J B, geb., vertreten durch Rechtsanwälte Dr. H V und Dr. G G, S, L, vom 22. April 2008, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 7. April 2008, GZ VerkR96-2287-2008, betreffend Verfall einer wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967) eingehobenen vorläufigen Sicherheitsleistung, zu Recht:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 37 Abs.5, 37a Abs.5, 51 Abs.1 und 51c Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat mit Bescheid vom 7. April 2008, GZ VerkR96-2287-2008, die von einem Organ der Autobahnpolizeiinspektion Wels am 11. März 2008 vom nunmehrigen Berufungswerber wegen des Verdachtes der Übertretung nach § 102 Abs.1 iVm § 101 Abs.1 lit.e KFG gemäß § 37a Abs.2 Z2 VStG eingehobene vorläufige Sicherheitsleistung in der Höhe von 100 Euro gemäß § 37a Abs.5 iVm § 37 Abs.5 VStG für verfallen erklärt.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 9. April 2008, richtet sich die durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter eingebrachte und am 23. April 2008 bei der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis eingelangte Berufung.

 

Darin wird vorgebracht, dass nunmehr ein Verwaltungsstrafabkommen bzw. Vollstreckungsabkommen mit Ungarn existiere und dieses daher zur Anwendung zu kommen habe. Die Voraussetzungen für die Einhebung einer vorläufigen Sicherheit bzw. für die Erklärung eines Verfalls lägen daher nicht mehr vor.

 

Vorsichtsweise werde weiters vorgebracht, dass sich allein aus der Tatsache, dass der Berufungswerber Ungar sei, sich im Ausland aufhalte und im Inland keine Vermögenswerte habe, noch nicht ergäbe, dass eine Strafverfolgung oder ein Vollzug der Strafe unmöglich wäre. Nach Ansicht des Berufungswerbers genüge es jedenfalls nicht, dass die Strafverfolgung offenbar unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, sondern es sei erforderlich, dass sich die Verfolgung oder der Vollzug als unmöglich erweise. Somit sei es für den Ausspruch des Verfalls erforderlich, dass die Behörde konkrete Schritte der Strafverfolgung gesetzt habe, erst dann könne sich die Verfolgung als unmöglich erweisen. Es wäre jedenfalls vor Erlassung eines Verfallsbescheides ein Strafverfahren einzuleiten gewesen und erst im Falle des Nachweises der Unmöglichkeit der Strafverfolgung der Verfall auszusprechen gewesen.

 

Da somit die Voraussetzungen für den Ausspruch des Verfalls der vorläufigen Sicherheit seiner Auffassung nach nicht gegeben seien, beantragte der Berufungswerber der Berufung Folge zu gegen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und ihm die vorläufig eingehobene Sicherheitsleistung wiederum auszuhändigen.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt mit Schreiben vom 5. Juni 2008, GZ VerkR96-2287-2008, dem Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

 

2.2. Die Zuständigkeit des UVS Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben, wobei dieser, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen ist (§ 51c VStG).

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist – am 22. April 2008 - der Post zur Beförderung übergeben und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der UVS des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, weil  sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und im Übrigen bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 und Abs.3 Z4 VStG).

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt ergibt sich für den UVS des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

 

Gegen Herrn J B, wohnhaft in Ungarn (die exakte Wohnadresse lautet: D, N) wurde am 21. März 2008 Anzeige erhoben, weil er am 11. März 2008 um 10.10 Uhr als Lenker des Lkw, Kennzeichen (H) gegen die Vorschrift des § 102 Abs.1 in Verbindung mit § 101 Abs.1 lit.e KFG insofern verstoßen habe, als auf der Ladefläche des Lkws eine Palette im Ausmaß von 2 m x 2 m, einer Höhe von ca. 2,5 m und einem Gewicht von ca. 400 kg völlig ungesichert transportiert wurde. Diese Sachlage wurde bei einer Kontrolle in Ort im Innkreis, auf der Autobahn A8 bei km 62,400, am Parkplatz 63 (Osternach Süd), in Fahrtrichtung Graz von Exekutivorganen der Autobahnpolizeiinspektion Wels festgestellt. Es wurde wegen dieses Vorfalles vom Fahrzeuglenker an Ort und Stelle eine vorläufige Sicherheit in Höhe von 100 Euro eingehoben und samt Anzeige der Behörde vorgelegt.

 

In der Folge wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7. April 2008 unter Hinweis auf die Bestimmung des § 37 Abs.5 VStG und der Begründung, dass, da der Berufungswerber im Inland über keinen ordentlichen Wohnsitz verfüge, die eingehobene Sicherheitsleistung für verfallen erklärt.

 

2.6. Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt.

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten – auszugsweise - wie folgt:

 

Gemäß § 37a Abs.1 VStG kann die Behörde besonders geschulte Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigen, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen eine vorläufige Sicherheit bis zum Betrag von 180 Euro festzusetzen und einzuheben. Besondere Ermächtigungen in anderen Verwaltungsvorschriften bleiben unberührt. § 50 Abs.1 letzter Satz, Abs.3, Abs.5, Abs.6 erster Satz sowie Abs.8 sind sinngemäß anzuwenden.

 

Gemäß § 37a Abs.2 Z2 VStG kann sich die Ermächtigung darauf beziehen, dass das Organ von Personen, die auf frischer Tat betreten werden und bei denen eine Strafverfolgung oder der Strafvollzug offenbar unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, die vorläufige Sicherheit einhebt.

 

Gemäß § 37 Abs.5 VStG kann die Sicherheit für verfallen erklärt werden, sobald sich die Strafverfolgung des Beschuldigten oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist. § 17 ist sinngemäß anzuwenden.

 

Gemäß § 37a Abs.5 VStG wird die vorläufige Sicherheit frei, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Beschuldigten verhängte Strafe vollzogen ist oder wenn nicht binnen sechs Monaten gemäß § 37 Abs.5 der Verfall ausgesprochen wird. § 37 Abs.4 letzter Satz gilt sinngemäß.

 

Gemäß § 134 Abs.4 KFG kann beim Verdacht einer Übertretung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen im Sinne des § 37a VStG 1950 als vorläufige Sicherheit ein Betrag bis 2.180 Euro festgesetzt werden. Diese Wertgrenze ist auch für die Beschlagnahme gemäß § 37a Abs.3 VStG maßgebend. Bei Verdacht einer Übertretung durch den Zulassungsbesitzer gilt dabei der Lenker als Vertreter des Zulassungsbesitzers, falls nicht dieser selbst oder ein von ihm bestellter Vertreter bei den Amtshandlungen anwesend ist, sofern der Lenker Dienstnehmer des Zulassungsbesitzers ist, oder mit diesem in einem sonstigen Arbeitsverhältnis steht oder die Fahrt im Auftrag des Zulassungsbesitzers oder in dessen Interesse durchführt.

 

3.2. Gemäß dem Durchführungsrundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 6. November 2008, GZ BKA-603.968/0015-V/1/2008 zum EU-Verwaltungsstrafvollstreckungsgesetz – EU-VStVG, BGBl. I Nr. 3/2008, in Kraft getreten am 1. März 2008, führt nunmehr allein der Umstand, dass es sich beim Betroffenen um eine Person mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat handelt, nicht dazu, dass die Durchführung des Strafverfahrens oder des Strafvollzuges von vornherein als wesentlich erschwert anzusehen wäre und rechtfertigt für sich allein nicht (mehr) die Anwendung der §§ 37 (bescheidmäßige Vorschreibung einer Sicherheitsleistung) und 37a VStG (Einhebung einer vorläufigen Sicherheit) – wenn der betreffende Mitgliedstaat das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 65/2005 (Rechtshilfeübereinkommen) ratifiziert bzw. diesem beigetreten ist und den Rahmenbeschluss 2005/214/JI über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen, ABI. Nr. L76 vom 22. März 2005 in nationales Recht umgesetzt hat.

 

Nur dann, wenn – aus welchen Gründen auch immer – davon auszugehen ist, dass die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung trotz der Anwendbarkeit des Rechtshilfeübereinkommens und des ins nationale Recht umgesetzten Rahmenbeschlusses nicht möglich oder wesentlich erschwert sein wird, kann eine vorläufige Sicherheit eingehoben werden.

 

Bei einer voraussichtlichen Geldstrafe oder Geldbuße unter 70 Euro oder dem Gegenwert dieses Betrages ist ein Vorgehen gemäß §§ 37 bzw. 37a VStG dagegen weiterhin zulässig. Dies ist damit zu erklären, dass in derartigen Fällen von den Mitgliedstaaten die Vollstreckung verweigert werden darf.

 

Ungarn zählt nach dem Inhalt des Durchführungsrundschreibens zu jenen EU-Mitgliedsländern die – zumindest zum Zeitpunkt der Verlautbarung desselben am 6. November 2008 – sowohl das Rechtshilfeübereinkommen ratifiziert als auch den angesprochenen Rahmenbeschluss bereits in nationales Recht umgesetzt haben.

 

Weitere Erläuterungen – insbesondere im Zusammenhang mit den Auswirkungen auf die Einhebung von Sicherheitsleistungen – sind dem entsprechenden Durchführungsrundschreiben des Bundeskanzleramtes vom 6. November 2008, GZ BKA-603.968/0015-V/1/2008, zu entnehmen. 

 

3.3. Unter Zugrundelegung der dargestellten Ausführungen lässt sich nun im Hinblick auf den gegenständlichen Fall folgendes feststellen:

 

Es wird bemerkt, dass der UVS die Sach- und Rechtslage zum jeweiligen Zeitpunkt seiner Entscheidung zu beurteilen und zugrunde zulegen hat.

 

Wie sich bereits aus der Sachverhaltsdarstellung (2.5.) ergibt, verfügt der Berufungswerber im Inland über keinen ordentlichen Wohnsitz. Er hat seinen Wohnsitz im Ausland und zwar im EU-Mitgliedsland Ungarn, welches zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 65/2005 ratifiziert und den Rahmenbeschluss 2005/214/JI über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen, ABI. Nr. L76 vom 22. März 2005 bereits in nationales Recht umgesetzt hat.

 

Die alleinige Voraussetzung, dass der Berufungswerber seinen ordentlichen Aufenthalt außerhalb des Bundesgebietes (in Ungarn) hat, rechtfertigt aber – einzig für sich – zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt von vornherein grundsätzlich nicht mehr die Annahme einer wesentlich erschwerten oder unmöglichen Strafverfolgung oder Strafvollstreckung. Es existiert auch kein weiterer Anhaltspunkt dafür, noch ist auf Grund eines bestimmten Vorganges durch die Behörde, so z.B. durch eine (erfolglose) Zustellung oder dergleichen, festgestellt, dass die Strafverfolgung des Berufungswerbers in Ungarn bzw. der Strafvollzug als wesentlich erschwert oder gar unmöglich anzusehen wäre, weswegen der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr.  Michael  K e i n b e r g e r  

 

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