Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-600078/2/Ki/Jo

Linz, 02.06.2008

 

Mitglied:                                                                                                                                                                   Zimmer, Rückfragen:

Hofrat Mag. Alfred Kisch                                                                                     2B08, Tel. Kl. 14850

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über den Devolutionsantrag des Herrn E S, A, R, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, M, S, vom 29. Mai 2008 wegen Säumnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis als Verwaltungsstrafbehörde im Verfahren VerkR96-6339-2007 zu Recht erkannt:

 

 

Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 52b VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

In der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11. Jänner 2008, VerkR96-6339-2007, legt die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis dem Antragsteller unter anderem eine Übertretung nach § 37 Abs.4 Z1 FSG mit der Begründung zur Last, dass er am 2. August 2007 zwischen 00.15 und 00.25 Uhr einen PKW auf der B141a (Rieder-Straße) im Bereich der Abzweigung Walchshausen bei km 3,0150 gelenkt habe, ohne im Besitz einer von der Behörde gültig erteilten Lenkberechtigung für die Klasse B zu sein, weil ihm diese mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried vom 24. Juli 2007, VerkR21-62-2007, entzogen wurde.

 

Seit dem Vorfallstag seien bereits zehn Monate vergangen, seit Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung am 15. Jänner 2008, viereinhalb Monate; in Anbetracht der Wichtigkeit des Falles (Möglichkeit der Verhängung einer empfindlichen Geldstrafe sowie Einfluss des Ausgangs des Verfahrens auf die Lenkberechtigung) seien die Phasen der Inaktivität der Bezirkshauptmannschaft nicht akzeptabel, zumal kein Beweisverfahren abzuführen sei – die Fakten wären unbestritten – und lediglich eine einzige Rechtsfrage zu klären wäre, nämlich jene der Rechtskraftwirkung und der Einstellung des Lenkberechtigungentzugsverfahrens VerkR21-62-2007 betreffend den Vorfall vom 6. Juli 2007.

 

Der Einschreiter stellt den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung in dieser Verwaltungsstrafsache an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dieser möge das Verwaltungsstrafverfahren mit Einstellung abschließen.

 

Inhaltlich wird ausgeführt, dass zwar nicht verkannt wird, dass nach § 52b VStG ein Devolutionsantrag im Verwaltungsstrafverfahren nach dem Gesetzeswortlaut nicht zulässig sei, dies, sollte man nicht die Rechtsansicht vertreten, dass diese Bestimmung einer verfassungskonformen Interpretation im Hinblick auf das faire Verfahren nach Artikel 6 Abs.1 und das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Artikel 13 EMRK zugänglich sei.

 

Der Rechtsmittelwerber zitiert in der Folge eine Reihe von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bezogen auf die Artikel 6 Abs.1 und 13 EMRK und verweist letztlich darauf, dass die gegenständlichen Strafverfahren ihn in diesen verfassungsgesetzlichen Rechten verletzen würden.

 

Darüber hinaus wird auch die Verfassungswidrigkeit des § 52b VStG sowie der Verfassungsbestimmung des Artikel 129a Abs.1 Z4 B-VG behauptet. Erstere Bestimmung begegne gleichheitsrechtlichen Bedenken iSd Artikel 7 Abs.1 B-VG und Artikel 2 StGG sowie verstoße diese weiters gegen das Rechtsstaatlichkeitsprinzip. Hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit der Verfassungsbestimmung des Artikel 129a Abs.1 Z4 B-VG argumentiert der Rechtsmittelwerber ebenfalls, dass diese Bestimmung gleichheitswidrig wäre und gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen würde. Hinsichtlich dieser Verfassungsbestimmung wird weiters argumentiert, dass sie auch im Widerspruch zu Artikel 1 und Artikel 17 EMRK stehen würde. Die EMRK stehe in Österreich seit 03.09.1958 in Geltung, seit 1964 samt dem 1. Zusatzprotokoll im Verfassungsrang. Die Bestimmung des Artikel 129a Abs.1 Z4 B-VG habe im Zuge der Schaffung der Unabhängigen Verwaltungssenate mit BGBl. Nr. 685/1988 Eingang in die österreichische Bundesverfassung gefunden, welche nach Artikel X Abs.1 Z1 am 01.01.1991 in Kraft getreten sei. Da zu diesem Zeitpunkt die EMRK in Österreich im Verfassungsrang in Geltung stand, verstoße diese Bestimmung gegen die Verfassungsbestimmung des Artikel 17 EMRK, welche es dem Staat untersage, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, die auf die Abschaffung der Konventionsrechte oder auf weitergehende Beschränkungen dieser Rechte und Freiheiten abziele, als dies in der Konvention vorgesehen sei.

 

In diesem Zusammenhang wird auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1994, B1045/94, zitiert, darin sprach der Verfassungsgerichtshof aus, er sehe kein Hindernis, in Wiedereinsetzungsangelegenheiten die Vorschriften der §§ 73 Abs.2 iVm 72 Abs.4 AVG als Gesetz iSd Artikel 129a Abs.1 Z3 B-VG anzusehen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden und wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 52b VStG ist § 73 AVG, der die Entscheidungspflicht und den allfälligen Übergang derselben regelt, nur in Privatklagesachen und im landesgesetzlichen Abgabenstrafrecht anzuwenden. Für den Regelfall, also Verwaltungsstrafverfahren wie auch gegenständlich, ist ein Übergang der Entscheidungspflicht auf die Oberbehörde bzw. den Unabhängigen Verwaltungssenat nicht vorgesehen.

 

Der Gesetzgeber hat durch entsprechende Regelungen bezüglich Verjährung einer Verwaltungsübertretung für behördliche Maßnahmen und Entscheidungen innerhalb der dort festgelegten gesetzlichen Fristen vorgesorgt und diese damit sowohl für die Behörde als auch für den Beschuldigten als zumutbar angesehen (vgl. etwa die Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs.2 VStG, die Strafbarkeitsverjährungsfrist des § 31 Abs.3 VStG und die Fristenregelung des § 51 Abs.7 VStG).

 

Es mag durchaus zutreffen, dass eine überlange Verfahrensdauer eine Verletzung der vom Rechtsmittelwerber zitierten EMRK-Bestimmungen darzustellen vermag, es ist jedoch diesbezüglich auf das gesamte staatliche Verfahren abzustellen. Im ordentlichen Strafverfahren vor den Verwaltungsbehörden, d.h. im verwaltungsbehördlichen Instanzenzug, wird durch die dargelegten Maßnahmen die Verfahrensdauer in grundsätzlich zumutbaren Grenzen gehalten.

 

Anders mag sich die Situation in sogenannten "Administrativverfahren" darstellen, in diesen Fällen vermag ein Devolutionsantrag natürlich durchaus ein effektives Rechtsmittel gegen Verfahrensverzögerungen sein.

 

Darüber hinaus wird die Verfahrensdauer ohnedies auch im verwaltungsbehördlichen Verfahren dahingehend berücksichtigt, dass entsprechend der dazu ergangenen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes eine nicht angemessen lange Verfahrensdauer als Strafmilderungsgrund Berücksichtigung findet. Zu berücksichtigen ist auch, dass letztlich nicht rechtskräftige Verwaltungsstrafen nicht vollzogen werden dürfen.

 

Zur angesprochenen Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des § 52b VStG einerseits und des Artikel 129a Abs.1 Z4 B-VG andererseits vermeint das erkennende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich, dass die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht gegeben ist. Beide Normen müssen offensichtlich im Zusammenhang mit Artikel 132 B-VG (Säumnisbeschwerden) gesehen werden und es sind laut Artikel 132 B-VG in Verwaltungsstrafsachen Säumnisbeschwerden nicht zulässig, ausgenommen eben Privatanklage- und Finanzstrafsachen. Diese Bestimmung war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassungsbestimmung des Artikel 129a Abs.1 Z4 B-VG bereits in Geltung und es kann daher davon ausgegangen werden, dass sich sowohl Artikel 129a Abs.1 Z4 B-VG, als auch § 52b VStG an dieser Verfassungsbestimmung orientieren. Die für den gegenständlichen Fall relevante Fassung des Artikel 132 wurde durch Bundesgesetzblatt Nr. 296/1984 mit 1. August 1984 in Kraft gesetzt, zuvor bestimmte Artikel 132 B-VG ausschließlich, dass wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde erheben kann, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Die ausdrückliche Nennung von Verwaltungsstrafverfahren durch die B-VG-Novelle 1984 ist offensichtlich dadurch begründet, dass davon ausgegangen wurde, dass ein Strafbescheid, wenn über eine eingebrachte Berufung nicht binnen eines Jahres entschieden wird (damalige Fassung des § 51 Abs.5 VStG),  wegfällt. Nunmehr beträgt die Entscheidungspflicht zwar 15 Monate, dem Grunde nach wird jedoch auch durch diese Frist, wie bereits dargelegt wurde, die Verfahrensdauer in grundsätzlich zumutbaren Grenzen gehalten.

 

Dem im Antrag zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1994, B1045/94, wird hinsichtlich der getroffenen Feststellung, dass in Wiedereinsetzungsangelegenheiten auch im Verwaltungsstrafverfahren ein Devolutionsantrag an den Unabhängigen Verwaltungssenat zulässig ist, nicht entgegen getreten.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch diese Entscheidung unter anderem auch damit begründet, dass das Rechtsschutzinteresse eines Betroffenen an der Geltendmachung der Entscheidungspflicht über einen Wiedereinsetzungsantrag im Verwaltungsstrafverfahren in der Regel grundlegend anders gelagert als das allfällige Rechtsschutzinteresse gegenüber einer in der Sache selbst untätig bleibenden Verwaltungsstrafbehörde ist. Damit kommt zumindest indirekt zum Ausdruck, dass die Nichtzulässigkeit eines Devolutionsantrages in Verwaltungsstrafverfahren, abgesehen von den normierten Ausnahmen, nicht verfassungswidrig ist.

 

In Anbetracht dieser Umstände erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass der Bestimmung des § 52b VStG keine andere Bedeutung unterstellt werden kann als jene, dass eben Devolutionsanträge ausschließlich nur in Privatanklagesachen und im landesgesetzlichen Abgabenstrafrecht zulässig sind bzw. dass durch die Anwendung dieser Bestimmung noch keine Verletzung der vom Rechtsmittelwerber angesprochenen EMRK-Bestimmungen bewirkt wird.

 

Der gegenständliche Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren war sohin als unzulässig zurückzuweisen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 [ab 1. Juli 2008: 220] Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Alfred Kisch

 

Beachte:

Beschwerde wurde als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

VfGH vom 24. Februar 2009, Zl.: B 1128/08-13

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum