Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-100181/10/Weg/Ri

Linz, 06.02.1992

VwSen - 100181/10/Weg/Ri Linz, am 6.Februar 1992 DVR.0690392 F St, St; Straferkenntnis wegen Übertretung der StVO 1960 Berufung

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung des F St vom 8. Oktober 1991 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d.Krems vom 18. September 1991, VerkR96/1571/1991/Bi/Sö, auf Grund des Ergebnisses der am 31. Jänner 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

I. a) und b): Hinsichtlich der Fakten 1. und 2. (§ 4 Abs.1 lit. a und § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich behoben und das Verfahren eingestellt. I. c): Hinsichtlich des Faktums 3. (§ 4 Abs. 5 StVO 1960) wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. II. Zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz (120 S) hat der Berufungswerber an Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution 240 S (20 % der verhängten Geldstrafe) zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBL. Nr. 51/1991 i.V.m. § 24, § 19, § 45 Abs.1 Z.1, § 51 Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 51/1991; § 4 Abs.1 lit.a, § 4 Abs. 1 lit. c und § 4 Abs. 5 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl.Nr. 159, i.d.F. BGBl.Nr. 615/1991.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d.Krems hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.

§ 4 Abs. 1 lit.a StVO 1960, 2. § 4 Abs. 1 lit.c StVO 1960 und 3. § 4 Abs. 5 StVO 1960 Geldstrafen von 1. 3.500 S, 2. 3.500 S und 3. 1.200 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1. 4 Tagen, 2. 4 Tagen und 3. 36 Stunden verhängt, weil dieser am 8. Jänner 1991 um 14.40 Uhr den Kraftwagen, auf der Westautobahn A1, km. 202,700, im Gemeindegebiet von E, Richtungsfahrbahn Salzburg, gelenkt hat, wobei er 1. nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang stand, das von ihm gelenkte Fahrzeug nicht sofort angehalten hat, 2. es nach dem unter Punkt 1. angeführten Verkehrsunfall mit Sachschaden unterlassen hat, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, da er die Unfallstelle verließ, 3. es nach dem Verkehrsunfall mit Sachschaden unterlassen hat, die nächste Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten unterblieben ist.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren erster Instanz in der Höhe von 820 S (10 % der Geldstrafe) in Vorschreibung gebracht.

I.2. Dagegen wendet der Berufungswerber in seiner Berufungsschrift sinngemäß ein, daß er als Fahrer des LKW-Zuges vom Bruch der LKW-Anhängervorrichtung und der dadurch ausgelösten Abkoppelung des Anhängers nichts bemerkt habe. Nachdem er vom Vorfall Kenntnis erlangt habe, sei er sofort zur Unfallstelle zurückgefahren, wo dann von der Autobahngendarmerie der Unfall aufgenommen worden sei. Die ihm zur Last gelegten Übertretungen träfen ihn daher nicht. Bei der nochmaligen Beurteilung des Vorfalles solle man sich nicht nur auf ein Gutachten eines Sachverständigen stützen, sondern die tatsächlichen Umstände berücksichtigen.

I.3. Die Berufung ist rechtzeitig. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht, womit die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben ist. Da eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist die Zuständigkeit eines Einzelmitgliedes gegeben. Ein Verzicht auf eine mündliche Verhandlung wurde von den Parteien nicht abgegeben, sodaß eine solche anzuberaumen war. Zu dieser für den 31. Jänner 1992 anberaumten öffentlichen mündlichen Verhandlung erschienen neben dem Berufungswerber und einem Vertreter der belangten Behörde der straßenverkehrstechnische Amtssachverständige Ing. M M.

I.4. Auf Grund des Ergebnisses dieser mündlichen Verhandlung, insbesondere auf Grund der Ausführungen des Amtssachverständigen und des Beschuldigten wird nachstehender Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Es ist unstrittig, daß der Berufungswerber am 8. Jänner 1991 um 14.40 Uhr einen Kraftwagenzug auf der Westautobahn bei km 202,700 im Gemeindegebiet von E auf der Richtungsfahrbahn nach Salzburg gelenkt hat. Der Kraftwagenzug war mit Holzstämmen beladen. Vermutlich infolge eines technischen Gebrechens löste sich bei Autobahn-km 202,700 der Anhänger vom Zugfahrzeug. Dabei streifte der Anhänger den auf dem Pannenstreifen abgestellten LKW der Autobahnmeisterei V. Es entstand erheblicher Sachschaden sowohl am Fahrzeug der Autobahnmeisterei als auch an der Leitschiene. Der Berufungswerber bemerkte das Loslösen dieses beladenen Anhängers erst nach seinem Eintreffen am Zielort, nämlich L, sohin nach einer Fahrt nach ca. 16 km. Der losgelöste Anhänger hatte ein Gesamtgewicht von ca. 17 t, was auch die Gewichtsdifferenz zwischen der Zeit vor und nach dem Loslösen des Anhängers ausmachte. Das Zugfahrzeug war ein LKW der Type MAN 320 mit einem Eigengewicht von 13.800 kg und einer Nutzlast von 8.000 kg. Das Zugfahrzeug wies eine Motorleistung von 235 kW auf. Der Anhänger verfügte über eine Zweileitungsbremsanlage. Die Lösung zwischen Anhänger und Zugfahrzeug erfolgte an den Kupplungsköpfen der Anhängervorrichtung. Die gefahrene Geschwindigkeit war nicht mehr genau eruierbar, eine solche von 50 km/h war nicht unwahrscheinlich. Ob nach dem Unfall und bei der anschließenden Weiterfahrt Seitenspiegelblicke gemacht wurden, konnte nicht verifiziert werden.

Auf Grund dieser Fakten kam der Sachverständige anläßlich der mündlichen Verhandlung zu folgendem gutächtlichen Ergebnis über die Wahrnehmbarkeit dieses Unfalles:

Der Berufungswerber hätte auf Grund des Beschleunigungswiderstandes (Durchzugskraft) nach dem Loslösen des Anhängers einen merklich spürbaren Unterschied in der Beschleunigung bzw. Durchzugskraft feststellen müssen. Das fehlende Gewicht von 17 t hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit ebenfalls festgestellt werden müssen. Da sich nach der Unfallstelle eine leichte Steigung befindet, hätte auch dort beim Beschleunigen und Schalten ein merklicher Unterschied festgestellt werden müssen. Wenn man jedoch eine höhere Annäherungsgeschwindigkeit an diese Steigung annimmt, wäre ein Schalt- bzw. Beschleunigungsmanöver nicht unbedingt erforderlich und wäre dann der Unfall durch Schalten oder Beschleunigen nicht sofort bemerkbar gewesen. Akustisch sei der Unfall nicht unbedingt wahrnehmbar gewesen. Es sei so gut wie unvorstellbar, daß man auf einer so langen Fahrtstrecke als LKW-Fahrer nicht in den Seitenspiegel schaut. Bei diesem Seitenspiegelschauen hätte jeder einigermaßen routinierte LKW-Lenker bei gehöriger Aufmerksamkeit das Fehlen des Anhängers bemerken müssen. Aus straßenverkehrs- und kraftfahrtechnischer Sicht hätte der Rechtsmittelwerber das Loslösen des Anhängers vom Zugfahrzeug und somit indirekt auch den Verkehrsunfall bei gehöriger Aufmerksamkeit unbedingt bemerken müssen. Soweit der Gutachter.

Es wird bei dieser Entscheidung (im Zweifel für den Beschuldigten) von einer höheren Annäherungsgeschwindigkeit an die nach der Unfallstelle befindliche leichte Steigung ausgegangen. Bei dieser höheren Geschwindigkeit ist ein Schalt- und Beschleunigungsmanöver nach Aussage des Gutachters nicht unbedingt erforderlich und wäre dann nach Meinung des Gutachters aus dem Grunde des Schaltens und Beschleunigens der Unfall nicht unbedingt bemerkbar gewesen. Das bedeutet, daß dem Berufungswerber zwar vorgehalten wird, daß er den Verkehrsunfall bei gehöriger Aufmerksamkeit unbedingt hätte bemerken müssen, jedoch nicht sofort nach dem Verkehrsunfall, sondern erst nach einer gewissen (nicht genau definierbaren Fahrstrecke) und zwar durch die Blicke in die Seitenspiegel.

I.5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

a) Gemäß § 4 Abs. 1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Diese Anhaltepflicht beschränkt sich auf den Bereich der Unfallstelle und fordert nicht darüber hinaus, daß der Fahrzeuglenker, der erst nachträglich vom Verkehrsunfall erfährt, an den Unfallsort zurückzukehren hat (vgl. VwGH 17.6.1971, 2223/70, ZVR. 1972/87).

Da dem Berufungswerber nicht nachzuweisen war, daß er im unmittelbaren Bereich der Unfallstelle den Verkehrsunfall bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bemerken müssen, war hinsichtlich des inkriminierten Verhaltens des Nichtanhaltens direkt an der Unfallstelle im Zweifel für den Beschuldigten zu entscheiden.

b) Gemäß § 4 Abs. 1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Dem Berufungswerber wird vorgeworfen, diese Verhaltensnorm dadurch verletzt zu haben, daß er die Unfallstelle verließ.

Die Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes bedingt je nach den Umständen des Einzelfalles unterschiedliche Verhaltensweisen der an einem Verkehrsunfall beteiligten Personen.

Im gegenständlichen Fall ist zu prüfen, ob das Zurückkehren an die Unfallstelle nach dem Zeitpunkt, in welchem er den Unfall hätte bemerken müssen, an der Feststellungsmöglichkeit des Sachverhaltes etwas geändert hätte. Bei dieser Beurteilung ist mitzuberücksichtigen, daß der Beschuldigte sofort nach tatsächlicher Kenntnis des Verkehrsunfalles an den Tatort zurückgekehrt ist und er in der Zwischenzeit keine die geistige oder körperliche Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges beeinflussende oder verschleiernde Maßnahmen gesetzt hat.

Der unabhängige Verwaltungssenat ist der Ansicht, daß das Verlassen der Unfallstelle bzw. das Nichtzurückkehren zu dieser, bezogen auf den Zeitpunkt, zu dem er bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall hätte bemerken müssen, keine Handlung oder Unterlassung darstellt, die eine Sachverhaltsverschleierung nach sich gezogen hat.

Es war also auch hinsichtlich dieses Faktums mit einer Einstellung vorzugehen, da die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat im konkreten Fall keine Verwaltungsübertretung bildet.

c) Gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 haben die an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden Beteiligten die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Die Verständigungspflicht würde entfallen, wenn die Geschädigten einander Namen und Anschrift nachgewiesen haben.

Nach der diesbezüglichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Tatbestand nach § 4 Abs.5 leg.cit. auch dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätte kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte.

Weil der Beschuldigte - wenn auch nicht unmittelbar nach dem Unfall sondern auf der Fahrt nach L - bei gehöriger Aufmerksamkeit den Unfall hätte bemerken müssen, hätte die Verpflichtung zur Meldung bereits ab diesem Zeitpunkt, sohin vor der Ankunft in L eingesetzt. Dieser Meldeverpflichtung ist der Beschuldigte nicht ohne unnötigen Aufschub nachgekommen. Bleibt noch zu prüfen, ob das Eintreffen der Gendarmerie an der Unfallstelle, ohne daß vom Berufungswerber eine Meldung erstattet worden ist, eine exkulpierende Wirkung auf die nicht erfüllte Verpflichtung zur Unfallverständigung hat. Dazu ist ebenfalls im Einklang mit der Judikatur auszuführen, daß die Verständigung der Gendarmerie durch andere Personen und das Eintreffen der Exekutive an der Unfallstelle keine entschuldigende Wirkung auf das als erwiesen angenommene Ungehorsamsdelikt der Nichtmeldung eines Verkehrsunfalles hat. Hinsichtlich dieses Faktums war also die Berufung abzuweisen und das Straferkenntnis zu bestätigen.

Die für die Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 verhängte Geldstrafe bewegt sich im untersten Bereich des bis 10.000 S reichenden Strafrahmens. Die Festsetzung dieser Strafe durch die Erstbehörde ist im Straferkenntnis entsprechend begründet und kann darin keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.

II. Die Kostenentscheidung ist in den zitierten gesetzlichen Bestimmungen begründet. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider 6

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum