Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231031/2/Gf/Mu

Linz, 10.03.2009

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung der N B, T, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 2. September 2008, GZ Sich96-1027-2008, wegen einer Übertretung des Fremden­gesetzes zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.              Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 2. September 2008, GZ Sich96-1027-2008, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geldstrafe in Höhe von 30 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) verhängt, weil sie am 19. August 2008 um 13.30 Uhr trotz entsprechender Aufforderung durch die zuständige Fremdenpolizeibehörde ihr Reisedokument nicht vorgelegt habe, indem sie dieses weder mit sich geführt noch in einer solchen Entfernung von ihrem Aufenthaltsort verwahrt habe, dass dessen Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung hätte erfolgen können. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 32 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 4/2008 (im Folgenden: FPG), begangen, weshalb sie nach § 121 Abs. 2 Z. 2 FPG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der ihr zur Last gelegte Sachverhalt durch die zuständige Fremdenpolizeibehörde unter Berücksichtigung des noch nicht abgeschlossenen Asylverfahrens festgestellt worden und somit als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei auf ihre Einkommenssituation entsprechend Rücksicht genommen worden. Denn im Rahmen der Grundversorgung verfüge sie nicht nur über ein Taschengeld in der Höhe von 40 Euro, sondern es würden ihr auch "Kost und Logis", medizinische Versorgung sowie Kleiderhilfen gewährt. Zudem habe sie keine Unterhalts- und Sorgepflichten zu leisten, weshalb ihr weit mehr Geldmittel zur Verfügung stünden, als sie angegeben habe. Da sie keine Reisedokumente vorlegen habe können und die Behörden bewusst im Unklaren über ihre Identität gelassen habe und sie bis dato kein Reisedokument bei ihrer Botschaft beantragt habe, obwohl sie genügend Zeit und Gelegenheit dazu gehabt habe – wobei Letzteres als erschwerend zu werten gewesen sei –, sei die Strafhöhe von 30 Euro somit jedenfalls als tat- und schuldangemessen anzusehen.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 16. September 2008 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

Darin wird vorgebracht, dass sie von ihrem Heimatland geflüchtet sei und in Österreich Asyl beantragt habe, weshalb sie über kein Reisedokument verfüge. Daher sei es ihr auch nicht zumutbar, sich an die Behörden ihres Heimatstaates zu wenden; davon abgesehen würde sie wegen ihrer Flucht ohnehin keine Reisedokumente erhalten. Zudem habe sie sich willig gezeigt, an ihrer Identitätsfeststellung mitzuwirken, und zwar insbesondere in Form einer erkennungsdienstlichen Behandlung. Außerdem habe sie die ihr nach § 50 Asylgesetz ausgestellte Verfahrenskarte vorgelegt. Schließlich sei eine Bestrafung unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorschriften (insbesondere Art. 6 der Richtlinie 2003/9/EG) und der Genfer Flüchtlingskonvention nicht gerechtfertigt.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu GZ Sich96-1027-2008; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde und die Verfahrensparteien überdies einen dementsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Weil im angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, ist im gegenständlichen Fall ein Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 121 Abs. 2 Z. 2 i.V.m. § 32 Abs. 2 FPG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, der sein Reisedokument nicht mit sich führt oder dieses nicht ordnungsgemäß verwahrt.

Nach § 32 Abs. 2 FPG sind Fremde verpflichtet, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass dessen Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann. Die Verzögerung ist noch verhältnismäßig, wenn das Reisedokument innerhalb des Sprengels der für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständigen Fremdenpolizeibehörde erster Instanz verwahrt wird oder die Einholung des Reisepasses voraussichtlich nicht länger als eine Stunde in Anspruch nehmen würde.

3.2. Voraussetzung für eine Bestrafung wegen einer Übertretung der Ordnungsvorschrift des § 32 Abs. 2 FPG ist offenkundig, dass der Fremde überhaupt über ein Reisedokument verfügt, das er mit sich führen oder im Sprengel der Fremdenpolizeibehörde verwahren kann (vgl. z.B. schon UVS Oberösterreich vom 15. Dezember 2008, VwSen-231017).

Im gegenständlichen Fall ist jedoch allseits unbestritten, dass die Rechtsmittelwerberin – aus welchen Gründen auch immer – über keinerlei Reisedokument verfügt.

Somit konnte sie auch schon von vornherein nicht tatbestandsmäßig i.S.d. § 121 Abs. 2 Z. 2 i.V.m. § 32 Abs. 2 FPG handeln.

Ob die Beschwerdeführerin hingegen durch ihre hartnäckige Weigerung, sich ein Reisedokument ausstellen zu lassen, eine andere Vorschrift übertreten hat, war hingegen vom Oö. Verwaltungssenat im Rahmen des vorliegenden Berufungsverfahrens nicht zu prüfen.

3.3. Infolge des fehlgehenden Tatvorwurfes war der gegenständlichen Berufung sohin gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Rechtsmittelwerberin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Grof

Rechtssatz:

 

VwSen-231031/2/Mu vom 10. März 2009

wie VwSen-231017/2/Gf/Mu/Ga vom 15. Dezember 2008

 

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