Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163258/19/Zo/Ps

Linz, 09.03.2009

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn W G, geb. , W, vom 24. April 2008, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 15. April 2008, Zl. VerkR96-20724-2007, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung (StVO) 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 4. September 2008 zu Recht erkannt:

 

I.                   Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.                 Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 45 Abs.1 Z1 VStG;

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I. und II.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er am 1. Oktober 2007 um 09.48 Uhr in Gampern auf der L1274 bei Strkm. 4,500 vor einer unübersichtlichen Stelle (Fahrbahnkuppe) ein Fahrzeug überholt habe. Er habe dabei einen Lkw mit dem Anhänger, Kennzeichen , gelenkt. Wegen dieser Übertretung wurde eine Geldstrafe in der Höhe von 60 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt. Weiters wurde der Berufungswerber zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von 6 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber aus, dass er bereits seit 1990 bei der B U als Kraftfahrer tätig ist. Er fahre diese Strecke häufig und daher sei ihm die Örtlichkeit gut bekannt. Es sei unmöglich, in der Mitte des "Zeilinger Berges" mit einem Lkw mit Anhänger, welcher 40 t Gesamtgewicht besitze, ein fahrendes Fahrzeug zu überholen. Seine Höchstgeschwindigkeit beim Befahren dieses Berges betrage im beladenen Zustand ca. 25 km/h.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung verbunden mit einem Lokalaugenschein und Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie weiterer Erhebungen.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

Entsprechend der Anzeige eines Verkehrsteilnehmers wurde dem Lenker des Lkw mit dem Sattelanhänger mit dem Kennzeichen  vorgeworfen, dass er am 1. Oktober 2007 um 09.48 Uhr auf der L1274 bei Strkm. 4,500 zwei Pkw und einen Kleintransporter auf einer wegen einer Fahrbahnkuppe unübersichtlichen Straßenstelle überholt habe. Der Anzeiger führte in seiner Niederschrift vor der Polizeiinspektion V vom 3. Oktober 2007 aus, dass es sich um einen Gefahrguttransport gehandelt habe, welcher nach ca. der Hälfte des Berges zum Überholen angesetzt habe. Er habe das Kennzeichen vom Sattelanhänger ablesen können.

 

Das in der Anzeige angeführte Sattelkraftfahrzeug wurde zur Vorfallszeit vom Berufungswerber gelenkt.

 

In der mündlichen Berufungsverhandlung konkretisierte der Zeuge seine Angaben zum Überholvorgang an Ort und Stelle und führte zum Lkw nochmals aus, dass es sich um einen Tankwagen gehandelt habe, bei welchem die orangefarbenen Tafeln für einen Gefahrguttransport aufgeklappt gewesen seien. Er habe bereits während des Überholvorganges gesehen, dass es sich um ein W Kennzeichen handle und sei dann in weiterer Folge hinter diesem Lkw nachgefahren. Einige Kilometer später bei der Kreuzung mit der B1 habe er diesen eingeholt und dabei das vollständige Kennzeichen des Lkw ablesen können.

 

Aufgrund der Feststellungen beim Lokalaugenschein und der Angaben des Zeugen zum Überholvorgang wurde ein Sachverständigengutachten zur Frage eingeholt, ob der Überholvorgang – so wie ihn der Zeuge geschildert hatte – mit dem vom Berufungswerber gelenkten Sattelkraftfahrzeug technisch überhaupt möglich gewesen ist. Dazu führte der Sachverständige zusammengefasst aus, dass eine exakte Berechnung nicht möglich ist und der Überholvorgang – wenn man alle Ungenauigkeiten zugunsten eines möglichst kurzen Überholweges berücksichtigt – auf ca. 400 m abgeschlossen werden kann, wobei jedoch die Geschwindigkeit des Lkw aufgrund der starken Steigung von ca. 85 km/h auf ca. 45 km/h am Ende des Überholvorganges abfällt.

 

Die Zeugenaussage sowie das Gutachten des Sachverständigen wurden dem Berufungswerber nochmals zur Kenntnis gebracht, woraufhin er sich dahingehend äußerte, dass es sich bei dem von ihm gelenkten Tankfahrzeug keinesfalls um einen Gefahrguttransport handelte. Er transportiere mit diesem ausschließlich Bier, weil er nur für die B U fahre. Beim Fahrzeug seien gar keine orangefarbenen Tafeln für Gefahrguttransporte angebracht, wobei der Berufungswerber diese Behauptung durch die Vorlage entsprechender Fotos des Tankwagens und einer Stellungnahme des Zulassungsbesitzers bekräftigte.

 

4.2. Dazu ist in freier Beweiswürdigung Folgendes auszuführen:

 

Der Anzeiger behauptete von Anfang an, dass es sich beim Tankwagen um einen Gefahrguttransporter handelte. Er habe das sogar im Rückspiegel wahrnehmen können. Aus den vom Berufungswerber vorgelegten Fotos ist jedoch klar ersichtlich, dass am gegenständlichen Tankwagen keine orangefarbenen Tafeln zur Kennzeichnung eines Gefahrguttransportes angebracht sind und für derartige Tafeln auch keine Anbringungsvorrichtungen vorhanden sind. Der Zeuge räumte in der mündlichen Verhandlung auch ein, dass er das vollständige Kennzeichen erst einige Kilometer nach dem Vorfall ablesen konnte. Es kann daher eine Verwechslung mit einem anderen Lkw nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Dazu kommt noch, dass der vom Zeugen geschilderte Überholvorgang mit einem voll beladenen Tankwagen nach den Berechnungen des Sachverständigen zwar nicht unmöglich, aber doch nur schwer möglich ist. Dies insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass am Ende des Überhol­vorganges die Geschwindigkeit des überholenden Tankwagens niedriger gewesen wäre als die Geschwindigkeit der überholten Fahrzeugkolonne. Zusammengefasst bleiben daher doch erhebliche Zweifel daran, ob sich der Vorfall so abgespielt hat, wie ihn der Zeuge geschildert hat bzw. ob der Überholvorgang nicht allenfalls von einem anderen Tankwagen durchgeführt wurde und der Zeuge irrtümlich das Kennzeichen des ebenfalls in diesem Bereich fahrenden Berufungswerbers notiert hat.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, z.B. vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen; es darf jedoch überholt werden, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie (§ 55 Abs.2) geteilt ist und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überragt wird.

 

5.2. Wie sich aus den oben dargestellten Überlegungen zur Beweiswürdigung ergibt, kann nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit bewiesen werden, ob der Berufungswerber den ihm vorgeworfenen Überholvorgang begangen hat. Es war daher im Zweifel seiner Berufung stattzugeben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 


 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

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