Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240641/2/WEI/Se

Linz, 04.03.2009

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der Y K, R, vertreten durch Dr. P F, Rechtsanwalt in T, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Urfahr-Umgebung vom 11. März 2008, Zl. SanRB 96-53-2007, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG (BGBl I Nr. 13/2006 zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 121/2008) zu Recht erkannt:

 

I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und werden die Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben es als gemäß § 9 Abs 2 VStG bestellte verantwortlich Beauftragte und somit strafrechtlich Verantwortliche der Firma U Handelsgesellschasft m.b.H. & Co. KG, T, zu vertreten, dass in der U-Filiale in G anlässlich einer lebensmittelpolizeilichen Kontrolle am 19.06.2007 um 09:29 Uhr Folgendes festgestellt wurde:

 

1.     Der Boden und der Gully in der Feinkostvorbereitung waren stark verschmutzt.

 

2.     In der Feinkostvorbereitung wurden mehrere Ameisen vorgefunden.

     Betriebsstätten, in denen mit Lebensmittel umgegangen wird, sind sauber und frei       von Schädlingen zu halten.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1.      § 90 Abs.3 Z.1 i.V.m. § 4 Abs.1 des Lebensmittelsicherheits- und

     Verbraucherschutzgesetzes – LMSVG, BGBl.Nr. 13/2006 i.d.g.F. i.V.M. Anhang II

     Kapitel I Z. 1 der Verordnung (EG) 852/2004

2.      § 90 Abs.3 Z.1 i.V.m. § 4 Abs.1 des Lebensmittelsicherheits- und

     Verbraucherschutzgesetzes – LMSVG, BGBl.Nr. 13/2006 i.d.g.F. i.V.M. Anhang II

     Kapitel IX Z.4 der Verordnung (EG) 852/2004"

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen verhängte die belangte Behörde nach dem Strafrahmen des § 90 Abs 3 LMSVG zu den Spruchpunkten 1. und 2. je eine Geldstrafe von 100 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit je eine Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Stunden. Als Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens wurden insgesamt 20 Euro vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin zu Händen ihres Rechtsvertreters am 18. März 2008 zugestellt worden ist, richtet sich die am 2. April 2008 noch rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 1. April 2008, mit der in der Hauptsache die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens, hilfsweise die Anwendung des § 21 VStG angestrebt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis meint die belangte Behörde begründend, dass der Bwin die hygienischen Missstände schon in der Strafverfügung vom 8. Oktober 2007 vorgeworfen wurden. Dagegen habe sie fristgerecht Einspruch erhoben und im Wesentlichen angegeben, es am vorfallsgegenständlichen Tag versehentlich unterlassen zu haben, den Boden und Gully in der Feinkostvorbereitung reinigen zu lassen. Außerdem werde der Vorwurf einer starken Verschmutzung zurückgewiesen. Umgehend nach der Kontrolle durch das Lebensmittelorgan sei der Bereich gereinigt worden. Das einmalige Übersehen der Reinigung stelle nur einen "Durchrutscher" dar, da bisher verlässlich für die ordnungsgemäße Reinigung gesorgt worden wäre.

Die Strafbehörde stellt dazu fest, dass der maßgebliche Sachverhalt durch die Kontrolle des Lebensmittelaufsichtsorgans und die aktenkundigen Fotos zweifelsfrei erwiesen sei. Durch die Fotos sei auch die starke Verschmutzung dokumentiert. Außerdem sei das Kontrollorgan zweifellos in der Lage, die Situation richtig zu beurteilen. Es könne davon ausgegangen werden, dass das Vorhandensein von Ameisen auf eine starke Verschmutzung hinweist.

 

Zum Verschulden geht die belangte Behörde unter Hinweis auf § 5 VStG von Fahrlässigkeit aus. Sie stellt fest, dass ein sog. "Durchrutscher" keinen Entlastungs-, Schuldausschließungs- bzw Milderungsgrund darstelle. Außerdem sei der Vorbereitungsraum nicht sogleich nach der Lebensmittelkontrolle am 19. Juni 2007 gereinigt worden, da nach dem vorgelegten Reinigungsplan erst am 22. Juni 2007 die nächste Reinigung dokumentiert worden sei.

 

2.2. Die Berufung rügt zunächst die Verletzung von Verfahrenvorschriften. Sie Bwin verweist auf die Ausführungen im Einspruch und dass am vorfallsgegenständlichen Tag die Reinigung versehentlich unterlassen worden sei. Die Begründung der belangten Behörde zur starken Verschmutzung sei eine Scheinbegründung. Die Behörde hätte sich nicht auf rein subjektive Wahrnehmungen des Lebensmittelaufsichtsorgans stützen dürfen, sondern selbst "Untersuchungen" anstellen müssen. Die im Reinigungsplan angeführten Reinigungen wären nur Routinereinigungen. Entgegen der Darstellung der belangten Behörde hätte die Bwin noch am Tag der Beanstandung und damit vor der nächsten routinemäßigen Reinigung für eine gründliche Reinigung gesorgt. Zum Beweis sei die Parteieneinvernahme beantragt worden, in der die Bwin dies ausführlich hätte darlegen können. Durch die Unterlassung der Parteieneinvernahme leide das Verfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Auch ein Ortsaugenschein sei beantragt worden, bei dem die belangte Behörde die Beseitigung der bemängelten Zustände hätte feststellen können.

 

Unter unrichtiger rechtlicher Beurteilung rügt die Berufung, dass die Feststellung der belangten Behörde zur Reinigung nach der Beanstandung unrichtig sei und auf Verletzung von Verfahrensvorschriften beruhe. Weiters wird auf § 21 VStG Bezug genommen und dessen Nichtanwendung kritisiert, obwohl die Voraussetzungen vorgelegen wären.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen,

 

wer den in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs 3 oder § 15 zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 4 Abs 1 LMSVG sind die in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft samt Änderungsvorschriften und Durchführungsvorschriften im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen. Nach Abs 3 kann die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen mit Verordnung nähere Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte erlassen.

 

4.2. Im Teil 2 der Anlage zum LMSVG wird in der Ziffer 1 die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. Nr. L 139 vom 30. April 2004, berichtigt durch ABl. Nr. L 226 vom 25. Juni 2004) angeführt.

 

Die noch auf Grund des Lebensmittelgesetzes (LMG) 1975 erlassene Lebensmittelhygieneverordnung, BGBl II Nr. 31/1998, ist gemäß § 95 Abs 7 Z 12 LMSVG mit In-Kraft-Treten des LMSVG am 1. Jänner 2006 außer Kraft getreten.

 

Nach dem Art 4 Abs 2 der EG-Verordnung über Lebensmittelhygiene haben Lebensmittelunternehmer, die auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln tätig sind, die den Arbeitsgängen gemäß Abs 1 (Primärproduktion) nachgeordnet sind, die allgemeinen Hygienevorschriften gemäß Anhang II sowie etwaige spezielle Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zu erfüllen.

 

Der Anhang II enthält allgemeine Hygienevorschriften für alle Lebensmittelunternehmer, außer denen für die Anhang I (Primärproduktion) gilt. Kapitel I gilt für alle Betriebsstätten, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird.

 

Kapitel I Punkt 1. des Anhangs II der EG-Verordnung hat einen mit Abschnitt I Punkt 1. des Anhangs der Lebensmittelhygieneverordnung vergleichbaren Wortlaut, nämlich:

 

"1. Betriebsstätten, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, müssen sauber und stets instand gehalten sein."

 

Kapitel IX des Anhangs II hat die Überschrift "Vorschriften für Lebensmittel". Die daraus von der belangten Behörde im Spruchpunkt 2. herangezogene Bestimmung lautet:

 

"4. Es sind geeignete Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen vorzusehen. Auch sind geeignete Verfahren vorzusehen, um zu vermeiden, dass Haustiere Zugang zu den Räumen haben, in denen Lebensmittel zubereitet, behandelt oder gelagert werden (oder, sofern die zuständige Behörde dies in Sonderfällen gestattet, um zu vermeiden, dass ein solcher Zugang zu einer Kontamination führt)."

 

4.3. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuord­nung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, [2004], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1522).

 

In dem noch zur gleichgelagerten Lebensmittelhygieneverordnung 1998 ergangenen Erkenntnis vom 26. März 2007, Zl. 2004/10/0029, das in seinen Grundsätzen für die vergleichbare gegenständlichen Sachlage einschlägig erscheint, hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass nach der Lebensmittelhygieneverordnung nicht das Inverkehrbringen von hygienisch negativ beeinträchtigten Lebensmitteln, sondern die Unterlassung von geforderten Vorsorgemaßnahmen unter Strafe gestellt wurde. Dabei stellte der Verwaltungsgerichtshof eine Parallele zur Verwaltungsübertretung nach § 20 LMG 1975 her, zu dessen ähnlichem Tatbild die Unterlassung der Vorsorge zur Vermeidung der hygienisch nachteiligen Beeinflussung zählte und daher im Tatvorwurf eine individualisierte Umschreibung jener Handlungen vorzunehmen war, die der Täter hätte setzen müssen (Hinweis auf VwSlg 10998 A/1983; VwGH 19.11.1990, Zl. 98/10/0201; VwGH 11.11.1991, Zl. 91/10/0026). Da auch der § 3 Lebensmittelhygieneverordnung Verpflichtungen des Inhabers oder Geschäftsführers eines Lebensmittelinternehmens so umschreibe, dass diese dafür Sorge zu tragen haben, dass angemessene Sicherheitsmaßnahmen festgelegt, durchgeführt, eingehalten und überprüft werden und sich daraus unterschiedliche Anforderungen ergeben, vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass der § 44a Z 1 VStG in Fall einer Bestrafung gemäß § 74 Abs 4 Z 1 LMG iVm § 3 der Lebensmittelhygieneverordnung ebenfalls eine konkrete Umschreibung der vom Täter unterlassenen Maßnahmen erfordere. Die bloße Wiederholung des Tatbestands oder unkonkretisierte Behauptungen der nicht ordnungsgemäßen Vorbeugung hielt der Verwaltungsgerichtshof für nicht ausreichend.

 

Die Rechtslage seit der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 ist mit jener nach der Lebensmittelhygieneverordnung 1998 vergleichbar. Auch Art 4 der EG-Verordnung geht allgemein von der Einhaltung von Hygienevorschriften und davon aus, dass die Lebensmittelunternehmer gegebenenfalls besondere Hygienemaßnahmen zu ergreifen haben (Abs 3). Im Art 5 der zitierten EG-Verordnung (Gefahrenanalyse und kritische Kontrollpunkte) werden Lebensmittelunternehmer verpflichtet, Verfahren, die auf den HACCP-Grundsätzen beruhen, einzurichten, durchzuführen und aufrechtzuerhalten. Das Gleiche kann auch im § 3 Lebensmittelhygieneverordnung nachgelesen werden.

 

Der erkennende Verwaltungssenat nimmt aus den dargelegten Gründen an, dass die grundlegenden Aussagen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. März 2007, Zl. 2004/10/0029, auch auf den gegenständlichen Fall übertragbar sind.

 

4.4. Die belangte Behörde hat es für ausreichend befunden, sich die inhaltlich dürftige Anzeige des Lebensmittelaufsichtsorgans zu eigen zu machen, ohne eigene Überlegungen zum maßgeblichen Verhaltensvorwurf anzustellen. Abgesehen davon, dass der Gully zwar ziemlich verschmutzt und reinigungsbedürftig aussieht, kann man aus den Lichtbildern ansonsten zwar einen verschmutzten, aber nicht unbedingt einen stark - also außergewöhnlich - verschmutzten Boden erkennen. Auch die Ansicht der belangten Behörde, dass das Vorhandensein von mehreren Ameisen auf eine starke Verschmutzung hinweise, ist eher als Vermutung, denn als eine schlüssige Tatsachenfeststellung anzusehen. Es entspricht nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich Ameisen durch feine Risse im Boden oder Mauerwerk ihren Weg bahnen und so nicht selten ins Innere von Gebäuden gelangen. Deshalb muss noch nicht eine grobe Verschmutzung vorliegen, die diese Insekten anzieht. Auch vertritt der erkennende Verwaltungssenat entgegen der belangten Behörde die Auffassung, dass Ameisen noch nicht als ausgesprochene Schadinsekten wie Lebensmittelmotten oder gar Küchenschaben angesehen werden können.

 

4.5. Im vorliegenden Fall mangelt es dem von der belangten Behörde formulierten Spruch jedenfalls an der nach dem § 44a Z 1 VStG erforderlichen Konkretisierung hinsichtlich eines bestimmten Verhaltensvorwurfes. Es genügt nicht einen vorgefundenen Zustand anlässlich einer Kontrolle am 19. Juni 2007 um 09:29 Uhr mehr oder weniger genau zu umschreiben, weil bekanntlich im modernen Schuldstrafrecht und damit auch im Verwaltungsstrafrecht eine bloße Erfolgshaftung des Täters ausgeschlossen ist. Dem Täter muss vielmehr ein konkretes Fehlverhalten und damit zumindest ein erkennbar sorgfaltswidriges Verhalten vorgeworfen werden können.

 

Im gegebenen Zusammenhang leuchtet wohl allgemein ein, dass Betriebsstätten, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, nicht ununterbrochen sauber sein können. Dies ist nämlich tatsächlich unmöglich und kann daher auch im Kapitel I Ziffer 1. des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 nicht so gemeint sein. Deshalb stellt sich vielmehr die Frage, welchen Grad an Sauberkeit man zu bestimmten Zeiten in Räumlichkeiten, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, mit Rücksicht auf die jeweilige Verarbeitungs- und Vertriebsstufe von Lebensmitteln von einem einsichtigen und besonnenen Menschen in der Lage des Täters (vgl zum Sorgfaltsmaßstab der sog. differenzierten Maßfigur näher Burgstaller in Wiener Kommentar2 § 6 Rz 38 u 48 ff) erwarten konnte und welche Vorsorgemaßnahmen unterlassen wurden, um einen als zutreffend erkannten Hygienestandard sicherzustellen. Im angefochtenen Straferkenntnis fehlen dazu jegliche Angaben. Weder im Spruch noch in der Begründung hat sich die Strafbehörde auch nur ansatzweise mit dieser Problematik auseinandergesetzt.

 

Auch aus dem Wortlaut und der Zielsetzung der Ziffern des Kapitels IX (Vorschriften über Lebensmittel) im Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 ist eindeutig ableitbar, dass es jeweils um Vorsorgemaßnahmen im Lebensmittelunternehmen zur Vermeidung von hygienisch nachteiliger Beeinflussung geht. In der von der belangten Behörde als Rechtsgrundlage herangezogenen Ziffer 4 ist im ersten Satz die Rede davon, dass geeignete Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen vorzusehen sind. Nicht mehr und nicht weniger! Einen sinnvollen Zusammenhang dieser geforderten Vorsorgemaßnahme zum konkreten Fall hat die belangte Behörde nicht hergestellt. Die Feststellung, dass in der Feinkostvorbereitung mehrere Ameisen vorgefunden wurden, ist für die gemäß dem § 44a Z 1 VStG erforderliche Konkretisierung der gebotenen Vorsorgemaßnahme unbrauchbar. Sie verfehlt das rechtlich maßgebliche Thema und enthält keinen Verhaltensvorwurf, dem eine konkrete Umschreibung der unterlassenen Sicherheitsmaßnahmen zu entnehmen wäre.

 

5. Da das angefochtene Straferkenntnis der Bwin weder ein bestimmtes und hinreichend konkretisiertes Verhalten vorwirft, noch Feststellungen zu den gebotenen Hygienemaßnahmen trifft, war es aus Anlass der Berufung, auf die nicht weiter eingegangen werden musste, aufzuheben und waren die Strafverfahren schon in Ermangelung von tauglich angelasteten Verwaltungsübertretungen gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen. Da aus der Aktenlage auch keine geeignete Verfolgungshandlung erkennbar ist, geht der erkennende Verwaltungssenat zudem von der mittlerweile längst eingetretenen Verfolgungsverjährung (Jahresfrist gemäß § 90 Abs 7 LMSVG) aus, was auch eine Einstellung nach § 45 Abs 1 Z 3 VStG zur Folge hat.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt auch gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

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