Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522208/8/Bi/Se

Linz, 17.03.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau Mag. M P, F, vertreten durch Herrn RA Mag. H M, F, vom 12. Februar 2009  gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 26. Jänner 2009, VerkR21-78-2009/LL/KP, wegen der Aufforderung, sich amtsärztlich unter­suchen zu lassen, aufgrund des Ergebnisses der am 12. März 2009 durch­ge­führten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Ver­kün­dung der Berufungsentscheidung), zu Recht erkannt:

 

     Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde die Berufungswerberin (Bw) gemäß §§ 24 Abs.4 iVm 8 FSG aufgefordert, sich innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 bzw Motorfahr­rädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen amts­ärztlich untersuchen zu lassen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit 29. Jänner 2009.

 

2. Dagegen wendet sich die von der Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Am 12. März 2009 wurde eine öffentliche mündliche Beru­fungs­­verhandlung in Anwesenheit des Rechtsvertreters der Bw, der Vertreterin der Erstinstanz Frau M U und der Zeugen Dr. L (L) und Mel­dungs­­leger RI P P (Ml) durchgeführt. Die Bw ist nicht erschienen. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz habe den angefoch­tene Bescheid erlassen ohne ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, obwohl es nur eine telefonische Anzeige gegeben habe. Darin finde sich keine Beweis­würdigung und es sei nicht nachvollziehbar, warum einer angesehenen Apothe­kerin im Ruhestand weniger Glauben geschenkt werde als dem Anzeiger.

Im übrigen sei eine unrichtige rechtliche Beurteilung erfolgt, weil laut VwGH genügend begründete Bedenken für die Prüfung des Wegfalls von Erteilungsvor­aussetzungen bestehen müssten. Die bloße Feststellung, sie wäre im Kreisver­kehr ohne ersichtlichen Grund stehengeblieben, auf einem geraden Straßenstück dreimal über die Fahrbahnmitte bzw zur linken Seite gekommen und habe trotz Schönwetter dauernd die Scheibenwischer eingeschaltet gehabt, reiche zur An­nahme dieser "genügend begründeten Bedenken" jedenfalls nicht aus. Die Rahmen­­umstände dieser angeblichen Vorfälle wären zu eruieren gewesen; die Erstinstanz habe nichts ermittelt. Sie bestreite, in den Kreisverkehr eingefahren und ohne ersichtliche Grund stehengeblieben zu sein. Sie sei vielmehr vor dem Kreisverkehr verkehrs- und vorrangbedingt ordnungsgemäß stehengeblieben und habe den Querverkehr beobachtet, um ein gefahrloses Einfahren sicherzu­stellen. Sie bestreite ausdrücklich "ca 20 Sekunden lang" stehengeblieben zu sein. Sollte dem Anzeiger das Anhalten zu lang gedauert haben, zeige seine Überzeugung, sie sei mit der Verkehrssituation überfordert gewesen, lediglich seinen Mangel an einer im Straßenverkehr notwendigen Ruhe beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges. Wenn er behaupte, ihrem Pkw beinahe hinten aufgefahren zu sein, habe er offenbar einen zu geringen Tiefenabstand oder eine zu hohe Geschwin­digkeit eingehalten oder sei unaufmerksam gewesen. Wäre sie wirklich so lang stehen­geblieben wie behauptet, hätte der Anzeiger schon aus seinem medizinischen Ethos ihre Fahrtüchtigkeit in Frage stellen und medizinische Erst­ver­sor­gung leisten müssen. Eine solche Missachtung ärztlicher Obliegenheiten und unter­lassene Hilfeleistung könne aber dem Anzeiger wohl nicht unterstellt wer­den.

Sie bestreite auch, auf einem geraden Straßenstück dreimal auf die linke Seite gekommen zu sein. Aber auch das würde noch keinen Verdacht einer Beein­trächtigung ihrer gesundheitlichen Eignung bzw verminderter kraftfahrspezifi­scher Leistungsfähig­­keit rechtfertigen. Sie habe am Fahrbahnrand fahrenden Rad­fahrern ausweichen müssen. Wäre der Anzeiger nicht so dicht aufgefahren, hätte er den übrigen Verkehr auch beobachten können. Das knappe Auffahren habe sie über längere Zeit beobachtet; offenbar habe der Anzeiger wegen Gegen­verkehrs nicht überholen können, obwohl dort 100 km/h erlaubt seien. Wenn sie ihm zu langsam gefahren sei, sei beim Anzeiger zwingend eine Überprüfung seiner körperlichen Eignung und seiner fachlichen Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen angebracht. Bei der missbräuchlichen Anzeige bestehe der Verdacht eines Racheaktes.

Richtig sei, dass der Scheibenwischer mehrmals eingeschaltet gewesen sei, um die von Insekten verschmutzte Scheibe zu reinigen. Wenn allerdings der Anzeiger das beobachtet habe, sei das auf einen zu geringen Tiefenabstand zurückzu­führen, sonst hätte er nicht eine so gute Sicht durch die Heckscheibe gehabt.

Beantragt wird ein Lokalaugenschein beim ggst Kreisverkehr mit Beiziehung der beteiligten Fahrzeuge. Sie bestreite die im Bescheid rudimentär umschriebenen Ordnungs­widrig­keiten, die einem Fahrzeuglenker im Lauf vieler Jahre unterlaufen könnten. Sie habe keine Verwaltungsvorstrafen; die ggst Aufforderung sei will­kür­lich und unzulässig. Beantragt wird daher Bescheidbehebung und Verfahrens­ein­stellung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen münd­lichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört, der Kreisver­kehr besichtigt und die genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurden.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Zeuge L fuhr am 16. Jänner 2009 nach 12.00 Uhr Mittag mit seinem Pkw auf der L568 von Enns in Richtung Asten. Beim Merkur-Markt Enns schloss er auf den ihm unbekannten grauen Skoda Fabia    auf, der ihm deshalb auffiel, weil er langsam fuhr, trotz Schönwetter die Scheibenwischer eingeschaltet waren und der Pkw grundlos nach links etwa einen halben Meter über die Mittellinie kam. Der Zeuge L führte die eingeschalteten Scheibenwischer zunächst darauf zurück, dass der für ihn nicht sichtbare Lenker die Scheiben reinigen wollte, stellte aber fest, dass die Scheibenwischer nach ca einer Minute immer noch eingeschaltet waren. Der Zeuge L sagte in der Verhandlung aus, der Pkw sei in der 70 km/h-Beschränkung ca 50 km/h gefahren und er sei hinten nach gefahren und habe aus Vorsichtsgründen den Nachfahrabstand vergrößert. Er stellte darauf­hin fest, dass der Lenker noch ein- oder zweimal ohne erkennbaren Grund über die Fahrbahnmitte kam; dort hätten sich keine Radfahrer oder sonstige Hindernisse befunden, denen der Lenker auszuweichen gehabt hätte. Es habe schon Gegenverkehr bestanden, aber zufällig nicht in dem Moment, als der Lenker auf die linke Fahrbahnhälfte gefahren sei. Er habe nach dem ihm eigen­artig erscheinenden Fahrverhalten des Lenkers vermutet, dass dieser alkoho­lisiert sein könnte. In Kristein bei km 170,8 der L568 sei der Lenker in den Kreis­verkehr eingefahren, dann aber nach ca 20 m einfach stehengeblieben, wofür er keinerlei Grund habe erkennen können. Er habe seinen Pkw hinter dem Pkw    angehalten und den Lenker kurz angehupt, der nach ca 5 bis 7 Sekunden die Fahrt Richtung Asten fortgesetzt habe.

Er selbst habe eine andere Fahrtstrecke gewählt und ca 3 Minuten nach dem Verlieren des Kontakts mit dem genannten Pkw die PI E angerufen.

 

Der Ml bestätigte, dass der Zeuge L beim PI E gegen 12.28 Uhr mit ihm telefoniert und den Lenker des Pkw    wegen seiner verkehrsgefähr­den­den Fahrweise angezeigt habe, wobei aber keine Rede davon gewesen sei, wer der Lenker war. Der Zeuge L sei sehr aufgebracht gewesen und habe ihm gegen­über gesagt, der Lenker sei in den Kreisverkehrs eingefahren und einfach für ca 20 Sekunden stehengeblieben, sodass er ihm fast hinten aufgefahren sei. Außer­dem sei er dreimal über die Fahrbahnmitte gefahren, ohne dass ein Grund dafür bestanden habe. Offenbar sei der Lenker mit der Lenktätigkeit überfordert gewesen. Der Ml erklärte, er habe nach dem Telefonat mit dem Anzeiger den Zulassungsbesitzer des Pkw    eruiert und sei auf die Bw gekommen, die er in S F zu Hause angerufen habe. Sie habe ihm bestätigt, dass sie gerade die angegebene Strecke gefahren sei, habe ihm diese Fahrt aber ganz anders geschildert. Sie habe im Kreisverkehrs zur Orientierung angehalten, weil sie diese Strecke sehr selten fahre, aber sie sei sicherlich nie über die Fahrbahn­mitte gefahren.   

 

In der Verhandlung räumte der Zeuge L ein, dass er bei seinen Zeitangaben und bei seiner Aussage, er sei fast auf den plötzlich anhaltenden Pkw aufgefahren, dem Ml gegenüber damals etwas übertrieben habe, weil er sich sehr über den ihm alkoholisiert scheinenden Lenker aufgeregt habe. Er habe wegen der geringen Geschwindigkeit und des bereits vorsichtig gewählten Nachfahrabstan­des problemlos anhalten können. Der Ml gab an, er habe den Bericht nach den telefonischen Angaben des Anzeigers so verfasst, wie er ihn verstanden habe; daraus erklärt sich die im Bericht unrichtig angeführte Fahrt­richtung. Er sei sicher, mit der Bw selbst am Telefon gesprochen zu haben, weil sie sich mit Namen vorgestellt und bestätigt habe, sie sei gerade selbst diese Strecke gefah­ren. Festgestellt wurde auch, dass weder der Zeuge L noch der Ml persönlich je mit der Bw zu tun hatten und sie persönlich nicht bewusst kennen.

 

Bei der anschließenden Besichtigung des genannten Kreisverkehrs ergab sich, dass dieser im November 2008 eröffnet wurde. Der erkennbar baulich neu ange­legte Kreisverkehr ist so gestaltet, dass vier Straßen in ihn einmünden bzw von ihm abgehen, alle in den Kreisver­kehr einfahrenden Lenker wartepflichtig sind ("Vorrang geben") und er weder irgend­wie bepflanzt noch schwer oder gar un­ein­sehbar ist. In der Mitte befindet sich ein Erdhaufen. In der damaligen Fahrt­richtung der Bw gesehen führt nach der Einfahrt aus Richtung Enns kommend bei der nächsten Ausfahrt rechts eine als Sack­gasse gekennzeichnete Siedlungs­straße weg, die (in der gedachten Verlängerung der Einfahrtsstraße) weg­führende L568 ist durch den Wegweiser "Asten" mit Entfernungsangabe gekenn­zeichnet. Die Bw ist letztendlich Richtung Asten ausgefahren.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist die Aussage des Zeugen L absolut glaubwürdig. Der Zeuge L ist praktischer Arzt in E, hat seine Wahrnehmungen schlüssig begründet und nachvollziehbar geschildert und auch seine Unkenntnis des Lenkers des in der Anzeige nur dem Kennzeichen nach bezeichneten Pkw ist glaubhaft. Dass er sich damals über das möglicherweise für andere Verkehrsteilnehmer gefährliche Fahrverhalten des unbekannten Lenkers aufgeregt hat, weil er diesen nach seinem Eindruck von dessen Fahrverhalten für betrunken hielt, ist ihm nicht zu verdenken. Dass er die 20 Sekunden übertrieben hat und auch keine tatsächliche Gefahr des Auffahrens auf den plötzlich mitten im Kreisverkehr stehengebliebenen Pkw bestanden hat, hat er in der Verhand­lung sofort eingeräumt und auch mit seinen Emotionen erklärt. Es besteht keiner­lei Anlass für Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner konkreten Schilder­ungen vom Fahrverhalten der Bw, auch wenn deren Rechtsvertreter bemüht war, die Beobachtungen des Zeugen L in Frage zu stellen. Der Zeuge hat dezidiert ausgeschlossen, dass sich Radfahrer auf der Fahrbahn befunden hätten, und er hat betont, bei der Nachfahrt in angemessenem und angesichts des Fahr­verhaltens der Bw sorgfältig vergrößertem Abstand sei ihm einwandfrei möglich gewesen, die trotz Schönwetter auf Dauerbetrieb eingeschalteten Scheiben­wischer zu erkennen und dezidiert auszuschließen, dass der Lenker nur seine Frontscheibe reinigen wolle.

Dass der Ml nicht persönlich mit der Bw telefoniert hätte, konnte in der Verhand­lung ausgeschlossen werden. Dem Ml ist auch Glauben zu schenken, wenn er betont, er habe mit der Bw persönlich noch nie Kontakt gehabt, obwohl sie dem Namen nach in der Dienststelle bekannt sei. Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates spricht absolut nichts dafür, dass hier eventuell eine akkor­dierte Aktion zum Nachteil der Bw erfolgt wäre.

 

In Ermangelung des persönlichen Erscheinens der Bw führte der Rechts­vertreter in der Verhandlung aus, seine Mandantin habe mit dem Ein­schalten der Schei­ben­wischer die von Insekten verschmutzte Frontscheibe reinigen wollen. Sie sei Radfahrern ausgewichen und deshalb etwas nach links gefahren und sie habe sich wegen des neu angelegten und von ihr noch nie befahrenen Kreisverkehrs erst orientieren müssen und sei deshalb ganz langsam gefahren – ein Anhalten werde ausdrücklich bestritten – weil ja außerdem nur Asten, nicht aber S auf dem Wegweiser angegeben gewesen sei. Daraus gleich den Schluss auf mangelnde kraftfahrspezifische Leistungs­fähigkeit zu ziehen, sei völlig verfehlt und maßlos überzogen. Ihr sei jedenfalls zuzubilligen, dass sie immerhin 77 Jahre alt sei, aber sie sei sehr wohl gesundheitlich geeignet, einen Pkw zu lenken. 

 

Die Vertreterin der Erstinstanz wies darauf hin, dass sich auch in S zwei Kreisverkehre befinden, sodass solche der Bw nicht fremd sein könnten; außer­dem habe sich an ihrer Fahrtrichtung nach Hause durch den neuen Kreis­ver­kehr absolut nichts geändert. Das Nichtausschalten des Scheiben­wischers auf der gesamten vom Zeugen L beobachteten Fahrtstrecke und das mehrmalige Abkommen nach links zeigten sehr wohl, dass die Bw mit dem Lenken eines Pkw überfordert sei.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstell­tes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkbe­rechtigung einzuschränken oder zu entziehen.

 

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach Abs.4 sind begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr besitzt. Hierbei geht es noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen von Erteilungsvoraussetzungen geschlossen werden kann; es müssen aber genügend Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (vgl VwGH 30.9.2002, 2002/11/0120).

 

Die Bw ist 1931 geboren und damit 77 Jahre alt. Eventuelle Vormerkungen sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Bereits im Vorjahr war der Bw mit Bescheid der Erstinstanz gemäß § 24 Abs.4 FSG aufgetragen worden, sich binnen einer Frist amtsärztlich untersuchen zu lassen; der Bescheid wurde nach mündlicher Verhandlung mit Erkenntnis des UVS Oö. vom 11. November 2007, VwSen-521746/8/Bi/Se, auf­ge­­hoben.

Beim in Rede stehenden Vorfall lenkte die Bw am 16. Jänner 2009 Mittag ihren Pkw auf der L568 aus Richtung Enns kommend in Richtung S. Die L568 verläuft dort völlig gerade; der Kreisverkehr bei km 170,8 ist erst Anfang November 2008 eröffnet worden, liegt aber in einem übersichtlichen Abschnitt der L568. In Fahrtrichtung der Bw gesehen befindet sich vor der Einfahrt in den Kreisverkehr das Vorschriftszeichen "Vorrang geben", die nächste Ausfahrt rechts ist als Sackgasse (§ 53 Abs.1 Z11 StVO 1960) gekennzeichnet, die gedachte Verlängerung der L568 ist mit dem Wegweiser "Asten" versehen. Dass der Weg nach St. Florian von Enns aus über Asten führt, war der Bw mit Sicherheit bekannt, daran hat sich durch den Kreisverkehr nichts geändert. Auch im Wohnort der Bw, in St. Florian, bestehen seit längerer Zeit zwei Kreuzungen mit Kreisverkehr, sodass davon auszugehen ist, dass der Bw eine solche bauliche Einrichtung, die im übrigen nicht als zusätzlich verkomplizierend sondern als verein­fachend gedacht ist, bekannt ist. Die Bw ist auch nach den Aussagen des Zeugen L in den Kreisver­kehr eingefahren – Hauptverkehrsweg ist dort die L568, dh die Bw hatte eher nicht mit von links kommendem Verkehr zu rechnen – und hielt nach ca 20 m mitten im Kreisverkehr ihr Fahrzeug an. Da die Sackgasse rechts bereits früher als solche bestanden hat und die Fahrtrichtung (Luftlinie) geradeaus nach Asten für die Bw nicht neu war, ist ein Anlass für dieses Anhalte­manöver objektiv in keiner Weise nachvollziehbar. Ein Kreisverkehr ist mit einer so niedrigen Geschwindigkeit zu befahren, dass die Fahrdauer für eine Orien­tierung ausreicht, daher konnte die vom Rechtsvertreter als Grund für das Anhalten angeführte erforder­liche Orientierung auch während der Fahrt statt­finden. Ein Zum-Stillstand­-Bringen des Pkw für 5 bis 7 Sekunden – diesbezüglich sind die Aussagen des Zeugen L glaubwürdig – ist daher weder erforderlich noch nachvoll­ziehbar. Die Bw hat dann auch bei der L568 Richtung Asten den Kreis­verkehr verlassen. Das Argument des Rechtsvertreters, "St. Florian" sei auf dem Wegweiser nicht ersichtlich, geht schon deshalb ins Lehre, weil die Bw den Heimweg offensichtlich ohnehin problemlos gefunden hat, sie aber, wenn sie 20 m nach der Einfahrt in den Kreisverkehr stehenblieb, wegen des Erdhaufens in der Mitte des Kreisverkehrs den Wegweiser "Asten" links auf dem Fahr­bahn­teiler der Ausfahrt noch gar nicht sehen konnte.   

 

Zum Abschnitt Enns – Kristein hat der Zeuge L ausgesagt, er habe auf den ihm unbekannten Pkw aufgeschlossen und aus dem Fahrverhalten des Lenkers eine Alkoholisierung vermutet. Der Lenker sei trotz völlig gerader, ebener und über­sichtlicher Fahrbahn zwei- oder dreimal grundlos auf die linke Fahrbahnseite gekommen; ein Ausweichen hat der Zeuge L nachvollziehbar ausgeschlossen. In der 70 km/h-Beschränkung sei der Lenker mit maximal 50 km/h gefahren und die Schei­ben­wischer seien während der Fahrt von Enns bis zum Kreisverkehr Kristein trotz schönen Wetters ohne jeden Nieder­schlag auf Dauerbetrieb eingeschaltet gewesen.

Dass, wie der Rechtsvertreter der Bw behauptet hat, seine Mandantin die Scheiben von Insekten gereinigt habe, kann im Jänner weitestgehend ausgeschlossen werden – zum einen wäre die Bw mit derart verschmutzten Scheiben nicht schon bis Enns gekommen (sie befand sich offensichtlich bereits auf der Rückfahrt nach St. Florian) und im Jänner sind Insekten schon wegen der Kälte auszuschließen. Aus der Sicht des UVS liegt die Vermutung nahe, dass die Bw den Schalter für die Scheibenwischer irrtümlich eingeschaltet hat und während der Fahrt zum einen nicht in der Lage war, diese auszuschalten, und zum anderen durch die sich ständig bewegenden Scheibenwischer derart abge­lenkt war, dass sie des­wegen mehrmals auf die linke Fahrbahnhälfte fuhr, auf der zufällig gerade kein Fahrzeug entgegenkam.

 

Der vom Zeugen L, der der Bw daraufhin mit geringer Geschwindigkeit und vergrößertem Nachfahrabstand bis zum Kreisverkehr nachfuhr, bereits beim darauffolgenden Telefonat mit dem Ml geäußerten Vermutung, der Lenker könnte mit dem Lenken des Pkw überfordert gewesen sein, ist aus der Sicht des UVS nichts entgegenzuhalten.

Der Zeuge L, praktischer Arzt in Enns, hat in der Verhandlung einen sehr glaub­würdigen Eindruck hinter­lassen, auch im Hinblick darauf, dass er bei der tele­fonischen Darstellung des Vorfalls dem Ml gegenüber aufgeregt war über die Verantwortungslosigkeit des Lenkers, den er für alkoholisiert gehalten und in höchstem Maß verkehrsge­fährdend eingestuft hat, und deshalb etwas über­trieben hat. Dass diese Anzeige grundsätzlich aber weder unüberlegt noch leicht­fertig war, hat er in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates sind in der Zusammen­­schau des von der Bw auf der beschriebenen Fahrt gezeigten Fahrverhaltens massive Bedenken im Hinblick darauf, ob ihre kraftfahrspezifischen Leistungs­funktionen tatsächlich noch in ausreichendem Maß gegeben sind, sehr wohl gerechtfertigt. Bei einem Lenker, der nicht in der Lage ist, auf einem geraden Straßenabschnitt ohne jede Veranlassung für ein Überfahren der durch Boden­markierungen gekennzeichneten Fahrbahnmitte auf seiner rechten Fahrbahn­hälfte zu bleiben, auch wenn er irrtümlich den Hebel für die Scheibenwischer betätigt haben und diesen nicht sofort finden sollte, besteht eine erhöhte Gefahr, dass er andere Straßenverkehrsteilnehmer übersieht und auf deren Verhalten nicht angemessen reagieren kann. Auch wenn der Bw zum Glück gerade kein Fahrzeug entgegenkam, bestehen aufgrund ihres objektiv nicht erklärbaren Verhaltens Bedenken dahingehend, dass sie nicht mehr in der Lage ist, mehrere Eindrücke gleichzeitig entsprechend zu verarbeiten. Warum sie im Kreisverkehr ihren Pkw zum Stillstand gebracht hat, ist letztlich nicht nach­vollziehbar; die Aussage des Zeugen L, ein Lenker, der das vorherige Fahr­ver­halten der Bw nicht wahrnehmen hätte können, hätte auf ihren plötzlich stehen­den Pkw auffahren können, ist nicht von der Hand zu weisen. 

Letztlich ist auch zu bemerken, dass die Bw es offensichtlich abgelehnt hat, zur Verhandlung persönlich zu erscheinen und den Vorfall aus ihrer Sicht zu schildern, selbst wenn ihr Rechtsvertreter ihre offenbar ohne jede Substanz geäußerten Vermutungen zur Persönlichkeit des ihr unbekannten Anzeigers wieder­gegeben haben sollte. Die (zusätzlich zu der an die Adresse ihres Rechts­vertreters persönlich an die Bw ergangene) Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde laut Rückschein von ihr eigenhändig in Empfang genommen und die Berufungsverhandlung fand unweit ihres Wohnortes statt, sodass ihr ein weit­gehend problemloses Erscheinen zumutbar gewesen wäre. Es war daher in der Berufungsverhandlung nicht möglich, sich einen persönlichen Eindruck von der Bw zu ver­schaffen, der die Aussagen es Zeugen L eventuell "entschärft" hätte.  

 
Aus all diesen Überlegungen vertritt der Unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung, dass in Anbetracht der dargestellten Umstände begründete Beden­ken dahingehend bestehen, dass bei der Bw die kraftfahrspezifische Leistungs­fähigkeit nicht mehr in ausreichendem Umfang besteht, sodass die Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, sich als notwendig erweist. Ob die gesund­heitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, Motor­fahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen tat­säch­lich nicht mehr gegeben ist, wird im Zuge dieser amtsärztlichen Unter­suchung abzuklären sein.   

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Fahrverhalten (Abkommen nach links 2x, Geschwindigkeit sehr niedrig, Scheibenwischer andauernd eingeschaltet ohne Grund, Stehenbleiben im Kreisverkehr) rechtfertigt bedenken wegen gesundheitlicher Eignung iSd § 24 Abs.4 FSG

 

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