Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163847/8/Bi/Se

Linz, 19.03.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn A P, L, vom 23. Jänner 2009 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Linz-Land vom 12. Jänner 2009, VerkR96-11040-2008-Pm/Pi, wegen Übertretung des KFG 1967, aufgrund des Ergebnisses der am 17. März 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

 

 

     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskosten eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 106 Abs.5 Z2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 70 Euro (24 Stunden EFS) verhängt, weil er als Lenker nicht dafür gesorgt habe, dass die Vorschriften des KFG eingehalten worden seien, da am 14. April 2008, 16.12 Uhr, im Ortsgebiet Leonding, Kreuzung Leondinger Landes­straße – Ruflinger Landesstraße, von Alharting kommend in Richtung Rufling, festgestellt worden sei, dass er ein Kind, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt habe und kleiner als 150 cm gewesen sei, befördert und dieses dabei nicht mit einer geeigneten, der Größe und dem Gewicht des Kindes entsprechenden Rückhalteeinrichtung, welche die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall verringere, gesichert habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 7 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 17. März 2009 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw und der Zeugen Insp. H S (Insp.S) und dem Meldungsleger Insp P N (Ml) durchgeführt. Die Vertreterin der Erstinstanz war entschuldigt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung wurde verzichtet. 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Beamten hätten sich an Ort und Stelle nicht von der tatsächlichen Größe des Kindes vergewissert. Das Kind sei während der gesamten Amtshandlung im Fahrzeug gesessen. Der Ml habe ledig­lich mit ihm gesprochen. Das Kind sei nicht 10 Jahre alt sondern 12, und die falschen Angaben seien auf Druck des Ml entstanden; die Kinder hätten Tränen in den Augen gehabt nach der Amtshandlung. Beantragt wird Verfahrensein­stellung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksich­tigt und die beiden Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurden.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw holte nach eigenen Aussagen am Nachmittag des 14. April 2008 seinen nun 9jährigen Sohn vom Hort ab und nahm auf Ersuchen einer Mutter auch einen 2. Buben mit, der damals nur denselben Hort besuchte, aber nicht mit seinem Sohn in dieselbe Klasse ging und zu dem nun kein Kontakt mehr besteht. Der Bub heiße F – ein Nachname sei ihm nicht bekannt – und sei jedenfalls älter als sein Sohn; genauere Angaben konnte der Bw nicht machen. Er betonte aber, er habe seinen Sohn mit der im Pkw befindlichen Rückhalteeinrichtung (Sitz­­er­höhung) hinter dem Bei­fahr­ersitz gesichert und F hinter dem Fahrer­sitz mit dem vorhandenen Sicherheitsgurt angeschnallt.

Bei der Kreuzung in Leonding sei er geradeaus Richtung Rufling gefahren, ihm sei aber das Polizeifahrzeug, das sich zum Linkseinbiegen neben seinem Pkw ein­ge­ordnet habe, aufgefallen. Die Beamten seien ihm dann mit Blaulicht nach­ge­­­fahren und er habe rechts bei der Zufahrt zum Hubertusweg angehalten. Als die Beamten ausgestiegen und zu seinem Pkw gekommen seien, habe F schon aussteigen wollen und sich abgeschnallt gehabt. Der Ml habe mit F bei der Fahrertür hinein gesprochen; er habe aber die Antworten von F nicht gehört. Ihm sei dann eine Anzeige angekündigt worden. F sei nach dem Ende der Amtshandlung ausgestiegen und zu Fuß heimgegangen. Seine tatsäch­liche Größe sei von den Beamten nie geprüft worden.

 

Der Ml gab an, er sei im Streifenfahrzeug Beifahrer gewesen und der Pkw des Bw sei bei der Kreuzung in Leonding etwas nach vorne versetzt neben ihm gestan­den. Im Pkw hinten hätten sich 2 Kinder befunden und er habe den Eindruck gehabt, dass das Kind hinter dem Fahrersitz nicht gesichert gewesen sei. Er konnte sich in der Verhandlung aber nicht mehr erinnern, auf welche Weise er das festgestellt habe oder wodurch diese Vermutung entstanden sei. Er konnte auch nicht mehr sagen, wo auf der Nachfahrt das Blau­licht verwendet wurde. Die Amtshandlung habe er geführt und vom Lenker die Papiere ausgefolgt erhalten. Der Bub rechts hinten sei vorschrifts­gemäß gesich­ert gewesen, der Bub hinter dem Fahrersitz sei überhaupt nicht ange­schnallt gewesen. Er habe bei der Fahrertür hinein (der Pkw sei ein 3Türer gewesen) mit dem Kind gesprochen und habe es gefragt, wie es heiße, wie alt und wie groß es sei. Der Bub habe ihm geantwortet, er heiße F, sei 10 Jahre alt und 1.40 m groß. Im Gespräch mit dem Bw habe sich ergeben, dass der andere Bub sein Sohn und der Bub links hinten dessen Freund vom Hort sei und er ihn vom Hort auf Ersuchen mitge­nommen habe. Er habe dann gesehen, dass der Bub ausge­stiegen und zu Fuß weggegangen sei, aber auf die Größe des Buben habe er nicht geachtet, weder zB im Verhältnis zu seiner eigenen Körpergröße noch in Bezug zum Fahrzeug. Er sei von der Richtigkeit der Abgaben des Kindes ausge­gangen; da sei es im Fahr­zeug gesessen.

 

Die Zeugin Insp.S gab an, sie habe das Streifenfahrzeug gelenkt und sich in Leonding bei der Kreuzung zum Linkseinbiegen eingeordnet. Im Pkw rechts seien hinten 2 relativ kleine Kinder gesessen, davon habe sich das hinter dem Fahrer­sitz befindliche Kind so bewegt, dass sie deshalb vermutet habe, dass das Kind nicht gesichert sein könnte. Bei der Nachfahrt habe sie zunächst wegen des Spur­wechsels das Blau­licht eingeschaltet. Bei der direkten Nachfahrt habe sie gesehen, wie sich der Bub links hinten "ganz" umgedreht und beim Rückfenster auf den Streifen­wagen hinaus­gesehen habe, ihrem Eindruck nach in einer sol­chen Position, als ob er sich auf die Rückbank gekniet hätte. Im Straßenver­lauf der Ruflinger Landesstraße sei es nicht überall leicht möglich, stehenzu­bleiben; der Bw habe bei der H angehalten. Als sie beide zum Fahrzeug gekomm­en seien, sei der Bub rechts hinten vorschriftsmäßig gesichert gewesen, der Bub links sei ohne Gurt dort gesessen. Vom Ml befragt habe er gesagt, er sei 10 Jahre alt und 1.40 m groß, das sei ihr glaubhaft erschienen. Sie habe aber persönlich keinen Vergleich angestellt, wie groß der Bub wirklich gewesen sei. Sie habe ihn erst, bevor sie weggefahren seien, aus­stei­gen gesehen; er sei zu Fuß in die H hineingegangen.         

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 106 Abs.5 KFG 1967 hat der Lenker dafür zu sorgen, dass Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, 2. die kleiner als 150 cm sind, in Kraft­wagen, ausgenommen Fahrzeuge der Klassen  M2 und M3,  nur befördert werden, wenn dabei geeignete, der Größe und dem Gewicht der Kinder entsprechende Rück­­halteeinrichtungen verwendet werden, welche die Gefahr von Körperver­letzungen bei einem Unfall verringern.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist die Aussage des Bw, er habe den Buben auf Ersuchen vom Hort mitgenommen, wisse aber nicht einmal den Nachnamen und die Kinder hätten keinen Kontakt mehr, durchaus glaubhaft und erklärt auch, warum er Nachnamen und Geburtsdatum nicht nennen konnte bzw die Mutter des Kindes nicht ausfindig machen konnte, worum er in der Ladung zur Berufungsverhandlung ersucht wurde. Es widerspricht durchaus nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich Kinder, die sich nur über den Hort kennengelernt haben, bald wieder aus den Augen verlieren und ein Vater einen solchen "Freund" mitnimmt, weil er in der Nähe wohnt. Dass der Vater eines Kindes in einem solchen Fall nicht unbedingt eine 2. der Größe und dem Gewicht  des mitbeförderten Kindes entsprechende Rückhalteeinrichtung (im Sinne einer Sitzerhöhung) besitzt, ist ebenso naheliegend wie, dass er nur die Möglichkeit hat, einen "normalen" im Pkw vorhandenen Sicherheitsgurt zu ver­wen­den, sofern nicht die Eltern des mitbeförderten Kindes diesem eine solche Sitzerhöhung für einen Fall wie diesen mitgeben.

Grundsätzlich ist dem Bw, der ja auch seinen Sohn vorschriftsmäßig gesichert hatte, wie auch beide Zeugen bestätigten, Glauben zu schenken, wenn er betont, er habe den Buben F eigenhändig mit dem Sicherheitsgurt hinter dem Fahrer­sitz gesichert. Der Bw hat von einem "lauten Blaulicht" gesprochen, das die Buben neben der Uniform der Beamten erschreckt habe – was durchaus denkbar ist, wenn direkter Kontakt mit der Polizei nicht im Spiel, sondern im "wirklichen Leben" besteht. Ob das bloße Ansichtigwerden zweier Polizeibeamten in Uniform den Buben F so "unter Druck" gesetzt hat, wie der Bw dargelegt hat, dass er unrichtige Antworten gab, ist insofern fraglich, als ein Kind die maß­geblichen Gesetzesbestimmungen nicht kennt und F damit nicht beur­teilen konnte, ob seine Antworten ungünstige Auswirkungen auf den Bw haben. Seine Alters­angabe dürfte aber richtig gewesen sein, wenn man davon ausgeht, dass der Sohn des Bw, der nach dessen Angaben in der Verhandlung jetzt 10 Jahre alt wird, damals 8 Jahre alt gewesen sein muss. Ob F seine Größe gekannt hat, kann nicht gesagt werden.

 

Die Zeugin Insp.S hat ausdrücklich betont, sie könne nicht sagen, ob der Bub bei der Kreuzung in Leonding einen Sicherheitsgurt angelegt gehabt habe; das sei nur eine Vermutung gewesen, weil der Bub sich bewegt habe. Sie hat aber dezidiert das Einschalten des Blaulichts beim Umspuren des Streifenwagens von der Linkseinbiege- auf die geradeausführende Fahrspur bestätigt. Möglich ist, dass der Bub den Gurt nicht gelöst hat und trotzdem in der Lage war, sich so weit umzudrehen, dass er hinten hinaussah. Vorstell­bar ist aber auch, das F eben wegen des hinter dem Pkw des Bw fahr­enden, seine Neugier weckenden Einsatz­fahrzeuges, das ihm ansonsten aus seiner Sitzposition nicht unbedingt auf­ge­fallen musste, den Gurt selbst gelöst hat, sodass er bei der Anhaltung nicht mehr gesichert war. Vorstellbar ist aber auch, dass der Bw das Lösen des Gurtes während der Fahrt nicht bemerkt hat und beim H, als F vor dem Eintreffen der Beamten beim Pkw des Bw schon aussteigen wollte, meinte, der Bub hätte erst hier den Gurt aufgemacht. Nicht auszuschließen ist aber auch, dass F den Gurt tat­sächlich erst beim H gelöst hat.

Dass Kinder "herumturnen" und auch ein angelegter Sicherheitsgurt sie grund­sätz­lich nicht daran hindern kann, ist keineswegs lebensfremd; fraglich ist, ob ein Kind sich mit umgelegtem Gurt "ganz" um­drehen und beim Rückfenster hinaussehen kann, auch wenn der Pkw hinten keine Kopfstützen hat. Die Zeugin hat aber selbst betont, sie habe beim Fahren nur den Kopf des Kindes gesehen, dh keinen Oberkörper und auch keinen Gurt.     

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist jede Variante denkbar und objektive Anhaltspunkte für die Annahme eines bestimmten Sachverhalts liegen nicht vor, weil die Zeugen – unbestritten – erst bei der Anhaltung tatsächlich sahen, dass der Bub nicht gesichert im Fahrzeug saß.

 

Dem Bw wurde außerdem die Nichtverwendung einer der Größe und dem Gewicht des Buben entsprechenden Rückhalteeinrichtung vorgeworfen, wobei aber keine kon­kreten Feststellungen über die tatsächliche Größe des Buben – im Unterschied zu § 106 Abs.5 Z1 KFG 1967 – getroffen wur­den und beide Zeugen diesbezüglich keine Ermittlungen (zB durch Vergleich mit der eigenen Körper­größe) angestellt haben. Die bloße Beweiswürdigung der Aus­sagen eines 10jährigen Kindes, das noch dazu im Fahrzeug sitzt, vermag die Schätzung der Kör­pergröße anhand bekannter Anhaltspunkte aber nicht zu ersetzen. Dass der Bub erst nach dem Ende der Amts­hand­lung von sich aus ausgestiegen ist – vorher wurde er dazu nicht aufgefordert – ändert nichts daran.

Da die Behörde die Erfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale von sich aus zu prüfen hat, im konkreten Fall aber zur Körpergröße des Buben keine Aussagen getroffen werden können, war im Zweifel zugunsten des Bw zu entscheiden. Naturgemäß fallen keine Verfahrenskostenbeiträge an.  

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Nichtverwenden des Sicherheitsgurts nicht erweisbar + Körpergröße des Kindes iSd § 2 nie objektiv festgestellt -> Einstellung im Zweifel

 

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