Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252064/2/Gf/Mu

Linz, 24.03.2009

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung der L Z, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 23. Februar 2009, GZ 29450/2008, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird.

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 23. Februar 2009, GZ 29450/2009, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geldstrafe in Höhe von 365,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 56 Stunden) verhängt, weil sie es als Gewerbeinhaberin zu vertreten habe, dass von dieser zumindest am 17. Juni 2008 um 10.00 Uhr eine Person als Arbeitnehmerin in Vollbeschäftigung (Staubsaugen, Ausschank) beschäftigt gewesen sei, ohne dass diese zuvor beim zuständigen Sozialversicherungsträger zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung angemeldet worden sei. Dadurch habe sie eine Übertre­tung des § 33 Abs. 1 und Abs. 1a i.V.m. § 111 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955, i.d.F. BGBl.Nr. I 31/2007 (im Folgenden: ASVG), begangen, weshalb sie nach der letztgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die der Rechtsmittel­werberin angelastete Tat auf Grund entsprechender Feststellungen eines Kontroll­organes des örtlich zuständigen Finanzamtes als erwiesen anzusehen und der Beschwerdeführerin insoweit zumindest fahrlässiges Verhalten anzulasten sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen, während ihre bisherige Unbescholtenheit und der Umstand eines Geständnisses sowie, dass die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat, als mildernd zu werten gewesen sei; ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihr am 9. März 2009 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 16. März 2009 – und damit rechtzeitig – per E-Mail eingebrachte Berufung.

Darin bringt die Beschwerdeführerin vor, dass sie von ihrem Steuerberater nicht zeitgerecht über die hier maßgebliche Gesetzesänderung informiert und die Arbeitnehmerin ohnehin unmittelbar nach der Kontrolle bei der Oö. Gebietskrankenkasse angemeldet worden sei. Außerdem habe in der Folge auch der Landeshauptmann von Oberösterreich festgestellt, dass im gegenständlichen Fall kein Beitragszuschlag i.S.d. § 113 ASVG zu entrichten sei.

Daher wird beantragt, im Hinblick auf Grund das geringfügige Verschulden von der Verhängung einer Strafe abzusehen.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates Linz zu GZ 29450/2008; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG handelt derjenige ordnungswidrig und begeht damit eine Verwaltungsübertretung – für die er (im Erstfall) mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen ist, sofern die Tat weder von den Gerichten zu ahnden noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist –, der als Dienstgeber entgegen den Bestimmungen des ASVG Meldungen oder Anzeigen entweder nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

Nach § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden bzw. binnen 7 Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden, wobei diese Anmeldeverpflichtung gemäß § 33 Abs. 1a ASVG auch in zwei Schritten erfüllt werden kann, nämlich derart, dass vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben) und innerhalb von 7 Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung die noch fehlenden Angaben (vollständige Anmeldung) gemeldet werden.

Nach § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollver­sicherung ausgenommen ist noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

Als Dienstnehmer i.S.d. ASVG gilt gemäß § 4 Abs. 2 ASVG derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit über­wiegen; unabhängig davon gelten Personen jedenfalls dann als Dienstnehmer, wenn sie entweder mit einem Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungscheckgesetz entlohnt werden oder wenn sie nach § 47 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lohnsteuerpflichtig sind, soweit es sich nicht um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z. 4 lit. a oder b EStG oder um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z. 4 lit. c EStG, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, handelt.

Nach § 35 Abs. 1 ASVG ist als Dienstgeber derjenige anzusehen, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, wobei gemäß § 35 Abs. 2 ASVG Besonderes für jene nach § 4 Abs. 1 Z. 4 und 5 ASVG pflichtversicherte und für nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. c ASVG teilversicherte Dienstnehmer, für Heimarbeiter und für nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz überlassene Dienstnehmer gilt. Die dem Dienstgeber gemäß § 33 ASVG vorgeschriebenen Pflichten können nach § 35 Abs. 3 ASVG grundsätzlich auch auf Bevollmächtigte übertragen werden; dennoch hat der Dienstgeber auch in diesem Fall die in § 33 ASVG vorgesehene Meldung selbst zu erstatten, wenn eine der Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 ASVG vorliegt.

3.1.3. Aus der Zusammenschau der mit § 111 Abs. 1 ASVG beginnenden Verweisungskette ergibt sich somit, dass sich das Tatbild dieses (bloß kursorisch als „Nichtmeldung beim Sozialversicherungsträger“ bezeichenbaren) Deliktes aus mehreren Einzelelementen zusammensetzt, die jeweils gemäß § 44a Z. 1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses – neben den nicht deliktsspezifischen und in diesem Sinne allgemeinen Erfordernissen (wie z.B. Zeit und Ort der Begehung) – kumulativ oder alternativ einer entsprechenden Konkretisierung bedürfen, nämlich, dass

 

         1. ein Dienstgeber, der für die Erfüllung der Meldepflicht keinen Bevoll-

             mächtigten bestellt hat (vgl. § 35 Abs. 1 und 3 ASVG),

         2. einen Dienstnehmer

         3. in einem Verhältnis persönlicher und

             wirtschaftlicher Abhängigkeit               vgl. § 4 Abs. 2 (und 4) ASVG

         4. gegen Entgelt (vgl. § 49 ASVG)

         5. beschäftigt hat,

         6. der in der Krankenversicherung pflichtversichert, nämlich entwe-

             der

                   a) vollversichert (vgl. § 4 Abs. 1 ASVG) oder

                   b) (insbesondere infolge des Nichterreichens der Geringfügigkeits-

                       grenze des § 5 Abs. 2 ASVG) zumindest teilversichert (vgl. § 7

                       Z. 1 und § 8 Abs. 1 Z. 1 ASVG) und

                   c) nicht gemäß § 5 ASVG ausgenommen ist und

         7. hierüber entweder eine Meldung oder eine Anzeigeentweder

             in einem oder in zwei Schritten (vgl. § 33 Abs. 1a ASVG) – entweder

                   a) nicht erstattet oder

                   b) falsch erstattet oder

                   c) nicht rechtzeitig erstattet hat (vgl. § 33 Abs 1 ASVG).

3.2. Wenn nun § 44a Z. 1 und Z. 2 VStG als einen allgemeinen Grundsatz des
Verwaltungsstrafverfahrens festlegt, dass der Spruch eines Straferkenntnisses den genauen Tatvorwurf sowie die Verwaltungsvorschrift(en) zu bezeichnen hat, die durch die Tat verletzt wurde(n), so wird der Spruch des hier angefochtenen Bescheides diesem Erfordernis – und zwar auch nicht in Verbindung mit der zu dessen Auslegung allenfalls heranziehbarer Begründung – schon deshalb nicht gerecht, weil insgesamt insbesondere keinerlei Bezugnahme auf die oder eine nähere Konkretisierung der in § 4 Abs. 1 und 2 ASVG, § 33 Abs. 1 ASVG, § 33a Abs. 1 ASVG sowie in § 35 Abs. 1 und 3 ASVG positivierten essentiellen Tatbestandselemente enthalten ist.

Im gegenständlichen Fall wurde der Beschuldigten nämlich vielmehr nur pauschal angelastet, dass sie zumindest am 17. Juni 2008 um 10.00 Uhr eine Person als Arbeitnehmerin in vollem Ausmaß (40 Wochenstunden) beschäftigt habe, ohne diese zuvor beim zuständigen Sozialversicherungsträger zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung angemeldet zu haben. Weder aus dem Spruch noch aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht jedoch hervor, ob bzw. inwieweit tatsächlich eine Beschäftigung der mit Staubsaugen bzw. Ausschank beauftragten Arbeitnehmerin in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorlag; ob hiefür ein (die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG übersteigendes) Entgelt vereinbart war; ob für die vorliegende Art der Beschäftigung eine Voll- oder zumindest eine Teilpflichtversicherung in der Krankenversicherung vorlag; ob die Meldung an den Sozialversicherungsträger überhaupt nicht oder bloß unvollständig oder bloß verspätet erfolgte; etc.

Eine Übertretung des § 111 Abs. 1 ASVG kann der Beschwerdeführerin jedoch nur dann angelastet werden, wenn sämtliche der zuvor unter 3.1.3. angeführten Tatbestandsmerkmale im Spruch des Straferkenntnisses enthalten und dort in einer der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Form hinreichend konkretisiert sind (wobei hiezu gegebenenfalls insbesondere auch eine dezidierte Anführung, dass Ausnahmen, die ex lege zu einer Nichterfüllung des Tatbildes führen würden, in concreto nicht vorliegen, erforderlich ist).

Mit dem Spruch des hier bekämpften Straferkenntnisses wurde aber der Rechtsmittelwerberin im Ergebnis ein Verhalten zur Last gelegt, dass jedenfalls in dieser Form (noch) keine strafbare Handlung bildet.

3.3. Schon aus diesem Grund war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattzugeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.

Im Hinblick auf die noch offene Verfolgsverjährungsfrist war hingegen eine Einstellung des Strafverfahrens nicht zu verfügen; ob und in welchem Umfang dieses allenfalls weiterzuführen ist, hat vielmehr die belangte Behörde aus eigenem zu beurteilen.

Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin vermag allerdings eine auf Grund des § 413 ASVG zu ihren Gunsten ergangene Entscheidung – wie hier der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 11. März 2009, GZ SV(SanR)-415035/1-2009-Bb/Ws, mit dem festgestellt wurde, dass der ihr von der Oö. Gebietskrankenkasse infolge nicht rechtzeitiger Meldung zusätzlich vorgeschriebene Beitragszuschlag nicht zu entrichten ist – für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren keinerlei Bindungswirkung zu entfalten, weil nicht dieses vom Beitragszuschlagsverfahren, sondern – wie sich aus dem in § 113 Abs. 1 ASVG explizit enthaltenen Verweis auf § 111 Abs. 1 ASVG zweifelsfrei ergibt – umgekehrt jenes zum Verwaltungsstrafverfahren in einem Verhältnis der Akzessorietät steht.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Rechtsmittelwerberin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

Rechtssatz:

 

VwSen-252064/2/Gf/Mu vom 24. März 2009

 

§ 113 Abs. 1 ASVG; § 413 ASVG:

 

* Eine auf Grund des § 413 ASVG zu Gunsten des Beschwerdeführers ergangene Entscheidung – wie z.B. ein Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit dem festgestellt wurde, dass der ihm vom Sozialversicherungsträger infolge nicht rechtzeitiger Meldung zusätzlich vorgeschriebene Beitragszuschlag nicht zu entrichten ist – vermag für das Verwaltungsstrafverfahren keinerlei Bindungswirkung zu entfalten, weil nicht dieses vom Beitragszuschlagsverfahren, sondern – wie sich aus dem in § 113 Abs. 1 ASVG explizit enthaltenen Verweis auf § 111 Abs. 1 ASVG zweifelsfrei ergibt – umgekehrt jenes zum Verwaltungsstrafverfahren in einem Verhältnis der Akzessorietät steht.

 

* im Übrigen wie VwSen-252016/2/Gf/Mu/Se vom 3. Februar 2009

 

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