Linz, 24.03.2009
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn E K geb. , G, vertreten durch die J M, Rechtsanwälte GesbR, T, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, vom 17.02.2009, Zl. VerkR21-330-2008-Gg, zu Recht:
Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Entzugsdauer mit einem Monat festgesetzt wird. Im gleichem Umfang wird das ausgesprochene Lenkverbot für nicht lenkberechtigungspflichtige Kraftfahrzeuge, sowie die Aberkennung des Rechtes von allfällig erworbenen ausländischen Lenkberechtigungen Gebrauch zu machen reduziert.
Die übrigen Aussprüche werden ersatzlos behoben.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 24 Abs.3 u. § 26 Abs.1 u. 5 Führerscheingesetz 1997, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 6/2008 - FSG
Entscheidungsgründe:
2. Der Berufungswerber wendet sich in der dagegen fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung:
3. Der Verfahrensakt wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 17.3.2009 zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung konnte mit Blick auf das sich im Ergebnis bloß auf die Rechtsfrage beschränkende Berufungsbegehren unterbleiben (§ 67d Abs.2 AVG).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensaktes. Beigeschafft wurden die Bescheide über die Verfahren aus dem Jahr 2003, wobei das betreffende Straferkenntnis bereits skartiert war; ebenfalls wurde eine Anfrage im Vormerk- u. Führerscheinregister abgerufen und der Ausdruck zum Akt genommen.
4. Die Faktenlage:
Unbestritten ist die Alkofahrt des Berufungswerbers am 26.10.2008 mit einem Atemalkoholgehalt von 0,50 mg/l. Zu den vorher liegenden und hier in das behördliche Wertungskalkül aufgenommene Alkofahrten ist zu sagen, dass diese zum Zeitpunkt der Begehung dieser hier den Gegenstand des Entzugsverfahrens bildenden Tatsache bereits getilgt waren.
Der diesbezügliche Strafakt (das Straferkenntnis) betreffend den Vorfall vom 4.9.2003 ist laut Mitteilung der Behörde erster Instanz bereits skartiert. Mit gutem Grund kann aber davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt des 26.10.2003 – also fünf Jahre vor diesem Vorfall – das Straferkenntnis bereits erlassen war und demnach iSd § 55 VStG diese Vormerkung zum Zeitpunkt der nunmehrigen Alkofahrt bereits getilgt war. Der Berufungswerber gilt vor diesem Hintergrund wieder als Ersttäter anzusehen.
Aus dem Führerscheinregister ergibt sich die auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegte Vorgeschichte betreffend zweier Vorentzüge (Februar 1993 und September 2003).
Im Übrigen ist vom Wohlverhalten des Berufungswerbers auszugehen, weil sich die letzten fünf Jahre keinerlei Vormerkungen verzeichnet finden.
Auf sich bewenden kann auch, dass hier die Alkofahrt zur verkehrsarmen Zeit und vermutlich als Folge eines Restalkohols anlässlich einer Feier vom Vortag zurückzuführen gewesen sein dürfte.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
§ 26 Abs.1 FSG lautet: Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen, so ist, wenn es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse C oder D handelt und zuvor keine andere der in § 7 Abs.3 Z1 und 2 genannten Übertretungen begangen wurde, die Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat zu entziehen.
Wenn jedoch
1. auch eine der in § 7 Abs.3 Z3 bis 7 genannten Übertretungen vorliegt, oder
2. der Lenker bei Begehung dieser Übertretung einen Verkehrsunfall verschuldet hat, oder
3. der Alkoholgehalt des Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille), oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l, beträgt, so hat die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen. (2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen;
….
(4) Eine Entziehung gemäß Abs.3 darf erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist. Bei erstmaligen Entziehungen gemäß Abs.3 darf die Behörde keine begleitenden Maßnahmen anordnen, es sei denn, die Übertretung erfolgte durch einen Probeführerscheinbesitzer.
(5) Eine Übertretung gemäß Abs.1 gilt als erstmalig, wenn eine vorher begangene Übertretung der gleichen Art zum Zeitpunkt der Begehung der neuerlichen Übertretung getilgt ist."
Nach § 7 Abs.1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz-SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;
...
(4) Für die Wertung der in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
(5) Strafbare Handlungen gelten jedoch dann nicht als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs.1, wenn die Strafe zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens getilgt ist. Für die Frage der Wertung nicht getilgter bestimmter Tatsachen gemäß Abs. 3 sind jedoch derartige strafbare Handlungen auch dann heranzuziehen, wenn sie bereits getilgt sind.
5.1. Eine Wertung im Sinne des § 7 Abs.4 FSG erfolgt hier offenkundig in Verkennung der Rechtslage. Mit Blick auf den Inhalt des § 26 Abs.1 u. Abs.5 FSG wurde diese Alkofahrt mit einem Atemluftalkoholgehalt von 0,50 mg/l [gemäß § 99 Abs.1b StVO] "erstmalig" begangen, weil vorher begangene Übertretungen der gleichen Art (15 Jahre u. 5 Jahre zurück liegende Alkofahrten) zum Zeitpunkt der Begehung der verfahrensgegenständlichen Übertretung getilgt waren.
Die erstmaliger Begehung hat dem Wortlaut des § 26 FSG [Sonderfälle der Entziehung] folgend in diesem Fall nur eine Entzugsdauer (Verkehrsunzuverlässigkeit) von einen Monat zur Konsequenz, wobei dieser vom Gesetzgeber normierte Entzugstatbestand einer behördlichen Wertung entzogen zu bleiben hat (s. auch VwGH vom 6.4.2006, 2005/11/0214 u. VwGH 24.6.2003, 2003/11/0132). Dies gelangt durch das Wort "ist .. für die Dauer von einem Monat …. zu entziehen" zum Ausdruck. Dies nur nicht für Fälle wenn nicht ein Lenken eines Fahrzeuges der Klasse C oder D oder kein Fall des § 7 Abs.3 Z1 u. 2 FSG vorliegt.
Keine dieser Ausnahmen trifft hier zu!
Unzutreffend ist daher insbesondere auch die Auffassung der Behörde erster Instanz, wonach offenbar jedes Alkodelikt der StVO immer dann auch zu einer Wertung als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 FSG führen müsse, wenn nur ein - wie lang auch immer zurückliegendes – Alkoholdelikt lt. § 99 Abs.1 StVO vorgemerkt ist bzw. sich, so wie hier, aus dem Führerscheinregister ergibt.
Dem Führerscheingesetzgeber kann wohl kaum zugesonnen werden, dass auch bei lang zurückliegenden Alkodelikten für alle Zeit der 'einmonatige Entzug' ausgeschlossen werden sollte. Auch die fünf früheren Fassungen des § 26 Abs.1 des FSG stellen darauf ab, dass - falls zuvor keine andere der in § 7 Abs.3 Z1 und 2 genannten Übertretungen begangen wurde, die Lenkberechtigung (nur) für die Dauer von einem Monat zu entziehen – ist (!).
So hat dies offenbar der VwGH auch zur früheren Rechtslage des § 66 Abs.2 lit.e KFG betreffend fünf Jahre zurückliegende Delikte als getilgt und es nach § 73 Abs 3 zweiter Satz KFG für die Beantwortung der Frage, ob ein späteres Alkoholdelikt für einen 1 Monat auszusprechenden Entzug, als erstmaliges Delikt qualifiziert (VwGH 30.5.2001, 2001/11/0113).
Selbst für die Anordnung von Maßnahmen findet sich ob des langen Zurückliegens im Sinne des § 24 Abs.3 FSG keine sachliche Grundlage.
5.3. Anzumerken ist an dieser Stelle abschließend, dass gemäß § 55 Abs.2 VStG getilgte Verwaltungsstrafen in amtlichen Leumundszeugnissen oder Auskünften für Zwecke eines Strafverfahrens nicht erwähnt und bei der Strafbemessung im Verwaltungsstrafverfahren nicht berücksichtigt werden dürfen (s. Bescheid der DSK v. 20.5.2005, Zl. K120.956/0003-DSK/2005). Auch dies spricht neben dem Sachlichkeitsgebot, welches in verfassungskonformer Gesetzesvollziehung immer mit zu bedenken ist, dafür, dass frühere Fehlverhalten einem Menschen nicht gleichsam für alle Zeit mit schwerwiegenden Nachteilen in der Vollziehung einer bestimmten Gesetzesmaterie gereichen dürfen.
Die Behörde erster Instanz greift auch hier in signifikanter Diktion einen bereits fünfzehn Jahre zurückliegenden Vorfall auf, wobei diesen dem Wertungskalkül und einer Prognosebeurteilung einbezogen wurde. So wird im Gegensatz dazu etwa das über Jahre unbeanstandet bleibende Verhalten nicht erwähnt, während aber das Wohlverhalten zwischen Mandatsbescheid und Erlassung des hier angefochtenen Bescheides als zu kurz bezeichnet wird um daraus ein Wohlverhalten ableiten zu können. Daraus leuchtet doch ein verfehltes, da den Betroffenen stigmatisierendes Wertungskalkül hervor.
5.3.2. Die ehest mögliche Erledigung des Verfahrens schien hier angesichts der zwischenzeitig bereits verstrichenen Zeit in Vermeidung eines fortgesetzten sogenannten "kalten Entzuges" geboten.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r