Linz, 24.03.2009
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn M K, geb. , O, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 19.02.2009, Zl. VerkR96-3035-2008, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 24. März 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Der Berufung wird in den Punkten 1.), 2.) und 4.) Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
Im Punkt 3.) wird der Schuldspruch bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 36 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 15 Stunden ermäßigt.
II. In den Punkten 1.), 2.) und 4.) entfallen sämtliche Kostenbeiträge. Im Punkt 3.) ermäßigen sich die erstinstanzlichen Kosten auf 3,60 Euro.
Für das Berufungsverfahren entfällt auch diesbezüglich ein Kostenbeitrag.
Rechtsgrundlagen:
Zu I. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
Zu II. § 66 Abs.1 u. 65 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach verhängte mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretungen 1.) nach 7 Abs.2 iVm § 99 Abs. 3 lit. a StVO, 2.) § 7 Abs.2 iVm § 99 Abs. 3 lit. a StVO 3.) § 9 Abs.1 iVm 99 Abs. 3 lit. a StVO und 4.) § 7 Abs.2 iVm § 99 Abs. 3 lit. a StVO, vier Geldstrafen [€ 36,00; € 36,00; € 90,00; € 36,00 und an Ersatzfreiheitsstrafen 15 Stunden, 15 Stunden, 39 Stunden und 15 Stunden] weil er als Lenker des KFZ mit dem Kennzeichen , Mercedes E200CDI, blau
1.2. Die Behörde erster Instanz führte begründend folgendes aus:
2. Dem tritt der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung entgegen:
Gegen o.a. Straferkenntnis wird Berufung eingebracht.
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates begründet. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war angesichts des bestreitenden Berufungsvorbringens erforderlich (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).
Die Behörde erster Instanz entschuldigte ihre Nichtteilnahme durch eine schriftliche Mitteilung v. 12.3.2009.
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der Behörde erster Instanz vorgelegten Verfahrensakt. Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde der Berufungswerber als Beschuldiger, und die Polizeibeamten als Zeugen einvernommen. Von der Örtlichkeit wurde ein Luftbild beigeschafft.
An dieser Stelle wird festgestellt, dass der Berufungswerber wohl irrtümlich das am Schluss des ordentlichen Ermittlungsverfahrens nach Beeinspruchung der Strafverfügung, dass Straferkenntnis fälschlich als in zweiter Instanz erlassen bezeichnet.
Beweis erhoben wurde durch Verlesung des Verfahrensaktes, die Anhörung des Berufungswerbers als Beschuldigten, die Beischaffung der Handaufzeichnungen und der Vernehmung der Zeugen RI G und RI S.
4.1. Der Verlauf der Amtshandlung lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass der Berufungswerber offenbar während der Fahrt vor der Anhaltung ein Jausenbrot verzehrte und dabei auffällig langsam unterwegs gewesen sein dürfte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er ab 04:30 Uhr beginnend mit der Stallarbeit bereits berufsbedingt einen langen Tag und eine Fahrt ins Waldviertel und zurück hinter sich gebracht.
Seine langsame und eher straßenmittig angelegte Fahrweise dürfte dabei einigen in einem Zivilfahrzeug im Gegenverkehr den Berufungswerber wahr nehmenden Polizeibeamten aufgefallen sein, welche schließlich diese Amtshandlung ob des Verdachtes eines Alkofahrers in Gang brachten.
Der Zeuge RI G und dessen Beifahrer RI S befuhren darauf hin mit dem Dienstkraftwagen die Fahrtrichtung des Berufungswerbers. Sie holten diesen ein und folgten ihm nicht einsatzmäßig etwa einen Kilometer weit, wobei sie dabei im Ergebnis feststellten, dass der Berufungswerber einige Linkskurven mit einer Fahrgeschwindigkeit von vielleicht 60 km/h schnitt, wobei er insbesondere im Punkt 3.) auch die Sperrlinie überfuhr.
Im Ergebnis lässt sich die Wahrnehmung der Polizeibeamten dahingehend zusammen fassen, dass einerseits die Gefahrensichtweiten auf der knapp sechs Meter breiten und mit zwei durch eine Leitlinie getrennte Fahrspuren aufweisende B38, an den laut Zeugenaussagen nur als Tatort in Betracht kommenden Kurvenscheitel nicht wirklich exakt festgestellt wurden. Letztlich wurde nach der ursprünglich wegen Vermutung einer Alkoholisierung initiierte – jedoch mit 0,0 mg/l verlaufene Amtshandlung – mit dem Anbot eines oder mehrerer OM zu erledigen versucht. Erst nach der fehlenden Zahlunsbereitschaft wurden die Örtlichkeiten für diese Anzeige mit nochmaligem Befahren rekonstruiert, wobei auf einem Handzettel die Örtlichkeiten, nicht jedoch das Fehlverhalten selbst, festgehalten wurde (Beil.1). Das Tatbild dürfte erst mit der Anzeigeerstellung am 1.12.2008 aus dem Gedächtnis zu Papier gebracht worden sein. Dabei dürfte offenbar auch die Fahrzeugfarbe fälschlich als "blau", anstatt wie laut Berufungswerber tatsächlich zutreffend "silber", aus der Zulassungsdatei übernommen worden sein. Dies belegt, dass die Anzeige in den wesentlichen Punkten offenbar erst zehn Tage später aus der Erinnerung generiert wurde.
Warum nun der Berufungswerber wirklich am äußerst rechten Fahrbahnrand zu fahren gehabt hätte konnte im Rahmen des Beweisverfahrens eben so wenig nachvollzogen werden, als auch zwei Tatörtlichkeiten nicht wirklich mit den Kurvenscheitel zu korrespondieren scheinen. Als schlüssig und nicht widerlegbar erweist sich letztlich nur das Überfahren der Sperrlinie, wobei dieses Fahrverhalten nur aus dem Bestreben möglichst flüssig und den Kurvenverlauf abflachend zu durchfahren resultieren dürfte.
Selbst die Meldungsleger räumten ein, dass mit diesem Fahrverhalten keine nachteiligen Folgen einher gegangen waren. So konnten die Zeugen auch die Gefahrensichtweiten nicht näher beschreiben. Geht man davon aus, dass diese laut dem beiliegenden Luftbildmaterial selbst an der engsten Kurve bei Strkm 148,1 zumindest 60 m betrug, entspricht dies bei 60 km/h einer Durchfahrtszeit von 3,6 Sekunden, was selbst im Falle eines auftretenden Gegenverkehrs zumindest eine Gefährdung nicht erkennen lässt, weil eine Korrektur der Fahrlinie in deutlich kürzerer Zeit möglich ist.
Jedenfalls vermag unter Bedachnahme auf die Aussage beider Polizeibeamten ein Verstoß gegen § 7 Abs.2 StVO zumindest nicht in einer für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit und Schlüssigkeit nachvollzogen werden. Aus den Aussagen der Straßenaufsichtsorgane lassen sich die Tatvorwürfe jedenfalls nicht mit ausreichender Überzeugung stützen.
Dem Berufungswerber wurde im übrigen die Zahlung einer, laut Meldungsleger mehrerer, Organmandatsstrafe(n) angeboten, dessen Bezahlung jedoch vor dem Hintergrund der von ihm als schikanös empfundenen Amtshandlung abgelehnt wurde.
Dem Berufungswerber konnte im Ergebnis dahingehend gefolgt werden, dass er sich aus fahrpraktischer Sicht keines Fehlverhaltens bewusst ist.
Über seine Darstellungen zum Verhalten der einschreitenden Polizeibeamten an sich ist jedenfalls im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu befinden. Diesbezüglich ist der Berufungswerber laut seinen Angaben bereits anderen Orts vorstellig geworden.
Der Berufungswerber machte durchaus einen sachbezogenen und glaubwürdigen Eindruck. Ob er sich über den Verlauf der Amtshandlung zu Recht beschwert erachtet darf ist ebenfalls nicht im Rahmen dieses Verfahrens zu befinden.
5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Der § 7 Abs. 2 StVO lautet:
Wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, insbesondere in unübersichtlichen Kurven, vor Fahrbahnkuppen, bei ungenügender Sicht, beim überholt werden und bei Gegenverkehr, hat der Lenker eines Fahrzeuges am rechten Fahrbahnrand zu fahren; ……
Eine Bestrafung nach Abs.2 erfordert die Feststellung, dass die betreffende Kurve unübersichtlich ist (Pürstl/Sommereder, StVO-Kommentar11, S 184, E 68 mit Hinweis VwGH 23.2.1965, 1650/64, KJ 1965, 43. Es genügt demnach nicht die bloße Annahme einer teilweisen Unübersichtlichkeit. Da die Frage der (Un-)Übersichtlichkeit nur in Relation zur Fahrgeschwindigkeit mit Bezug zum Gegenverkehr beurteilbar ist und die Anzeige und auch die Inhalte des anlässlich der Berufungsverhandlung gewonnenen Beweisergebnisses diesbezüglich keine tragfähigen Anhaltspunkte erbrachte, erweisen sich die Tatvorwürfe nach § 7 Abs.2 StVO als nicht haltbar (VwGH 30.4.1980, 429/78; 19.12.1990, ZfVB 1992/2/562).
Diese Bestimmung ist eine Schutznorm iSd § 1311 ABGB insb. zugunsten des Gegenverkehrs (OGH 29.3.1979, ZVR 1979/27).
Nicht zuletzt wäre das dem Berufungswerber zur Last gelegte und binnen einer Minute abgelaufene Fahrverhalten rechtlich als fortgesetztes Delikt – da auf einheitlichem Tatwillen basierend – zu qualifizieren, sodass sich der Strafanspruch hinsichtlich des nur auf eine Ordnungswidrigkeit reduzierenden Tatunwertes bereits mit der Bestrafung des § 9 Abs.1 StVO [Verbot des Überfahrens einer Sperrlinie - Punkt 3.) des Straferkenntnisses] erschöpfend geahndet.
6. Strafbemessung:
Laut ständiger Judikatur handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens (bis 726 Euro) um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140 mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980). Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt etwa dann vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.
Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Hier ging die Behörde wohl in unzutreffender Weise von nachteiligen Auswirkungen für die Verkehrssicherheit und von spezifischen Präventionsgründen aus.
Da es beim Berufungswerber als Vielfahrer den Milderungsgrund der gänzlichen Unbescholtenheit ganz besonders hervorzuheben gilt, diesem eine hohe Aussagekraft über sein unauffälliges Verkehrsverhalten zukommt, vermögen weder spezial- noch generalpräventive Gründe herhalten um eine höhere Strafe zu rechtfertigen als offenbar von den Organen der Straßenaufsicht vom Berufungswerber einzufordern versucht wurden. Wenn er dieses OM aus zumindest subjektiv verständlichen Gründen nicht zu bezahlen bereit war, ist es nicht zuletzt mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot nicht zu vertreten gleich eine sechsmal so hohe Strafe zu verhängen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r