Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420578/4/Gf/Mu

Linz, 10.04.2009

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Maßnahmenbeschwerde des E D, L, vertreten durch die RAe Dr. G K u.a., L, wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangs­gewalt durch Organe des Polizeidirektors von Linz am 17. März 2009 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor von Linz) einen Kostenaufwand in Höhe von insgesamt 426,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. In seiner am 20. März 2009 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebenen, auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG gestützten Beschwerde bringt der Rechtsmittelwerber vor, dass er im Jahr 2000 in das Bundesgebiet eingereist sei und in der Folge einen Asylantrag gestellt habe. Dieser sei jedoch abgewiesen worden, wobei die negative Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates am 1. Dezember 2006 in Rechtskraft erwachsen sei. Die Behandlung seiner dagegen erhobenen Beschwerde sei vom Verwaltungsgerichtshof abgelehnt worden, sodass die BPD Linz in der Folge mit Bescheid vom 12. März 2007 seine Ausweisung verfügt habe. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel seien letztlich vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. März 2008, GZ 2007/18/0339, als unbegründet abgewiesen worden.

Aufgrund der zwischenzeitlich geänderten politischen Situation in seinem Heimatstaat, nämlich der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Türkei und dem (Nord-)Irak, habe er neuerlich einen Asylantrag gestellt. Dieser sei zunächst vom Bundesasylamt wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden, wobei unter einem seine Ausweisung verfügt worden sei. Seine dagegen erhobene Berufung sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22. Juli 2008, GZ E2221497-2/2008-3E, zwar in der Sache abgewiesen, doch sei gleichzeitig seine Ausweisung aufgehoben worden. Begründend habe der Asylgerichtshof dazu ausgeführt, dass die öffentlichen Interessen an einer Ausweisung die privaten Interessen des Rechtsmittelwerbers an einem Verbleib in Österreich nicht überwiegen würden.

Dennoch sei er am 17. März 2009 völlig überraschend zwecks Durchführung seiner Abschiebung in die Türkei festgenommen, in der Folge jedoch wegen seines Nierensteinleidens ins AKH Linz überstellt worden. Nachdem er dort für fluguntauglich erklärt worden sei, sei er gegen 23.00 Uhr wieder aus der Haft entlassen worden.

Da der belangten Behörde die vorangeführte Entscheidung des Asylgerichtshofes, mit der seine Ausweisung aufgehoben worden sei und die der früheren Ausweisung aus dem Jahr 2007 derogiert habe, bekannt gewesen und sohin keine Handhabe für eine Festnahme und Anhaltung vorgelegen sei, erweise sich diese als ein Verstoß gegen Art. 5 EMRK sowie gegen § 74 des Fremdenpolizeigesetzes (BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 4/2008, im Folgenden: FPG).

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme beantragt.

1.2. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Akt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt wird.

Darin weist die BPD Linz im Besonderen darauf hin, dass sie davon ausgegangen sei, dass die vom Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 31. März 2008 bestätigte Ausweisung der BPD Linz vom 12. März 2007 ungeachtet des Umstandes, dass in der Folge der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 22. Juli 2008 die Ausweisung des Rechtsmittelwerbers in seinen Heimatstaat für unzulässig erklärt habe, gemäß § 46 FPG vollstreckbar gewesen sei, zumal zwischen diesen einander widersprechenden Entscheidungen lediglich ein Zeitraum von vier Monaten gelegen habe, in dem sich keine relevanten Sachverhaltsänderungen ergeben hätten.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BPD Linz zu GZ 1002665/FRB; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen dementsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 67d Abs. 1 und 3 AVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 67a AVG hatte der Oö. Verwaltungssenat über die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat über die vorliegende Beschwerde erwogen:

3.1. Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbe­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein.

Dass – wie hier – eine polizeiliche Festnahme und nachfolgende Anhaltung einer Person zwecks Durchführung einer Abschiebung offensichtlich eine derartige Ausübung staatlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellen, bedarf keiner weiteren Begründung.

3.2. Im gegenständlichen Fall ist hingegen allein die Rechtsfrage strittig, ob für diese Maßnahme eine taugliche gesetzliche Grundlage bestanden hatte, bzw. konkret: ob eine bereits rechtskräftig gewordene Ausweisung auch dann vollstreckbar bleibt, wenn in der Folge eine gerichtliche Entscheidung ergeht, die eine Ausweisung des Fremden in seinen Heimatstaat in der Sache für unzulässig erklärt.

3.2.1. Vorliegendenfalls wurde allseits unbestritten zunächst mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 12. März 2007, GZ 1002665/FRB, die Ausweisung des Beschwerdeführers in die Türkei verfügt. Da eine dementsprechende zusätzliche Verfügung fehlte, kam der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Rechtsmittelwerbers zunächst die aufschiebende Wirkung zu.

Mit Bescheid des Sicherheitsdirektors für Oberösterreich vom 18. April 2007, GZ St 78/07, wurde diese Berufung jedoch abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 23. April 2007 zugestellt, sodass die Ausweisung mit diesem Tag in Rechtskraft erwachsen ist (zumal die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 2008, GZ 2007/18/0339, abgewiesen und dieser – wie Pkt. II.4. jener Entscheidung zu entnehmen ist – ex ante keine aufschiebene Wirkung zuerkannt wurde).

3.2.2. In der Folge hat der Rechtsmittelwerber einen (weiteren) Asylantrag gestellt, der zwar mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Juni 2008, GZ 804239-EAST-West, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde; unter einem wurde aber die Ausweisung des Beschwerdeführers in die Türkei verfügt. Der dagegen erhobenen Beschwerde hat der Asylgerichtshof zunächst mit Beschluss vom 15. Juli 2008, GZ E2-221497-2/2008/2Z, ex nunc die aufschiebende Wirkung zuerkannt. In der Sache wurde die Beschwerde hierauf mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22. Juli 2008, GZ E2-221497-2/2008/3E, zwar insoweit, als sie sich gegen die Zurückweisung des Asylantrag richtete, abgewiesen; gleichzeitig wurde jedoch der Ausspruch der aufschiebenden Wirkung des angefochtenen Bescheides des Bundesasylamtes vom 3. Juni 2008 „ersatzlos behoben“.

3.2.3. Dadurch stellt sich die Rechtslage insgesamt so dar, dass der mit dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Juni 2008, GZ 804239-EAST-West, verfügte Ausspruch der aufschiebenden Wirkung tatsächlich nie wirksam geworden ist (d.h. von Anfang an nicht vollstreckbar war).

Damit liegt aber im Ergebnis auch der von den Verfahrensparteien behauptete bzw. angenommene Normenwiderspruch gar nicht vor; rechtlich existent war und ist vielmehr allein die seit dem 23. April 2007 durchsetzbare Ausweisung des Polizeidirektors von Linz vom 12. März 2007, GZ 1002665/FRB.

3.3. Vor diesem Hintergrund zeigt sich damit aber auch, dass die gegenständliche Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers letztlich auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage – nämlich eben auf dieser Ausweisung vom 12. März 2007 – beruhte (vgl. § 46 Abs. 1 i.v.m. § 53 Abs. 1 FPG).

Da der Rechtsmittelwerber mit der gegenständlichen Beschwerde darüber hinaus aber nicht einmal ansatzweise behauptet hat, dass es im Zuge seiner versuchten Abschiebung auch zu einer faktischen Gewaltanwendung gekommen wäre und sich hiefür auch keine Anhaltspunkte in dem von der belangten Behörde vorgelelgten Akt ergeben, sodass sich diese Maßnahme sohin innerhalb des vorgegebenen gesetzlichen Rahmens bewegte, war die Beschwerde daher gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zur Vermeidung von Missverständnissen ist jedoch auf folgenden wesentlichen Aspekt hinzuweisen:

Gegenwärtig ist zwar die vorerwähnte Ausweisung des Polizeidirektors von Linz vom 12. März 2007, GZ 1002665/FRB, noch formal aufrecht. Allerdings gilt auch für diese (wie für jeden anderen Bescheid), dass deren Rechtskraftwirkung (und damit auch deren Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit) wegfällt, wenn und soweit sich der diese Ausweisung tragende Sachverhalt in einem entscheidungswesentlichen Punkt geändert hat (vgl. z.B. statt vieler W. Hauer – O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Aufl., Wien 2004, 994 ff, m.w.N.).

Würde daher der Beschwerdeführer künftig (in Analogie zu § 65 Abs. 1 FPG) einen Antrag auf Aufhebung des hier in Rede stehenden Ausweisungsbescheides stellen, so hätte die belangte Behörde dann im Zuge dieser von ihr zu treffenden Entscheidung in inhaltlicher Hinsicht jedenfalls das vorerwähnte Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22. Juli 2008, GZ E2-221497-2/2008-3E, zu beachten und in diesem Zusammenhang zu prüfen, inwieweit aus diesem – unter Zugrundelegung der zu jenem Zeitpunkt aktuell maßgeblichen Sachlage – eine materielle Bindungswirkung derart erwächst, dass diese Ausweisung allenfalls aufzuheben wäre.

4. Bei dem hier resultierenden, zuvor unter 3.3. dargestellten Verfahrensergebnis war allerdings der belangten Behörde als obsiegender Partei nach § 79a Abs. 1 und 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und 4 der UVS-Aufwandsersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, ein Kostenersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageauf­wand: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.      Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.      Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 35 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Dr.  G r o f

 

Rechtssatz:

VwSen-420578/4/Gf/Mu vom 10. April 2009:

 

Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG; § 83 FPG; § 46 FPG; § 53 FPG; § 65 FPG:

Hinsichtlich der zwischen den Verfahrensparteien strittigen Frage, ob eine bereits rechtskräftig gewordene Ausweisung auch dann vollstreckbar bleibt, wenn in der Folge eine gerichtliche Entscheidung ergeht, die eine Ausweisung des Fremden in seinen Heimatstaat für unzulässig erklärt, ist darauf hinzuweisen, dass zunächst mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 12. März 2007 die Ausweisung des Beschwerdeführers in die Türkei verfügt wurde und diese in der Folge am 23. April 2007 in Rechtskraft erwachsen ist. In der Folge hat der Rechtsmittelwerber einen (weiteren) Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Juni 2008 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, wobei unter einem wurde die Ausweisung des Beschwerdeführers in die Türkei verfügt wurde; der dagegen erhobenen Beschwerde hat der Asylgerichtshof zunächst mit Beschluss vom 15. Juli 2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt und sodann die Beschwerde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22. Juli 2008 insoweit, als sie sich gegen die Zurückweisung des Asylantrag richtete, abgewiesen; gleichzeitig wurde jedoch mit diesem Erkenntnis der Ausspruch der aufschiebenden Wirkung des angefochtenen Bescheides des Bundesasylamtes vom 3. Juni 2008 „ersatzlos behoben“. Dadurch stellt sich die Rechtslage insgesamt allerdings so dar, dass der mit dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Juni 2008 verfügte Ausspruch der aufschiebenden Wirkung tatsächlich nie wirksam geworden ist.

Damit liegt aber im Ergebnis auch der von den Verfahrensparteien behauptete Normenwiderspruch gar nicht vor; rechtlich existent ist vielmehr lediglich die seit dem 23. April 2007 durchsetzbare Ausweisung des Polizeidirektors von Linz vom 12. März 2007. Vor diesem Hintergrund zeigt sich daher, dass gegenständliche Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage – nämlich eben auf dieser Ausweisung – beruhte (vgl. § 46 Abs. 1 i.v.m. § 53 Abs. 1 FPG).

Da der Rechtsmittelwerber mit der gegenständlichen Beschwerde aber nicht einmal ansatzweise behauptet hat, dass es in deren Zuge zu einer faktischen Gewaltanwendung gekommen ist, sich die (versuchte) Abschiebung sohin innerhalb des vorgegebenen gesetzlichen Rahmens bewegte, war die Beschwerde sohin gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abzuweisen.

Zur Vermeidung von Missverständnissen ist jedoch auf folgenden wesentlichen Umstand hinzuweisen: Gegenwärtig ist zwar die vorerwähnte Ausweisung des Polizeidirektors von Linz vom 12. März 2007, GZ 1002665/FRB, noch formal aufrecht. Allerdings gilt auch für diese (wie für jeden anderen Bescheid), dass deren Rechtskraftwirkung (Verbindlichkeit) wegfällt, wenn sich der die Ausweisung tragende Sachverhalt in einem entscheidungswesentlichen Punkt geändert hat (vgl. z.B. statt vieler W. Hauer – O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Aufl., Wien 2004, 994 ff, m.w.N.). Würde daher der Beschwerdeführer künftig (in Analogie zu § 65 Abs. 1 FPG) einen Antrag auf Aufhebung der hier in Rede stehenden Ausweisung stellen, so hätte die belangte Behörde im Zuge dieser dann von ihr zu treffenden Entscheidung in inhaltlicher Hinsicht jedenfalls das vorerwähnte Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22. Juli 2008 zu beachten und dabei aus eigenem zu beurteilen, inwieweit aus diesem – unter Zugrundelegung der zu jenem Zeitpunkt maßgeblichen Sachlage (immer noch) – eine materielle Bindungswirkung derart erwächst, dass diese Ausweisung allenfalls aufzuheben wäre.

 

 

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