Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720242/2/BP/RSt

Linz, 07.04.2009

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                     4A13, Tel. Kl. 15685

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des S X (D), StA von Mazedonien, vertreten durch Dr. B W, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 10. September 2008, AZ: 1059101/FRB, zu Recht erkannt:

 

 

 

Die Berufung wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides die unter Rechtsgrundlagen angeführten Normen durch "§ 86 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl I Nr. 29/2009 i.V.m. § 55 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, BGBl I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl I Nr. 29/2009" ersetzt werden. Dem Berufungswerber wird darüber hinaus ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.

Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 10. September 2008, AZ.: 1059101/FRB, wurde der Berufungswerber (im Folgenden Bw) aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen. Als Rechtsgrundlagen werden § 53 Abs.1 iVm § 31 Abs.1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF., genannt.

 

1.2. Zum Sachverhalt führt die belangte Behörde aus, dass aus der Aktenlage zu entnehmen sei, dass der Bw am 2. Juni 2003 illegal nach Österreich eingereist sei und am gleichen Tag einen Asylantrag gestellt habe. Das Asylverfahren sei seit 29. Februar 2008 rechtskräftig negativ abgeschlossen Der Verwaltungs­gerichts­hof habe mit Beschluss vom 20. Juni 2008 die Behandlung seiner Beschwerde abgelehnt, weshalb Österreich ihm kein Asyl gewähre.

 

Weiters führt die belangte Behörde aus, dass, aufgrund der Verurteilung des Bw vom 16. Jänner 2008 vom Landesgericht Linz unter der Zahl 28 Hv 156/07m wegen der §§ 127 und 129 Z.1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, sie am 13. Juni 2008 gegen den Bw ein auf fünf Jahre befristetes Rückkehrverbot erlassen habe.

 

Die Sicherheitsbehörden würden den gesetzlichen Auftrag haben, für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zu sorgen. Darunter würde auch gehören, einen mit dem Fremdenpolizeigesetz in Widerstreit liegenden Zustand zu beseitigen, etwa indem wie im gegenständlichen Fall, gegen illegal aufhältige Fremde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt würde. Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle die Übertretung fremden­polizeilicher Vorschriften einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art.8 Abs.2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu.

 

In seiner Stellungnahme, welche am 26. August 2008 eingelangt sei, habe der Bw im Wesentlichen ausgeführt, dass er mit der slowakischen Staatsbürgerin, Frau E S verheiratet sei und in den nächsten Tagen das gemeinsame Baby erwarten würde und er in Österreich mit seiner Familie würde leben wollen, da es ihm in Mazedonien finanziell nicht möglich sei, seine Familie zu versorgen. Es würde sehr Kraft raubend und schwer für ihn sein, wenn er sich von seiner kleinen Familie trennen müsste.

 

Aufgrund dessen bedeute die Ausweisung zweifellos einen erheblichen Eingriff in sein Familienleben. Es sei jedoch zu bedenken, dass laut ständiger Judikatur des VwGH die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung darstelle. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art.8 Abs.2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Wenn Fremde, die nicht in der Lage sein würden, ihren Aufenthalt im Inland zu legalisieren, den illegalen Aufenthalt beharrlich fortsetzen und die Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen versuchen würden, werde die öffentliche Ordnung, näherhin ein geordnetes Fremdenwesen, schwerwiegend beeinträchtigt.

 

Zusammenfassend könne daher nur festgestellt werden, dass die Ausweisung zur Erreichung der im Art.8 Abs.2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei.

 

1.3. Gegen diesen Bescheid, der am 11. September 2008 persönlich zugestellt wurde, erhob der Bw, rechtsanwaltlich vertreten, mit Schreiben vom 25. September 2008 Berufung. Darin führt der Bw aus, dass der gegenständliche Bescheid wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung zur Gänze angefochten werde.

 

Weiters führt der Bw aus, dass in der Rechtssache M und andere gegen Irland durch den Europäischen Gerichtshof am 25. Juli 2008 ein Urteil zum Recht der Unionsbürger und ihren Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei bewegen zu können und aufzuhalten ergangen sei. Zu klären sei die Frage bzw. der Status von Drittstaatsangehörigen gewesen, die vor ihrer Eheschließung mit einem Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedsstaat eingereist seien. Dieses Erkenntnis vom 25. Juli 2008 treffe auch auf seinen Fall zu. Er sei tatsächlich am 2. Juni 2003 illegal nach Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Der Bw habe aber in der Zwischenzeit die slowakische Staatsbürgerin E S geheiratet und es sei ihnen am 25. August 2008 ein Sohn mit dem Namen Adrian geboren. Damit sei wohl die Familien­gemeinschaft unter Beweis gestellt.

 

Mit dem Urteil sei auch klargestellt worden, dass er sich auf die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG unabhängig davon berufen könne, wann und wo er die Ehe geschlossen habe oder wie er in den Aufnahmemitgliedsstaat eingereist sei.

 

Dieses Urteil sei die Basis für ihn, beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz einen Antrag gemäß § 54 NAG zu stellen. Die von der Erstbehörde angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müsse angesichts dieser Auslegung der Richtlinie 2004/38/EG in den Hintergrund treten. Die Behörde habe auch § 66 Abs.2 FPG nicht richtig angewendet.

 

Im Gegensatz zur Rechtsmeinung der Behörde erster Instanz sei der Bw in der Lage, seinen Aufenthalt im Inland zu legalisieren. Er sei nicht gezwungen, vorerst in die Slowakei zu reisen und dort aufgrund seiner Eheschließung mit einer Slowakin einen Aufenthaltstitel zu erwirken.

 

Es werde daher beantragt, die Sicherheitsdirektion (gemeint wohl: der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich) möge der Berufung Folge geben und den bekämpften Bescheid ersatzlos aufheben.

 

 

2. Mit Schreiben vom 25. März 2009 wurde der gegenständliche Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat von der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vorgelegt.

 

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der Sachverhalt zweifelsfrei – und vom Bw im Übrigen auch nicht widersprochen – aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt. Im Übrigen liegt kein darauf gerichteter Parteienantrag vor (§ 67d AVG).

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1.1. dargestellten Sachverhalt aus.

 

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 86 Abs.2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl I Nr. 29/2009 sind EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige dann auszuweisen, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 1 NAG das Niederlassungsrecht fehlt.

 

Gemäß Abs. 3 leg cit ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

 

Besteht das gemäß §§ 51, 52 und 54 dokumentierte Niederlassungsrecht nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit vorliegt oder weil die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden, hat die Behörde gemäß § 55 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, BGBl I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl I Nr. 29/2009, den Antragsteller vom Nichtvorliegen der Voraus­setzungen schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass die Fremdenpolizeibehörde hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Die Fremdenpolizeibehörde ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller zu befassen.

 

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 66 Abs. 1 leg cit die Ausweisung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

3.2. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bw als Ehegatte einer freizügigkeitsberechtigten slowakischen Staatsangehörigen (Verehelichung am 14. März 2008) ein begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG sowie des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG und des § 54 NAG ist. Weiters ist unbestritten, dass der Bw in Österreich seit diesem Zeitpunkt aufhältig ist, weshalb die in §§ 55 bzw. 51 NAG normierte dreimonatige Aufenthaltsdauer schon zum Entscheidungs­zeitpunkt der ersten Instanz überschritten war.

 

Der vorliegende Fall ist also unter dem Gesichtspunkt der §§ 86 Abs. 2 FPG und 55 Abs. 1 NAG zu überprüfen.

 

Von der belangten Behörde wurden in Verkennung der Rechtslage nicht die § 86 Abs. 2 FPG und § 55 Abs. 1 NAG zur Beurteilung herangezogen, was auch im Spruch des bekämpften Bescheides dokumentiert ist. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG war dieser Umstand im Spruch dieses Erkenntnisses jedenfalls zu berücksichtigen.

 

3.3. Hier einschlägig ist § 55 erste Alternative, nämlich dass durch den Bw die öffentliche Ordnung Sicherheit und Gesundheit gefährdet ist. Sollte dies zutreffen, ist eine Ausweisungsentscheidung nach dieser Bestimmung grundsätzlich zulässig.

 

Von der belangten Behörde wurde u.a. diesbezüglich angeführt, dass der Bw am 16. Jänner 2008 vom Landesgericht Linz unter der Zahl 28 Hv 156/07m wegen der §§ 127 und 129 Z.1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt worden sei. Dem liegt zu Grunde – wie sich aus der Aktenlage ergibt, dass der Bw wegen zweifachen Einbruchsdiebstahls strafgerichtlich verurteilt wurde.

 

Die Verhinderung von Straftaten gerade im so sensiblen Bereich der Eigentumsdelikte, insbesondere wenn sie in der hier vorliegenden fraglos nicht unerheblichen und wiederholten Form gegeben sind, zählt unbestritten zum Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basiert.

 

Auffällig und ebenfalls zu werten ist dabei, dass der Bw offensichtlich das Unrecht seiner Taten in keinster Weise erkennt, noch in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2008 – trotz der vorhergegangenen Verurteilung – behauptet völlig unschuldig bzw. falsch beschuldigt worden zu sein. Ein Gesinnungswandel ist sohin nicht festzustellen, weshalb die Gefährdung der oa. Interessen weiterhin besteht.  

 

Im vorliegenden Fall erübrigt es sich im Hinblick auf die eben getroffenen Darstellungen – auf die Frage des gegen den Bw verhängten – seit 1. Juli 2008 rechtskräftigen – Rückkehrverbotes und die diesbezüglichen von der belangten Behörde angestellten Überlegungen näher einzugehen. Damit geht aber auch vorerst die Argumentation des Bw hinsichtlich des von ihm relevierten Urteils des Europäischen Gerichtshofes ins Leere, da vom erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenates nicht der Status des Bw als grundsätzlich begünstigter Drittstaatsangehöriger und das damit ebenfalls grundsätzlich verbundene abgeleitete Aufenthaltsrechtangezweifelt wird, die verhängte Maßnahme aber im Einklang mit der vom EuGH sehr wohl respektierte Möglichkeit der Wahrung des gemeinschaftsrechtlich auszulegenden Begriffs der "ordre public" fraglos auch gegen EWR-Bürger selbst verhängt werden kann. Somit ist weder auf eine eventuelle Konkurrenz von Rechtsinstituten noch auf Überlegungen des Anwendungsvorrangs Bedacht zu nehmen.

 

Ohne den Grundsatz in dubio pro reo außer Acht zu lassen, folgt das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates der Ansicht der belangten Behörde, dass das Verhalten des Bw zum jetzigen Zeitpunkt eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefährdung des Grundinteresses der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der Verhinderung von Straftaten sowie des Schutzes des Eigentums und der Rechte Dritter bildet und somit der Tatbestand des § 55 Abs. 1 NAG erfüllt ist; dies sogar in einem nicht unbedeutenden Maß.

 

Festzuhalten ist also, dass die Verhängung der Ausweisung gegen den Bw in § 86 Abs. 2 FPG und § 55 Abs. 1 NAG durchaus Deckung findet. Darüber hinaus ist diese Maßnahme jedoch auch unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und des gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Grundrechts auf den Schutz des Privat- und Familienlebens zu beurteilen.

 

3.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK sind gemäß der mit 1. April 2009 novellierten Fassung des § 66 Abs. 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

Nach Abs. 3 leg. cit. ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches oder unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

3.4.2. Grundsätzlich ist vorerst festzuhalten, dass die Verhängung einer Ausweisung in das Privat- und Familienleben des Bw eingreift.

 

3.4.2.1. Der Bw reiste im Jahr 2003 illegal nach Österreich ein und strengte in der Folge ein Asylverfahren an, das erst im Jahr 2008 rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde. Wenn § 66 Abs. 2 Z. 1 FPG auf die Art, Dauer und Rechtmäßigkeit eines Aufenthalts abstellt, so kann dieser Punkt (auch unter der Berücksichtigung des geänderten Status des Bw als begünstigter Drittstaatsangehöriger hier keinesfalls überwiegend zu Gunsten des Bw gewertet werden, da die Art seines Aufenthalts in der Vergangenheit nicht unproblematisch anzusehen ist. Einmal abgesehen von gemeinschaftsrechtlichen Überlegungen ist festzuhalten, dass gegen den Bw auch zum jetzigen Zeitpunkt ein rechtskräftiges Rückkehrverbot besteht, was seinen Aufenthalt hier in Österreich alleine schon nicht rechtmäßig ansehen lässt. Bei der Art des Aufenthalts kann auch hier nicht verschwiegen werden, dass der Bw in Österreich straffällig wurde. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass der Bw hier über den Status eines Asylwerbers trotz des mehrjährigen Aufenthalts nie hinaus kam.

 

3.4.2.2. Vom Bw wird ein aufrechtes und enges Familienleben ins Treffen geführt. Ohne diese Tatsache massiv in Zweifel zu ziehen, sei jedoch auf die dem Akt zu entnehmende Entwicklung desselben – auch in der Darstellung des Bw hingewiesen: In seiner Stellungnahme bzw. in seinem "Einspruch" vom 11. Februar 2008, gegen die Mitteilung über die beabsichtigte Verhängung des Rückkehrverbotes führte der Bw – obwohl dazu aufgefordert - nachweislich den Umstand noch nicht an in Österreich liiert zu sein.

In der Berufung gegen das in der Folge erlassene Rückkehrverbot führte er am 5. März spontan an: "Der Berufungswerber (…) ist seit 2 Jahren mit einer Österreicherin liiert. Die Heirat ist vom Berufungswerber und seiner zukünftigen Gattin in nächster Zeit beabsichtigt".

Nur 9 Tage später heiratete der Bw eine slowakische Staatsangehörige, die am 25. Juli 2008 ein "gemeinsames Kind" zur Welt brachte (also zum Berufungs­zeitpunkt in etwa in der 15. Schwangerschaftswoche sein musste). Letzterer Umstand fand aber in der Berufung keine Erwähnung, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass der Bw – zumindest zu diesem Zeitpunkt – noch nicht in Kenntnis seiner angehenden Vaterschaft gewesen sein konnte. Die Schutzwürdigkeit des erst seit kurzem und sehr spontan entstandenen Familienlebens ist zwar grundsätzlich gegeben, darf jedoch unter den dargestellten Auspizien nicht überbewertet werden.

 

3.4.2.3. Die Bindung des Bw zu seinem Heimatstaat Makedonien ist – folgt man seinen eigenen Angaben – nicht zu bejahen. Im Lichte des Rückkehrverbotes steht ihm aber wohl – noch dazu als Ehegatte einer Slowakin jedenfalls der Heimatstaat seiner Ehefrau oder andere EWR-Mitgliedstaaten völlig offen.

 

Ein gewisses Maß der Bindung an Österreich und einer situationsadäquaten Integration hier soll dem Bw nicht abgesprochen werden. 

 

3.4.2.4. Es steht aber auch außer Zweifel, dass von den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten   Schutzgütern die Verhinderung von Straftaten und der Schutz der Rechte und Freiheiten Dritter durch das oben prognostizierte Verhalten des Bw im Hinblick auf das Prinzip der "ordre public" berührt und gefährdet sind. Weiters ist in konsequenter Subsumtion des Art. 8 Abs. 2 EMRK anzumerken, dass die Erlassung einer Ausweisung – unter den entsprechenden Bedingungen – eine gesetzlich vorgesehene Maßnahme darstellt.

 

Korrespondierend zur verfassungsrechtlichen Grundlage ist im vorliegenden Fall besonders auf die strafgerichtliche Verurteilung nach § 66 Abs. 2 Z. 6 FPG als gravierendes Element einer Abwägung hinzuweisen.

 

3.4.2.5. Auch liegt hier ein klassischer Fall der Ziffer 8 vor. Der Bw machte seine familiären Bindungen erst geltend, als gegen ihn ein auf fünf Jahre geltendes Rückkehrverbot verhängt wurde. Nach eigenen Angaben kann dieses Familienleben – zumindest mit der derzeitigen Ehefrau – aber erst nach der Erlassung des Rückkehrverbotes entstanden sein. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass auch in den Jahren davor der Bw – im Rahmen seines Asylverfahrens – wohl nicht von einem gesicherten langfristigen Aufenthalt in Österreich ausgehen konnte. Somit ist dieser Punkt – auch entsprechend der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte – entsprechend zu werten.

 

3.4.3. Nun ist eine konkrete Interessensabwägung und Gewichtung vorzunehmen (vgl. § 66 FPG und Art. 8 Abs. 2 EMRK), in deren Rahmen die Gefährdung der Schutzgüter des Art. 8 Abs. 2 EMRK und die Massivität des Eingriffs in das Grundrecht des Bw gegenüber zu stellen sind.

 

Der belangten Behörde folgend erachtet das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates – nach eingehender Abwägung – die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Verhängung einer Ausweisung als bedeutender, denn die Interessenssphäre des Bw, die im vorliegenden Fall zwar ebenfalls ausgeprägt ist – wie eben dargestellt. Dabei wird keinesfalls übersehen, dass besonders die Ehefrau und das minderjährige Kind durch die Maßnahme tangiert sind.

 

3.4.4. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass die Tangenz der Familienangehörigen – wenn sie auch freizügigkeitsberechtigte slowakische Staatsangehörige sind – per se nicht alleine bewirken kann, dass die gesetzlich vorgesehene und auch vom Bw absehbare Konsequenz seines Verhaltens zur Anwendung gebracht wird. Würde man dieser Ansicht nicht folgen und § 66 Abs. 3 als absoluten Ausschlussgrund jeglicher fremdenpolizeilicher Maßnahme verstehen, wäre das gesetzlich vorgesehene Instrument von vorne herein – ohne jegliche Interessensabwägung – auszuschließen. eine solche Konsequenz würde jedoch vom Gesetzgeber explizit normiert worden sein. Da dies nicht der Fall ist, ist die Bestimmung des § 66 Abs. 3 FPG wohl dahingehend zu interpretieren, dass die Rechte der Unions- EWR-Bürger bzw. der österreichischen Angehörigen in "prominenter" Weise bei der Abwägung nach Abs. 2 leg. cit. zu berücksichtigen sind und jedenfalls in der Begründung explizit berücksichtigt werden müssen.

 

Im vorliegenden Fall wird aber die verhängte Maßnahme auch unter Bedachtnahme auf die Interessen der mittlerweile engen Familienangehörigen, die freizügigkeitsberechtigte EWR Bürger sind, nicht unzulässig, was gemäß § 66 Abs. 3 erster Satz auch explizit festzustellen ist. Diese Annahme findet ihre Bestätigung auch darin, dass die hier zu beurteilenden Umstände schon im Zeitpunkt der Eheschließung (14. März 2008) somit kurz nach der strafgerichtlichen Verurteilung, die der Ehegattin des Bw bekannt war, da sie – wie sich aus der Aktenlage ergibt - im Verfahren Zeugin war, wie auch in der Berufung gegen das über den Bw mit 15. Februar 2008 verhängte Rückkehrverbot, schon vorlagen und offensichtlich der nunmehrigen Ehefrau auch bekannt waren. Auf die Besonderheit des Falles, dass der Bw in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2008, zur Mitteilung über die beabsichtigte Verhängung des Rückkehrverbotes den Umstand noch nicht anführte, dies jedoch unter dem Hinweis "Der Berufungswerber (…) ist seit 2 Jahren mit einer Österreicherin liiert. Die Heirat ist vom Berufungswerber und seiner zukünftigen Gattin in nächster Zeit beabsichtigt.", in der Berufung vom 5. März 2008 spontan angab, wobei er in der Folge nur 9 Tage später eine slowakische Staatsangehörige ehelichte, die am 25. Juli 2008 ein "gemeinsames Kind" zur Welt brachte (also zum Berufungszeitpunkt in etwa in der 15. Schwangerschaftswoche sein musste, dieser Umstand aber in der Berufung keine Erwähnung fand)wurde bereits hingewiesen.

 

3.4.5. Grundsätzlich ist die verhängte Maßnahme also auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und des § 66 Abs. 2 und 3 erforderlich um das hohe Schutzinteresse des Staates an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, und zum Schutz der Rechte Dritter zu wahren.

 

Auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips kommt man zu den dargestellten Überlegungen, weshalb die Erlassung einer Ausweisung gegen den Bw gerechtfertigt ist.

 

 

3.5. Gemäß § 86 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

 

Im Sinne dieser Bestimmung und im Hinblick darauf, dass die belangte Behörde die Ausweisung nicht auf § 86 Abs. 2 FPG gestützt hatte und somit per se Abs. 3 leg. cit. nicht zur Anwendung brachte, war dem Bw der Aufschub nunmehr vom Oö. Verwaltungssenat zu erteilen, nachdem die für die Ausweisung sprechenden Gründe nicht in dem Maß verdichtet sind, dass die Verweigerung des Aufschubes unbedingt erforderlich und somit gerechtfertigt wäre.

 

3.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Bernhard Pree

 

Rechtsatz

VwSen-720242/2/BP/RSt vom 7. April 2009

§ 86 Abs. 2, § 66 Abs. 2 und 3 FPG

Auch liegt hier ein klassischer Fall der Ziffer 8 vor. Der Bw machte seine familiären Bindungen erst geltend, als gegen ihn ein auf fünf Jahre geltendes Rückkehrverbot verhängt wurde. Nach eigenen Angaben kann dieses Familienleben – zumindest mit der derzeitigen Ehefrau – aber erst nach der Erlassung des Rückkehrverbotes entstanden sein. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass auch in den Jahren davor der Bw – im Rahmen seines Asylverfahrens – wohl nicht von einem gesicherten langfristigen Aufenthalt in Österreich ausgehen konnte. Somit ist dieser Punkt – auch entsprechend der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte – entsprechend zu werten.

Beachte:

Die Beschwerde wurde als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

VwGH vom 23.09.2010, Zl.: 2009/21/0124-15

 

 

 

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