Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100221/4/Fra/Ka

Linz, 02.01.1992

VwSen - 100221/4/Fra/Ka Linz, am 2.Jänner 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung der Frau G H, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 11. Oktober 1991, VerkR-6618/1991-Du, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24, 51, 51e Abs.1 und 45 Abs.1 Z.2 VStG.

II. Es entfällt die Leistung jeglicher Strafkostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat mit Straferkenntnis vom 11. Oktober 1991 über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 250 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser eine Ersatzfreiheitsstrafe von 9 Stunden verhängt, weil sie es am 18. Juli 1991 ab 10.00 Uhr, nachdem sie als Fahrradlenkerin in Grieskirchen, auf der Gemeindestraße von der Mälzerei P kommend in Fahrtrichtung Sch, ca. auf Höhe des Geschäftes B, einen Verkehrsunfall hatte, bei dem ihr Sohn verletzt wurde, unterlassen hat, die nächste Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall mit Personenschaden sofort zu verständigen. Gleichzeitig wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 25 S verpflichtet.

I.2. In der fristgerecht gegen das oben angeführte Straferkenntnis bringt die Berufungswerberin im wesentlichen vor, daß die Behörde von einer unrichtigen Annahme ausgehe. Nachdem sie im Krankenhaus Grieskirchen erfahren habe, daß der Unfall ohnehin bei der Gendarmerie gemeldet werde, habe sie eine weitere Verpflichtung einer Meldung des Unfalles für nicht notwendig erachtet. Sie habe daher davon ausgehen können, daß die öffentlichen Sicherheitsinteressen gewahrt werden. Sie fühle sich der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht schuldig, da die durch den gegenständlichen Unfall berührten öffentlichen Interessen nicht beeinträchtigt worden seien.

I.3. Dem gegenständlichen Straferkenntnis liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 18. Juli 1991 gegen 10.00 Uhr lenkte die Beschuldigte ihr Fahrrad in G auf der Straße von der Mälzerei P kommend in Richtung "Sch". Am Kindersitz des Fahrrades befand sich der Sohn Daniel. Ca. auf Höhe des Geschäftes B, hat der Sohn laut aufgeschrien, da er mit dem Fuß in die Speichen des Hinterrades des Fahrrades gekommen war. Die Beschuldigte sah, daß ihr Sohn an der linken Wade blutete und brachte ihn in das Krankenhaus Grieskirchen, wo er bis 20. Juli 1991 stationär behandelt wurde. Aufgrund der Eingaben der Beschuldigten geht hervor, daß sie der Auffassung gewesen sei, keine Meldung bei der nächsten Gendarmeriedienststelle erstatten zu müssen, da das Krankenhaus ohnehin die Meldung erstatte, weshalb der gegenständliche Verkehrsunfall dem zuständigen Gendarmerieposten Grieskirchen erst durch die Verletzungsanzeige des Krankenhauses Grieskirchen am 31. Juli 1991 bekannt wurde.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Bei der gegenständlichen Übertretung handelt es sich um sogenanntes Ungehorsamsdelikt, d.h. das Tatbild besteht in einem bloßen Verhalten ohne Merkmal eines Erfolges (hier: Nichtmeldung des Verkehrsunfalles). Bezüglich dieser Ungehorsamsdelikte sieht § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG vor, daß Fahrlässigkeit dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Die Beschuldigte war der Auffassung, deshalb keine Meldung an die Gendarmeriedienststelle erstatten zu müssen, da ohnehin das Krankenhaus die entsprechende Pflichtanzeige erstatte. Die Beschuldigte releviert damit einen Rechtsirrtum, der ihr nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates zum Tatzeitpunkt aus nachstehenden Gründen nicht vorwerfbar war:

Das im gegenständlichen Zusammenhang der Beschuldigte vorgeworfene Verhalten muß vor dem Hintergrund des Zweckes der Bestimmung des § 4 Abs.2 StVO 1960 gesehen werden, wonach die Meldepflicht eine möglichst rasche Sachverhaltsfeststellung durch Sicherheitsorgane ermöglichen soll, um die Identität des Schädigers zur Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche des Geschädigten klarzustellen. Ebenso soll die Polizei bzw. Gendarmerie in die Lage versetzt werden, durch zeitgerechte Erhebungen am Tatort Beweise sicherzustellen. Alle diese Zwecke wurden im ggst. Zusammenhang durch die Unterlassung der sofortigen Verständigung des Verkehrsunfalles nicht beeinträchtigt, zumal lediglich das eigene Kind der Beschuldigten verletzt wurde. Es war somit keine Identität des Schädigers klarzustellen. Auch eine nachträgliche Sachverhaltsfeststellung durch die Sicherheitsorgane war nicht erschwert. Die Beschuldigte hat sofort ihren Sohn in das Krankenhaus gebracht und befand sich quasi in einer "Notstandsituation". Sie hat in verständlicher Sorge um ihren Sohn diesen sofort in das AKH Grieskirchen gebracht und ist dadurch der Hilfeleistungspflicht umgehend nachgekommen. Die Information des Krankenhauses, daß ohnehin Pflichtanzeige erstattet wird, wurde von der Beschuldigten mißverstanden. Der unabhängige Verwaltungssenat ist zur Überzeugung gekommen, daß ihr nach dem Zeitpunkt des Unfalles das Unrecht ihres Verhaltens nicht bewußt war und dieses daher einer schuldausschließenden Wirkung gleichgekommen ist. Im übrigen erschiene eine Bestrafung unter dem Gesichtspunkt des "Tatausgleiches" (die Beschuldigte erlitt selbst emotionalen Schaden) sowie auch unter Präventionsaspekten nicht notwendig, da die Berufungswerberin im nachhinein das Unrechtmäßige ihres Verhaltens eingesehen hat.

Es war somit somit spruchgemäß zu entscheiden:

I.5. Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, war gemäß § 51e Abs.1 VStG eine mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen.

zu II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r 6

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