Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110835/28/Wim/Pe/Ps

Linz, 24.04.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn O O S, O, vertreten durch F H & Partner Rechtsanwälte GmbH, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 14. Jänner 2008, Zl. VerkGe96-117-2006, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz 1995 nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 13. Jänner 2009 zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber gemäß § 23 Abs.1 Z8 Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG) iVm Art. 3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 eine Geldstrafe in der Höhe von 1.453 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden sowie ein 10%iger Verfahrenskosten­beitrag verhängt.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung erhoben, der angefochtene Bescheid seinem ganzen Inhalt nach angefochten und beantragt, dass das Verwaltungs­strafverfahren gegen den Beschuldigten eingestellt wird. Unter anderem wurde vorgebracht, dass Herr E-U rechtswirksam als ein verantwortlicher Beauf­tragter gemäß § 9 VStG bestellt worden sei.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt ohne Berufungsvorentscheidung dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt.

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat mit Erkenntnis vom 30.9.2008, VwSen-110835/7/Wim/Ps, der Berufung des Bw keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28.5.2008, Zl. 2008/03/0015, das Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 2.1.2008, VwSen-110753/16/Kl/Pe, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil dem zum verantwortlichen Beauftragten bestellten E-U die Verantwortung für den Einsatz der Fahrer im Transitverkehr (ua. in Österreich) übertragen worden sei, eine selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis erteilt und die Verpflichtung auferlegt worden sei, die gesetzlichen Bestimmungen ua. für den Einsatz der Fahrer für die BST Belgien GmbH zu erfüllen. Es zähle daher die Verpflichtung, für das Mitführen der Fahrerbescheinigung zu sorgen, zu dem nach dem Wortlaut der in Kopie vorgelegten Urkunde an E-U übertragenen Verantwortungsbereich und habe nicht gesondert angeführt werden müssen.

Aufgrund dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wurde das Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 30.9.2008, VwSen-110835/7/Wim/Ps, mit Bescheid vom 7.10.2008, VwSen-110835/9/Wim/Pe, aufgehoben, da davon auszugehen war, dass durch das Erkenntnis vom 30.9.2008 das Gesetz zum Nachteil des Bestraften verletzt wurde.

 

3.2. In Entsprechung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Oö. Verwaltungssenat der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes Rechnung getragen. Im fortgesetzten Verfahren wurden Ermittlungen beim Beschuldigten hinsichtlich der Staatsangehörigkeit des E-U sowie dessen Hauptwohnsitz geführt. Entgegen dem Auftrag des Oö. Verwaltungssenates wurden Nachweise nicht vorgelegt, allerdings mitgeteilt, dass Herr E U türkischer Staatsangehöriger sei und seit sechs Monaten nicht mehr im Unternehmen des Bw beschäftigt sei, allerdings während der Dauer des Dienstverhältnisses eine Dienstwohnung am Firmengelände Kirchsteig 8, Stulln, bewohnt habe.

 

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 25. Februar 2009, Zl. 2008/03/0172-6, den Bescheid des Oö. Verwaltungssenates vom 24. Oktober 2008, VwSen-110753/33/Kl/Rd/RSt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu aus:

„Der Beschwerdeführer macht geltend, dass sich E U bereits jahrelang legal in Deutschland aufgehalten habe und das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Türkei Anwendung finde. Gemäß Art.10 Abs.1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates sei es den Mitgliedstaaten untersagt, türkische Arbeitnehmer, die dem regulären Arbeitsmarkt angehören, hinsichtlich des Arbeitsentgeltes und der sonstigen Arbeitsbedingungen auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit zu diskriminieren. Diese Bestimmungen hätten unmittelbare Wirkung. Es sei daher nicht möglich, wie es die belangte Behörde vertrete, von einem dem deutschen Arbeitsmarkt legal angehörenden türkischen Arbeitnehmer als Voraussetzung zur Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 VStG zu verlangen, dass er seinen Hauptwohnsitz in Österreich habe. Dies wäre eine Diskriminierung auf Grund seiner Staatsangehörigkeit.

Dieses Vorbringen führte die Beschwerde zum Erfolg:

 

Gemäß § 9 Abs.4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sicher gestellt sind.

 

Gemäß Art.10 Abs.1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 räumen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft den türkischen Arbeitnehmern, die ihrem regulären Arbeitsmarkt angehören, eine Regelung ein, die gegenüber den Arbeitnehmern aus der Gemeinschaft hinsichtlich des Arbeitsentgeltes und der sonstigen Arbeitsbedingungen jede Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit ausschließt.

 

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 8. Mai 2003 in der Rechtssache C-171/01, Wählergruppe ‚Gemeinsam Zajedno/Birlikte Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/UG’ (RZ 54-67) hat Art.10 Abs.1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten.

 

Mit Urteil vom 7. Mai 1998 in der Rechtssache C 350/96, C-C-A GmbH, erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, dass sich auch ein Arbeitgeber, der im Mitgliedstaat seiner Niederlassung Angehörige eines anderen Mitgliedstaates als Arbeitnehmer beschäftigen will, auf den in Art.48 EG-Vertrag (nunmehr Art.39 EG) verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer berufen kann. Es verstößt demnach gegen Art.48 EG-Vertrag (nunmehr Art.39 EG), wenn ein Mitgliedstaat dem Inhaber eines Gewerbes, das dieser im Gebiet dieses Staates ausübt, verbietet, eine Person als Geschäftsführer zu bestellen, die in diesem Staat keinen Wohnsitz hat.

 

Der österreichische Gesetzgeber hat in der Folge durch die Verwaltungsverfahrensnovelle 2001, BGBl I Nr. 137/2001, § 9 Abs.4 VStG dahingehend ergänzt, dass das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragstaaten gilt, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

 

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (723 BlgNr. 21. GP, S. 9f) wird ausgeführt, dass nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C-C-A GmbH das in Art.39 EG verankerte Prinzip der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht nur unmittelbar auf die Staatsangehörigkeit abstellende Diskriminierungen von ausländischen Arbeitnehmern aus anderen EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich des Berufszuganges verbietet, sondern auch versteckte Diskriminierungen, die auf Unterscheidungsmerkmale abstellen, durch die regelmäßig Ausländer benachteiligt werden. Gleiches gilt nach Art.28 des EWR-Abkommens für Angehörige anderer EWR-Vertragsstaaten. Das Erfordernis eines inländischen Wohnsitzes könne nach Auffassung des EuGH eine solche mittelbare Diskriminierung darstellen, sofern es nicht auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimen Zweck steht, den das nationale Recht verfolgt. Die – in den zitierten Erläuterungen in der Folge noch näher ausgeführt – Erwägungen würden in gleicher Weise für das Hauptwohnsitzerfordernis des § 9 Abs.4 VStG gelten… Nach § 9 Abs.4 VStG ist demnach auch die Bestellung eines türkischen Staatsangehörigen zum verantwortlichen Beauftragten möglich, falls dieser dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört und seinen Wohnsitz in einem EWR-Vertragsstaat hat, in dem Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge oder auf andere Weise sichergestellt sind, was für die Bundesrepublik Deutschland auf Grund des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl Nr. 526/1990, der Fall ist.“

 

4.2. Nach dieser Judikatur ist durch die Bestellung des Herrn E-U zum verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 4 VStG die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit zum Tatzeitpunkt am 28.6.2006 vom Beschuldigten auf den verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Beauftragten übergegangen, sodass der Beschuldigte die Tat nicht begangen hat. Es war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

 

5. Weil die Berufung Erfolg hatte, war kein Verfahrenskostenbeitrag aufzuerlegen (§ 66 Abs.1 VStG).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Leopold Wimmer

 

 

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