Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300829/2/WEI/RSt

Linz, 05.05.2009

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der R K, Tgasse, 4... B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 9. April 2008, Zl. Pol 96-14-1-2008/WIM, wegen fünf Verwaltungsübertretungen nach dem § 12 Abs 1 Z 1 Oö. Jugendschutzgesetz 2001 - Oö. JSchG 2001 (LGBl Nr. 93/2001 idgF LGBl Nr. 90/2005) zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben es als Aufsichtsperson unterlassen, dafür zu sorgen, dass der Ihrer Aufsicht unterstehende Minderjährige S K, geb. , welcher das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, die Bestimmungen des Oö. Jugendschutzgesetzes 2001 entsprechend beachtet und einhält und haben somit gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen, da dieser

a)    am 12. Jänner 2008 zwischen 18.00 Uhr und 19.00 Uhr beim Buffet der Eishalle in 46 M, B, eine Packung Zigaretten käuflich erworben hat, obwohl ihm als Jugendlichem unter 16 Jahren der Erwerb von Tabakwaren aller Art gesetzlich untersagt ist;

b)    am 12. Jänner 2008 zwischen 18.00 Uhr und 19.00 Uhr im WC der Eishalle in 4... M, B, Zigaretten geraucht hat, obwohl ihm als Jugendlichem unter 16 Jahren der Konsum von Tabakwaren aller Art gesetzlich untersagt ist;

c)    am 12. Jänner 2008 zwischen 18.00 Uhr und 19.00 Uhr in der Eishalle in 4... M, B, in seinem Besitz befindliche Zigaretten gesetzwidrig an die Jugendlichen unter 16 Jahren S D, geb.  und M C M, geb.  abgegeben hat, obwohl diesen als Jugendlichen unter 16 Jahren der Konsum von Tabakwaren aller Art gesetzlich untersagt ist."

d)    in den Weihnachtsferien 2007 mindestens dreimal im Lokal 'B' in 4... M, Lstraße als Jugendlicher, der das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, zumindest je ein Seidel Bier ein sogen. Flügerl (Weinmischgetränk) und somit alkoholische Getränke getrunken und damit konsumiert hat, obwohl ihm als Jugendlichem unter 16 Jahren der Konsum alkoholischer Getränke aller Art gesetzlich untersagt ist;

e)    in den Weihnachtsferien 2007 mindestens zweimal im Lokal 'H' in 4... M, Lstraße als Jugendlicher, der da 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, je Lokalbesuch zumindest ein Seidel Bier und somit alkoholische Getränke getrunken und damit konsumiert hat, obwohl ihm als Jugendlichem unter 16 Jahren der Konsum alkoholischer Getränke aller Art gesetzlich untersagt ist.

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde zu a) bis e) jeweils "§ 12 Abs. 1 Z. 1 iVm. § 4 Abs. 1 und iVm. § 8 Abs. 1 Oö. Jugendschutzgesetz, LGBl. Nr. 93/2001 i.d.g.F." als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte zu a) bis e "gemäß "§ 12 Abs. 1 Z.1 Oö. Jugendschutzgesetz, LGBl. 93/2001 i.d.g.F.") Geldstrafen in Höhe von je 30 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit gemäß § 16 Abs 2 VStG Ersatzfreiheitsstrafen von je 24 Stunden.

 

1.2.  Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin am 11. April 2008 eigenhändig zugestellt wurde, richtet sich die am 24. April 2008 noch rechtzeitig per Telefax bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung vom 23. April 2008, mit der sinngemäß ein Sorgfaltsverstoß bestritten und die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird. Die Berufung lautet inhaltlich wie folgt:

 

"Berufung gegen die Straferkenntnisse:

 

Pol. 96-14-1-2008/WIM vom 9.4.2008

Pol. 96-13-1-2008/WIM vom 9.4.2008

 

Ich erhebe gegen die angeführten Straferkenntnisse in offener Frist die Rechtsmittel der Berufung und begründet die wie folgt:

 

Ich habe meinen Söhnen S und T immer wieder erklärt dass Sie gegen das Gesetz verstossen, wenn sie rauchen und Alkohol trinken und ihnen auch klar gemacht, dass diese Verhalten von mir stark missbilligt wird.

Meine Söhne haben sich leider nicht an meine Anweisungen gehalten, es ist mir aber im Rahmen meiner Aufsichtspflicht nicht zumutbar, das ich Sie in ihrer Freizeit immer beaufsichtige.

 

Mit freundlichen Grüßen

R K"

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich im Wesentlichen der folgende Gang des Verfahrens und S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Mit Strafverfügung vom 31. Jänner 2008, zugestellt am 4. Februar 2008, hat die belangte Behörde der Bwin die Tat genau so wie im angefochtenen Straferkenntnis angelastet. Dagegen erhob sie per Telefax vom 13. Februar 2008 rechtzeitig Einspruch, den sie wie folgt begründete:

 

"Betrifft: Einspruch über die Strafverfügung

 

Ich erhebe gegen die Strafverfügung vom 31.01.2008 (Pol 96-13-1-2008-Wim, Pol 96-14-1-2008-Wim). Mir wird vorgeworfen, dass ich als Aufsichtsperson meiner beiden Söhne T und S unterlassen habe, dafür zu sorgen, dass sie die Bestimmungen des -Jugendschutzgesetz einhalten.

Ich möchte dazu mitteilen: Ich habe am 12.01.2008 meinen Söhnen erlaubt, in der Eishalle in M eislaufen zu gehen. Ich habe sie dort selbst hingebracht, und mit ihnen ausgemacht, dass ich sie bei Ende der Eislaufzeit abholen würde. Meine Sohne haben zu dem Zeitpunkt sicher keine Zigaretten bei sich gehabt. S bekam am Freitag sein wöchentliches Taschengeld von 5€. Ich bin davon ausgegangen, dass die Bediensteten vom Buffet der Eishalle an Jugendliche keine Zigaretten verkaufen dürfen. Ich sehe daher keine Verletzung der Aufsicht. In den Weihnachtsferien waren meine Söhne sehr oft in der Eishalle und gingen anschließend mit anderen Jugendlichen nach Marchtrenk ins Lokal B. Ich bin wieder davon ausgegangen, dass sie dort keine alkoholischen Getränke erhalten dürfen.

Dass mein Sohn S im Lokal H war, war mir nicht bekannt. Ich bin verwundert, dass er dieses Lokal betreten durfte und ihm dort Alkohol verkauft wurde obwohl dort Aufenthaltsverbot für Jugendliche herrscht. Da ich davon ausgegangen bin, dass die Unternehmer und deren Mitarbeiter die -Jugendschutzbestimmungen einhalten sehe ich meinerseits keinen Verstoß.

 

Mit freundlichen Grüßen

K R (eh. Unterschrift)"

 

2.2. Im ordentlichen Ermittlungsverfahren hat die belangte Strafbehörde nur den Anzeigeverfasser Insp. R H am 20. Februar 2008 als Zeugen einvernommen. Dieser gab nach Erinnerung an seinen Diensteid zu Protokoll:

 

"Die Angaben in der Anzeige der Polizeiinspektion 4... M vom 25.1.2008, GZ A2/926/2008, welche ich als Anzeigeleger persönlich verfasst habe, entsprechen vollinhaltlich den Tatsachen, weshalb ich diese hiermit zur Gänze zu meiner heutigen Zeugenaussage erhebe. Ergänzend gebe ich als Zeuge zu den Einspruchsangaben der Beschuldigten zu Protokoll, dass Frau R K von ihrem gesetzlichen Erziehungsrecht und Erziehungspflicht von niemandem entlassen werden kann, das heißt das sie für ihre Kinder geeignete Maßnahmen zu setzen hat, damit sicher gestellt ist, dass von diesen die Bestimmungen des Oö. Jugendschutzgesetz LGBl. 93/2001 i.d.g.F. auch konkret akzeptiert und eingehalten werden. Schließlich handelt es sich in diesem Fall nicht um den ersten Vorfall nach dem Oö. Jugendschutzgesetz LGBl. 93/2001 mit dem Jugendlichen S K und sind vom Genannten auch bereits Tatbestände nach dem Strafgesetzbuch aktenkundig."

 

Mit der Bwin hat die belangte Behörde daraufhin zu diesem "Verfahrensergebnis" am 6. März 2008 eine Niederschrift aufgenommen und folgende Angaben der Bwin festgehalten:

 

"Ich beziehe mich auf meinen Einspruch vom 13.02.2008; den darin gemachten Angaben habe ich weiter nichts hinzuzufügen und halte diese vollinhaltlich aufrecht.

 

Ich ersuche um Einstellung des Strafverfahrens oder zumindest um eine deutliche Herabsetzung des Strafbetrags wegen meiner oben angegebenen Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse und bitte diese zu berücksichtigen."

 

2.3. Im angefochtenen Straferkenntnis gab die belangte Behörde im Wesentlichen den Verfahrensgang wieder und stellte zum Sachverhalt fest, dass die angelastete Verwaltungsübertretung auf Grund der Anzeige der Polizeiinspektion (PI) Marchtrenk vom 25. Jänner 2008, Zl. A2/926/2008, erwiesen sei.

 

Aus der Anzeige der PI Marchtrenk geht zum Faktum 1 hervor, dass sich der 14jährige S K am 12. Jänner 2008 zwischen 18:00 und 19:00 Uhr am Buffet der Eishalle in M eine Packung Zigaretten kaufen konnte. Diese Zigaretten habe er dann zum Teil selbst geraucht und zum Teil auch an S D und M K M weitergegeben. Außerdem habe er laut Anzeigefaktum 2 in den Weihnachtsferien 2007 mehrmals in den Lokalen "B" und "H" alkoholische Getränke wie Bier und Flügerl konsumiert, obwohl er das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Ferner konsumierte der 13jährige T K, geb. , in den Weihnachtsferien 2007 im Lokal "B" ein Seidel Bier gemeinsam mit M S. Dieser hätte sämtliche alkoholischen Getränke bei den Kellnern bestellt.

 

Der Anzeige angeschlossen wurde die Niederschrift vom 23. Jänner 2008 über die Vernehmung des 14jährigen Schülers S K, geb. . Dieser Niederschrift der PI Marchtrenk ist zu entnehmen, dass S K am 12. Jänner 2008 in der Eishalle M vom Eismeister gemeinsam mit drei anderen Jugendlichen beim Rauchen in der Herrentoilette erwischt worden war. Außerdem gab S K an, er wäre in den Weihnachtsferien ca. drei Mal mit seinem Bruder T und M S im Lokal "B" gewesen, wo M jedes Mal bei der Chefin selbst alkoholische Getränke bestellt hätte und nie nach einem Ausweis gefragt worden wäre. Er hätte einmal ein Seidel Bier und einmal ein "Flügerl" getrunken, welche Getränke M bestellte. Auch sein Bruder T hätte sich nach mehrmaliger Nachfrage, ob er nicht auch etwas trinken wollte, ein Seidel Bier mit M geteilt.

 

Im Lokal "H" wäre er in den Weihnachtsferien vielleicht zwei Mal gewesen, um mit M S Billard zu spielen. Bei jedem Besuch hätte er ein Seidel Bier getrunken, welches M bei einer Frau mit langen dunklen Haaren bestellt hätte.

 

2.4. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, ohne eine Berufungsvorentscheidung zu erlassen.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchsicht des vorgelegten Verwaltungsstrafakts und unter Berücksichtigung der Berufung festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aus rechtlichen Überlegungen aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 
4.1. Gemäß § 12 Abs 1 Z 1 Oö. JSchG 2001 begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder durch andere Verwaltungsvorschriften mit strengerer Strafe bedroht ist, und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 7.000 Euro und im Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen,
 
wer gegen die Sorgfaltspflichten des § 4 Abs. 1oder 2 verstößt.
 
Gemäß § 4 Abs 1 Oö. JSchG 2001 haben die Aufsichtspersonen dafür zu sorgen, dass die ihrer Aufsicht unterstehenden Jugendlichen die Jugendschutzbestimmungen einhalten. Die Erziehungsberechtigten haben bei der Übertragung der Aufsicht sorgfältig und verantwortungsbewusst vorzugehen.
 
Nach § 4 Abs 2 Oö. JSchG 2001 dürfen Erwachsene Jugendlichen die Übertretung der Jugendschutzbestimmungen nicht ermöglichen oder erleichtern. Sie haben sich so zu verhalten, dass Jugendliche in ihrer körperlichen, geistigen, sittlichen, seelischen und sozialen Entwicklung nicht geschädigt werden. Sie haben dafür Sorge zu tragen, dass den in ihrem Einflussbereich befindlichen Jugendlichen keine jugendgefährdenden Informationen, Unterhaltungen, Darbietungen oder Darstellungen, insbesondere über elektronische Medien zugänglich werden.
 
Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Z 4 Oö. JSchG 2001 sind Aufsichtspersonen Erziehungsberechtigte sowie Erwachsene, denen die Aufsicht über einen Jugendlichen
a)    im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zukommt,
b)    vom Erziehungsberechtigten dauernd oder im Einzelfall anvertraut wurde oder
c)     auf Grund einer Entscheidung des Gerichts oder durch Maßnahmen im Rahmen der Jugendwohlfahrt übertragen wurde.
 
Aufsichtspersonen iSd § 2 Z 4 lit a) Oö. JSchG 2001 sind etwa Erzieher, Lehrer oder Kindergärtner und solche iSd § 2 Z 4 lit b) leg.cit. können Betreuer von Jugendlichen in Jugendorganisationen sein (vgl Ausschussbericht, Blg 1142/2001 zum kurzschriftl. Bericht des Oö. LT, 25 GP, 25).
 
Gemäß § 8 Abs 1 Oö. JSchG 2001 ist Jugendlichen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr der Erwerb und der Konsum von Tabakwaren und von alkoholischen Getränken verboten. Jugendlichen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr ist der übermäßige Alkoholkonsum sowie der Erwerb und der Konsum von gebrannten alkoholischen Getränken, auch in Form von Mischgetränken, verboten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch dann, wenn alkoholische Getränke durch Absorbierung an einen pulver-, pastenförmigen oder anderen Trägerstoff gebunden werden. Nach § 8 Abs 2 leg.cit dürfen an Jugendliche keine alkoholischen Getränke oder Tabakwaren abgegeben werden, welche sie im Sinn des Abs 1 nicht erwerben und konsumieren dürfen.
 

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen des § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den Erk verst Sen VwSlg 11466 A/1984 und VwSlg 11894 A/1985). Im Bescheidspruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Begründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechts nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Eine konkrete Straftat kann nicht allein mit den vom Gesetzgeber gebrauchten verba legalia umschrieben werden. Sie ist vielmehr tatbildbezogen entsprechend den Gegebenheiten des Einzelfalles zu individualisieren. Dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG ist daher nur dann entsprochen, wenn alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale einzelfallbezogen individualisiert wurden. Es reicht nicht aus, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Angabe von Tatzeit und Tatort wiederzugeben (vgl näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG mwN).

 

4.3. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses verfehlt mangels Angabe von einzelfallbezogenen Konkretisierungen deutlich die aus § 44a Z 1 VStG abzuleitenden Anforderungen an die Bestimmtheit eines Tatvorwurfs. Die belangte Behörde ist im Ergebnis von einer Art "Erfolghaftung" der erziehungsberechtigten Bwin für das Verhalten ihrer Söhne ausgegangen und hat es daher offenbar nicht für erforderlich erachtet darzulegen, auf Grund welchen konkreten Fehlverhaltens der Bwin als Mutter eine Verletzung von Sorgfaltspflichten iSd § 4 Abs 1 Oö. JSchG 2001 anzulasten war. Aus der Anzeige der PI Marchtrenk vom 25. Jänner 2008 geht zu diesem Thema nichts hervor. Die Zeugenaussage des Insp. R H vom 20. Februar 2008, in der dieser nur die Darstellung in der Anzeige bestätigte und im Übrigen seine Meinung äußerte, dass die Bwin aus der Erziehungspflicht nicht entlassen werden könne, war ebenfalls nicht geeignet, einen bestimmten Verhaltensvorwurf gegen die Bwin zu erheben.

 

Es ist unzureichend, wenn nur ganz allgemein unter Verwendung des Gesetzeswortlauts behauptet wird, die Bwin hätte es als Aufsichtsperson unterlassen, dafür Sorge zu tragen, dass ihr minderjähriger Sohn nicht gegen Bestimmungen des Oö. Jugendschutzgesetzes 2001 verstößt. Mangels Angabe eines unter die verba legalia zu subsumierenden Sachverhalts ist ein solcher Pauschalvorwurf weder einer rechtlichen Überprüfung zugänglich, noch ist er geeignet, vor einer weiteren Strafverfolgung aus demselben Anlass zu schützen. Die Identität der Tat steht nämlich infolge qualifizierter Unbestimmtheit nicht fest.

 

4.4. Wenn die belangte Behörde der Bwin in der Begründung des Straferkenntnisses entgegen hält, sie hätte im Einspruch nicht dargetan, inwiefern sie als Aufsichtsperson dafür gesorgt habe, dass ihr Sohn die Jugendschutzbestimmungen beachtet, übersieht die belangte Behörde ihre eigene Pflicht, zunächst einen in objektiver Hinsicht tauglichen Tatvorwurf zu erheben. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde traf die Bwin, soweit es um den Nachweis des objektiven Tatbestandes der Verwaltungsübertretung ging, keine Mitwirkungspflicht glaubhaft zu machen, dass sie kein Verschulden trifft. Auch bei einem sog. Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 Satz 2 VStG ist es nämlich Sache der Strafbehörde den objektiven Tatbestand bzw das Tatbild zu erheben und die erforderlichen Beweise von Amts wegen aufzunehmen (vgl näher mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 1217 in Anm 8 zu § 5 VStG). Zum objektiven Tatbestand gehört auch die Frage der Verletzung der objektiv im Einzelfall gebotenen Sorgfalt. Deshalb wäre es Sache der Strafbehörde gewesen, der Bwin im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ein konkretes Verhalten als sorgfaltswidrig anzulasten, das in weiterer Folge zur Verletzung der Jugendschutzbestimmungen durch ihre Söhne geführt hat.

 

Schließlich hat die belangte Behörde, welche anscheinend die Aufsicht über Jugendliche in einer konkreten Situation mit der davon zu unterscheidenden Obsorge des Erziehungsberechtigten (vgl dazu §§ 144 f und 176 ff ABGB) einfach gleichsetzt, nicht berücksichtigt, dass die Bwin im konkreten Fall gar nicht als Aufsichtsperson im Naheverhältnis zum Geschehen fungierte. Nach ihrer unwiderlegten Darstellung im Einspruch hatte die Bwin am 12. Jänner 2008 ihre Söhne zum Eislaufen in die Eishalle M gebracht und mit ihnen vereinbart, sie dort nach Ende der Eislaufzeit wieder abzuholen. Sie war demnach während des Eislaufens gar nicht als Aufsichtsperson anwesend, hatte freilich auch niemandem die Aufsicht übertragen. Dies war an sich entgegen der Ansicht der belangten Behörde bei den 13- und 14jährigen Söhnen der Bwin auch nicht notwendig, weil Jugendliche in diesem Alter beim Eislaufen grundsätzlich schon auf sich selbst aufpassen und eigenverantwortlich handeln können.

 

Unter gewöhnlichen Umständen und normalen Verhältnissen (gegenteilige jugendgefährdende Anhaltspunkte, mit denen die Bwin hätte rechnen müssen, sind den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen!) kann der erkennende Verwaltungssenat auch nicht finden, dass der gemeinsame Besuch des Marchtrenker Lokals "B" durch Jugendliche nach dem Eislaufen am späten Nachmittag oder in den frühen Abendstunden für deren Entwicklung problematisch wäre und daher einer Aufsicht bedurft hätte, wie die belangte Behörde in ihrer Begründung freilich ohne nähere Darlegung anzudeuten scheint. Zum Lokal "H", wo offenbar ein Aufenthaltsverbot für Jugendliche besteht, gab die Bwin unwiderlegt an, dass ihr ein Aufenthalt ihres Sohnes S bislang nicht bekannt und sie darüber verwundert war, weil sie davon ausgegangen wäre, dass Unternehmer und deren Mitarbeiter die Oö. Jugendschutzbestimmungen einhalten würden.

 

Wenn die belangte Strafbehörde schon die Verletzung der Aufsichtspflicht in Bezug auf Lokalbesuche behauptet, hätte sie dies durch die Angabe von konkreten Umständen auf der Grundlage von objektiven Erhebungen untermauern müssen. Es geht nicht an, im Zweifel zu Lasten der Beschuldigten etwas zu unterstellen, was nach der Aktenlage durch kein einziges Beweisergebnis abgesichert wurde.

 

4.5. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde hält der Oö. Verwaltungssenat die sinngemäße Verantwortung der Bwin, wonach sie grundsätzlich damit rechnen durfte, dass sich andere Erwachsene und Unternehmer an die Jugendschutzbestimmungen halten und weder Zigaretten noch Alkohol an Jugendliche unter 16 Jahren abgeben und auch Lokalverbote wahrnehmen, für zutreffend. Dabei handelt es sich um keine bloße Ausrede, wie die belangte Behörde vermeint, sondern um einen Umstand, auf den Erziehungsberechtigte geradezu angewiesen sind, wenn ihre Anordnungen im Rahmen der Erziehung wirksam sein und der Aufwand zur Durchsetzung nicht unverhältnismäßig werden soll. Ein Erziehungsberechtigter könnte seine verantwortungsvolle Aufgabe nicht mehr mit einem noch vertretbaren und zumutbaren Aufwand wahrnehmen, wenn er ständig fremdes Fehlverhalten zu bedenken und zu berücksichtigen hätte. Er muss daher auf rechtskonformes Verhalten anderer Erwachsener vertrauen können, soweit diese nach dem geltenden oberösterreichischen Jugendschutzrecht auch Mitverantwortung für die Jugend zu tragen haben.

 

Auch deshalb nimmt der Landesgesetzgeber im § 4 Abs 2 Oö. JSchG 2001 ganz allgemein Erwachsene, in deren Einflussbereich sich Jugendliche befinden, in die Pflicht und verbietet ihnen Handlungen und Unterlassungen, welche Jugendlichen die Übertretung von Jugendschutzbestimmungen ermöglichen oder erleichtern. Der Gesetzgeber wollte damit bewusst eine über die Beteiligungsregelung des § 7 VStG hinausgehende Mitverantwortung von Erwachsenen schaffen, die auch bereits bei fahrlässigem Verhalten greift (vgl Ausschussbericht, Blg 1142/2001  zum kurzschriftl. Bericht des Oö. LT, 25 GP, 27). Schließlich sieht auch § 4 Abs 3 Z 2 Oö. JSchG eine besondere Verpflichtung von Unternehmern, Veranstaltern und Liegenschaftseigentümern im Naheverhältnis zu Jugendlichen vor, die notwendigen Vorkehrungen zur Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen zu treffen, insbesondere durch die Überprüfung des Alters, die Verweigerung des Zutritts zu Betriebsräumlichkeiten, Veranstaltungsorten und Liegenschaften, die Aufforderung zum Verlassen und die erforderliche Anweisung von Mitarbeitern. All diese Vorschriften haben auch den erkennbaren Zweck, Aufsichtspersonen und Entziehungsberechtigte zu unterstützen und bis zu einem gewissen Grad zu entlasten.

 

Es geht daher in diesem Zusammenhang um den tragenden Gedanken des Vertrauensgrundsatzes, der im Wesentlichen bedeutet, dass, wer sich selbst sorgfaltsgemäß verhält, grundsätzlich auf rechtskonformes Verhalten anderer Personen vertrauen darf, es sei denn er hätte Grund zur gegenteiligen Annahme. Dieser im § 3 StVO für den Straßenverkehr gesetzlich zum Ausdruck gebrachte Gedanke des Vertrauensgrundsatzes dient der Begrenzung der objektiv gebotenen Sorgfalt auf ein vertretbares Maß. Er wird heute nach herrschender Meinung in der Strafrechtswissenschaft verallgemeinert und auf viele andere Lebensbereiche analog angewendet (vgl näher mwN Burgstaller in Wiener Kommentar zum StGB2 [26. Lfg. 2001] § 6 Rz 52 ff; Kienapfel, Grundriss des österreichischen Strafrechts, BT I3 [1990], § 80 Rz 68 ff; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB3 [1992], § 6 Rz 13a).

 

5. Die belangte Behörde hat die maßgeblichen Rechtsfragen nicht richtig erfasst und dementsprechend weder zielorientierte Erhebungen durchgeführt, noch eine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt. In der Strafverfügung vom 31. Jänner 2008 wurde der gleiche rechtlich unzulängliche Tatvorwurf wie im angefochtenen Straferkenntnis ohne einen bestimmten Verhaltensvorwurf formuliert. Im Hinblick auf den Ablauf der Verjährungsfrist von sechs Monaten gemäß § 31 Abs 1 und 2 VStG ist damit auch längst Verfolgungsverjährung eingetreten.

 

Bei diesem Ergebnis war der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren mangels einer tauglichen Tatanlastung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen. Gemäß § 66 Abs 1 VStG entfiel damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

Rechtssatz zu VwSen-300829 vom 5. Mai 2009

 

§ 12 Abs 1 Z 1 iVm 4 Oö. JSchG 2001; §§ 5 Abs 1 Satz 2, 44a Z 1 VStG

 

Die Strafbehörde darf sich in Bezug auf die Sorgfaltspflichten von Aufsichtspersonen und Erziehungsberechtigten nicht bloß auf die Wiedergabe der verba legalia und den Hinweis auf einen Verstoß des Jugendlichen gegen Jugendschutzbestimmungen beschränken, sondern hat im Spruch anhand der Umstände des Einzelfalles konkret darzulegen, welche Verletzung von Sorgfaltspflichten iSd § 4 Abs 1 Oö. JSchG 2001 anzulasten war.

 

Die Frage der Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt im Einzelfall gehört zum objektiven Tatbestand, weshalb es Sache der Strafbehörde ist, dem Erziehungsberechtigten ein konkretes Verhalten als sorgfaltswidrig anzulasten, das in weiterer Folge zur Verletzung von Jugendschutzbestimmungen geführt hat. Erst nach einem solcherart tauglich erhobenen Tatvorwurf kann sich die Frage der Entlastungspflicht beim Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 Satz 2 VStG überhaupt stellen.

 

Die Sorgfaltspflichten iSd § 4 Abs 1 Oö. JSchG 2001 dürfen nicht so überspannt werden, dass Aufsichtspersonen und Erziehungsberechtigte im Ergebnis eine Art "Erfolgshaftung" träfe. Vielmehr können sich diese auf eine sachgerechte Begrenzung ihrer Sorgfaltspflichten durch analoge Anwendung des Vertrauensgrundsatzes berufen, wonach auf rechtskonformes Verhalten anderer Personen vertraut werden darf, solange kein Anlass für eine gegenteilige Annahme besteht.

 

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