Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-440109/21/Gf/Mu

Linz, 07.04.2009

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des Dr. K B, S, vertreten durch RA Mag. K Ü, L, wegen der Anordnung einer Wegweisung und eines Betretungsverbotes nach dem Sicherheitspolizeigesetz durch Organe des Bezirkshauptmannes von Linz-Land am 8. Jänner 2009 nach der am 1. April 2009 durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer durch die Unterlassung einer amtswegigen Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes durch den Bezirkshauptmann von Linz-Land in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht darauf, dass das angeordnete Betretungsverbot nur so lange aufrecht erhalten werden durfte, als die hiefür gesetzlich erforderlichen Voraussetzungen auch tatsächlich vorlagen, verletzt wurde; im Übrigen wird die gegenständliche Beschwerde hingegen als unbegründet abgewiesen.

II. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Linz-Land) ist verpflichtet, dem Beschwerdeführer antragsgemäß Kosten in einer Höhe von insgesamt 1.672,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

III. Der Beschwerdeführer hat dem Bund keine Kosten zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 88 Abs. 4 SPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG; § 1 UVS-AufwandsersatzVO.

Entscheidungsgründe:

1.1. In seiner am 22. Jänner 2009 – und damit rechtzeitig – beim Oö. Verwaltungssenat eingelangten Beschwerde bringt der Rechtsmittelwerber zunächst vor, dass er seine Gattin am 5. Jänner 2009 nach einem Pfandschein für das Dorotheum gefragt habe. Darüber seien beide in Streit geraten; in dessen Zuge habe er auch eine Tageszeitung nach ihr geworfen, ohne sie jedoch dadurch verletzt oder bedroht zu haben. Am 7. Jänner 2009 hätten ihn dann seine Freunde danach gefragt, warum er vorgestern seiner Frau einen Warenhauskatalog an den Kopf geworfen habe, weil ihnen dies von seiner Gattin so berichtet worden sei. Aus Ärger über diese falsche Anschuldigung habe er, nachdem er gegen Mitternacht nach Hause gekommen sei, in seiner Kellerbar einen Whisky getrunken und darauf hin seine Frau aufgeweckt und zur Rede gestellt. Diese habe dann telefonisch die Polizei verständigt, welche in der Folge seine Wegweisung und ein Betretungsverbot ausgesprochen habe, obwohl er seine Gattin weder bedroht noch gefährdet habe. Es habe vielmehr bloß eine verbale Auseinandersetzung gegeben und seine Frau habe nur nach einem Vorwand gesucht, um ihn aus dem Haus zu bringen, zumal ihr gleich motiviertes Vorbringen am 5. Jänner 2009 noch gescheitert sei.

 

Daher beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Wegweisung und der Anordnung eines Betretungsverbotes.

 

1.2. Im Bericht der PI Leonding vom 8. Jänner 2009, GZ E1/399/2009-Za, wird dem Rechtsmittelwerber angelastet, dass er alkoholisiert (ein Alkotest habe 1,3‰ Blutalkoholgehalt ergeben) und zunächst aggressiv, später jedoch „an sich ruhig, aber provokant“ gewesen sei. Nach den Angaben seiner Gattin befinde er sich seit Oktober 2008 (später von ihr auf Oktober 2007 korrigiert) wegen seiner manischen Depressivität in psychiatrischer Behandlung; zudem sei er alkoholabhängig. Letzte Woche habe er eine Zeitschrift nach ihr geworfen, was zu einer Hautabschürfung im Gesicht geführt habe. Am heutigen Tag habe er sie gegen 2.00 Uhr, als er betrunken nach Hause gekommen sei, geweckt und zur Rede gestellt, weil sie ihn bei seinen Freunden schlecht gemacht habe. Sie sei darauf hin aber nur in den Keller gegangen, um die Waschmaschine einzuschalten. Ihr Gatte sei ihr jedoch gefolgt und habe sie daran gehindert, wieder nach oben zu gehen, indem er sie am linken Handgelenk festgehalten habe. Sie habe sich jedoch losreißen und davonlaufen können, wobei sie versucht habe, die Kellertüre zuzuhalten. Er habe die Türe jedoch aufzwängen können und sei ihr in die Küche gefolgt, wo er ihr mit dem Zeigefinger mehrfach auf die Stirn und auf die Schulter tippte und ihr dabei verbal drohte. Außerdem habe sie Angst um ihr kleines Kind gehabt. Die Wegweisung und das Betretungsverbot seien auf Grund der Aussage der Gattin sowie der erhöhten Gefährlichkeit des Beschwerdeführers (aktueller Suchtgiftmissbrauch [Alkohol und Medikamente], aktuelle Stressoren [Arbeitslosigkeit, Scheidung] und Verharmlosung der Gewalt [würde von ihm als ein legitimes Mittel angesehen]) erfolgt.

 

1.3. Die am 8. Jänner 2009 erfolgte zeugenschaftliche Einvernahme der Ehegattin des Rechtsmittelwerbers deckt sich im Wesentlichen mit der Darstellung im vorzitierten Bericht der PI Leonding (vgl. die Niederschrift der PI Leonding vom 8. Jänner 2009, GZ E1/399/2009-Ni).

 

1.4. Nach den „Kurzarztberichten“ der Oö. Landes-Nervenklink Wagner-Jauregg vom 22. September 2008 und vom 10. Jänner 2008 sowie nach dem „Entlassungsbericht“ der Privatklinik St. Radegund vom 23. Dezember 2008 habe sich der Beschwerdeführer zuvor 43 Tage lang in stationärer Behandlung befunden. Seine Scheidung, ein „Burn-out“-Syndrom im Sommer 2007 sowie der Verlust seines Arbeitsplatzes im März 2008 hätten bei ihm zu Motivationslosigkeit, zu Freudlosigkeit am Sport und zu einem allgemeinen Wertlosigkeitsgefühl geführt; da sich dem gegenüber nur die Verantwortungspflicht für seine einjährige Tochter als ein positiver Faktor erwiesen habe, habe sein Zustand während der Anstaltspflege nur sehr geringfügig verbessert werden können, weshalb seine umfassende medikamentöse Behandlung weiterhin erforderlich sei.

 

1.5. In ihrer am 3. Februar 2009 per e-mail zur vorliegenden Beschwerde abgegebenen Stellungnahme weisen die beiden ersteinschreitenden Beamten der PI Traun darauf hin, dass die Ehegattin des Rechtsmittelwerbers ihnen gegenüber mehrmals angegeben habe, vom Beschwerdeführer am Handgelenk gepackt und festgehalten worden zu sein und sich davor zu fürchten, dass es zu weiteren von ihm ausgehenden Aggressionen kommen könnte, wenn er nicht weggewiesen werde.

In der Stellungnahme der Sicherheitsbeamten der PI Leonding vom 4. Februar 2009, GZ E1/399/2009-Za, wird ausgeführt, dass sie als Verstärkung angefordert worden seien, weil der Rechtsmittelwerber nach den Angaben der ersteinschreitenden Beamten ursprünglich ein sehr aggressives Verhalten an den Tag gelegt habe. Bei ihrem Eintreffen sei er hingegen schon wieder ruhig, aber sehr provokant und nicht unwesentlich alkoholisiert gewesen. Seine Ehegattin habe gegenüber den ersteinschreitenden Kollegen angegeben, von ihm am Handgelenk gepackt und festgehalten worden zu sein, wobei er mehrmals mit drohenden Gesten gegen ihre Stirn und ihre Schulter getippt habe. Außerdem sei es Tage zuvor bereits zu Streitigkeiten gekommen, in deren Verlauf ihr Gatte eine Zeitung nach ihr geworfen habe, wodurch sie eine leichte Hautabschürfung im Gesicht erlitten habe. Diese Angaben habe sie auch bei ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme am 8. Jänner 2009 immer wieder wiederholt.

1.6. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der ergänzend vorgebracht wird, dass die Gefährdung der Ehegattin des Beschwerdeführers schon daraus hervorgehe, dass die ersteinschreitenden Beamten einer Verstärkung bedurften. Außerdem habe sich auch ein neunmonatiges Kleinkind in der Wohnung befunden.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Linz-Land zu GZ Sich20-12-2009 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 1. April 2009, zu der als Partei der Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter Mag. K Ü sowie die Zeugen M B (Ehegattin des Rechtsmittelwerbers), AbtI P O (PI Traun) und GI H Z (PI Leonding) erschienen sind.

2.1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

2.1.1. Am 5. Jänner 2009 hat die Gattin des Beschwerdeführers die Sicherheitsdienststellen davon verständigt, dass der Rechtsmittelwerber ihr gegenüber aggressiv geworden sei und ihr im Streit eine Zeitung an den Kopf geworfen habe. Die darauf hin einschreitenden Sicherheitsorgane haben allerdings keine Maßnahmen gegenüber dem Beschwerdeführer ergriffen.

2.1.2. Am 7. Jänner 2009 begab sich der Rechtsmittelwerber gegen 21.00 Uhr zu einem Bekannten und wurde dort mit dem vorerwähnten Vorfall in ironischer Weise konfrontiert. Diese Herabwürdigung im Freundeskreis ärgerte den Beschwerdeführer derart, dass er – nachdem er gegen Mitternacht nach Hause gekommen war und dort in seiner Kellerbar noch einige hochprozentige alkoholische Getränke zu sich genommen hatte – gegen 2.00 Uhr früh seine Gattin aufweckte und sie mit dem Vorfall bei seinem Bekannten konfrontierte. In der Folge kam es zu einer Auseinandersetzung, in deren Zuge seine Gattin die Sicherheitsorgane zu Hilfe rief.

Als die zwei Beamten der PI Traun beim Haus des Rechtsmittelwerbers eintrafen, gab seine Gattin diesen gegenüber an, dass der Beschwerdeführer bei seiner Heimkehr ziemlich betrunken gewesen sei, weshalb es auch zu Streitigkeiten gekommen sei. Er habe sie aufgeweckt und zur Rede stellen wollen. Da sie jedoch nur wortlos zur Waschmaschine in den Keller gegangen sei, sei er aggressiv geworden und habe sie am Arm gepackt, weshalb sie sich ernsthaft bedroht gefühlt und weitere Aggressionshandlungen gefürchtet habe. Diese Aggressivität konnten die Beamten auch selbst wahrnehmen, weil der Rechtsmittelwerber mehrmals drohend mit dem Finger in ihre Richtung deutete und dabei auch auf sie zukam. Ein von den Beamten zudem durchgeführter Test ergab einen Blutalkoholgehalt in Höhe von ca. 1,2‰.

In der Folge trafen zwei weitere Sicherheitsorgane der PI Leonding ein. Zu diesem Zeitpunkt verhielt sich der Beschwerdeführer nach deren Eindruck bereits ruhig, aber provokant. Diesen Beamten gegenüber gab seine Ehegattin wiederum an, dass sie der Rechtsmittelwerber festgehalten und immer wieder verbal bedroht sowie mit dem Finger auf ihre Schulter und gegen ihren Kopf getippt habe. Außerdem brachte sie vor, dass es vor einigen Tagen bereits einen ähnlichen Vorfall gegeben habe, weshalb sie befürchte, dass ihr Gatte „jetzt total durchdrehen“, nämlich ihr und ihrem neunmonatigen Kleinkind körperlich etwas antun könnte.

2.1.3. Da der Beschwerdeführer diese Vorwürfe nicht substantiell entkräften, sondern vielmehr nur mit fadenscheinigen Argumenten bestreiten konnte, indem er z.B. vorbrachte, dass sich seine Aussage „Du wirst dich schon noch anschauen !“ bloß auf die finanzielle Abhängigkeit seiner Gattin bezogen aber keine körperliche Bedrohung bedeutet hätte, und sich diese auf mehrfaches Nachfragen eindeutig dahin äußerte, dass sie sich ernsthaft bedroht fühlt und einen weiteren gefährlichen Angriff befürchtet, wurde von den Beamten der PI Leonding nach Rücksprache mit ihren Kollegen der PI Traun und ihren Vorgesetzten wegen der Gefahr eines drohenden gefährlichen körperlichen Angriffs auf seine Gattin in Verbindung mit seinem aggressiven Verhalten und seiner erheblichen Alkoholisierung die Wegweisung des Rechtsmittelwerbers aus seiner Wohnung und ein Betretungsverbot derselben ausgesprochen.

2.1.4. Dieser Anordnung hat sich der Beschwerdeführer widerstandslos gefügt, wobei das Betretungsverbot in der Folge zehn Tage lang aufrecht blieb.

In diesem Zusammenhang hat der Beschwerdeführer nicht versucht, von sich aus eine Verkürzung dieses Zeitraumes zu erreichen, weil ihm nach seiner eigenen Aussage die dementsprechenden Rechtsgrundlagen nicht bekannt waren.

Darauf, dass seitens der belangten Behörde eine Überprüfung dahin, diesen Zeitraum von Amts wegen zu verkürzen, erfolgt wäre, finden sich in dem von ihr vorgelegten Akt keinerlei Hinweise.

2.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des Bezug habenden behördlichen Aktes sowie auf die jeweils glaubwürdigen und in sich schlüssigen sowie im Wesentlichen ohnehin übereinstimmenden Aussagen der in der öffentlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen.

Soweit hingegen die Aussage des Beschwerdeführers im Detail insofern davon abweicht, als er angegeben hat, dass er seine Gattin „in keiner Weise körperlich berührt“ berührt habe, war dieser Aspekt für den gegenständlichen Fall – wie unten zu zeigen sein wird – nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung.

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Nach § 38a Abs. 1 und 2 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 4/2008 (im Folgenden: SPG), sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dann, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen – insbesondere wegen eines vorausgegangenen gefährlichen Angriffs – anzunehmen ist, dass ein gefährlicher Angriff auf das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit bevorsteht, dazu ermächtigt, einen Menschen, von dem diese Gefahr ausgeht, aus einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbarer Umgebung wegzuweisen und ihm deren Betretung zu untersagen.

Gemäß § 38a Abs. 6 SPG ist die Anordnung eines Betretungsverbotes unverzüglich der Sicherheitsbehörde bekannt zu geben und von dieser binnen 48 Stunden zu überprüfen. Sobald die Behörde feststellt, dass die Voraussetzungen für ein derartiges Verbot nicht mehr bestehen, hat sie dieses dem Betroffenen gegenüber unverzüglich aufzuheben.

Nach § 38a Abs. 7 SPG endet das Betretungsverbot mit dem Ablauf des zehnten Tages nach seiner Anordnung. Wurde innerhalb dieser Frist ein Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung gemäß § 382b der Exekutionsordnung eingebracht, so endet das Betretungsverbot mit der Zustellung der Entscheidung des Gerichts an den Antragsgegner, spätestens jedoch mit dem Ablauf des zwanzigsten Tages nach der Anordnung des Betretungsverbotes.

3.2. Die Anordnung einer Wegweisung ist nicht schon per se, sondern nur dann und insoweit als ein mit einer Maßnahmenbeschwerde bekämpfbarer Rechtsakt zu qualifizieren, als in deren Zuge auch tatsächlich eine Ausübung oder Androhung von Befehls- bzw. Zwangsgewalt i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG erfolgt.

Dies gilt umso mehr für ein Betretungsverbot, zu dessen Durchsetzung die Ausübung von Zwangsgewalt nach § 38a Abs. 2 SPG schon ex lege ausgeschlossen ist.

Da im gegenständlichen Fall aber allseits unbestritten keinerlei Befehls- oder Zwangsgewalt ausgeübt wurde, stellt sich der vorliegende Rechtsbehelf sohin – ungeachtet seiner Bezeichnung als „Maßnahmenbeschwerde wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt“ – in Wahrheit als eine Maßnahmenbeschwerde, sondern als eine auf Art. 129a Abs. 1 Z. 3 B-VG i.V.m. § 88 Abs. 2 SPG gegründete sog. „Polizeibeschwerde“ (vgl. R. Machacek [Hrsg.], Verfahren vor dem VfGH und vor dem VwGH, 6. Aufl., 258) dar.

3.3. Im gegenständlichen Fall hat die Ehegattin den einschreitenden Sicherheitsorganen nachdrücklich und glaubhaft versichert, vom Beschwerdeführer, der sich zum Vorfallszeitpunkt in einem betrunkenen Zustand befand, zunächst mitten in der Nacht geweckt und sodann im Zuge einer Streitigkeit von ihm am Arm gepackt – also körperlich angegriffen – worden zu sein. Weiters habe er sie immer wieder verbal bedroht und ihr dabei bekräftigend mit dem Finger auf die Schulter und gegen den Kopf getippt. Daher habe sie sich nicht nur zu diesem Zeitpunkt ernsthaft bedroht gefühlt, sondern zudem auch pro futuro weitere Aggressionshandlungen befürchtet, und zwar in dem Sinne, dass er „jetzt noch total durchdrehen“, nämlich ihr und ihrem neunmonatigen Kleinkind körperlich etwas antun könnte, zumal es vor einigen Tagen bereits einen ähnlichen Vorfall gegeben habe, als er eine Zeitung nach ihr geworfen habe.

Nach den am Vorfallsort gegebenen Umständen bestand für die Sicherheitsorgane schon deshalb keinerlei Anlass, dieses Vorbringen seiner Ehegattin ernsthaft in Zweifel zu ziehen, weil die ersteinschreitenden Beamten der PI Traun die Aggressivität des Beschwerdeführers auch noch unmittelbar selbst wahrnehmen konnten. Denn er deutete mehrmals mit dem Finger in ihre Richtung und kam dabei auch drohend auf sie zu. Und selbst als die zur Unterstützung angeforderten Kollegen der PI Leonding eintrafen, verhielt sich der Rechtsmittelwerber nach deren Eindruck zwar bereits ruhig, aber immer noch provokant. Zudem hatte ein von den Beamten durchgeführter Test einen Blutalkoholgehalt in der nicht unbeträchtlichen Höhe von ca. 1,2‰ ergeben.

Da der Beschwerdeführer diese Vorwürfe seinerseits nicht schlüssig entkräften, sondern vielmehr nur unsubstantiiert bestreiten konnte, indem er z.B. vorbrachte, dass sich seine Aussage „Du wirst dich schon noch anschauen !“ lediglich auf die finanzielle Abhängigkeit seiner Gattin von ihm bezogen hätte, aber nicht als eine körperliche Drohung zu verstehen gewesen sei, und sich Letztere auf Nachfragen der Polizeiorgane eindeutig und mehrfach dahin äußerte, dass sie sich gegenwärtig ernsthaft bedroht fühlt und auch in nächster Zukunft einen weiteren gefährlichen Angriff gegen sich selbst und/oder ihr neunmonatiges Kleinkind befürchtet, erweist sich sohin die von den behördlichen Hilfsorganen wegen der Gefahr eines unmittelbar drohenden gefährlichen körperlichen Angriffs in Verbindung mit dem aus eigenem wahrgenommen aggressiven Verhalten des Rechtsmittelwerbers und dessen erheblicher Alkoholisierung ausgesprochene Wegweisung aus seiner Wohnung unter gleichzeitiger Anordnung eines Betretungsverbots für dieselbe offenkundig nicht als rechtswidrig.

Insoweit war daher die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.4. Anderes gilt hingegen hinsichtlich der nachfolgenden Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes über einen Zeitraum von zehn Tagen durch die belangte Behörde selbst:

Denn zum einen findet sich in dem von ihr vorgelegten Akt keinerlei Hinweis darauf, dass sie der ihr nach § 38a Abs. 6 SPG auferlegten Verpflichtung zur Überprüfung des von ihren Hilfsorganen angeordneten Betretungsverbotes auch tatsächlich entsprochen hätte.

In diesem Zusammenhang vermag insbesondere auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer – deshalb, weil ihm die maßgeblichen Rechtsgrundlagen nicht bekannt gewesen seien (wobei dahingestellt bleiben kann, ob diese Rechtfertigung angesichts des Umstandes, dass der Rechtsmittelwerber bis März 2008 selbst als leitender Beamter im Bereich des Sicherheits- und Fremdenpolizeiabteilung der belangten Behörde tätig war, auch tatsächlich zutrifft) – nicht versucht hat, von sich aus eine Verkürzung der in § 38a Abs. 7 SPG festgelegten zehntägigen Dauer des Betretungsverbotes zu erreichen, nichts daran zu ändern, dass die in § 38a Abs. 6 SPG normierte Überprüfung jedenfalls – und somit völlig unabhängig von der subjektiven Motivation des Verpflichteten – von Amts wegen zu erfolgen hat. Würde nämlich anlässlich dieser Überprüfung festgestellt, dass die Voraussetzungen hiefür nicht mehr vorliegen, so ist das Betretungsverbot von der Behörde unverzüglich und formlos aufzuheben.

Daraus erwächst dem Betroffenen insgesamt ein einfachgesetzlich gewährleistetes subjektiv-öffentliches Recht darauf, dass die nicht bloß punktuell wirksame, sondern auf Dauer angelegte Anordnung eines Betretungsverbotes nur so lange aufrecht erhalten werden darf, als die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür auch tatsächlich (noch) vorliegen.

In diesem Recht wurde der Beschwerdeführer aber im vorliegenden Fall aber offenkundig schon deshalb verletzt, weil die belangte Behörde nach Ausweis des von ihr vorgelegten Aktes – in der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat konnte hiezu eine ergänzende Befragung deshalb nicht durchgeführt werden, weil zu dieser kein Vertreter des Bezirkshauptmannes von Linz-Land erschienen ist – überhaupt keine Überprüfung i.S.d. § 38a Abs. 6 SPG vorgenommen hat.

3.5. Im Ergebnis hatte der Oö. Verwaltungssenat daher der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 88 Abs. 4 SPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG insoweit stattzugeben, als festzustellen war, dass der Beschwerdeführer durch die Unterlassung einer amtswegigen Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes seitens der belangten Behörde in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten subjektiv-öffentlichen Recht darauf, dass ein von den Sicherheitsorganen angeordnetes Betretungsverbot nur so lange aufrecht erhalten werden darf, als die hiefür gesetzlich erforderlichen Voraussetzungen tatsächlich vorliegen, verletzt wurde (vgl. oben, 3.4.); im Übrigen (vgl. oben, 3.3.) war diese hingegen als unbegründet abzuweisen.

4.1. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem gemäß § 88 Abs. 4 SPG i.V.m. § 79a Abs. 1 und Abs. 2 AVG zumindest teilweise (vgl. oben, 3.4.) obsiegenden Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 4 Z. 1 und 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 und 2 der UVS-Aufwandsersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, ein Kostenersatz in Höhe von insgesamt 1.672,80 Euro (Schriftsatzaufwand: 737,60 Euro; Verhandlungsaufwand: 922,00 Euro; Gebühren: 13,20 Euro) zuzusprechen.

4.2. Hingegen war dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Linz-Land) ungeachtet des Umstandes, dass auch er zumindest teilweise (vgl. oben, 3.3.) als obsiegende Partei anzusehen ist (vgl. § 79a abs. 3 AVG), kein Kostenersatz zuzusprechen, weil ein dementsprechender Antrag nicht gestellt wurde.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.             Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.             Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 13,20 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Dr.  G r o f

 

Rechtssatz:

 

VwSen-440109/21/Gf/Mu vom 7. April 2009

 

Art. 129a Abs. 1 Z. 2 und Z. 3 B-VG; § 88 Abs. 2 SPG; § 36a SPG; § 79a SPG

Die Anordnung einer Wegweisung ist nicht schon per se, sondern nur dann und insoweit als ein mit einer Maßnahmenbeschwerde bekämpfbarer Rechtsakt zu qualifizieren, als in deren Zuge auch tatsächlich eine Ausübung oder Androhung von Befehls- bzw. Zwangsgewalt i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG erfolgt; dies gilt umso mehr für ein Betretungsverbot, zu dessen Durchsetzung die Ausübung von Zwangsgewalt nach § 38a Abs. 2 SPG schon ex lege ausgeschlossen ist; da im gegenständlichen Fall allseits unbestritten keinerlei Befehls- oder Zwangsgewalt ausgeübt wurde, stellt sich der vorliegende Rechtsbehelf sohin – ungeachtet seiner Bezeichnung als „Maßnahmenbeschwerde wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt“ – in Wahrheit als eine auf Art. 129a Abs. 1 Z. 3 B‑VG i.V.m. § 88 Abs. 2 SPG gegründete sog. „Polizeibeschwerde“ dar.

Eine von den Hilfsorganen der Behörde wegen der Gefahr eines unmittelbar drohenden gefährlichen körperlichen Angriffs in Verbindung mit dem von ihnen selbst unmittelbar wahrgenommen aggressiven Verhalten des Rechtsmittelwerbers und seiner erheblichen Alkoholisierung angeordnete Wegweisung samt Betretungsverbot ist nicht rechtswidrig, wenn für die Beamten nach den äußeren Umständen schon deshalb keinerlei Anlass bestand, das Vorbringen der Ehegattin des Beschwerdeführers ernsthaft in Zweifel zu ziehen, während der Rechtsmittelwerber dem gegenüber die Vorwürfe seiner Gattin nicht substantiell entkräften, sondern vielmehr nur mit vagen Ausreden bestreiten konnte; außerdem äußerte sich Letztere auf mehrfaches Nachfragen der Polizeiorgane glaubwürdig und unmissverständlich dahin, dass sie sich gegenwärtig ernsthaft bedroht fühlt und auch pro futuro einen weiteren gefährlichen Angriff gegen sich und/oder ihr neunmonatiges Kleinkind befürchtet.

Hingegen ist die Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes über einen Zeitraum von zehn Tagen durch die Behörde selbst rechtswidrig, wenn sich in dem von ihr vorgelegten Akt keinerlei Hinweis darauf, dass sie der ihr nach § 38a Abs. 6 SPG auferlegten Verpflichtung zur Überprüfung des von ihren Hilfsorganen angeordneten Betretungsverbotes auch tatsächlich entsprochen hat; der Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht versucht hat, von sich aus eine Verkürzung der in § 38a Abs. 7 SPG festgelegten zehntägigen Dauer des Betretungsverbotes zu erreichen – und zwar deshalb, weil ihm die dementsprechenden Rechtsgrundlagen nicht bekannt gewesen seien (wobei dahingestellt bleiben kann, ob diese Rechtfertigung angesichts des Umstandes, dass früher selbst in einer leitenden Funktion im Bereich des Sicherheits- und Fremdenpolizeiwesens bei der belangten Behörde tätig war, auch tatsächlich zutrifft) –, vermag nichts daran zu ändern, dass die in § 38a Abs. 6 SPG normierte Überprüfung jedenfalls – und somit völlig unabhängig von der subjektiven Motivation des Verpflichteten – von Amts wegen zu erfolgen hat. Daraus erwächst dem Betroffenen umgekehrt ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, dass die nicht bloß punktuell wirksame, sondern auf Dauer angelegte Anordnung eines Betretungsverbotes nur so lange aufrecht erhalten werden darf, als die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür tatsächlich vorliegen.

Im Ergebnis voller Kostenersatz für den Beschwerdeführer trotz seines bloß teilweisen Obsiegens, wenn die im Übrigen obsiegende Behörde keinen dementsprechenden Kostenersatzantrag gestellt hat.

 

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