Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522249/13/Bi/Se

Linz, 07.05.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn F P, S, vertreten durch Herrn RA Mag. A W, N, vom 24. März 2009 gegen den Bescheid der Bezirkshauptfrau von Steyr-Land vom 9. März 2009, VerkR21-110/2-2009-Lw/Ec, wegen der Anordnungen, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen und für die Gutachtenserstattung erforderliche Befunde vorzulegen, aufgrund des Ergebnisses der am 6. Mai 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die Anordnung, soweit aufgrund der amtsärztlichen Untersuchung noch bestimmte Befunde zur Gutachtenserstattung gemäß § 8 FSG erforderlich seien, seien diese innerhalb von einem Monat nach der Untersuchung zu erbringen, zu entfallen hat.

     Die Berufung gegen die Aufforderung, sich zum Nachweis der gesund­heitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Bescheides vom Amtsarzt der BH Steyr-Land gemäß § 8 FSG untersuchen zu lassen, wird abgewiesen.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Berufungswerber (Bw) gemäß § 24 Abs.4 FSG aufgefordert,

1) sich innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Bescheides zum Nachweis seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen vom Amtsarzt der Erstinstanz gemäß § 8 FSG untersuchen zu lassen, und

2) soweit aufgrund dieser Untersuchung noch bestimmte Befunde zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlich seien, diese innerhalb von einem Monat nach der Untersuchung zu erbringen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit 18. März 2009.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Am 6. Mai 2009 wurde eine öffentliche mündliche Berufungs­­verhandlung in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Bw RA Mag. A W und des Zeugen Meldungsleger GI E S (Ml) durchge­führt. Der Bw war ebenso entschuldigt wie der Vertreter der Erstinstanz; die ebenfalls geladene und ausdrücklich noch einmal telefonisch verständigte Zeugin P S (S) erschien ohne Angaben von Gründen nicht. Die Berufungs­ent­scheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz vertrete die Ansicht, weil er die Zeugin S in stark alkoholisiertem Zustand belästigt und beschimpft und den Ml massiv beschimpft habe, und die Zeugin S ihn als "Alkoholiker" bezeichnet habe, bestünden begründete Bedenken hinsichtlich seiner gesundheit­lichen Eignung, was aber völlig unrichtig sei. Der alkoholisierte Zustand sei eine Ausnahme gewesen und habe nur dieser Zustand dazu geführt, dass er seine Lebensgefährtin, die auch weiterhin zu ihm Kontakt habe, und den Ml beschimpft habe. Von einem übernatürlich hohen Hang zum Alkoholismus könne bei ihm aber keine Rede sein und wäre selbst dadurch die gesundheitliche Eignung nicht ausgeschlossen. Selbst ein einmaliger und in großem zeitlichen Abstand vor­kommender Alkoholmissbrauch vermöge nach der VwGH-Judikatur den Verdacht eines Alkoholmiss­brauchs nicht zu begründen. Beantragt wird daher Bescheid­behebung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen münd­lichen Berufungsverhandlung, bei der die Argumente beider Parteien be­rück­sichtigt und der Ml zeugenschaftlich unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Am 29. Februar 2009 rief die Zeugin S kurz nach 20.00 Uhr bei der PI Friedburg an und ersuchte um Hilfe, weil ihr Lebensgefährte, der Bw, bei ihr zu Hause und alkoholisiert sei und sie sich vor ihm fürchte. Es stellte sich heraus, dass sie beim Nachbarn Zuflucht gesucht hatte. Der Ml, dem der Bw bis dahin völlig unbekannt war, ging mit seinem Kollegen zum Einfamilienhaus der Zeugin S, das sie alleine bewohnt, und stellte fest, dass die Zeugin S selbst nicht ins Haus konnte, weil der Bw die Sicherheitskette vorgelegt hatte; diese wurde heruntergeschraubt. Der Bw, nach Amputation beider Beine über den Knien Rollstuhlfahrer, empfing die Beamten schreiend mit den Worten, sie hätten "da überhaupt nichts ver­loren" und sie "sollten sich schleichen". Er war sichtlich alkoholisiert, roch nach Alkohol und auf dem Tisch standen Weinflaschen, Bierdosen und eine augen­scheinlich frische Jause. Er war aggressiv und schrie die Zeugin S noch in Gegen­wart der Beamten an; der Grund dafür war für den Ml nicht erkennbar. Nach Aufforderung durch den Ml, sich auszuweisen, schmiss er diesem den Zulassungs­schein hin, worauf der Ml feststellte, dass das vor der Tür stehende Auto auf ihn zugelassen war. Von der ursprünglich beabsichtigten Wegweisung wurde angesichts der Schwierigkeiten wegen der Behinderung des Bw und der Erklärung der Zeugin S, sie könne sich im Schlafzimmer einsperren, Abstand genommen, worauf sich der Bw schließlich beruhigte. Gegen Ende der Amtshand­lung erzählte die Zeugin S dem Ml gesprächsweise, der Bw trinke immer so viel, wenn er da sei, und sei oft betrunken, wobei sie das Wort "Alkoholiker" ge­brauchte. In der Nacht sei dann nichts mehr passiert und er habe den Bw nur einmal, nämlich bei dieser Amtshandlung gesehen.

 

Der Ml schilderte bei seiner Einvernahme den Vorfall sachlich und glaubwürdig, wobei er auch betonte, die Zeugin kenne er seit fast 30 Jahren als eine sehr einfache Frau, die er noch nie betrunken gesehen und die damals auch nicht nach Alkohol gerochen habe. Sie habe den Alkohol­konsum ihres Lebensgefährten erst am Ende der Amtshandlung im Gespräch erwähnt. Ein Kollege habe mit dem Bw schon 2007 eine Amtshandlung geführt, weil der Bw einen Hund geschlagen habe; auch damals sei der Bw aggressiv gewesen.

 

Der Beweisantrag auf nochmalige Ladung der Zeugin S zur Zeugeneinvernahme war abzuweisen, weil sie als Lebensgefährtin des Bw ein Entschlagungsrecht hätte und offenbar trotz Ladung und telefonischer Verständigung mit ausdrück­licher Terminbekannt­gabe nicht gegen diesen aussagen wollte – diese Umstände würden auch bei einer neuerlichen Ladung nicht anders sein, sodass auf ihre Einvernahme verzichtet wird.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstell­tes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkbe­rechtigung einzuschränken oder zu entziehen.

 

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach Abs.4 sind begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr besitzt. Hierbei geht es noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen von Erteilungsvoraussetzungen geschlossen werden kann; es müssen aber genügend Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (vgl VwGH 30.9.2002, 2002/11/0120).

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates bestehen derartige Beden­ken im Hinblick auf die vom Ml nachvollziehbar beschriebene starke Alkoholi­sierung mit der damit verbundenen Aggressivität des Bw, die sich in Herum­schreien und Gestikulieren geäußert hat. Die von Ml beschrie­benen Weinflaschen und Bierdosen und der Umstand, dass die Zeugen S nicht nach Alkohol roch, dh nicht mitgetrunken haben konnte, lassen den Schluss zu, dass der Bw an diesem Tag größere Mengen Alkohol zu sich genommen hat und schließlich sogar für die Lebensgefährtin nicht mehr tragbar war, die sich zu Nachbarn flüchtete und die Polizei um Hilfe bat. Aus der Darstellung der Zeugin S durch den Ml ergibt sich nicht, dass diese dem Lebensgefährten ev. aus Rache "eins auswischen" wollte und deshalb die Bezeichnung "Alkoholiker" wählte, um diesem gezielt Schwierig­keiten zu machen. Vielmehr hat der Ml vollkommen glaubwürdig ausge­führt, die Zeugin S habe ihm ganz am Ende der Amtshandlung, als schon sicher war, dass keine Wegweisung erfolgen und der Bw in ihrem Haus übernachten würde, gesprächs­weise erzählt, er trinke immer so viel, wenn er da sei. Damit ist aber ein glaubwürdiges Argument gegen die Darstellung des Bw gegeben, der den Vorfall als einmaliges Ereignis und absolute Ausnahme beschrieben hat. Sicher ist der von der Zeugin S gewählten Bezeichnung "Alkoholiker" keine medizinische Bedeutung beizumessen; aber darunter ist landläufig gemeint, dass jemand gewohnheitsmäßig größere Mengen Alkohol zu sich nimmt, was beim Bw auch unter dem Gesichtspunkt nicht abwegig scheint, dass der Ml beschrieben hat, dass auf dem Tisch eine Schachtel mit alkoholischen Getränken und einer Jause stand, die seinem Eindruck nach der Bw selbst mitgebracht hatte. Wenn aber die  Zeugin S, die dem Ml seit fast 30 Jahren bekannt ist, nicht trinkt, muss der Bw Wein und Bier für sich selbst mitgebracht haben.

Die Aggressivität in Verbindung mit Alkohol hat der Ml im Verhalten des Bw ohne Zweifel festgestellt und hat immerhin die Zeugin S dazu gebracht, ihr eigenes Haus zu verlassen und vom Nachbarn aus die Polizei zu rufen. Zu bedenken ist zwar, dass der Bw als Rollstuhlfahrer körperlich wenig Möglichkeit hat, "sich abzureagieren". Allerdings ist aggressives Verhalten im Straßenverkehr nicht för­der­lich und im Ergebnis völlig untragbar, weil jeder Lenker eines Kraftfahr­zeuges erwartungsgemäß in Situationen kommt, in denen er auf andere Ver­kehrs­teil­nehmer Rücksicht nehmen und Geduld bewahren muss.

 

Insgesamt gesehen lässt das ggst Beweisverfahren auch ohne persönliches Erscheinen des Bw den Schluss zu, dass er gewohnheitsmäßig größere Mengen Alkohol trinkt und in einer solchen Verfassung zu Aggressivität neigt, auch wenn der Bw beim in Rede stehenden Vorfall selbst kein Kraftfahrzeug gelenkt hat.

Aus all diesen Überlegungen vertritt der Unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung, dass in Anbetracht der dargestellten Umstände begründete Beden­ken dahingehend bestehen, dass beim Bw die gesundheitliche Eignung nicht mehr in ausreichendem Umfang besteht, sodass die Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, sich als notwendig erweist. Ob die gesund­heitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 tat­säch­lich nicht mehr gegeben ist, wird im Zuge dieser amtsärztlichen Unter­suchung abzuklären sein.   

Allerdings ist im Hinblick auf "bestimmte Befunde, die zur Erstattung des amts­ärzt­lichen Gutachtens erforderlich sind" die Aufforderung zu wenig konkret for­mu­liert, sodass diesbezüglich der angefochten Bescheid aufzuheben war. Sollten tatsächlich, wie in solchen Fällen nicht unüblich, zB bestimmte Leberlaborwerte oder FA-Stellungnahmen zu erbringen sein, müsste eine neuerliche konkrete Aufforderung dahingehend durch die Erstinstanz ergehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Regelmäßiger Alkoholkonsum in größeren Mengen + Aggressivität bei Alkoholeinfluss -> Bedenken gerechtfertigt -> aä Untersuchung -> Bestätigt, keine konkreten zu erbringenden Befunden > Aufteilung P2

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 28.06.2011, Zl. 2009/11/0095-8

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