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VwSen-100236/2/Weg/Ri

Linz, 04.12.1991

VwSen - 100236/2/Weg/Ri Linz, am 4.Dezember 1991 DVR.0690392 F Sa, L; Straferkenntnis wegen Übertretung der StVO 1960 Berufung

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung des F S, vertreten durch Dr. Ch G, Rechtsabteilung des ÖAMTC, vom 2. September 1991 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 13. August 1991, CSt 3394/91-L, zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, als die verhängte Strafe auf 400 S herabgesetzt wird. Die Ersatzfreiheitsstrafe vermindert sich auf 24 Stunden.

II. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 40 S.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.Nr. 51/1991 i.V.m. §§ 19, 24, 49a, 51 Abs.1 und 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991; Verordnung der Bundespolizeidirektion Linz vom 7. Mai 1990, mit der Tatbestände von Verwaltungsübertretungen festgelegt und die jeweils zu verhängenden Strafen bestimmt werden (Amtliche Linzer Zeitung, Folge 11/1990).

zu II.: § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in der Präambel genannten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretung des § 24 Abs.1 lit.e StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt, weil dieser "am 17. Dezember 1990 um 9.50 Uhr in Linz, im Haltestellenbereich der St.straße, das Kraftfahrzeug im Haltestellenbereich eines Massenbeförderungsmittels während der Betriebszeit nicht nur kurz zum Ein- und Aussteigen abgestellt hat".

Gleichzeitig wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 100 S in Vorschreibung gebracht.

I.2. Die von einem Straßenaufsichtsorgan festgestellte Verwaltungsübertretung mündete - nachdem eine mittels Organstrafverfügung festgesetzte Geldstrafe von 100 S nicht eingezahlt wurde und nachdem der nunmehrige Berufungswerber als Lenker ausgeforscht wurde - in eine Strafverfügung. Mit dieser von der Bundespolizeidirektion Linz erlassenen Strafverfügung - datiert mit 6. Mai 1991 wurde über den Berufungswerber wegen der Übertretung des § 24 Abs.1 lit.e StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt. Im Einspruch dagegen wendete der Berufungswerber sinngemäß ein, daß er wegen Ladetätigkeiten gezwungen gewesen sei, den Haltestellenbereich eines Massenbeförderungsmittels zum Abstellen des Kraftfahrzeuges zu benützen. Eine Behinderung des Massenbeförderungsmittels habe nicht stattgefunden. Die Nichteinzahlung des mittels Organstrafverfügung festgesetzten Strafbetrages habe ihre Ursache in einer längeren Krankheit im Dezember 1990. Diesem Einspruch wurde mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis keine Folge gegeben und hinsichtlich der wiederum mit 1.000 S festgesetzten Geldstrafe ausgeführt, daß als erschwerend die Vormerkungen des Beschuldigten in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht gewertet wurden.

I.3. Die fristgerecht eingebrachte Berufung wendet sich ihrem Inhalt nach nur gegen die Strafhöhe. Die objektive Tatseite wird nicht bestritten. Unter Hinweis auf § 19 VStG wird angeführt, daß im gegebenen Fall keinerlei nachteilige Folgen eingetreten seien und während des Abstellens des Kraftfahrzeuges im Haltestellenbereich kein öffentliches Verkehrsmittel an- bzw. weggefahren sei. Im übrigen habe das Kraftfahrzeug nur zur Hälfte in den Haltestellenbereich hineingeragt. Da also das Verschulden geringfügig sei, wird ersucht, das verhängte Strafausmaß auf die Anonymverfügungshöhe zu reduzieren.

I.4. Von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben, der infolge einer 10.000 S nicht übersteigenden Geldstrafe durch ein Einzelmitglied zu erkennen hat. Da sich die Berufung nur gegen die Höhe der Geldstrafe richtet, war im Sinne des § 51e Abs.2 VStG eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen.

I.5. Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsakt. Demnach hat der Berufungswerber im Haltestellenbereich eines Massenbeförderungsmittels während der Betriebszeit ein Kraftfahrzeug nicht nur kurz zum Ein- und Aussteigen abgestellt. Der Berufungswerber ist verwaltungsstrafrechtlich nicht unbescholten. An einschlägigen Vorstrafen scheinen drei Übertretungen von Halteverbotsvorschriften auf, wobei die Delikte in den Jahren 1986 und 1987 gesetzt wurden.

I.6. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

a) Allgemeines:

§ 19 Abs.1 VStG: Hinsichtlich der Bemessung der Strafe in einer Strafverfügung ist Grundlage stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (objektive Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat). Erst im ordentlichen Verfahren sind daneben die gemäß § 19 Abs.2 VStG angeführten Strafbemessungsmerkmale zu beachten (subjektive Kriterien des Schuldgehaltes der Tat sowie andere in der Person des Beschuldigten liegende Umstände).

§ 49a VStG:

Abs.1: Die Behörde kann, soweit die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen, durch Verordnung zur Verfahrensbeschleunigung einzelne Tatbestände von Verwaltungsübertretungen bestimmen, für die sie durch Anonymverfügung eine unter Bedachtnahme auf § 19 Abs.1 im vorhinein festgesetzte Geldstrafe bis zu 1.000 S vorschreiben darf.

Abs.2: Hat die Behörde durch Verordnung gemäß Abs.1 eine Geldstrafe im vorhinein festgesetzt, so kann sie von der Ausforschung des unbekannten Täters vorerst Abstand nehmen und die Geldstrafe ohne Festsetzung einer Ersatzstrafe durch Anonymverfügung vorschreiben, wenn 1. die Anzeige auf der dienstlichen Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht, ... beruht und 2. sowohl das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, als auch die nachteiligen Folgen, welche die Tat sonst nach sich gezogen hat, keine Bedachtnahme auf die Person des Täters erfordern.

Die Behörde, hier die Bundespolizeidirektion Linz, hat mit Verordnung vom 7. Mai 1990 den Tatbestand des Haltens und Parkens eines Fahrzeuges im Haltestellenbereich eines Massenbeförderungsmittels während der Betriebszeiten des Massenbeförderungsmittels (§ 24 Abs.1 lit.e und § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960) als anonymverfügungsfähig bestimmt. Gleichzeitig wurde hinsichtlich dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von 200 S festgelegt und damit der objektive Unrechtsgehalt mit diesem Betrag bewertet.

Warum die Behörde im gegenständlichen Fall die Ausforschung des unbekannten Täters durchgeführt hat und nicht eine Geldstrafe mittels Anyonymverfügung vorgeschrieben hat, wo doch die Voraussetzungen hiefür gemäß § 49a Abs.2 Z.1 und Z.2 VStG gegeben sind, ist auch wenn darauf kein Rechtsanspruch besteht - nicht ergründlich. Jedenfalls kann daraus, daß die Behörde trotz Vorliegens der Voraussetzungen nicht mit einer Anonymverfügung vorgegangen ist, kein Rechtsnachteil für den Beschuldigten in der Form entstehen, daß in der schließlich ergangenen Strafverfügung die Geldstrafe vervielfacht wird. In diesem Zusammenhang sei auf jenen Teil des Verfassungsausschußberichtes verwiesen, wonach "der Ausschuß davon ausgeht, daß die Behörden von der Anonymverfügung in ganz Österreich Gebrauch machen, wo immer dies im Sinne des § 49a (VStG) und der entsprechenden Verordnungen zulässig ist. Sollte dies nicht der Fall sein, so wäre eine Novellierung des Verwaltungsstrafgesetzes im Sinne der Begründung eines Rechtsanspruches ins Auge zu fassen." Wenn schon die Behörde trotz Vorliegens der im § 49a Abs.2 VStG normierten Voraussetzungen von der Verhängung einer Anonymverfügung Abstand nimmt und nach Ausforschung des Täters eine Strafverfügung erläßt, so hat sie sich bei der Festsetzung der Strafhöhe an die Bestimmung des § 19 Abs.1 VStG zu halten.

Nachdem die für die Festsetzung der Strafhöhe maßgebliche Rechtsvorschrift des § 19 Abs.1 VStG auch bei der verordnungsmäßigen Festsetzung der Strafhöhe in einer Anonymverfügung Grundlage ist (.... die durch Anonymverfügung festgesetzte Geldstrafe hat gemäß § 49a Abs.1 VStG unter Bedachtnahme auf § 19 Abs. 1 VStG zu erfolgen) und ferner sowohl bei der Anonymverfügung als auch bei der Strafverfügung die Tat hinsichtlich der festzusetzenden Strafe ohne Ansehung der Person für sich alleine zu bewerten ist, erscheint es sohin nicht gesetzeskonform, wenn in der Strafverfügung für dasselbe Delikt eine höhere Geldstrafe verhängt wird als in der Anonymverfügung.

Eine andere Betrachtungsweise hätte das aus der Sicht des Rechtschutzes unbefriedigende und nicht akzeptable Ergebnis, daß ein die materielle Wahrheit und somit das ordentliche Verfahren suchender Bürger von diesen Verteidigungsschritten vorerst einmal durch eine Vervielfachung der Geldstrafe abgeschreckt werden soll. Das zöge - aus der Sicht des Bürgers - den Verdacht nach sich, daß sich die Behörde auf diese Weise eventueller Rechtsmittel und der damit verbundenen Arbeit erwehren will. Oder: Wenn für eine behördliche Maßregelung mehrere Wege offenstehen, so darf alleine und nur durch den Umstand, daß der eine und nicht der andere Weg gewählt wurde, das Ergebnis nicht beeinflußt werden.

Zusammenfassend und wiederholend wird festgehalten: Bei den in der Verordnung der Bundespolizeidirektion Linz vom 7. Mai 1990 festgelegten Tatbeständen von Verwaltungsübertretungen, die offensichtlich als eher geringfügige Verwaltungsübertretungen angesehen werden, darf, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung einer Anonymverfügung vorliegen, in der Strafverfügung die Strafe nicht höher sein als sie in der zitierten Verordnung festgelegt wurde.

Die gemäß § 19 Abs.1 VStG normierte allgemeine Strafbemessungsregel stellt ausschließlich auf objektive Umstände ab. Auf subjektive Tatsachen (etwa geringes Verschulden), selbst wenn sie im Strafverfügungsverfahren schon bekannt wären, darf nicht Rücksicht genommen werden, ebensowenig auf allfällig bekannte sonstige im § 19 Abs.2 VStG normierte Strafbemessungsgründe. Wenn diese bei der Bemessung der Strafhöhe - gleich ob für den Beschuldigten positiv oder negativ - Berücksichtigung finden sollen, so wäre der Weg über das Straferkenntnis zu wählen.

b) Zum gegenständlichen Verfahren: Hier hat die Erstbehörde befunden, daß die im Ermittlungsverfahren zutage getretenen Gründe im Sinne des § 19 Abs.2 VStG nicht hinreichen, die in der Strafverfügung festgesetzte Strafe herabzusetzen. Es wurde aber auch kein Anlaß gefunden, die Strafe zu erhöhen, obwohl ausdrücklich als erschwerend die Vormerkungen in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht bewertet wurden.

Da die Festsetzung der Strafhöhe im Straferkenntnis für den unabhängigen Verwaltungssenat ebensowenig nachvollziehbar ist wie die Festsetzung der Strafhöhe in der Strafverfügung, wird sie unter Bedachtnahme auf den unter Punkt I.5. dargestellten Sachverhalt sowie die obigen Ausführungen wie folgt bemessen:

Neben dem im Materiengesetz normierten Strafrahmen (gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960: bis 10.000 S) ist gemäß § 19 Abs.1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Den unter Punkt I.6.a dargelegten Ausführungen zufolge ist die Strafe ohne Berücksichtigung der im § 19 Abs.2 VStG angeführten Strafbemessungsmerkmale entsprechend der Verordnung der Bundespolizeidirektion Linz vom 7.Mai 1990 entsprechend festzusetzen, also mit 200 S, weil ja im konkreten Fall die Voraussetzungen für die Erlassung einer Anonymverfügung vorlagen.

Im ordentlichen Verfahren sind gemäß § 19 Abs.2 VStG überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Nach dem vorliegenden Sachverhalt liegen keine mildernden Umstände vor. Erschwerend ist die Tatsache, daß gegen den Berufungswerber drei einschlägige Vormerkungen aufscheinen, wobei das diesbezügliche deliktische Verhalten in den Jahren 1986 und 1987 gesetzt wurde. Bei der Festsetzung einer Geldstrafe in der Höhe von 400 S ist eine Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse so gut wie nicht entscheidend und somit auch deren Erhebung nicht zielführend. Hinsichtlich des Ausmaßes des Verschuldens wird dem Berufungswerber allerdings konzediert, daß er eine Ladetätigkeit durchzuführen hatte und sein PKW nur zur Hälfte im Haltestellenbereich abgestellt war. Bei der Bewertung all dieser Umstände erscheint die im Spruch festgesetzte Strafhöhe (die immerhin noch eine Verdoppelung einer gesetzmäßig festgesetzten Strafe in einer Strafverfügung bedeutet) angemessen.

II. Die Herabsetzung der Verfahrenskosten ist in der zitierten gesetzlichen Bestimmung begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider 6

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