Linz, 25.05.2009
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über Berufung des Herrn J T, geb. am , H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, vom 21. April 2009, Zl. VerkR96-428-2009-Hof, nach der am 18. Mai 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Der Berufung wird keine Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 20/2009 - AVG, iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 20/2009 - VStG;
II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren 2 x € 16,-- und 1 x € 12 (20% der verhängten Geldstrafe) auferlegt.
Rechtsgrundlage:
§ 64 Abs.1 u. 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
3) er am 05.022009 um 10:05 Uhr in der Gemeinde Arnreit auf der Rohrbacher Straße B127 bei Strkm. 39,200 (leichte Rechtskrümmung) in Fahrtrichtung Linz, mit dem PKW behördliches Kennzeichen (A) beim Überholen eines Fahrzeuges keinen der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechenden seitlichen Abstand vom überholten Fahrzeug eingehalten habe, weil zu diesem Zeitpunkt eine Kolonne von Fahrzeugen entgegen kam.
1.1. Die Behörde erster Instanz stützte führt begründend folgendes aus:
2. In der gegen das Straferkenntnis bei der Behörde erster Instanz fristgerecht protokollarisch eingebrachten Berufung bestreitet der Berufungswerber die damalige Lenkereigenschaft. Sinngemäß vermeint er, seine Mutter hätte nicht genau wissen können ob damals er oder sein Bruder das Fahrzeug an der fraglichen Zeit das Fahrzeug lenkte.
3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den o.a. Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach und deren auszugsweisen Verlesung anlässlich der durchgeführten Berufungsverhandlung. Beigeschafft wurden ferner Übersichtsaufnahme aus dem System Doris und durch Vorlage von sechs Fotos seitens des Meldungslegers, welcher ebenfalls zeugenschaftlich einvernommen wurde (Beilage 1). Der Berufungswerber erschien trotz entsprechenden Hinweises und ausgewiesener Zustellung unentschuldigt zur Berufungsverhandlung nicht. Die Behörde erster Instanz war durch die Sachbearbeiterin vertreten.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat erachtet es als erwiesen, dass der Berufungswerber der Fahrzeuglenker zur fraglichen Zeit war. Diesbezüglich stützt sich das Beweisergebnis einerseits auf die Lenkerauskunft der Fahrzeughalterin vom 27.2.2009 und deren oben zitierten zeugenschaftlichen Angaben vor der Behörde erster Instanz am 31.3.2009, sowie auf das Ergebnis der Berufungsverhandlung.
Zu diesem auch von der Behörde erster Instanz zur Kenntnis gebrachten Beweisergebnis äußerte sich der Berufungswerber unbegründet nicht.
Der Berufungswerber lenke zum o.a. Zeitpunkt auf der B127 das eingangs bezeichnete KFZ in Richtung Linz. Im Bereich des Straßenkilometer 39,2 überholte er drei mit etwa 80 km/h fahrende mehrspurige Kraftfahrzeuge trotz Gegenverkehrs, wobei er die Gruppe von ebenfalls zumindest drei entgegen kommenden Kraftfahrzeugen auf Höhe des Berufungswerbers deutlich in dessen Fahrstreifen hinein ragend passierte.
Ein hinter dem Meldungsleger fahrender Pkw zeigte die dadurch herbeigeführte Gefährlichkeit durch ein Zeichen mit der Lichthupe auf.
Die B 127 ist im fraglichen Bereich etwa 9,5 m breit. Sie weist zwei durch Leitlinien gekennzeichnete Fahrstreifen auf.
Geht man davon aus, dass sich mit 80 km/h bewegende Fahrzeuge etwa eineinhalb Meter vom rechten Fahrbahnrand entfernt bewegen, ist es durchaus nachvollziehbar, dass einerseits beim Überholen einer Fahrzeugkolonne von drei oder vier Fahrzeugen die Straßenmitte überragt und auch der Seitenabstand zu den überholten Fahrzeugen erheblich reduziert werden musste. Beides kann hier in der Beobachtung des Meldungslegers glaubhaft nachvollzogen gelten.
Die Gefahrensichtweite kann gemäß dem vorliegenden Bildmaterial bei Strkm. 39,2 auf Grund des leichten Kurvenverlaufes mit maximal 250 m angenommen werden.
Unter der Annahme der Einleitung des Überholvorganges aus einem Mindestsicherheitsabstand (eine Sekunde) aus 80 km/h und einem mit 2 m/sek2 zu Grunde gelegten überdurchschnittlichen Beschleunigungswert eines PS-starken Fahrzeuges, wird für die Ausführung des Überholvorganges eine Wegstrecke von 281 m benötigt. Ein sich präsumtiv mit 100 km annähernder Gegenverkehr legt während dieses Vorganges knappe 272 m zurück (Berechnung mit Analyzer Pro 32, Version 6).
Daraus folgt, dass die Darstellungen des Meldungslegers auch rechnerisch nachvollziehbar sind. Völlig plausibel erscheint die Darstellung des zeugenschaftlich einvernommenen GI H, dass der überholende Lenker noch mitten im Überholvorgang an seinem Fahrzeug vorbei fuhr, wobei sich dieses rote Fahrzeug deutlich auf der Gegenfahrbahn befunden hat. Es befanden sich sozusagen drei Fahrzeuge nebeneinander. Das der Berufungswerber durch den Gegenverkehr sehr knapp an die überholten KFZ heranfahren musste um nicht in den Gegenverkehr zu geraten liegt somit auf der Hand.
Als Lenker konnte der Meldungsleger im Übrigen auch einen maximal 30 Jahre alten Mann mit kurzem Haar erkennen.
Dem Meldungsleger als Lenker eines unmittelbar von diesem Überholvorgang betroffener Augenzeugen wird zugemutet diese Wahrnehmung in einer für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit gemacht haben zu können.
Der Berufungswerber tritt diesen inhaltlich nicht entgegen, wenn er sich lediglich bestreitend im Hinblick auf seine Lenkereigenschaft verantwortet, ohne dies im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht auch nur in Ansätzen mit Fakten zu belegen. Schließlich fand er es offenbar auch gar nicht Wert zur Berufungsverhandlung zu erscheinen, obwohl ihm die diesbezügliche Ladung – wie eine fernmündliche Rückfrage an seiner Wohnadresse am Verhandlungstag ergeben hat – offenkundig zugestellt wurde.
5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:
§ 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 besagt:
Der Lenker eines Fahrzeuges darf nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.
Das Schutzziel des § 16 Abs.1 lit.a StVO gründet dem klaren Wortlaut nach vor allem in der Vermeidung der Gefährdung und Behinderung entgegenkommender Fahrzeuge und schließt wohl gleichzeitig auch den abstrakten Gefährdungsaspekt von "anderen" Straßenbenützer noch mit ein.
Die Zulässigkeit des Überholens ist nicht vom Endpunkt des Überholmanövers, sondern von dessen Beginn aus zu beurteilen (VwGH 20.11.1967, ZVR 1969/11 u.v.a.). Dabei setzt für eine diesbezügliche Entscheidung grundsätzlich die Feststellung jener Umstände voraus, die für die Länge der für den Überholvorgang benötigten Strecke von Bedeutung ist, das sind in erster Linie die Geschwindigkeiten des Überholenden und des (der) zu überholenden Fahrzeuge(s). Die Gefahrensichtweite für einen Überholvorgang hätte hier etwa 500 m zu betragen gehabt. Tatsächlich lag sie nur etwa bei der Hälfte. Ebenso sind vor dem Überholmanöver Umstände zu beurteilen, welche einem Wiedereinordnen in den Verkehr entgegenstehen könnten (VwGH 12.3.1986, 85/03/0152). Selbst wenn hier der Überholentschluss noch zum Zeitpunkt des noch nicht sichtbaren Gegenverkehrs gefasst worden wäre und sich hier in der Folge ergab, dass auf Grund der Nähe des Gegenverkehrs gleichsam drei Fahrzeuge nebeneinander zu Fahren gekommen sind, wurde damit zusätzlich auch noch dem Schutzziel des § 16 Abs.1 lit.c StVO zuwider gehandelt (vgl. auch OGH 23.11.1977, 8 Ob 160/77, ZVR 1979/120). Die Behörde erster Instanz hat dies zutreffend erkannt.
Nach § 15 Abs.4 StVO 1960 ist beim Überholen auch ein der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechender seitlicher Abstand vom überholten Fahrzeug einzuhalten. Dieser kann gemäß der verkehrsüblichen Formel als Mindestmaß in Meter mit einem Prozent der gefahrenen Geschwindigkeit angenommen werden.
6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
6.1. Grundsätzlich ist festzustellen, dass knappe und unbedacht bis rücksichtslos ausgeführte Überholvorgänge sehr gefährliche und mit hoher Unfallwahrscheinlichkeit begleitete Fahrmanöver darstellen. Diese lassen in vielen Fällen darauf schließen, dass die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer leichtfertig, routinemäßig und wohl als Folge einer auf wenig Geduld schließen lassende Neigung einfach leichtfertig in Kauf genommen wird. Von einer zumindest massiven abstrakten Gefährdung muss bei einem Überholentschluss wie er hier vorlag - bei offenkundig falsch eingeschätzter oder sogar ignorierter Überholsichtweite - ausgegangen werden. Im Fall einer konkreten Gefährdung würde überhaupt ein in die Zuständigkeit der Gerichte fallender Tatbestand nach § 89 StGB (Gefährdung der körperlichen Sicherheit) vorliegen.
Derartige Verhaltensmuster könnten im Wiederholungsfall durchaus auch die Frage nach der Verkehrszuverlässigkeit im Rahmen eines Administrativverfahrens (Führerscheinentzugsverfahren) aufwerfen.
Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, dass angesichts des hohen abstrakten Gefährdungspotentials riskanter Überholmanöver bei bloßer Ausschöpfung des Strafrahmens im untersten Bereich sehr niedrig angesetzt wurde. Insbesondere aus Gründen der Generalprävention ist es geboten derartige Fehlverhalten im Straßenverkehr, die auf mangelhaftes Unrechtsbewusstsein und einer erhöhten Neigung zur Rücksichtslosigkeit schließen lassen, durch entsprechende Ausschöpfung des Strafrahmens verstärkt zu ahnden. Die hier verhängten Geldstrafen sind trotz des nur auf € 770 geschätzten Monatseinkommens vor diesem Hintergrund als durchaus milde bemessen zu erachten.
Wenn etwa für diverse an der ziffernmäßigen Überschreitung einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit ohne konkreten Gefährdungsbezug mit deutlich höheren Strafsätzen als hier in Summe für drei verschiedene Schutzzielübertretungen ausgesprochen wurden, vermag jedenfalls ein Ermessenfehler in der Strafzumessung nicht geortet werden.
Die Berufung war daher vollumfänglich abzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss ‑ von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen ‑ jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r