Linz, 25.05.2009
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn D P, A, vom 19. März 2009 gegen die Höhe der mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 13. März 2009, VerkR96-13277-2008/LL, wegen Übertretungen der StVO 1960 und des KFG 1967 verhängten Strafen, zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die mit dem angefochtenen Straferkenntnis verhängten Strafen herabgesetzt werden auf:
1) 500 Euro (5 Tage EFS),
2) und 6) je 30 Euro (je 18 Stunden EFS),
3) und 8) je 50 Euro (je 24 Stunden EFS),
4) und 7) je 40 Euro (je 24 Stunden EFS) und
5) 60 Euro (30 Stunden EFS).
II. Der Beitrag zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz ermäßigt sich auf:
1) 50 Euro,
2) und 6) je 3 Euro,
3) und 8) je 5 Euro,
4) und 7) je 4 Euro und
5) 6 Euro,
zusammen 80 Euro. Kostenbeiträge zum Rechtsmittelverfahren sind nicht zu leisten.
Rechtsgrundlage:
§§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 19 und 64f VStG
Entscheidungsgründe:
Zu I.:
1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1a StVO 1960, 2) §§ 102 Abs.1, 7 Abs.1 und 134 Abs.1 KFG 1967 iVm § 4 Abs.4 KDV, 3) §§ 38 Abs.5 iVm 38 Abs.1 lit.a und 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 4) §§ 97 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 5) §§ 102 Abs.1 iVm 36 lit.a und 134 Abs.1 KFG 1967, 6) §§ 102 Abs.1 iVm 19 Abs.1 und 134 Abs.1 KFG 1967, 7) §§ 52 lit.a Z1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 8) §§ 52 lit.a Z10a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 872 Euro (10 Tagen EFS), 2) 50 Euro (1 Tag EFS), 3) 70 Euro (36 Stunden EFS), 4) 80 Euro (36 Stunden EFS), 5) 100 Euro (3 Tagen EFS), 6) 35 Euro (24 Stunden EFS), 7) 60 Euro (30 Stunden EFS) und 8) 80 Euro (36 Stunden EFS) verhängt, weil er am 20. April 2008 um 11.33 Uhr das Kleinkraftrad, Mofa im Gemeindegebiet von Enns gelenkt habe
1) im Schlosspark Enns (beim Rondeau), wobei er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe (Alkoholisierungsgrad 0,72 mg/l AAG),
2) im Schlosspark Enns (beim Rondeau), wobei er sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, vor Fahrtantritt nicht davon überzeugt habe, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des KFG entsprochen habe, da festgestellt worden sei, dass der hinter Reifen in der Mitte der Lauffläche (3/4 der Laufflächenbreite) nicht mehr die erforderliche Profiltiefe von 1,0 mm aufgewiesen habe,
3) auf der L568 bei km 186.3, wobei er trotz Rotlichtes der Verkehrslichtsignalanlage nicht an der Haltelinie angehalten habe, sondern weitergefahren sei,
4) auf der L568 auf Höhe der Zufahrt zur Fa O Ö, wobei er dem von einem Straßenaufsichtsorgan mittels Rotlicht des Anhaltestabes deutlich sichtbar gegebenen Zeichen zum Anhalten nicht Folge geleistet habe, weil die Fahrt ununterbrochen fortgesetzt worden sei,
5) beim Schlosspark Enns (beim Rondeau), wobei er das angeführte Kraftrad als Lenker verwendet habe, obwohl mit dem als Motorfahrrad zugelassenen Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 73 km/h erreicht werden habe können. Diese sei mittels Nachfahren in gleichbleibendem Abstand festgestellt worden. Das ggst Fahrzeug gelte daher nicht mehr als Motorfahrrad sondern als Kleinmotorrad und sei daher nicht richtig zum Verkehr zugelassen.
6) beim Schlosspark Enns (beim Rondeau), wobei er sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, vor Fahrtantritt nicht davon überzeugt habe, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des KFG entsprochen habe, da festgestellt worden sei, dass beim Kleinkraftrad der hintere rechte Fahrtrichtungsanzeiger nicht funktioniert habe.
7) auf der Zufahrt zur "Seufzerallee" vom Alten Schmidberg kommend, wobei er den Straßenzug trotz des deutlich sichtbar aufgestellten Verbotszeichens Fahrverbot, ausgenommen Anrainer und Radfahrer, befahren habe, obwohl er nicht unter diese Ausnahme gefallen sei.
8) auf dem Alten Schmidberg Richtung Zentrum die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 23 km/h überschritten - die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden.
Insgesamt wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von 134,70 Euro auferlegt.
2. Gegen die Höhe der Strafen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z2 VStG).
3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er gestehe die Übertretungen ein und sei sich der Folgen bewusst. Der Vorfall vom 20. April 2008 tue ihm leid. Er habe aus seinen Fehlern gelernt und sei sicher, dass sich ähnliches nicht wieder ereignen werde. Er ersuche um Strafmilderung. Er beziehe Lehrlingsentschädigung von 574,91 Euro monatlich – dazu wird die Gehaltsabrechnung vom Jänner 2009 vorgelegt – und müsse davon Kostgeld, Bausparer und Versicherung (Haftpflicht), gesamt 304,33 Euro bezahlen.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.
Daraus geht hervor, dass der beim Vorfall am 20. April 2008 16jährige (geb ) Bw wegen der oben angeführten Verwaltungsübertretungen von einer Zivilpatrouille der Landesverkehrsabteilung nach einem misslungenen Anhalteversuch verfolgt wurde, wobei er in Panik geriet und in den Ennser Schlosspark flüchtete. Beim Bergabfahren stürzte er, ließ das Moped liegen und lief zu Fuß weiter. RI R lief ihm nach und konnte ihn kurz fassen, stürzte aber aufgrund einer Abwehrbewegung des Bw und nahm ihn schließlich in der Reintalgasse fest. Der daraufhin um 11.33 Uhr durchgeführte Alkotest ergab 0,72 mg/l AAG. Der Bw gab an, mit Freunden in einem Lokal in A Geburtstag gefeiert zu haben, wo er zwischen Mitternacht und Tagesanbruch 6-7 Gespritzte getrunken habe. Am späten Vormittag sei er mit dem Moped nach Enns gefahren, "was es so gehe" und habe dabei die Ampel übersehen. Als ihn ein Fahrzeug überholt habe, habe er die Winkerkelle der Polizei gesehen und sei in Panik davongefahren. Er habe in der Schlossallee versucht, das Fahrzeug abzuschütteln und sei beim Rondeau gestürzt. als er weglaufen wollte, habe ihn ein Beamter angehalten. Er sehe ein, dass es eine Riesendummheit gewesen sei. Für das Hinterrad könne er nichts; er hätte zum Geburtstag einen neuen Reifen geschenkt bekommen sollen. Den Blinker habe er einige Tage vorher verloren.
Im Akt befindet sich ua ein Foto des Reifens, auf dem das gänzliche Fehlen jeglichen Profils in der Laufflächenmitte und ein gerade noch wahrnehmbares Profil im Seitenbereich zu sehen ist.
Der Bw wurde mit Urteil des LG Steyr vom 24. Juni 2008, 10 Hv 35/08g, wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt gemäß §§ 15, 269 Abs.1 3.Alt. StGB, des Vergehens der schweren Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs.1, 84 Abs.2 Z4 StGB und des Vergehens der Verleumdung gemäß § 297 Abs.1 1.Alt StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt, die für eine Probezeit von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde.
In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Zu Punkt 1):
Der Strafrahmen des § 99 Abs.1a StVO 1960 reicht von 872 Euro bis 4.360 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit von 10 Tagen bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe. Gemäß § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist.
Der Bw ist am 13. April 1992 geboren, dh er war am Sonntag, dem 20. April 2008, 16 Jahre alt und damit Jugendlicher im Sinne des§ 74 Z2 StGB. Damit war in Anwendung des § 20 VStG ein Strafrahmen von 436 Euro bis 4.360 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit von 5 Tagen bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe zugrundezulegen.
Der Bw ist unbescholten und hat ein Einkommen in Form der Lehrlingsentschädigung, kein Vermögen und keine Sorgepflichten.
Aus dem Akt geht hervor, dass er nach dem Konsum größerer Alkoholmengen von Mitternacht bis "Tagesanbruch" zunächst versuchte, als Beifahrer bei einem Freund heimzukommen, allerdings bei einer Anhaltung wegen Nichtverwendung des Sicherheitsgurtes 35 Euro zahlen hätte sollen, die er nicht bei sich gehabt hatte. In Wahrnehmung des Angebots, die Strafe bei der PI Enns zu bezahlen, fuhr er gegen Mittag mit dem Mofa nach Enns – das war die in Rede stehende Fahrt. Dabei hatte er immerhin noch einen AAG von 0,72 mg/l, der einem BAG von immerhin 1,44 %o entsprach.
Die Untergrenze des § 99 Abs 1a StVO entspricht einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,6 mg/l bzw 1,2 %o Blutalkoholgehalt, dh der Bw befand sich etwa im mittleren Bereich, wobei er sich aber offensichtlich keine Gedanken über seinen aktuellen Zustand gemacht hatte. Er besitzt einen Mopedausweis, von einer Fahrschule ausgestellt am 25.4.2007, also 1 Jahr vor dem Vorfall, sodass anzunehmen ist, dass ihm die Alkoholbestimmungen und die Möglichkeit einer groben Einschätzung seines Zustandes aus Alkoholkonsum, Körpergewicht und stündlichem Abbau nicht gänzlich unbekannt sein dürfte. Allein der Umstand, dass der Bw bei einer (hoffentlich bislang seltenen) Alkoholisierung von immerhin noch knapp unter 1,5 %o zu Mittag nach Trinkende "bei Tagesanbruch" mit dem Mofa angeblich losfuhr, um ein Organmandat bei der PI Enns zu bezahlen, lässt bei Zutreffen dieses Fahrzieles den Schluss zu, dass er sich bei Fahrtantritt schon "in Panik" befunden haben muss und deshalb so gänzlich unüberlegt gehandelt hat.
Unter Berücksichtigung all dieser Überlegungen ist eine Neufestsetzung der Strafe an der Untergrenze des zugrundezulegenden, von der Erstinstanz nicht berücksichtigten Strafrahmens gerechtfertigt.
Zu den Punkten 3), 4), 7) und 8):
Der Strafrahmen § 99 Abs.3 StVO 1960 reicht bis 726 Euro Geldstrafe, im Fall der Uneinbringlichkeit bis zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.
Die Anwendung des § 20 VStG kommt hier wegen des Fehlens einer unterschreitbaren Mindeststrafe nicht zum Tragen, allerdings waren das jugendliche Alter und die Unbescholtenheit des Bw mildernd zu berücksichtigen; dem steht als Erschwerungsgrund gegenüber die Häufung von Übertretungen. § 21 VStG war nicht anzuwenden, weil von geringfügigem Verschulden keine Rede sein kann; dass das Nichtanhalten bei einer Polizeikontrolle für ihn nur negative Folgen haben kann, hätte dem Bw einleuchten müssen.
Die Herabsetzung der Strafen war nur angesichts der oben genannten Milderungsgründe diesmal noch gerechtfertigt.
Zu den Punkten 2), 5) und 6):
Der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 reicht bis 5.000 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zu sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.
Auch hier waren die §§ 20 und 21 VStG nicht anzuwenden. Wenn der Bw schon zum Geburtstag einen Reifen geschenkt bekommen hat, ist eine Fahrt mit dem alten abgefahrenen Reifen wohl nur als extrem sorglos zu bezeichnen – ebenso die Einhaltung einer Geschwindigkeit, "was das Mofa so hergibt", wenn ihm die Polizei schon nachfährt. Auch hier war die Strafherabsetzung nur aufgrund seines jugendlichen Alters und der seiner Unbescholtenheit diesmal noch gerechtfertigt.
Insgesamt liegen die nunmehr gemäß § 19 VStG herabgesetzten Strafen an der Untergrenze des jeweiligen gesetzlichen Strafrahmens, halten generalpräventiven Überlegungen stand und geeignet, den Bw von der Begehung weiterer ähnlicher Übertretungen abzuhalten. Die Ersatzfreiheitsstrafen sind im Verhältnis zu den Geldstrafen angemessen. Es steht dem Bw frei, bei der Erstinstanz um die Möglichkeit der Bezahlung der Geldstrafen in seinem tatsächlichen Einkommen angepassten Teilbeträgen anzusuchen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
zu II.:
Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Bissenberger
Beschlagwortung:
§ 20 VStG bei Jugendlichen -> Herabsetzung