Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163927/7/Fra/Se

Linz, 28.05.2009

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn O B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 29. Jänner 2009, VerkR96-30335-2007/Ke/Pos, betreffend Übertretung des KFG 1967, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 18. Mai 2009, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen

a) Übertretung des § 106 Abs.2 KFG 1967 gemäß § 134 Abs.3d Z1 leg.cit. eine Geldstrafe von 50 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und

b) wegen Übertretung des § 102 Abs.1 iVm § 4 Abs.2 KFG 1967 gemäß § 134 Abs.1 leg.cit. eine Geldstrafe von 40 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt, weil er

a) als Lenker eines Kraftfahrzeuges den Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß verwendet hat. Dies wurde bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO 1960 festgestellt. Er hat eine Organstrafverfügung nicht bezahlt, obwohl ihm eine solche angeboten wurde.

Tatort: Gemeinde Hörsching, Kaiserweg 2.

Tatzeit: 28.5.2007, 13.20 Uhr.

b) sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt hat, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass die für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des angeführten Fahrzeuges maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer, noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen, noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass die Windschutzscheibe im Sichtbereich gesprungen war.

Tatort: Gemeinde Hörsching, Kaiserweg 2

Tatzeit: 28.5.2007, 13.20 Uhr.

Fahrzeug: Kennzeichen     , Personenkraftwagen M1, VW.

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG jeweils ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 51c erster Satz VStG) zu entscheiden hat.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 18. Mai 2009 erwogen:

 

Zum Faktum 1 (§ 106 Abs.2 iVm § 34 Abs.3d Z1 KFG 1967):

Ist ein Sitzplatz eines Kraftfahrzeuges mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet, so sind gemäß § 106 Abs.2 KFG 1967 Lenker und beförderte Personen, die einen solchen Sitzplatz benützen, je für sich zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes verpflichtet, sofern nicht Abs.5 Anwendung findet. Die Verletzung dieser Pflicht begründet, jedoch nur soweit es sich um einen allfälligen Schmerzensentgeltanspruch handelt, im Fall der Tötung oder Verletzung des Benützers durch einen Unfall ein Mitverschulden an diesen Folgen im Sinne des § 1304 ABGB. Das Mitverschulden ist soweit nicht gegeben, als der Geschädigte (sein Rechtsnachfolger) beweist, dass die Folge in dieser Schwere auch beim Gebrauch des Sicherheitsgurts eingetreten wäre.

 

Gemäß § 134 Abs.3d Z1 KFG 1967 begeht eine Verwaltungsübertretung, welche mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG mit einer Geldstrafe von 35 Euro zu ahnden ist, wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges oder als mit einem Kraftfahrzeug beförderte Person die in § 106 Abs.2 angeführte Verpflichtung nicht erfüllt, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO 1960 festgestellt wird. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu 72 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden zu verhängen.

 

Der Bw bringt im Wesentlichen vor, dass ein Verstoß gegen die Gurtpflicht aus Anlass einer Anhaltung festgestellt werden muss. Laut Straferkenntnis wurden die Verwaltungsübertretungen bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO 1960 festgestellt, wobei die Behörden ermächtigt werden, den Fahrzeuglenker durch deutlich hörbare oder sichtbare Zeichen zum Anhalten des Fahrzeuges zum Zwecke der Vornahme von Amtshandlungen aufzufordern. Der Lenker hat dieser Aufforderung Folge zu leisten. Eine Feststellung über eine dem entsprechende Aufforderung gehe weder aus dem Akt hervor, noch sei aktenkundig, dass eine Aufforderung dieser Art vom Sicherheitswacheorgan ihm gegenüber erfolgte. Eine derartige Anhaltung sei nicht erfolgt. Das Fahrzeug sei zu dem Zeitpunkt, als eine erste Amtshandlung erfolgte, bereits auf einem Parkplatz abgestellt und er sei bereits ein gutes Stück vom Fahrzeug entfernt gewesen. Eine Aufforderung zum Anhalten im Sinne des § 97 StVO 1960 habe daher gar nicht erfolgen können, da der Lenker ja bei einer Anhaltung durch deutlich sichtbare Zeichen zum Anhalten aufzufordern sei. Eine Strafbarkeit gemäß § 134 Abs.3d Z1 iVm § 106 Abs.2 KFG 1967 scheidet daher bereits aus diesem Grund aus.

 

Der Bw ist mit diesem Vorbringen im Recht, denn der Meldungsleger konnte sich bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme bei der Berufungsverhandlung nicht mehr genau erinnern, ob er den Bw, wie dies im angefochtenen Straferkenntnis zum Ausdruck kommt, tatsächlich im Sinne des § 97 Abs.5 StVO 1960 angehalten hat oder dieser von sich aus an der Tatörtlichkeit, wo der Bw zur Tatzeit gewohnt hat, sein Fahrzeug zum Stillstand gebracht hat. Im Sinne des § 134 Abs.3d Z1 KFG 1967 ist jedoch verfahrensrechtliche Voraussetzung für die Ahndung dieser Verwaltungsübertretung, dass der Verstoß aus Anlass einer Anhaltung festgestellt sein muss. Hinzuweisen ist darauf, dass die in Rede stehende Vorschrift wegen des verminderten Schuldgehaltes hauptsächlich dem Selbstschutz dient und deshalb eine Bestrafung nur bei Anhaltung durch ein Exekutivorgan (§ 97 Abs.5 StVO 1960) und in der Regel in Form einer Organstrafverfügung er folgen wird.

 

Im Hinblick auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 51i VStG), wonach, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen ist, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist, kann nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Bw tatbildlich gehandelt hat, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Zum Faktum 2. (§ 102 Abs.1 iVm § 4 Abs.2 KFG 1967):

Nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 25. Jänner 2005, 2004/02/0295) liegt dann, wenn durch den Zustand der Windschutzscheibe vom Material her das „sichere Lenken“ – sei es weil Gegenstände verzerrt erscheinen oder weil aus anderen Gründen keine ausreichende Sicht gegeben ist – unter dem Blickwinkel des Schutzzweckes des KFG (das heißt der Sicherheit der Teilnehmer im Straßenverkehr) nicht gewährleistet ist, eine Strafbarkeit des Lenkers nach der Bestimmung des § 102 Abs.1 iVm der Vorschrift des § 10 Abs.1 KFG 1967 vor. Dem Bw wurde aber im gesamten erstinstanzlichen Verfahren eine Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs.1 iVm § 4 Abs.2 KFG 1967 zur Last gelegt. Wenn daher der Bw argumentiert, dass der Sprung in der Windschutzscheibe unzutreffend unter § 4 KFG 1967 subsumiert worden sei, ist er im Ergebnis damit im Recht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

 

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. F r a g n e r

 

 

 

 

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