Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164159/2/Fra/RSt

Linz, 28.05.2009

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn A A, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 16. April 2009, VerkR96-2236-2008/Se, betreffend Übertretungen der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis – ohne Einstellung des Verfahrens – aufgehoben wird.

 

Die Berufungswerberin hat keinen Verfahrenskostenbeitrag zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 VStG; § 66 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretungen des § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960, § 4 Abs.5 StVO 1960 und § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 Geldstrafen (Freiheitsstrafen) verhängt.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land – als nunmehr belangte Behörde – sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlasst und legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c erster Satz VStG).

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

Die belangte Behörde hat de facto kein Verfahren durchgeführt. Sie übermittelte dem Bw zwar die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15. April 2008, VerkR96-2236-2008. Diese Aufforderung hat jedoch der Bw nicht behoben. Er hat daher von den Tatvorwürfen nichts wissen können. Ohne weiteren Verfahrensschritt stellte die belangte Behörde das nunmehr angefochtene Straferkenntnis rund ein Jahr später zu.

 

Dem Oö. Verwaltungssenat ist es auf Grund seiner verfassungsnötigen Funktion als einem Organ der Gesetzmäßigkeitskontrolle der Verwaltung verwehrt, substantielle Versäumnis des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens aus eigenem zu substituieren und so die Rolle des unparteiischen Richters zu verlassen und stattdessen (auch) in die Position des Anklägers zu schlüpfen. Art.6 Abs.1 EMRK garantiert bei strafrechtlichen Anklagen ein "faires Verfahren", das den Anklageprozess (vgl. Art.90 Abs.2 B-VG) und damit eine strikte Trennung der richterlichen von der anklagenden Funktion voraussetzt. Diese Rechtsansicht ist so zu verstehen, dass das Beweisverfahren nicht erst im Berufungsverfahren begonnen werden kann, denn ein vom Unabhängigen Verwaltungssenat gemäß § 51g Abs.1 VStG durchgeführtes Beweisverfahren kann von vorn herein nur ergänzender bzw. korrigierender Art sein.

 

Gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG in diesem Lichte verfassungskonform interpretiert, kann daher nur bedeuten, dass der Unabhängige Verwaltungssenat in Fällen, wo einerseits das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren mit gravierenden Mängeln behaftet war oder de facto nicht durchgeführt wurde, andererseits aber berechtigte Anhaltspunkte für das mangelnde Verschulden des Beschuldigten bestehen, zwar nicht zu einer Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 66 Abs.2 AVG (die eine Fortführungspflicht für die Erstbehörde begründet), wohl aber zu einer Aufhebung des Bescheides (die für die Erstbehörde lediglich eine Fortführungsmöglichkeit bedeutet), berechtigt ist, ohne dass damit gleichzeitig auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verbunden wird.

 

Da der Bw vorbringt, dass er von einer Streifung eines anderen Pkws nichts mitbekommen habe, wird die belangte Behörde – sofern sie das Verfahren fortführt – ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen haben, ob der BW tatsächlich als Lenker eines Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden ist, einen Sachschaden verursacht hat und bejahendenfalls ob ihm objektive Umstände zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit wenigstens einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (ständige Judikatur des VwGH).

 

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. F r a g n e r

 

 

 

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