Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-390247/2/WEI/Eg

Linz, 02.06.2009

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der P K, Geschäftsführerin der M M GmbH., L, vertreten durch Dr. A H, Rechtsanwalt in L, gegen das Straferkenntnis des Fernmeldebüros für Oberösterreich und Salzburg, vom 15. April 2008, Zlen. BMVIT-635.540/0115/08 und BMVIT-635.540/0144/08 wegen mehrerer Verwaltungsübertretungen nach dem Telekommunikationsgesetz 2003 - TKG 2003 (BGBl I Nr. 70/2003 idF BGBl I Nr. 133/2005) zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und die Strafverfahren werden gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (im Folgenden Bwin) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Sie haben es als Geschäftsführerin der Fa. M M GmbH, L, (weiterhin kurz: M) durch den von Ihnen mit der Fa. D T 24 S.L., T B, A, (weiterhin kurz: D T 24) am 01.11.2005 abgeschlossenen Vertrag "Ankauf von Adressdateien", in welchem Sie mit der Fa. D T vereinbart haben, dass durch dieses Unternehmen Adressdatensätze von Personen entgeltlich zur Verfügung gestellt werden, welche gegenüber der Fa. D T 24 eine ausdrückliche Zustimmung abgegeben haben, dass sie durch die Fa. M direkt kontaktiert werden können,

zumindest bedingt vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer, nämlich die Fa. D T 24, eine Verwaltungsübertretung dadurch begangen hat, dass

 

1) am 18.01.2008 um 14:34 durch einen Mitarbeiter der Fa. D T 24 ein Anruf zu Werbezwecken (Werbung für die Teilnahme an einem Gewinnspiel) ohne vorherige Einwilligung des angerufenen Teilnehmers E E, B I, oder einer Person, welche mit dessen Zustimmung den Anschluss benutzt hat, unter dessen Handynummer     durchgeführt worden ist, und

 

2) am 07.01.2008 um ca. 16:00 Uhr durch eine Mitarbeiterin der Fa. D T 24, welche sich als H P vorstellte, ein Anruf zu Werbezwecken (Fragestellung zu Euromillionen und Mitteilung über den Gewinn von Lottoscheinen) ohne vorherige Einwilligung der angerufenen Teilnehmerin M G, L, oder einer Person, welche mit deren Zustimmung den Anschluss benutzt hat, unter der Telefonnummer      (Fa. K) durchgeführt worden ist.

 

Sie unterliegen daher den auf diese Übertretungen gesetzten Strafen.

 

Sie haben es weiter als Geschäftsführerin der Fa. M M GmbH, L, und damit als zur Vertretung dieses Unternehmens nach außen berufene Person strafrechtlich zu verantworten, dass

 

3) am 22.01.2008 um ca. 17:35 durch dieses Unternehmen ein weiterer Anruf zu Werbezwecken (Versuch eine Auftragsbestätigung zu entlocken) wiederum ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers E E, B I, oder einer Person, welche mit dessen Zustimmung den Anschluss benutzt hat, unter dessen Handynummer      durchgeführt worden ist,

 

4) am 08.01.2008 um ca. 10:00 Uhr durch dieses Unternehmen ein weiterer Anruf zu Werbezwecken (Mitteilung über einen Gewinn und Abfrage der Kontoverbindungsdaten) ohne vorherige Einwilligung der angerufenen Teilnehmerin M G, L, oder einer Person, welche mit deren Zustimmung den Anschluss benutzt hat, unter der Telefonnummer 0732/313058 (Fa. KND) durchgeführt worden ist."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde zu den Spruchpunkten 1) und 2) jeweils den § 7 VStG iVm § 109 Abs 3 Z 19 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 70/2003, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 133/2005, und zu den Spruchpunkten 3) und 4) die Rechtsvorschriften des § 107 Abs 1 iVm § 109 Abs 3 Z 19 TKG iVm § 9 Abs 1 VStG, als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretungen zu 1) und 2) gemäß § 109 Abs 3 Z 19 TKG iVm § 7 VStG eine Geldstrafe in Höhe von jeweils 1.850 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 4 Tagen, und zu 3) und 4) gemäß § 109 Abs 3 Z. 19 TKG iVm § 9 Abs 1 VStG jeweils eine Geldstrafe in Höhe von 1.850 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 4 Tagen. An Kosten des Strafverfahrens  wurden der Bwin insgesamt 740 Euro (10 % der Strafe) vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, welches der Bwin am 17. April 2008 zu Händen ihrer Rechtsvertreter zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig am 28. April 2008 zur Post gegebene und gegen mehrere gleichgelagerte Straferkenntnisse gerichtete Berufung vom 28. April 2008, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit angestrebt wird.

 

1.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt und im Vorlageschreiben auf diverse verwaltungsgerichtliche Judikatur zum Beleg für die zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht und "auf die im Wesentlichen gleichartigen, beim UVS bereits vorliegenden Akten BMVIT-635.540/0080/07, 0081/07 und 0082/07", hingewiesen.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und Sachverhalt:

 

2.1. Mit Formularschreiben vom 22. Jänner 2008 erstattet Herr E E beim Fernmeldebüro für Oberösterreich und Salzburg Anzeige, dass er am 18. Jänner 2008, um 14:34 Uhr ohne seine vorherige Einwilligung am Telefonanschluss 0699/11710769 zu Werbezwecken angerufen worden sei. Die Anrufnummer sei unterdrückt/nicht ersichtlich gewesen. Name und Anschrift des werbenden Unternehmens sei die Lottogemeinschaft M, F 4... , gewesen. Der Name der/des Anrufers sei nicht verständlich gewesen. Zum Inhalt des Gesprächs machte Herr E folgende Angaben:

 

"versprach mir einen Gewinn und entlockte mir so meine KONTODATEN. Am 22.01.2008 um 17 Uhr 35 min erhielt ich einen Anruf von einer Dame, die mir eine Auftragsbestätigung entlocken wollte. Währenddessen wurde das Telefonat unterbrochen, da ich in ein Funkloch fuhr. Ich möchte dies zur Anzeige bringen aufgrund einer AK Meldung."

 

Mit Formularschreiben vom 21. Jänner 2008 erstattete Frau M G beim Fernmeldebüro für Oberösterreich und Salzburg Anzeige, dass sie am 7. Jänner 2008, um ca. 16:00 Uhr ohne vorherige Einwilligung am Telefonanschluss      der Fa.N zu Werbezwecken angerufen worden sei. Name und Anschrift des werbenden Unternehmens sei Fa. M M, L. Als Anruferin wurde Frau H P angegeben. Als Rückrufnummer des Unternehmens sei die Telefonnummer      angegeben worden. Zum Inhalt des Anrufes gab Frau G Folgendes an:

 

"Wurde am 07.01.2008 von oben genannter Firma angerufen, Zweck: Fragestellung über EURO Millionen. Frage wurde richtig beantwortet, worauf ich angeblich Lottoscheine gewonnen habe. Am 08.01.2008 circa 10.00 Uhr wurde ich wiederum angerufen wobei mir mitgeteilt wurde dass ich gewonnen habe. Zur Überweisung des Gewinnes wurden meine Kontodaten hinterfragt."

 

Gleichzeitig wurde jeweils ein Firmenbuchauszug der Firma M M GmbH übermittelt, aus welchem Frau P K, geb.     , als selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin seit 26. November 2005 hervorgeht.

 

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14. Februar 2008 lastete die belangte Behörde der Bwin folgendes an:

 

"1) Es wird Ihnen als Geschäftsführerin der Fa. M M GmbH, L, zur Last gelegt, durch den von Ihnen mit der Fa. D T 24 S.L., T B, A, am 01.11.2005 abgeschlossenen Vertrag mit der Bezeichnung: "Ankauf von Adressdateien", zumindest bedingt vorsätzlich veranlasst zu haben, dass am 18.01.2008 um 14:34 Uhr durch einen Mitarbeiter der Fa. D T, ein Anruf zu Werbezwecken (Werbung für die Teilnahme an Glücksspiel) bei Hrn. E E, B I, ohne dessen vorherige Einwilligung unter der Telefonnummer     durchgeführt worden ist.

 

2) Sie haben es als Geschäftsführerin, und damit als zur Vertretung der Fa. M M GmbH nach außen berufenes Organ zu verantworten, dass am 22.01.2008 um 17:35 Uhr ein weiterer Werbeanruf (zur Abgabe einer mit obigem Anruf in Zusammenhang stehenden Auftragsbestätigung) durch eine Mitarbeiterin der Fa. M M GmbH bei obigem Teilnehmer unter der angeführten Rufnummer durchgeführt wurde."

 

Einen rechtfreundlich eingebrachten Antrag auf Fristerstreckung zur Stellungnahme hat die belangten Behörde abgewiesen und ohne weitere Erhebungen das angefochtene Straferkenntnis vom 15. April 2008 mit der oben wiedergegebenen Anlastung von Verwaltungsübertretungen nach dem § 107 Abs 1 iVm § 109 Abs 3 Z 19 TKG teils iVm § 7 VStG und teils iVm § 9 Abs 1 VStG erlassen.

 

In ähnlich gelagerten Verwaltungsstrafverfahren hatte die Bwin durch ihre Rechtsvertreter die Rechtfertigung vom 25. März 2008 erstattet, in der sie zu ihrer Rechtfertigung auf die Verwaltungsstrafverfahren zu BMVIT-635.540/0080, 0081 und 0082/07 verwies, die auch schon als Berufungsverfahren beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu VwSen-390193 bis 390195-2007 anhängig waren.

 

2.2.1. In der Begründung des Straferkenntnisses führt die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, dass seit Dezember 2005 schon zahlreiche Anzeigen erstattet wurden, welche im Wesentlichen übereinstimmend zum Inhalt haben, dass die Anzeiger Werbeanrufe ohne ihre Einwilligung erhalten, in denen sie von der Fa. M bzw. der D T 24 zur Teilnahme an einem Lottospiel beworben werden. Auch die gegenständlichen Anzeigeerstatter erhielten Anrufe, wobei sie beim ersten Anruf über einen angeblichen Gewinn informiert und ihre Kontodaten erfragt (herausgelockt) worden seien. Nach kurzer Zeit (am nächsten Tag oder im Abstand von wenigen Tagen) erfolgte ein weiterer Anruf, in dem eine Auftragsbestätigung gefordert bzw die Kontodaten ein weiteres Mal hinterfragt worden wären.

 

Die belangte Behörde nimmt dann auf die niederschriftliche Einvernahme der Bwin am 13. April 2007 in gleichgelagerten Strafverfahren Bezug und referiert die Verantwortung, wonach die Anrufe von der Fa. D T 24 mit Sitz in Spanien durchgeführt werden, welche auf Grund eines Vertrags für die Fa. M Kunden akquiriere. In einem Schreiben vom 13. März 2007 habe Herr B von der Fa. D T 24 gegenüber der Fernmeldebehörde bestätigt, dass es einen gültigen Vertrag über den "Ankauf von Adressdateien" gäbe und dass die Kunden im Akquisitionsgespräch darauf hingewiesen werden, dass sie in den nächsten Tagen einen Zweitanruf durch die Fa. M erhalten würden. Durch die Bekanntgabe von Adress- und Kontodaten hätten sie auch ausdrücklich eine Einwilligung für einen Anruf durch die Fa. M gegeben.

 

Die Beschuldigte vertrete die Ansicht, dass sie in die Kundenakquirierung nicht eingebunden sei und deswegen auch keinen Einfluss habe. Die Fa. M könne nicht subsidiär belangt werden, nur weil die Fa. D T 24 bzw Herr B für die Fernmeldebehörde nicht greifbar sei. Die belangte Behörde gibt in der Folge die gesamte Einvernahme vom 13. April 2007 wörtlich wieder und referiert die ergänzende Stellungnahme vom 26. April 2007, der abermals zu entnehmen ist, dass Anrufe zur Kundenakquisition von der Fa. D T 24 durchgeführt werden, auf welche die Fa. M keinen Einfluss habe.

 

Für die belangte Behörde stelle sich der Sachverhalt zusammengefasst so dar, dass auf Grund eines Vertrages vom 1. November 2005 von der Fa. D T 24 von Spanien aus Werbeanrufe (Erstanrufe) durchgeführt werden, in denen die Angerufenen zur Teilnahme an einem Lottospiel der Fa. M bewegt werden sollen und bedrängt würden, ihre Kontoverbindung bekannt zu geben, was dann als Einwilligung zu einem weiteren Anruf durch die Fa. M gewertet werde. Die Daten der angerufenen Personen werden von der Fa. D T 24 an die Fa. M weiter geleitet. Diese kontaktiert dann diese Personen in einem Zweitanruf, um die übermittelten Daten zu überprüfen und einen Vertrag zur Teilnahme an einer Lottospielgemeinschaft abzuschließen.

 

2.2.2. In ihrer "Rechtlichen Beurteilung" hält die belangte Behörde zunächst in tatsächlicher Hinsicht zu Punkt 2. des (nicht mit den Akten vorgelegten) Vertrages fest, dass der danach der angerufene Kunde eine ausdrückliche Zustimmung abzugeben habe, dass er durch die Fa. M kontaktiert werden kann. Diese setze nach Meinung der belangten Behörde schon im Erstanruf eine Information über die Angebote der Fa. M voraus. Im Punkt 3. sei andererseits festgehalten, dass die D T 24 im Rahmen der Akquisition nicht berechtigt sei, den Namen der Fa. M zu verwenden oder auf diese hinzuweisen. Darin ortet die belangte Behörde einen Widerspruch, der eine wirksame Zustimmung zum Zweitanruf in Frage stelle. Die Bwin hat bei ihrer Einvernahme vom 13. April 2007 keinen Widerspruch gesehen und einen scheinbaren auf eine allenfalls schlechte Formulierung zurückgeführt. Die belangte Behörde habe dies aber nicht überzeugt und meint, dass eine Einwilligung von einer Person nicht eingeholt werden könne, wenn dieser nicht mitgeteilt wird, mit wem sie es zu tun hat. Ebenso widersprüchlich seien die Aussagen des Herrn B in seinen Stellungnahmen vom 12. Februar und 12. März 2007. Im ersten Schreiben habe er mitgeteilt, dass durch die Fa. D T weder Kunden im Namen der Fa. M akquiriert, noch Interessenten auf die Fa M hingewiesen würden. Im zweiten Schreiben habe er demgegenüber mitgeteilt, dass die angerufenen Kunden darauf hingewiesen werden, dass sie in den nächsten Tagen einen Anruf durch die Fa. M erhalten werden. Die Fa. M werde daher in den Werbeanrufen der Fa. D T sehr wohl erwähnt. Manchen Anzeigen sei auch zu entnehmen, dass im Namen der Fa. M aufgetreten werde.

 

Die belangte Behörde würdigt dann die dargestellten Beweisurkunden und meint unter Hinweis auf die von ihr aufgezeigte Widersprüchlichkeit, dass dem Vertrag wenig Beweiskraft dahingehend zugebilligt werden könne, dass die beschuldigte Bwin in Kenntnis der Rechtslage gutgläubig davon ausgehen habe dürfen, dass die Werbeanrufe der Fa. D T rechtskonform erfolgen. Die Fernmeldebehörde habe den Eindruck gewonnen, dass die Vertragsformulierungen nur den Zweck verfolgten, die Beschuldigte vor einer etwaigen Strafverfolgung zu schützen. Sie gehe daher davon aus, dass die Bwin in Kenntnis, dass Werbeanrufe in Österreich unzulässig seien und eine Strafverfolgung im Ausland nicht möglich sei, mit ihrem Bekannten B eine Lösung gefunden habe, die Anrufe aus dem Ausland durchführen zu lassen, um selbst der Gefahr der Strafverfolgung zu entgehen.

 

2.2.3. Die belangte Behörde führt in weiterer Folge rechtlich begründend im Wesentlichen aus, dass es die Bwin in Kenntnis der gesetzlichen Bestimmungen zumindest bedingt vorsätzlich in Kauf genommen habe, dass durch die D T 24 Werbeanrufe mit dem Ziel durchgeführt werden, Kunden für die Fa. M zu gewinnen. Dabei sei unbeachtlich, dass sie über den Gesprächsablauf im Detail nicht Bescheid wisse. Seit der Aussendung der Arbeiterkammer Kärnten vom 9. März 2006 (betreffend unerlaubte Methoden und Mitspielerfang der Lottogemeinschaft M) hätte die Bwin jedenfalls Maßnahmen ergreifen müssen, um Werbeanrufe der D T zu unterbinden. Sie habe trotz der Aufforderungen zur Rechtfertigung offensichtlich keine wirksamen Maßnahmen ergriffen, um weitere rechtwidrige Werbeanrufe abzustellen.

 

Das Vorliegen eines zumindest bedingten Vorsatzes sei nach Ansicht der belangten Behörde zusammengefasst dadurch erwiesen, dass

 

"- der Beschuldigten ihren eigenen Angaben zufolge bekannt war, dass Werbeanrufe sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland unzulässig sind,

 - sie trotzdem mit der Fa. D T 24 einen vertrag darüber abgeschlossen hat, dass dieses Unternehmen durch telefonische Akquisition von Spanien aus Kunden für die Fa. M anwirbt,

- der Beschuldigten bekannt ist, dass durch die von der D T 24 angerufenen Teilnehmer der Fa. M gegenüber keine vorherigen Einwilligungen erteilt worden sind, und

- sie in Kenntnis darüber bisher nichts Wirksames unternommen hat, diese Anrufe zu unterbinden."

 

Die Bwin habe durch die Auslagerung der Werbeanrufe auf ein anderes Unternehmen Gesetzesverletzungen billigend in Kauf genommen, sich mit der Verwirklichung abgefunden und dadurch bedingt vorsätzlich die Begehung einer Verwaltungsübertretung durch einen anderen veranlasst. Sie unterliege folglich der auf diese Verwaltungsübertretung gesetzten Strafe, auch wenn der unmittelbare Täter nicht zur Verantwortung gezogen werden könne.

 

Auch die Aussage, nicht auf rechtswidrige Vorgänge der D T entsprechend reagieren zu können, lasse den Schluss zu, dass der Bwin an einer Abstellung nichts gelegen sei. Warum der Vertrag mit einem Unternehmen, das offensichtlich permanent rechtswidrige Werbeanrufe durchführe, nicht aufgekündigt werden könne, zumal die Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen im Akquisitionsland ausdrücklich Vertragsbestandteil zwischen M und D T sei, könne nicht nachvollzogen werden.

 

Der in anderen Strafverfahren zusätzlich gewählte Verantwortung eines fortgesetzten Delikts tritt die belangte Behörde unter Hinweis auf ein einschlägiges Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofs vom 25. Februar 2004, Zl. 2003/03/0284, entgegen, in welchem beim allgemeinen Entschluss, eine Reihe gleichartiger strafbarer Handlungen zu begehen, das Gesamtkonzept und damit das subjektive Erfordernis eines Fortsetzungszusammenhangs verneint wird. Jeder unzulässige Werbeanruf sei daher als eigenständiges Delikt zu beurteilen und die Bwin habe sich jeweils als Anstiftungstäterin schuldig gemacht.

 

Zu den Tatvorwürfen nach Spruchpunkten 3) und 4) des angefochtenen Straferkenntnisses meint die belangte Behörde, dass diese Zweitanrufe ebenfalls als Werbeanrufe zu qualifizieren seien, weil der Angerufene zum Abschluss eines Vertrages bewegt werden soll, nachdem seine zuvor erhobenen Daten von der Fa. D T 24 übermittelt wurden. Das die Anzeiger keine Einwilligung erteilten, würden sie in der Anzeige bestätigen. Die Ansicht, dass die Bekanntgabe einer Kontoverbindung eine Einwilligung für den Zweitanruf darstelle, teile die belangte Behörde nicht. Eine Einwilligung sei eine freiwillige einseitige Willensäußerung, welche weder durch die Bekanntgabe von Kontodaten, noch durch Ankündigung eines zweiten Anrufs ersetzt werden könne.

 

Auch diese Zweitanrufe der Fa. M wären durchgeführt worden, obwohl die Bwin wisse, dass derartige Werbeanrufe gesetzwidrig und unzulässig seien. Es sei ihr daher zumindest bedingt vorsätzliches Handeln anzulasten.

 

2.3. In der rechtsfreundlich vertretenen Berufung gegen mehrere gleichgelagerte Straferkenntnisse wird ausgeführt, dass die M M GmbH (im Folgenden nur M) eine Lotterieanbieterin mit diversen Lottospielmöglichkeiten sei. Zum Beispiel werden Spiellose für Lotto 6 aus 45 oder Euromillionen angeboten. Die Betriebstätigkeit der M sei vor allem über die eigene Homepage ausgerichtet und werde über Links und Buttons auf anderen Internetseiten für die eigene Homepage Werbung gemacht. Die Kontaktwerbung erfolge zum überwiegenden Teil über Internetportale.

 

Seit November 2005 stehe die Firma M in Geschäftsbeziehung zur Firma D T 24 s.l. (in der Folge nur D T). Im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung verkaufe die D T als Verkäuferin Adressdatensätze an die M. Diese Adressdatensätze müssten aus Vorname, Nachname, Anschrift, Geburtsdatum, Geschlecht, Telefonnummer, E-mail (sofern vorhanden) und Bankverbindung bestehen. Voraussetzung für den Ankauf bzw. zur Berechtigung der Übermittlung solcher Adressdatensätze an die M sei die ausdrückliche Zustimmungserklärung des/der im Adressdatensatz Genannten. Aktivitäten und Akquisitionen, insbesondere das Ersttelefonat mit einem Kunden, würden von der D T selbständig und von Spanien aus geführt. Die M habe darauf keinen Einfluss und sei in die Kundenakquirierung nicht involviert. Die M habe im Rahmen der geschäftlichen Verbindung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass vermittelte Adressdateien unbedingt unter Einhaltung der in den jeweiligen Ländern herrschenden Gesetze, daher legal erhoben sein müssen. Sofern der Kunde die ausdrückliche Zustimmung erteilt, dass die D T Adressdatensätze an Dritte, wie z.B. die M, weitergibt, erhalte die M eine vollständig ausgefüllte Kundendatei, beinhaltend vor allem auch die Kontoverbindung des Kunden. Erst zu diesem Zeitpunkt und nur unter der Voraussetzung, dass der M ein vollständiger Adressdatensatz mit Kundendaten und der ausdrücklichen Zustimmung zur weiteren Verwendung durch den Kunden vorliege, werde ein Zweitanruf durch die M vorgenommen. Dass bei Übermittlung eines vollständigen Adressdatensatzes auch von der Zustimmung des Kunden zu einem Zweitanruf ausgegangen werden darf, ergäbe schon der Umstand, dass der Kunde widrigenfalls seine Daten, insbesondere auch die Kontoverbindung, sicherlich nicht bekannt gegeben hätte. Sofern jedoch der Kunde keine ausdrückliche Zustimmung zu einem Zweitanruf gegenüber der D T abgegeben hat, erfolge von der M kein Anruf.

 

Der Bwin lägen lediglich hinsichtlich nachstehend angeführter Personen vollständige Datensätze vor und seien diese in Folge Zustimmung zu einem Anruf durch die M auch angerufen worden:

a) U W

b) E E

c) M G

d) S M

 

Die übrigen in den Straferkenntnissen angeführten Personen seien der Bwin unbekannt, es lägen keine Datensätze vor und seien diese Personen auch nicht von der M angerufen worden.

 

In rechtlicher Hinsicht (Punkt V.) wird gerügt, dass die Straferkenntnisse der belangten Behörde mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet seien.

 

Unter A. wird als auffallend kritisiert, dass die belangte Behörde ihre Straferkenntnisse auf vier unterschiedliche Weisen zu begründen versuche, obwohl die Behörde vorwegnehme, dass es sich inhaltlich im wesentlichen um gleichartige Causen handle.

 

In den Straferkenntnissen zu den Zlen. BMVIT-635.540/0080, 0081 und 0082/07 und sollte die Bwin zunächst noch als unmittelbare Täterin haften, in der folgenden Berufungsvorentscheidung sei die Behörde plötzlich zu einer Verantwortlichkeit wegen Bestimmungs- und Beitragstäterschaft übergegangen, obwohl eine Kumulierung dieses Vorwurfs nicht denkbar sei.

 

Die Straferkenntnisse vom 14. April 2008, Zlen. BMVIT-635.540/0290, 0304 und 0347/08 habe die Strafbehörde mit einer Verletzung der Aufsichtspflicht begründet, weshalb § 9 VStG einschlägig wäre. Am 15. April 2008 und damit nur einen Tag später hätte die belangte Behörde in den Straferkenntnissen zu Zlen. BMVIT-635.540/0115, 0144, 0252, 0254, 0265, 0266 und 0448/08 die Bwin als Anstiftungstäterin angesehen.

 

Als unmittelbare Täterin komme die Bwin nunmehr offensichtlich auch für die belangte Behörde nicht mehr länger in Betracht. Auch die Ansicht der belangten Behörde, dass im Ankauf von Adressdatensätzen von einer anderen Unternehmung eine Bestimmungs- oder Beitragstäterschaft liege, sei bereits im Vorlageantrag an den unabhängigen Verwaltungssenat vom 29. Mai 2007 ausführlich widerlegt worden und erlaube sich die Bwin darauf zuverweisen.

 

Zum Vorwurf der Verletzung der Aufsichtspflicht in Verbindung mit § 9 VStG bringt die Bwin vor, dass sie als Geschäftsführerin der Fa. M dafür sorge, dass beim Betrieb ihres Unternehmens die gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere auch des Verwaltungsrechts, eingehalten werden. Soweit von der M Anrufe getätigt werden, erfolgten diese nur in jenen Fällen, in denen eine Zustimmung der Anzurufenden und ein vollständiger Adressdatensatz vorliegen.

 

Der belangten Behörde sei Recht zu geben, dass die Abwälzung strafrechtlicher Verantwortlichkeit ohne gesetzliche Grundlage nicht möglich ist. Der Geschäftsführer der D T 24 könne demnach nicht verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs 2 bzw. 4 VStG sein. Die Berufung wirft die rhetorische Frage auf, ob dem gegenüber (nach Meinung der belangten Behörde) die Geschäftsführerin der Fa. M verantwortliche Beauftragte für eine andere Firma wie die D T 24 sein könne und zwar allein auf Grund der Tatsache des Ankaufs von Adressdatensätzen. Die Schranken der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Beschuldigte als Geschäftsführerin der M würden dabei verkannt.

 

Sofort nach Bekanntwerden des ersten bei der belangten Behörde anhängigen Falles sei mit der D T 24 Kontakt aufgenommen und auf die Einhaltung der Geschäftsvereinbarung nachdrücklich hingewiesen worden. Im gesamten Zeitraum von März bis September 2007 sei keine einzige Anzeige an die belangte Behörde herangetragen worden. Selbst bei Zugrundelegung der irrigen Rechtsansicht, die Bwin habe ihre Aufsichtspflicht verletzt, wäre dieser Umstand als Entlastung der Bwin zu beurteilen gewesen.

 

Im Punkt B. tritt die Berufung der belangten Behörde auch insoweit entgegen, als sie im Ergebnis die vorgeworfenen Gesetzesverletzungen auch für subjektiv zurechenbar hält. Die belangte Behörde versuche seitenlang zu begründen, dass die Bwin zumindest in Kauf genommen hätte, dass durch Erfüllungsgehilfen der Fa M und durch die M selbst bei jeder sich bietenden Gelegenheit die gesetzlichen Bestimmungen verletzt würden. Schon aus dieser Formulierung ergebe sich, dass die belangte Behörde nicht zwischen einer zivilrechtlichen Haftung im Sinne einer Erfüllungsgehilfenhaftung und einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit für fremdes Handeln differenziert. Durch keinerlei Feststellungen sei belegt, dass die Fa. M bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoße. Auch sei nicht ersichtlich, wie die belangte Behörde zu dieser Feststellung komme. Es sei bezeichnend für das Verfahren, wenn die Behörde aus dieser von ihr aufgestellte Behauptung das Vorliegens eines bedingten Vorsatzes der Bwin zu begründen versuche.

 

Sofern tatsächlich in einigen Fällen ein Irrtum über das Vorliegen einer Zustimmung des Angerufenen vorliege, so wäre dies allenfalls als Fahrlässigkeit der Bwin zu beurteilen. In diese Richtung habe die belangte Behörde jedoch keine Ermittlungen angestellt. Keinesfalls habe die Bwin Gesetzesverletzungen durch ihre Unternehmung in Kauf genommen.

 

Unter C. wird vorgebracht, dass es der Bwin überdies auch an dem erforderlichen Unrechtsbewusstsein mangle. Diese Voraussetzung der Vorwerfbarkeit sei im Gegensatz zur Ansicht der belangten Behörde nicht schon dadurch erfüllt, dass der Bwin der Tatbestand des § 107 Telekommunikationsgesetz bekannt ist. Jeder Rechtsunterworfene habe die Gesetze zu kennen und könne sich auch nicht mit deren Unkenntnis entlasten. Die Bwin halte sämtliche Verwaltungsvorschriften ein und sei der Ansicht, dass sie nicht für allfällige Gesetzesverletzungen anderer Unternehmungen einzustehen habe, auf welche sie gar keinen Einfluss habe.

 

2.4. In den vorgelegten Verwaltungsstrafakten der belangten Behörde befindet sich auch die strafbehördliche Einvernahme der Bwin als Beschuldigte vom 13. April 2007 samt den damals Bezug habenden Eingaben ihrer Rechtsvertreter (Stellungnahme vom 26.04.2007 und Vorlageantrag vom 29.05.2007) betreffend gleichgelagerte Verwaltungsstrafverfahren der belangten Behörde zu den Zlen. BMVIT-635.540/0080, 0081 und 0082/07, die bereits Gegenstand von Berufungsverfahren vor dem erkennenden Verwaltungssenat waren und mit den h. Erkenntnissen vom 19. Mai 2008, Zl. VwSen-390193/2/WEI/Eg, vom 20, Mai 2008, Zl. VwSen-390194/2/WEI/Eg und vom 21. Mai 2008, Zl. VwSen-390195/2/WEI/Eg, in der Weise erledigt wurden, dass der Berufung jeweils Folge gegeben und das Strafverfahren eingestellt wurde.

 

Da sich auch die Bwin in ihrer Rechtfertigung vom 25. März 2008 auf diese Verfahren berufen hat wird im Folgenden auf die oben zitierten Erkenntnisse des Oö. Verwaltungssenats Bezug genommen, in denen jeweils ein unerwünschter Anruf zu Werbezwecken für die Teilnahme an einem Gewinnspiel durch die Fa. M angezeigt wurde. Die Erhebung der Stammdaten (Anschlussinhaber, Adresse, Telefonnummer) durch Anfrage der belangten Behörde an die Telekom Austria AG brachte in zwei Fällen (Strafverfahren zu Zlen. BMVIT-635.540/0081/07= VwSen-390194-2007 und BMVIT-635.540/0082/07=VwSen-390195-2007) kein Ergebnis, zumal für den angezeigten Tatzeitpunkt kein Eintrag aufschien. Anders war es im Verfahren BMVIT-635.540/0080/07=VwSen-390193-2007, wo Rufdaten für den Anzeigezeitpunkt gespeichert und abrufbar waren. Aus dem in diesem Strafverfahren ergangenen Berufungserkenntnis des Oö. Verwaltungssenats vom 19. Mai 2008, Zl. 390193/2/WEI/Eg, werden folgende auch für das gegenständliche Berufungsverfahren einschlägige Passagen zitiert:

 

"2.2. Auf Grund des Berufungsvorbringens richtete die belangte Behörde in weiterer Folge die Anfrage vom 22. März 2007 an die Telekom Austria AG zur Erhebung der Stammdaten (Anschlussinhaber, Adresse und Telefonnummer) des Teilnehmers, von dessen Anschluss der angeführte Anruf ausgegangen ist. Diese Anfrage brachte folgendes Ergebnis:

 

"Aktiv-Teilnehmer     Gesprächsbeginn                                  Passiv-Teilnehmer

Land   Kennzahl  TnNr.       Datum            Zeit         Dauer    Land   Kennzahl   Tn.Nr.

34                             06.02.2007   10:56:38      99 sec.    43                         "

 

2.3. Durch die Auswertung der Rufdaten konnte festgestellt werden, dass das Telefongespräch von Spanien, Mallorca, aus geführt wurde. Die Bwin wurde von der belangten Behörde zur Prüfung, ob die Berufung allenfalls durch eine Berufungsvorentscheidung zu erledigen sei, zu einer Verhandlung am 13. April 2007 um 09:00 Uhr geladen. Sie erschien zu diesem Termin mit ihrem Rechtsvertreter. Zum Gegenstand wird angeführt, die Verhandlung erfolge zur weiteren Klärung des Sachverhalts mit dem Ziel, ob auf Grund der eingebrachten Berufung eine Berufungsvorentscheidung durch die Fernmeldebehörde zu erlassen sei. Außerdem wird vermerkt, dass der Tatvorwurf auf die Anstiftertäterschaft nach § 7 VStG erweitert werde.

 

Bei dieser Einvernahme als Beschuldigte vom 13. April 2007 gab die Bwin zu ihrer Rechtfertigung an, dass sie Geschäftsführerin der Firma M sei, die ein Lotto-Spielgemeinschaften in Österreich organisiere. Kunden werden einerseits über die eigene Homepage, andererseits durch die Firma D T angeworben. In der M arbeiteten 15 Angestellte im festen Dienstverhältnis und hin und wieder beschäftige man auch freie Mitarbeiter. Derzeit sei ein freier Mitarbeiter tätig.

 

Der Bwin sei bekannt, dass Werbeanrufe ohne vorherige Einwilligung sowie Werbeanrufe aus dem Ausland unzulässig sind. Auch die Aussendung der Arbeiterklammer Kärnten vom 9. März 2006 betreffend "Lottogemeinschaft M geht mit unerlaubten Methoden auf Mitspielfang" sei der Bwin bekannt.

 

Kontakt zur Firma D T bzw zu Herrn B bestünde seit 3 bis 4 Jahren. Schon bevor die Bwin Geschäftsführerin der M wurde, hätte sie mit Herrn B zusammen gearbeitet. Am 1. November 2005 habe die Bwin den im Akt liegenden Vertrag (vgl Beilage in ON 11) mit Herrn B abgeschlossen, welcher nach wie vor gültig sei. Zu diesem Vertrag gäbe es Zusatzvereinbarungen (Provisionsabkommen), darüber hinaus aber keine mündlichen Vereinbarungen.

 

Die Bwin gab an, dass sie nicht wisse, wie sich die Firma D T bei den Akquisitionsanrufen vorstellt. Laut Vertrag sei es ausgeschlossen, dass sich diese Firma als Firma M ausgibt. Für den Fall, dass sich der Angerufene für ein Produkt der Firma D T interessiere, welches von der Firma M angeboten werde, werde auf deren Webseite verwiesen und den Angerufenen mitgeteilt, dass sie einen Anruf der Fa. M erhalten werden.

 

Zu der nach dem Vertrag ausdrücklich geforderten Zustimmungserklärung gab die Bwin an davon auszugehen, dass der Angerufene seine Einwilligung im Telefongespräch erklärt. Sie könne allerdings nicht ausschließen, dass die M von der D T auch Datensätze bekomme, bei denen nur eine konkludente Zustimmungserklärung vorliegt.

 

Weiters wurde der Behörde ein E-Mail vom 3. April 2007 an Herrn B, den Geschäftsführer der D T, übergeben, in dem die M auffordert, Punkt 3 der Vereinbarung einzuhalten und keinesfalls in den Akquisitionsgesprächen auf die Firma M hinzuweisen.

 

Zu Widersprüchen in den Schreiben des Herrn B vom 12. Februar 2007 und vom 12. März 2007 (vgl ON 11 im vorgelegten Verwaltungsstrafakt), in denen dieser der Fernmeldebehörde einmal mitteilte, dass die D T weder im Namen der M akquiriere, noch Interessenten auf diese Firma hinweise (Schreiben 12.02.2007) und dann kurz darauf (Schreiben vom 12.03.2007) erklärte, die Kunden werden laut dem Gesprächsleitfaden der Firma D T darauf hingewiesen, dass sie in den nächsten Tagen einen Zweitanruf durch die M zum Datenabgleich erhalten würden, gab die Bwin an, dass sie darin keinen Widerspruch sehe. Ein Widerspruch ergebe sich nur scheinbar aus einer schlechten Formulierung.

 

Der Bwin sei nicht bekannt, dass jemand im Namen der Firma M Werbeanrufe durchführt. Zu den Werbeanrufen der Firma D T könne die Bwin keine konkreten Angaben machen und sei ihr auch der Gesprächsleitfaden dieser Firma nicht bekannt. Ein allfälliger Vertrag mit der Fima M werde erst im Rahmen eines Zweitanrufes durch einen Mitarbeiter der M abgeschlossen. Jeder Zweitanruf durch die M werde mit Zustimmung des Angerufenen aufgezeichnet. Falls der Kunde beim Telefonat noch unsicher ist, werde ihm auf Wunsch ein Formular geschickt, mit dem er schriftlich seine Vertragserklärung bekannt geben könne.

 

Zum Anruf des Fernmeldebüros Graz erklärte die Bwin, dass ihr die Anruferin, eine Frau W, nicht bekannt sei Diese sei auch keine freie Mitarbeiterin der Firma M. Die Bwin habe auch keinen Auftrag bzw. ihr Einverständnis zu diesem Anruf erteilt.

 

In der Folge wurde der Bwin ein Gesprächsmitschnitt mit Herrn P L, der das unerwünschte Werbetelefonat aufgezeichnet hatte, vorgespielt und eine CD mit dem Gespräch dem Rechtsvertreter ausgefolgt. Nach Beratung mit ihrem Rechtsvertreter hat die Bwin angegeben, dass sie den Anrufer an der Stimme nicht erkennen könne. Dieser im Namen der M durchgeführte Anruf sei ihr bisher unbekannt gewesen. Er widerspreche ihrer Kenntnis vom Ablauf von Gesprächen, wie dies der M durch die Firma D T mitgeteilt worden sei.

 

Die Bwin konnte ausschließen, dass der verfahrensgegenständliche Telefonanruf durch einen Mitarbeiter der Firma M durchgeführt wurde. Sie habe vom Ablauf dieser Telefonate bisher nichts gewusst und sei davon ausgegangen, dass die bisher an die Firma M übermittelten Adressdatensätze eine Zustimmung zu einem Zweitanruf durch die M enthalten haben.

 

2.4. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 26. April 2007 gab die Bwin an, dass die D T ausschließlich Adressdatensätze an die Bwin verkaufen dürfe, für deren Weitergabe der Kunde seine Zustimmung erklärt habe. Auf die Art und Weise, wie die Berufungswerberin akquiriere, habe die Bwin keinen Einfluss. Sämtliche Anrufer (S L, Herr D oder Frau W) wären in keinerlei Beschäftigungsverhältnis bzw Geschäftsbeziehung welcher Art immer mit der Bwin gestanden.

 

Im gegenständlichen Fall der Frau W hat die belangte Behörde ausfindig gemacht, dass der Anruf aus Spanien erfolgte und sohin nicht durch die Firma M mit Sitz in Linz erfolgen konnte.

 

Zum Vorwurf der Anstiftungstäterschaft wird betont, dass der Firma M die Art und Weise der Kundenakquisition, wie sie nach dem aufgezeichneten Gesprächsmitschnitt im Fall Lindner von der D T betrieben wird, bislang unbekannt gewesen wäre. Die Firma M sei bislang davon ausgegangen, dass die D T im Rahmen der Kundenakquisition die gesetzlichen Bestimmungen einhält. Von der Vorgehensweise im Fall des angerufenen P L habe die M erst im Zusammenhang mit der Berufungsvorentscheidung Kenntnis erlangt. Warum sich die D T als M ausgab, sei nicht nachvollziehbar. Der Geschäftsführer der D T sei diesbezüglich wegen urlaubsbedingter Abwesenheit noch nicht erreichbar gewesen.

 

Da es sich um Anrufe durch die Firma D T handelte, begründe das Verhalten allenfalls eine Strafbarkeit der D T, auf welches die Firma M keinen Einfluss habe. Jedoch sei nunmehr für die Firma M nachvollziehbar, warum die Angerufenen vermeinen, einen Anruf von der M erhalten zu haben. Dieser Zustand sei untragbar und werde die M im Rahmen der zu Gebote stehenden rechtlichen Möglichkeiten solchen Verhaltensweisen entgegenwirken.

 

2.5. Die belangte Behörde hat daraufhin die Berufungsvorentscheidung vom 8. Mai 2007, zugestellt am 14. Mai 2007, erlassen, mit der, ohne eine Aufhebung des Spruchs des angefochtenen Straferkenntnisses ausdrücklich auszusprechen, dieser alte Spruch offenbar ausgetauscht und eine neuer Schuldspruch wie folgt formuliert wurde:

 

"Sie haben als Geschäftsführerin der Fa. M M GmbH, L, (weiterhin kurz: M)

 

1)      durch den von Ihnen mit der Fa. D T 24 S.L., T B, A, (weiterhin kurz: D T) am 01.11.2005 abgeschlossenen Vertrag mit der Bezeichnung: 'Ankauf von Adressdateien', in welchem Sie mit der Fa. D T vereinbart haben, dass durch dieses Unternehmen Adressdatensätze von Personen entgeltlich zur Verfügung gestellt werden, welche gegenüber der Fa. D T eine ausdrückliche Zustimmung abgegeben haben, dass sie durch die Fa. M direkt kontaktiert werden können, zumindest bedingt vorsätzlich veranlasst, sowie

 

2)      dadurch, dass Sie – seit 30.12.2005 in Kenntnis der durch die Fa. D T durchgeführten Werbeanrufe – keine Maßnahmen ergriffen haben, um diese rechtswidrigen Werbeanrufe abzustellen, zumindest bedingt vorsätzlich erleichtert,

 

dass am 06.02.2007 um 11:00 Uhr durch eine Mitarbeiterin der Fa. D T, welche sich als Frau W von der Fa. M ausgab, ein Anruf zu Werbezwecken (Werbung für die Teilnahme an einem Lottospiel) bei der Fernmeldebehörde G M K, 8... G, ohne vorherige Einwilligung eines Mitarbeiters dieser Behörde unter der Telefonnummer     durchgeführt worden ist."

 

Durch den so formulierten doppelten Tatvorwurf erachtete die belangte Behörde den Tatbestand der Beteiligung gemäß § 7 VStG iVm §§ 107 Abs 1 und 109 Abs 3 Z 19 TGK offenbar nur einmal als verwirklicht und sprach wie schon im angefochtenen Straferkenntnis eine Geldstrafe von 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) aus.

 

2.6. Gegen diese Berufungsvorentscheidung brachte die Bwin vertreten durch ihre Rechtsvertreter noch fristgerecht per Telefax am 29. Mai 2007 den Antrag gleichen Datums ein, die Berufungsvorentscheidung (gemeint wohl die Berufung) dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorzulegen. Im Vorlageantrag hat die Bwin durch ihren Rechtsvertreter die Punkte inhaltliche Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens in Bezug auf die Berufungsvorentscheidung der belangten Behörde näher ausgeführt.

 

3.1. Gemäß § 64a AVG iVm § 24 VStG kann die Behörde auch im Verwaltungsstrafverfahren die Berufung binnen zwei Monaten nach deren Einlangen durch Berufungsvorentscheidung erledigen. Sie kann die Berufung nach Vornahme notwendiger Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens als unzulässig oder verspätet zurückweisen, den Bescheid aufheben oder nach jeder Richtung abändern (Abs 1). Binnen zwei Wochen nach Zustellung der Berufungsvorentscheidung kann jede Partei einen Vorlageantrag, wonach die Berufung der Berufungsbehörde zur Entscheidung vorgelegt werden möge, stellen (Abs 2).

 

Gemäß § 64a Abs 3 AVG tritt die Berufungsvorentscheidung mit Einlangen des Vorlageantrags ex lege außer Kraft und damit der angefochtenen Bescheid wieder in Kraft. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung ist damit auf die Berufungsbehörde übergegangen und das Verfahren tritt in das Stadium vor der Berufungsvorentscheidung zurück (näher und mwN zu den Rechtswirkungen Hengstschläger/Leeb, AVG-Kommentar, 3. Band [2007] § 64a Rz 35).

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat daher ungeachtet der Berufungsvorentscheidung über die Berufung vom 20. März 2007 gegen das angefochtene Straferkenntnis der belangten Behörde vom 6. März 2007 zu entscheiden."

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsicht in die zitierten Akten der Strafverfahren erster und zweiter Instanz und nach deren Durchsicht festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 107 Abs 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) sind Anrufe - einschließlich das Senden von Fernkopien – zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers unzulässig. Der Einwilligung des Teilnehmers steht die Einwilligung einer Person, die vom Teilnehmer zur Benützung seines Anschlusses ermächtigt wurde, gleich. Die erteilte Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden; der Widerruf der Einwilligung hat auf ein Vertragsverhältnis mit dem Adressaten der Einwilligung keinen Einfluss.

 

Nach dem § 109 Abs 3 Z 19 TKG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 37.000 Euro zu bestrafen,

 

wer entgegen § 107 Abs 1 Anrufe zu Werbezwecken tätigt.

 

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den Erk. verst. Senate VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Der Vorschrift des § 44 a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Straferkenntnisses die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

4.3. In den einschlägigen vorangegangenen Berufungsverfahren des erkennenden Verwaltungssenats (vgl unter Punkt 2.4.) hatte die belangte Behörde zunächst eine rechtswidrige Werbeanrufpraxis der Fa. M vermutet und die Bwin dafür im Wege des § 9 Abs 1 VStG verantwortlich gemacht. Auf Grund des damals wie heute gleichen Berufungsvorbringens, wonach der erste telefonische Kontakt durch Bedienstete des Vertragsunternehmens D T hergestellt werde und die Fa. M daraufhin Adressedatensätze erhalte, führte die belangte Behörde ein ergänzendes Ermittlungsverfahren zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung durch, in der sie schließlich selbst davon ausging, dass das Werbetelefonat durch die Fa. D T von Spanien aus geführt wurde und die Daten der angerufenen Personen an die Fa. M weitergeleitet wurden, welche dann in einem Zweitanruf Kontakt aufnimmt, um einen Vertrag zur Teilnahme an einer Lottospielgemeinschaft abzuschließen.

 

Die belangte Behörde ist daraufhin von der ursprünglich angenommenen Verantwortung der Bwin gemäß § 9 Abs 1 VStG als Geschäftsführerin der Fa. M abgegangen und nahm nachträglich eine Beteiligung gemäß § 7 VStG an den Übertretungen von Mitarbeitern der Firma D T an. Dementsprechend tauschte sie den Tatvorwurf in der Berufungsvorentscheidung einfach aus. Die Fernmeldebehörde hatte es verabsäumt, vor der Erlassung des Straferkenntnisses eine Rufdatenerhebung durchzuführen, obwohl ihr bereits aus anderen gleichgelagerten Verfahren bekannt sein musste, dass derartige Werbeanrufe nicht von der Firma M, sondern von der Firma D T von Spanien aus durchgeführt worden waren. Die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen wurden von der Fernmeldebehörde nicht durchgeführt.

 

Die Berufungsvorentscheidung mit dem unzulässiger Weise ausgetauschten Tatvorwurf war schon gemäß § 64a Abs 3 AVG durch den Vorlageantrag ex lege außer Kraft getreten. Der Oö. Verwaltungssenat hatte daher nur mehr festzustellen, dass die Bfin nicht nach § 9 Abs 1 VStG verantwortlich sein könne, weil feststand, dass kein Mitarbeiter der Fa. M den angelasteten Werbeanruf tätigte.

 

4.4.1. Gemäß der Beteiligungsregelung des § 7 VStG unterliegt der Strafe einer Verwaltungsübertretung, auch dann wenn der unmittelbare Täter nicht strafbar ist,

 

wer vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht (Anstifter), oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert (Gehilfe).

 

Der Spruch hat bei diesem Tatbestand der Beteiligung jene Tatumstände zu umschreiben, die die Tat des unmittelbaren Täters umschreiben, als auch die Umstände der Anstiftung oder Beihilfe näher zu konkretisieren (vgl näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] Anm 6 und E 2c ff zu § 7 VStG).

 

In den vorliegenden Fällen ging die belangte Behörde entsprechend der Berufung bzw der rechtfertigenden Einlassung der Bwin davon aus, dass der Erstanruf von der Fa. D T 24 durchgeführt wurde, die für die Fa. M die Kundenakquisition durchführt. Nach Übermittlung der vom Kunden beim Erstanruf erhobenen Daten an die Fa. M, erfolge dann ein Zweitanruf durch die Fa. M, um die Daten noch einmal zu überprüfen und einen Vertrag zur Teilnahme an einer Lottospielgemeinschaft abzuschließen. In vergleichbaren Verwaltungsstrafverfahren hat die belangte Behörde bisher versucht, im Zusammenhang mit Werbeanrufen eine Kontroll- und Aufsichtspflicht der Bwin und damit ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit gemäß § 9 Abs 1 VStG für ein Fehlverhalten von Bediensteten von Vertragsunternehmen wie der Fa. D T zu konstruieren. Diese Vorgangsweise hat der erkennende Verwaltungssenat für unzulässig und auch mit dem Grundsatz nullum crimen sine lege unvereinbar gehalten (vgl dazu näher bspw VwSen-390243/2/WEI/Eg vom 27.05.2009 und VwSen-390245/2/WEI/Eg vom 28.05.2009).

 

Nunmehr wird der Bwin in den Spruchpunkten 1) und 2) ausdrücklich Anstiftung zu zeitlich bestimmten Werbeanrufen von Mitarbeitern der Fa. D T 24 betreffend Teilnahme an Gewinnspielen angelastet, die ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers durchgeführt worden seien.

 

Als Anstiftungshandlung der Bwin, durch die sie zumindest bedingt vorsätzlich veranlasst habe, dass die Fa. D T die in den Spruchpunkten 1) und 2) geschilderten Verwaltungsübertretungen begangen habe, sieht die belangte Behörde den von ihr als Geschäftsführerin der Fa. M mit der Fa. D T 24 S.L. in Arenal (Mallorca) bzw Herrn T B abgeschlossenen Vertrag "Ankauf von Adressdateien",

 

"in welchem Sie mit der Fa. D T vereinbart haben, dass durch dieses Unternehmen Adressdatensätze von Personen entgeltlich zur Verfügung gestellt werden, welche gegenüber der Fa. D T 24 eine ausdrückliche Zustimmung abgegeben haben, dass sie durch die Fa. M direkt kontaktiert werden können"

 

4.4.2. Dieser Tatvorwurf ist nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats rechtlich unschlüssig und damit verfehlt. Dies aus folgenden Überlegungen:

 

Anstiftung und Beihilfe nach § 7 VStG können nur vorsätzlich begangen werden. Das vorsätzliche Verhalten des Anstifters muss ursächlich dazu geführt haben, dass eine andere Person als unmittelbarer Täter den objektiven Tatbestand einer Verwaltungsübertretung verwirklicht hat (vgl Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 [2000] Anm 2 und 4 zu § 7 VStG) Strafbare Anstiftung fordert daher eine bewusste Einwirkung auf den Täter, die ihn zu seinem strafbaren Verhalten veranlasst oder in seinem Verhalten bestärkt (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch6 E 1 zu § 7 VStG; Thienel, Verwaltungsverfahtrensrecht3 [2004], 401 f mwN).

 

Unter Anstiftung iSd § 7 VStG ist die vorsätzliche Veranlassung eines anderen zu einem tatbestandswidrigen und rechtswidrigen Verhalten und die daran anschließende Ausführung der Tat selbst zu verstehen. Auch wenn für die Anstiftung eine vollständige Individualisierung der Tat nicht erforderlich ist, so kann eine ganz unbestimmte Aufforderung ohne Hinleitung auf eine einzelne, näher bezeichnete Straftat nicht als Anstiftung betrachtet werden. Deshalb genügt eine abstrakte Fundierung der subjektiven Tatseite nicht, sondern werden in der Rechtsprechung konkrete Feststellungen verlangt, aus denen hervorgeht, dass sich der Anstifter bewusst war, dass sein Verhalten andere Personen zu einer Straftat verleiten werde (vgl Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 [2000] E 1 zu § 7 VStG).

 

Im Abschluss eines Vertrages mit einem selbständigen Unternehmen über den "Ankauf von Adressdateien" betreffend Personen, die eine ausdrückliche Zustimmung abgeben haben, dass sie in einem Zweitanruf von der Fa. M kontaktiert werden können, kann entgegen der Ansicht der belangten Behörde kein Verhalten gesehen werden, das als Anstiftung zu Verwaltungsübertretungen betreffend unerlaubte Werbeanrufe qualifiziert werden könnte. Denn ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis betreffend die Übertragung (Auslagerung) der Kundenakquisition ist im Geschäftsverkehr grundsätzlich erlaubt und damit zulässig. Ein Konnex zu einer konkreten Verwaltungsübertretung lässt sich aus einem erlaubten Verhalten nicht ableiten, auch wenn die Kundenakquisition im Wege des problematischen "Telefonmarketings" erfolgt. Denn auch dieses stellt grundsätzlich eine erlaubte Tätigkeit innerhalb des gesetzlichen Rahmens dar und in der vertraglichen Auslagerung auf einen selbständigen Dritten, für ein Unternehmen und einen bestimmten Zweck Kunden zu werben, kann keine unzulässige Übertragung von eigenen gesetzlichen Verpflichtungen gesehen werden (vgl auch h. Erkenntnis vom 14.01.2009, Zlen. VwSen-390258 und 259/5/SR/Sta).

 

Die belangte Behörde hat auch die subjektive Tatseite der Bwin nur abstrakt und nicht fallbezogen begründet und dabei entweder bloße Vermutungen zum Nachteil der Beschuldigten zum Ausdruck gebracht oder den nur bei einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Grunde des § 9 Abs 1 VStG schlüssig denkbaren Aspekt der Unterlassung von Aufsichtsmaßnahmen bemüht und damit Vorsatz und Fahrlässigkeit in eigenartiger Weise vermengt.

 

Konkrete Beweisergebnisse und Feststellungen, aus denen der Bwin eine bewusste Verleitung zum rechtwidrigen Werbeverhalten eines anderen nachzuweisen war, ist die belangte Behörde schuldig geblieben. Ihre Ausführungen zum Vorsatz der Bwin sind demnach nicht fundiert und bewegen sich häufig auf dem Niveau von unzulässigen Vermutungen und Verdächtigungen zum Nachteil der Bwin. Wenn die Strafbehörde den Eindruck gewonnen hat, dass sprachlich beanstandete Vertragsformulierungen nur den Zweck verfolgten, die Beschuldigte vor Strafverfolgung zu schützen, so handelte es sich dabei nur um die nicht beweisrelevante Äußerung eines Verdachts. Für ebenso wenig überzeugend hält es der erkennende Verwaltungssenat, wenn die belangte Behörde aus Ungereimtheiten in der Vertragsurkunde vom 1. November 2005 und den Schreiben des Herrn B, die für die entscheidungswesentliche Sachlage nicht so bedeutend erscheinen, die Gutgläubigkeit der Bwin in Frage stellen möchte, wonach Werbeanrufe der Fa. D T rechtskonform erfolgen. Die von der belangten Behörde aufgezeigten Widersprüche in einzelnen Punkten beruhen tatsächlich eher auf Formulierungsmängeln und erscheinen dem erkennenden Verwaltungssenat nicht so wesentlich, dass die Beweiskraft der Urkunden gemindert wäre. Es ist nämlich gut nachvollziehbar, dass die Fa. M den Eindruck eines Einschreitens in ihrem Namen beim Erstkontakt mit dem Angerufenen durch die D T und damit auch die Verantwortung dafür vermeiden will, gleichzeitig aber für ihre geschäftlichen Zwecke Adressdatensätze von potentiellen Kunden und deren Zustimmung zum Zweitanruf benötigt, damit dann ihrerseits ein legaler Werbeanruf erfolgen kann. Nur wenn diese Qualität der Leistung der Fa. D T stimmt, macht es Sinn für die Kundenakquisition zu bezahlen. Minderleistungen und unzufriedene (getäuschte) Kunden führen nämlich, wie die zahlreichen an die Fernmeldebehörden erstatteten Anzeigen beweisen, zu geschäftlichen Problemen der Fa. M. Demzufolge habe die Fa. M nach dem Berufungsvorbringen auch im Rahmen ihrer geschäftlichen Verbindung darauf hingewiesen, dass die Adressdatensätze unter Einhaltung der in den jeweiligen Länder geltenden Gesetze legal erhoben sein müssten. Die belangten Behörde hat dem nicht widersprochen und den von ihr ausgewerteten Urkunden ist anscheinend nichts Gegenteiliges zu entnehmen.

 

Wenn die belangte Behörde der Bwin die Unterlassung von wirksamen Maßnahmen gegen die D T vorwirft, die sie aus Anlass der Aussendung der Arbeiterkammer Kärnten vom 9. März 2006 oder der eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren ergreifen hätte müssen, so vermag sie mit diesem Argument, selbst wenn es zuträfe, nicht das Vorliegen eines Anstiftungsvorsatzes bei der Bwin zu begründen. Die Strafbehörde will das Unterlassen gebotener Handlungen aufzeigen und verkennt dabei offenbar, dass dies in erster Linie ein Fahrlässigkeitsproblem darstellt. Anstiftung kann aber bekanntlich nur vorsätzlich begangen werden. Außerdem kann das bloße Untätigbleiben den Tatbestand der vorsätzlich Anstiftung grundsätzlich nicht erfüllen. Nur in besonders gelagerten Fällen und wenn eine Pflicht zum Handeln besteht, hat der Verwaltungsgerichtshof eine Anstiftung durch Unterlassung für möglich gehalten (vgl Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 E 4 zu § 7 VStG). Ein solcher besonderer Fall liegt aber gerade nicht vor. Wie der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich bereits in seine Erkenntnissen je vom 14. Jänner 2009, Zlen. VwSen-390241 und 242/5/SR/Sta und Zlen. VwSen-390258 und 259/5/SR/Sta, nachgewiesen hat, kann aus dem § 9 Abs 1 VStG keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit und damit auch keine Handlungspflicht der Bwin als Geschäftsführerin der Fa. M für das Fehlverhalten von Dienstnehmern eines anderen vertraglich beauftragten Unternehmens bei der Kundenwerbung abgeleitet werden.

 

4.5. Die Ansicht der belangten Behörde, dass schon allein der mit der Fa. D T abgeschlossene Vertrag über die Kundenakquisition als Anstiftung zu verbotenen Werbeanrufen angesehen werden könne, wäre nur dann schlüssig, wenn Werbeanrufe als Mittel der Kundenakquisition schlechthin unzulässig und verboten wären. Dies ist aber entgegen der insgesamt zu pauschalen Betrachtungen der belangten Behörde im angefochtenen Straferkenntnis nach der geltenden Rechtslage nicht der Fall (vgl dazu auch den einschlägigen Art 13 der Richtlinie 2002/58/EG, die im TKG umgesetzt wurde). Es sind nicht Anrufe zu Werbezwecken schlechthin, sondern nur Werbeanrufe ohne vorherige Einwilligung unzulässig und verboten. Deshalb muss es nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats möglich sein, in einem neutral gehaltenen Telefonat, die Zustimmung des Teilnehmers einzuholen, indem er gefragt wird, ob er interessiert und bereit ist, über ein bestimmtes Thema zu sprechen oder nicht. Er kann dann mit Ja oder Nein antworten und bei Interesse gegebenenfalls auch den Zeitpunkt eines künftigen Telefongesprächs bestimmen. Dass nach den Materialien zum TKG 2003 der Begriff der "Direktwerbung" weit auszulegen ist und jeden Inhalt, der für ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Idee oder ein politisches Anliegen wirbt, umfassen soll (vgl RV 128 BlgNR 22.GP, 20 "Zu § 107:") schadet dabei nicht, zumal der bloße Anruf zur Einholung der Zustimmung zu einem Gespräch zu Werbezwecken selbst noch kein Werbeanruf ist, sondern nur dessen Vorbereitung dient. Diese Form der Belästigung ist jedem zumutbar, der in öffentliche Telefonregister eingetragen ist. Sie ist direkt vergleichbar mit der Situation einer allgemein als zulässig erachteten telefonischen Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts, bei der man ebenfalls unerbeten angerufen und zunächst gefragt wird, ob man Fragen zu bestimmten Themen beantworten will oder nicht. Wer als Teilnehmer selbst solche verkehrsüblichen Belästigungen vermeiden will, muss vorkehren, dass er nicht in öffentliche Register kommt. Er hat insofern bei der Mobiltelefonie ein kostenloses Wahlrecht und kann auch beim Festnetz eine Geheimnummer beantragen.

 

Ein generelles Verbot von Werbeanrufen gerät wohl auch in Konflikt mit dem Grundrecht der Erwerbsfreiheit nach Art 6 StGG, weil dann das Kommunikationsmittel Telefon bzw Telefax für die Erwerbsausübung von Branchen, die in der heutigen Zeit darauf angewiesen sind, schlechthin nicht mehr zur Verfügung stünde und derartig weitreichende Schranken der Erwerbsausübung für den Schutz des Verbrauchers oder den Schutz der Privatsphäre, wie oben schon angesprochen, nicht erforderlich, sondern übertrieben und inadäquat erscheinen. Werbeverbote können auch unter dem weiten Aspekt der Meinungsfreiheit des Art 10 EMRK relevant werden und sind auch insofern auf ihre Verhältnismäßigkeit zu untersuchen. Im Allgemeinen gilt, dass absolute Werbeverbote für bestimmte Medien oder Bereiche oder Berufsgruppen vom Verfassungsgerichtshof schon als unverhältnismäßig angesehen wurden (vgl zum Ganzen mit Nachw Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 1460, 1461 und Rz 1498 ff, 1500).

 

Schließlich ist nach herrschender Auffassung aus dem Art 7 EMRK nicht nur ein besonderes Bestimmtheits- und Klarheitsgebot sowie Rückwirkungsverbot für strafrechtlich Normen abzuleiten, sondern folgt aus diesem Prinzip nullum crimen sine lege (nulla poena sine lege) bei der Anwendung von Straftatbeständen auch der Auslegungsgrundsatz eines Verbots der extensiven Auslegung von Strafgesetzen und das Analogieverbot (vgl mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 1559; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 Anm 8 zu § 1 VStG; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 Anm 4 zu § 1 VStG).

 

Spätestens unter Berücksichtigung des Verbots extensiver Auslegung bei der Anwendung von Strafgesetzen wird klar, dass § 109 Abs 3 Z 19 iVm § 107 Abs 1 TKG 2003 eben nur Anrufe zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung verbietet und nach seinem Wortsinn keineswegs ausschließt, dass eine solche Einwilligung auch telefonisch eingeholt werden darf. Wie dazu oben bereits dargelegt, muss daher bei verfassungskonformer Auslegung in Bezug auf Telnehmer in öffentlichen Telefonregistern ein neutral gehaltenes Telefonat zulässig sein, um die Zustimmung zu einem allenfalls später zu führenden Werbeanruf einzuholen. Entgegen dem Eindruck den die belangte Behörde in ihrer Begründung mitunter vermittelt, sind demnach Anrufe zu Werbezwecken in rechtskonformer Weise möglich und durchführbar.

 

4.6.1. Bei den Tatvorwürfen nach den Spruchpunkten 3) und 4) handelt es sich um Zweitanrufe von Dienstnehmern der Fa. M, bei denen die übermittelten Personaldaten noch einmal überprüft werden und die auch einem allfälligen Vertragsabschluss dienen. Nach der Darstellung der Berufung wird ein solcher Zweitanruf nur nach vorheriger Zustimmung des Kunden zur weiteren Datenverwendung und zu diesem Anruf vorgenommen. Aus der Einvernahme der Bwin vom 13. April 2007 und dem von der belangten Behörde wiedergegebenen Schreiben des Herrn B  von der Fa. D T 24 s.l. geht hervor, dass Kunden beim Akquisitionsgespräch nach dem Gesprächsleitfaden der Fa. D T darauf hingewiesen werden, dass sie in den nächsten Tagen einen Zweitanruf durch die Fa. M erhalten. Diese Zustimmung des Kunden zur Datenverwendung und zum Zweitanruf ist für die Fa. M wesentlicher Inhalt des mit der Fa. D T abgeschlossenen Vertrages, zumal ein legaler Zweitanruf sonst nicht möglich wäre und die mangelhafte Kundenakquisition der D T keinen Wert für die Fa. M hätte. Deshalb hat die Bwin im näher begründeten Vorlageantrag vom 29. Mai 2007 in vorangegangenen Berufungsverfahren (dazu oben unter 2.4.) auch vorgebracht, dass die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen durch die D T 24 nachdrücklich gefordert und die Auflösung der Vertragsbeziehung angedroht worden wäre.

 

Die belangte Behörde hat keinerlei Beweise aufgenommen und die Verantwortung der Bwin auch nicht widerlegt, sondern nur referiert. Sie hat sich mit der bloß allgemein gehaltenen und daher ungenauen Erklärung am verwendeten Formblatt begnügt, dass die Anzeigenden keine Einwilligung zum Erhalt von Werbeanrufen erteilt hätten. In der Begründung zu den Tatvorwürfen 3) und 4) wird dementsprechend im Gegensatz zu den schriftlichen Angaben des Herrn B und zur generellen Verantwortung der Bwin pauschal behauptet, dass die Bwin eine Einwilligung der gegenständlich Angerufenen nicht behauptet hätte. So einfach durfte es sich die Strafbehörde nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats nicht machen. Es geht in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren nicht an, Tatsachen zum Nachteil eines Beschuldigten festzustellen, die ohne ein zuverlässiges Beweisverfahren erwiesen wurden. Wie der belangten Behörde beispielsweise aus der ohne Formblatt erstatteten Anzeige in ihrem Strafverfahren BMVIT-635.540/0347/08 (= VwSen-390245-2008), dessen Akten gleichzeitig vorgelegt wurden, bekannt sein musste, war dort ausdrücklich von der Ankündigung eines Zweitanrufs die Rede. Schon aus diesen Gründen kann der erkennende Veraltungssenat der belangten Behörde nur insoweit folgen, als die Angerufenen in den konkreten Fällen wahrscheinlich keine ausdrückliche Zustimmung zu einem Zweitanruf erteilt haben.

 

4.6.2. Eine solche Einwilligung konnte nach den gegebenen Umständen aber auch schlüssig erteilt werden (vgl § 863 ABGB). Die Anzeiger haben sich nämlich auf die Telefonate bewusst eingelassen und offenbar persönliche Daten und sogar ihre Kontoverbindungen bekannt gegeben. Auch wenn das Erstgespräch unter Hinweis auf einen Gewinn oder eine Gewinnchance (Lottoscheine gewonnen!) geschickt geführt wurde, um die Angerufenen zur Bekanntgabe von persönlichen Daten zu bewegen, vermag ein später allenfalls enttäuschtes Motiv nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats nichts daran zu ändern, dass diese Bekanntgabe von Daten freiwillig erfolgte. Denn von einer volljährigen und geschäftsfähigen Person muss der Rechtsverkehr erwarten können, dass sie die Bedeutung und Tragweite ihres Verhaltens erfassen und sich nach dieser Einsicht richten kann. Ein voll handlungsfähiger Erwachsener muss damit rechnen, dass er im Geschäftsleben nichts geschenkt bekommt und in Aussicht gestellte Vorteile meist auch mit Nachteilen bzw Leistungen des Kunden verbunden sind. Davon zu unterscheiden ist der Umstand, dass unseriöse Geschäftspraktiken zur Irrtumsanfechtung berechtigen können und nach Konsumentenschutzrecht allenfalls auch ein Rücktrittsrecht eingeräumt ist.

 

Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens ist aber ausschließlich die Frage der Einwilligung zum Werbeanruf der Fa. M an sich und nicht auch die Frage, ob aus zivilrechtlicher Sicht potentielle Kunden mit unerlaubten Methoden zur Teilnahme an Lottospielgemeinschaften gewonnen wurden. Diese Entscheidung bleibt den Zivilgerichten vorbehalten. Im gegenständlichen Berufungsverfahren sind daher konsumentenschutzrechtliche Fragen auch als Vorfragen nicht aufzuwerfen.

 

Der erkennende Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage davon aus, dass entsprechend den von der belangten Behörde referierten Vertragsbestimmungen und der Aussage des Herrn B von der Fa. D T auch in den gegenständlichen Fällen ein Zweitanruf angekündigt worden ist, dem die Angerufenen zumindest nicht widersprochen haben. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde war die Fa. M auf Grund der mit der Fa. D T vertraglich vereinbarten Leistung und der Übermittlung eines dementsprechend vollständigen Datensatzes einschließlich der Kontoverbindung des Kunden grundsätzlich zur Annahme berechtigt, dass dieser in eine Kontaktaufnahme durch die Fa M im Wege eines Zweitanrufs eingewilligt hat. Denn nach Bekanntgabe der persönlichen Daten einschließlich der sensiblen Kontodaten betreffend eine Bankverbindung besteht kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln (vgl 863 Abs 1 ABGB), dass der potentielle Kunde zumindest so viel Interesse an der Sache gezeigt hat, dass er einem Zweitanruf durch die Fa. M zustimmt und eine Teilnahme an einer Lottospielgemeinschaft nicht von vornherein ausschließt. Ein unüberlegtes Handeln des Teilnehmers oder ein allfälliger Motivirrtum vermag am objektiven Erklärungswert eines Verhaltens nichts zu ändern. Insofern vertritt der erkennende Verwaltungssenats die Ansicht, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung ein potentieller Kunde seine Daten samt Kontoverbindung nicht bekannt gegeben hätte, wäre er überhaupt nicht an der Sache interessiert und daher schon mit einem weiteren Anruf nicht einverstanden. Auch die in diesem Zusammenhang unwidersprochen gelassene Ankündigung eines Zweitanrufs lässt darauf schließen, dass der Teilnehmer mit diesem Zweitanruf einverstanden war. Wer sich auf die Sache eingelassen hat, für den gilt der alte lateinische Grundsatz "Qui tacet consentire videtur!". Sein Schweigen ist unter diesen Umständen als Zustimmung zu deuten.

 

Für den erkennenden Verwaltungssenat steht daher als entscheidungswesentliche Tatsache fest, dass zumindest das zweite Telefongespräch als solches nach den gegebenen Umständen nicht ohne Zustimmung der Anzeiger stattgefunden haben konnte. Die maßgebliche Verantwortung der Bwin, dass die Fa. M erst nach Vorliegen eines vollständigen Adressdatensatzes mit Kundendaten und der Zustimmung zur weiteren Verwendung einen Zweitanruf vornimmt, konnte nach Ausweis der Aktenlage von der belangten Behörde nicht widerlegt werden. Die in der Berufung vertretene Ansicht, dass die Fa M bzw die Bwin bei einem vollständigen Adressdatensatz jedenfalls von einer Zustimmung des Kunden zum Zweitanruf ausgehen konnte, weil der Kunde ansonsten nicht seine Daten, insbesondere auch nicht seine Kontoverbindung, bekannt gegeben hätte, erscheint dem erkennenden Verwaltungssenat schlüssig und wird daher grundsätzlich geteilt. Solange im Einzelfall keine gegenteiligen Hinweise vorliegen, die eine solche Zustimmung des Kunden in Frage stellen, kann der Bwin kein Sorgfaltsverstoß angelastet werden. Der Zweitanruf durch die Fa. M dient eben auch der Kontrolle.

 

5. Im Ergebnis steht daher schon nach der Aktenlage und dem von der belangten Behörde vorgeworfenen Sachverhalt fest, dass die beschuldigte Bwin die im Straferkenntnis angelasteten Taten so nicht begangen haben konnte. Deshalb war der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und mangels erwiesener und rechtlich zutreffend vorgeworfener Verwaltungsübertretungen waren die Strafverfahren nach dem § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

Rechtssätze zu

VwSen-390247/2/Wei/Eg vom 2. Juni 2009

 

§ 7 VStG iVm §§ 107 Abs 1, 109 Abs 3 Z 19 TKG 2003

 

Unter Anstiftung iSd § 7 VStG ist die vorsätzliche Veranlassung eines anderen zu einem tatbestandswidrigen und rechtswidrigen Verhalten und die daran anschließende Ausführung der Tat selbst zu verstehen. Dabei darf die subjektive Tatseite des Anstifters nicht bloß abstrakt fundiert werden, sondern sind nach der Rechtsprechung konkrete Feststellungen erforderlich, aus denen hervorgeht, dass sich der Anstifter bewusst war, dass sein Verhalten andere Personen zu einer Straftat verleiten werde.

 

Im Abschluss eines Vertrages mit einem selbständigen Unternehmen über den "Ankauf von Adressdateien" betreffend Personen, die eine ausdrückliche Zustimmung abgeben haben, dass sie in einem Zweitanruf von der Fa. M kontaktiert werden können, kann entgegen der Ansicht der belangten Behörde kein Verhalten gesehen werden, das als Anstiftung zu Verwaltungsübertretungen betreffend unerlaubte Werbeanrufe qualifiziert werden könnte. Denn ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis betreffend die Übertragung (Auslagerung) der Kundenakquisition ist im Geschäftsverkehr grundsätzlich erlaubt und damit zulässig. Ein Konnex zu einer konkreten Verwaltungsübertretung lässt sich aus einem erlaubten Verhalten nicht ableiten, auch wenn die Kundenakquisition im Wege des problematischen "Telefonmarketings" erfolgt. Denn auch dieses stellt grundsätzlich eine erlaubte Tätigkeit innerhalb des gesetzlichen Rahmens dar und in der vertraglichen Auslagerung auf einen selbständigen Dritten, für ein Unternehmen und einen bestimmten Zweck Kunden zu werben, kann keine unzulässige Übertragung von eigenen gesetzlichen Verpflichtungen gesehen werden (vgl auch h. Erkenntnis vom 14.01.2009, Zlen. VwSen-390258 und 259/5/SR/Sta).

 

Das Unterlassen von wirksamen Maßnahmen gegen einen vertraglich beauftragten Dritten und damit die bloße Untätigkeit eines Beschuldigten kann Anstiftung grundsätzlich nicht erfüllen. Es handelt sich dabei vielmehr um eine Aspekt der Fahrlässigkeit, der auch die bei der Anstiftung vorausgesetzte subjektive Tatseite nicht begründen kann.

 

§ 107 Abs 1 TKG 2003 und Art 6 StGG und Art 10 EMRK

 

Werbeanrufe als Mittel der Kundenakquisition sind nicht schlechthin, sondern nur ohne vorherige Einwilligung des Angerufenen verboten. Ein neutral gehaltener Anruf zur Einholung der Zustimmung zu einem Gespräch zu Werbezwecken ist selbst noch kein Werbeanruf, sondern dient nur dessen Vorbereitung.

 

Eine solche erste Kontaktaufnahme ist Teilnehmern, die in öffentlichen Telefonregistern eingetragen sind, zumutbar und muss bei verfassungskonformer Interpretation auch zulässig sein, weil andernfalls das Medium der Telefonie für Zwecke der Kundenwerbung schlechthin nicht zur Verfügung stünde, was wohl mit dem Grundrecht der Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG) und der Meinungsfreiheit (Art 10 EMRK) nicht mehr vereinbar wäre.

 

§§ 107 Abs 1 iVm § 109 Abs 3 Z 19 TKG 2003 und Art 7 EMRK

 

Der für den Strafgesetzgeber verbindliche Grundsatz "nullum crimen sine lege" ist auch für die Auslegung bedeutsam, indem er nach hM auch das Verbot der extensiven Auslegung von Straftatbeständen und das der Analogie beinhaltet.

 

§ 107 Abs 1 TKG 2003 schließt nach seinem Wortsinn keineswegs aus, dass eine Einwilligung zu Werbeanrufen auch telefonisch eingeholt werden kann. Er darf als Teil des Strafnorm des § 109 Abs 3 Z 19 TKG 2003 nicht extensiv zum Nachteil des Täters ausgelegt werden.

 

§ 107 Abs 1 TKG 2003

 

Die Einwilligung eines Teilnehmers zu einem Werbeanruf kann nach den Umständen auch schlüssig erteilt werden, wenn kein vernünftiger Grund zu zweifeln übrig bleibt (vgl § 863 Abs 1 ABGB).

 

Wer sich auf ein unerbetenes Telefonat (Erstgespräch) bewusst eingelassen und offenbar seine persönlichen Daten einschließlich der sensiblen Daten seiner Bankverbindung bekannt gegeben hat, bei dem besteht nach dem objektiven Erklärungswert seines Verhaltens kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln, dass er zumindest so viel Interesse an der Sache gezeigt hat, dass er einem Zweitanruf durch die Fa. M zustimmt und eine Teilnahme an einer Lottospielgemeinschaft nicht von vornherein ausschließt. Ein unüberlegtes Handeln des Teilnehmers oder ein allfälliger Motivirrtum können daran nichts zu ändern, weil von einer volljährigen und geschäftsfähigen Person im Rechtsverkehr erwartet werden kann, dass sie die Bedeutung und Tragweite ihres Verhaltens erfasst und sich nach dieser Einsicht richtet. Auch die in diesem Zusammenhang unwidersprochen gelassene Ankündigung eines Zweitanrufs lässt darauf schließen, dass der Teilnehmer mit diesem Zweitanruf einverstanden war. Wer sich auf die Sache eingelassen hat, für den gilt der alte lateinische Grundsatz "Qui tacet consentire videtur!". Sein Schweigen ist unter diesen Umständen als Zustimmung zu deuten.

 

Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens ist ausschließlich die Frage der Einwilligung zum Werbeanruf der Fa. M an sich und nicht auch die Frage, ob aus zivilrechtlicher Sicht potentielle Kunden mit unerlaubten Methoden zur Teilnahme an Lottospielgemeinschaften gewonnen wurden. Diese Entscheidung bleibt den Zivilgerichten vorbehalten. Im gegenständlichen Berufungsverfahren sind daher konsumentenschutzrechtliche Fragen auch als Vorfragen nicht aufzuwerfen.

 

 

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