Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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Linz, 27.05.2009

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufungen der russischen Staatsangehörigen M A, M B, T A, M A, A A, A B, Z A, E A und M A, alle vertreten durch den Verein „A i N“, W, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 5. Mai 2009, GZ 905124, 905125, 905127, 905128, 905129, 905130, 905131, 905132 u. 905155, wegen des Entzuges der Grundversorgung für Asylwerber zu Recht erkannt:

Der Berufung wird mit der Wirkung stattgegeben, dass die angefochtenen Bescheide aufgehoben werden.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 2 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesasylamtes vom 5. Mai 2009, GZ 905124, 905125, 905127 bis 905132 u. 905155, wurde dem Erstbeschwerdeführer, seiner Gattin und seinen 7 Kindern die ihnen nach dem Grundversorgungsgesetz des Bundes, BGBl.Nr. I 405/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 4/2008 (im Folgenden: GVG-B), seit dem 28. September 2008 gewährte Unterstützung entzogen; gleichzeitig wurde festgestellt, dass den Rechtsmittelwerbern künftig lediglich der Zugang zur medizinischen Notversorgung gewährt wird.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Asylanträge der jeweils der tschetschenischen Volksgruppe angehörenden Beschwerdeführer abgewiesen und ihre damit verbundenen Ausweisungen jeweils am 16. März 2009 rechtskräftig geworden seien. Dessen ungeachtet hätten sie bereits am 30. April 2009 wiederum Asylanträge gestellt. Da sie sohin allseits unbestritten innerhalb von sechs Monaten nach dem rechtskräftigen Abschluss ihres Asylverfahrens jeweils einen weiteren Asylantrag eingebracht hätten, seien sie folglich – was ihnen auf Grund des Umstandes, dass sie im Asylverfahren von einem Rechtsanwalt vertreten wurden, auch bewusst gewesen sein musste – gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 GVG-B von der Grundversorgung auszuschließen gewesen. Außerdem seien Verwandte der Ehegattin in Österreich aufhältig, wobei notorisch sei, dass innerhalb der tschetschenischen Volksgruppe ein enger Zusammenhalt bestehe, sodass sie auch von diesen versorgt werden könnten.

1.2. Gegen diese ihnen am 7. Mai 2009 zugestellten Bescheide richten sich die vorliegenden, am 15. Mai 2009 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachten Berufungen.

Darin bringen die Rechtsmittelwerber vor, dass es sich bei § 3 Abs. 1 Z. 3 GVG‑B lediglich um eine Ermessensbestimmung handle. Im gegenständlichen Fall erweise sich dieses Ermessen durch das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, BGBl.Nr. 7/1993, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. III 16/2003 (im Folgenden: ÜRK), jedenfalls insofern eingeschränkt, als Österreich nach Art. 6 Abs. 2 ÜRK dazu verpflichtet sei, das Überleben und die Entwicklung der Kinder des Erstbeschwerdeführers zu sichern. Außerdem könne nicht ernsthaft angenommen werden, dass die in Österreich lebende Tante der Rechtsmittelwerber tatsächlich dazu in der Lage sei, alleine sich selbst und eine neunköpfige Familie zu ernähren, zumal diese (offenbar eine Asylwerberin) derzeit auch noch in einer Pension untergebracht sei.

Daher wird beantragt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der gesamten Familie des Erstbeschwerdeführers weiterhin die Grundversorgung gewährt wird.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesasylamtes zu GZ 905124, 905125, 905127 bis 905132 u. 905155; da sich bereits aus diesen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen dementsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 9 Abs. 3a letzter Satz GVG-B entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Berufungen gegen die Entscheidungen des Bundesasylamtes (nicht – wie in § 67a AVG grundsätzlich vorgesehen – durch eine Kammer, sondern) durch ein Einzelmitglied.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 2 Abs. 1 GVG-B leistet der Bund einem Asylwerber im Zulassungsverfahren – d.i. nach § 1 Z. 1 GVG-B ein Asylwerber, der einen Asylantrag eingebracht hat und über dessen Zulässigkeit noch nicht entschieden ist bzw. dessen Verfahren nicht eingestellt wurde – Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 GVG-B können jedoch Asylwerber, die innerhalb von sechs Monaten nach dem rechtskräftigen Abschluss ihres früheren Asylverfahrens einen weiteren Asylantrag eingebracht haben, von der Versorgung insoweit ausgeschlossen werden, als dadurch nicht der Zugang zur medizinischen Notversorgung beschränkt wird.

3.2. Zufolge den Gesetzesmaterialien stellt § 3 Abs. 1 GVG-B – wie dies im Gesetzestext ohnehin durch die Verwendung des Wortes „kann“ deutlich zum Ausdruck gebracht wird – zwar grundsätzlich eine Ermessensbestimmung dar; ein „Gesamtausschluss ist jedoch immer nur i.S. einer ultima-ratio“-Maßnahme zulässig (vgl. StenProtNR, 22.GP, 55. Sitzung, S. 115). In Verbindung mit § 2 Abs. 1 GVG-B, wonach Asylwerbern nicht nur im Zulassungsverfahren, sondern diesen darüber hinaus auch dann, wenn deren Antrag zurück- oder abgewiesen wurde, grundsätzlich so lange Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes geleistet wird, bis diese das Bundesgebiet verlassen, ergibt sich daraus insgesamt, dass ein Ausschluss aus der Bundesbetreuung nach dem Willen des Gesetzgebers nur im Falle eines offensichtlichen und gleichzeitig erwiesenen Missbrauches erfolgen darf.

Im gegenständlichen Fall kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtsmittelwerber die Grundversorgung missbräuchlich in Anspruch genommen hätten, im Gegenteil: Auch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht explizit hervor (vgl. S. 2), dass die Beschwerdeführer nicht darüber aufgeklärt waren, dass im Falle des Stellens von Folgeasylanträgen (unter Umständen) kein Anspruch auf weitere Grundversorgung bestehen könnte. Ein „Missbrauch“ könnte ihnen daher allenfalls nur in Bezug auf die Stellung ihrer neuerlichen Asylanträge trotz bereits unmittelbar zuvor rechtskräftig abgeschlossener Asylverfahren angelastet werden. Hiebei handelt es sich jedoch bloß um verfahrensrechtliche Formalakte, die in der Folge in aller Regel zu einer Zurückweisung führen und nicht unbedingt auch mit der Frage der Gewährung von Grundversorgung, die nach § 2 Abs. 1 GVG-B ja ausdrücklich auch im Falle der Zurückweisung von Asylanträgen solange zu gewähren ist, bis die Fremden das Bundesgebiet verlassen, etwas zu tun haben.

Nur unter besonderen Umständen – wie etwa dann, wenn der Folgeantrag beispielsweise im Zuge einer illegalen Rückkehr ins Bundesgebiet und ausschließlich deshalb gestellt wurde, um sich die bereits zuvor eingestellten Leistungen aus der Grundversorgung wieder zu verschaffen, o.Ä. –, deren Vorliegen dann entsprechend konkret belegt sein müsste, könnte eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen vorliegen. Dies trifft jedoch im gegenständlichen Fall offensichtlich gerade deshalb nicht zu, weil hier bis zur Erlassung des Entzugsbescheides eine aufrechte Grundversorgung bestand, sodass die Stellung der Folgeanträge keineswegs bezweckte, in missbräuchlicher Weise Versorgungsleistungen zu erhalten. Wie bereits zuvor angesprochen, hatten die Rechtsmittelwerber davon, dass die Stellung von Folgeanträgen einen Ausschluss aus der Bundesbetreuung nach sich ziehen kann, schlicht und einfach keine Kenntnis.

3.3. Vor diesem Hintergrund sieht sich der Oö. Verwaltungssenat daher dazu veranlasst, das ihm als Berufungsinstanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG grundsätzlich zukommende, jedoch im zuvor unter 3.2. bereits dargestellten Sinne schon von Gesetzes wegen eng begrenzte Ermessen hier dahin auszuüben, dass von einem Ausschluss der Rechtsmittelwerber aus der Bundesbetreuung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 GVG-B abgesehen wird.

3.4. Aus diesem Grund war daher den gegenständlichen Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Wirkung stattzugeben, dass die angefochtenen Bescheide aufgehoben werden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.   Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 39,60 Euro (für 3 Anträge á 13,20 Euro – Gebührenschuldner: M A) entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr.  G r o f

Rechtssatz:

 

VwSen-700019/2/Gf/Mu vom 27. Mai 2009

 

§ 3 Abs. 1 Z. 3 GVG-B

 

§ 3 Abs. 1 GVG-B stellt zwar grundsätzlich eine Ermessensbestimmung dar; ein „Gesamtausschluss ist jedoch immer nur i.S. einer ultima-ratio“-Maßnahme zulässig (vgl. StenProtNR, 22.GP, 55. Sitzung, S. 115). In Verbindung mit § 2 Abs. 1 GVG-B, wonach Asylwerbern nicht nur im Zulassungsverfahren, sondern diesen darüber hinaus auch dann, wenn deren Antrag zurück- oder abgewiesen wurde, grundsätzlich so lange Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes geleistet wird, bis diese das Bundesgebiet verlassen, ergibt sich daraus insgesamt, dass ein Ausschluss aus der Bundesbetreuung nach dem Willen des Gesetzgebers nur im Falle eines offensichtlichen und gleichzeitig erwiesenen Missbrauches erfolgen darf. Wenn sich ergibt, dass der Fremde durch die Stellung eines Folgeasylantrages in keiner Weise beabsichtigt hat, die Grundversorgung missbräuchlich in Anspruch zu nehmen, sondern er davon, dass die Stellung eines Folgeasylantrages allenfalls einen Ausschluss aus der Bundesbetreuung nach sich ziehen kann, schlicht und einfach keine Kenntnis hatte, ist das Ermessen in § 3 Abs. 1 Z. 3 GVG-B festgelegte Ermessen dahin auszuüben, dass kein Entzug von Versorgungsleistung auszusprechen ist.

 

Beachte:
vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 19.04.2012, Zl. 2012/01/0026-5 bzw. 2009/18/0272

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