Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550480/4/Kü/Rd/Sta

Linz, 22.07.2009

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über den Antrag der B P GmbH/S B-H GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. H, Dr. U, Mag. M, Mag. L, Dr. G, Mag. F, L,  G, vom 17.7.2009 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der K W-G GmbH betreffend das Vorhaben "Neu- und Umbau Bautrakt 06 Psychiatrie", zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin K W-G GmbH die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 17. September 2009, untersagt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 17.7.2009 hat die B P GmbH/S B-H GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf  Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von 3.750 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin im Wesentlichen hiezu aus, dass das gegenständliche Vorhaben am 13.5.2009 bekannt gemacht worden sei. Von der Antragstellerin sei fristgerecht ein gültiges Angebot gelegt worden und sei am 9.6.2009 die Angebotsöffnung erfolgt. Laut Ausschreibungsunterlagen erfolge die Vergabe nach den Bestimmungen des BVergG 2006 im Oberschwellenbereich. Als Zuschlagskriterien würden der Preis mit 80%, der Personaleinsatz mit 5%, die Qualität der Leistungserbringung mit 3%, die Gewährleistung mit 7% und die Verfügbarkeit in der Gewährleistungsfrist mit 5% gewichtet. Von der Antragstellerin sei ein Angebot mit einer Angebotssumme von 2.629.672,55 Euro gelegt worden und habe das Angebot aufgrund der Bestbieterermittlung 96,50 Punkte erhalten. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin (K & J W Baumeister Betriebs-GmbH) habe ein Angebot mit einer Angebotssumme von 2.646.346,52 Euro gelegt und aufgrund der Bestbieterermittlung 98,40 Punkte erhalten. Am 6.7.2009 habe die Auftraggeberin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag der Firma K & J W Baumeister Betriebs-GmbH erteilen zu wollen.

 

Die Antragstellerin habe ihr Interesse am Vertragsabschluss bekundet und würden ihr durch die Nichterteilung des Auftrages Kosten in Höhe von ca. 76.500 Euro (entgangener Gewinn, variable Kosten) entstehen und das Umsatzvolumen des gegenständlichen Auftrages einen nicht unerheblichen Teil des Jahresumsatzes darstellen. Zudem drohe der Verlust eines Referenzprojektes.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf Durchführung und Teilnahme an einem rechtskonformen und diskriminierungsfreien Vergabeverfahren unter Beachtung der Grundsätze des freien und lauteren Wettbewerbs, insbesondere in ihren Rechten auf die Einhaltung der Ausschreibungsunterlagen, auf Ausscheiden auszuscheidender Angebote, auf eine willkürfreie Zuschlagsentscheidung, auf Gleichbehandlung der Bieter, Transparenz und Nachprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung und in ihrem Recht den Zuschlag zu erhalten, verletzt.

 

Als Gründe für die Rechtswidrigkeiten machte die Antragstellerin geltend, dass die Grundsätze gemäß § 19 BVergG 2006 bei der Vergabe bzw. bei der vorgenommenen Zuschlagsentscheidung nicht eingehalten worden seien.

So sei anlässlich der Angebotsöffnung am 9.6.2009 im Protokoll festgehalten worden, dass beim Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin das L-LV, insbesondere das Deck- und Schlussblatt nicht ausgepreist und auch nicht rechtsgültig unterfertigt gewesen sei. Für den Fall, dass der präsumtiven Zuschlagsempfängerin die Möglichkeit eingeräumt worden sei, das L-LV im Rahmen der Mängelbehebung ordnungsgemäß ausgefüllt nachzureichen, sei ihr dadurch die Möglichkeit gegeben worden, ihre eigene Wettbewerbssituation gegenüber den Mitbewerbern unzulässig zu verbessern. Durch die Möglichkeit des Nachreichens des L-LV sei der präsumtiven Zuschlagsempfängerin die Möglichkeit eingeräumt worden, in Kenntnis des Angebotsinhalts der übrigen Mitbewerber, ihr LV entsprechend angepasst nach erfolgter Mängelbehebung vorzulegen. Da sich auf dem vorgelegten Datenträger das L-LV nicht befinde, könne das allenfalls nachgereichte nicht mit einer entsprechenden Ausführung auf dem Datenträger verglichen werden. Die unbekämpften Ausschreibungs­unterlagen seien Vertragsinhalt geworden und sei aufgrund der Vertragsbestimmungen das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auszuscheiden gewesen.

Darüber hinaus sei das L-LV auch nicht ordnungsgemäß unterfertigt gewesen, obwohl dies in der Ausschreibung ausdrücklich gefordert worden sei. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wäre daher auszuscheiden gewesen. Daraus ergebe sich, dass die Auftraggeberin rechtswidrig, insbesondere entgegen den Bestimmungen der §§ 122f BVergG 2006 gehandelt habe, insbesondere entgegen § 123 Abs.2 Z5 leg.cit. Hätte die Auftraggeberin das Angebot der für den Zuschlag in Aussicht genommenen Bieterin ordnungsgemäß geprüft, wäre sie zu dem Ergebnis gekommen, dass das Angebot auszuscheiden gewesen wäre und wäre der Zuschlag der Antragstellerin zu erteilen gewesen.

 

Die Antragstellerin führte weiters im Detail aus, dass es sich bei der Auftraggeberin um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts gemäß § 3 Abs.1 Z2 BVergG 2006 handle und alle drei Voraussetzungen der genannten Bestimmung (Rechtsfähigkeit, Erfüllung von Aufgaben im Allgemeininteresse nicht gewerblicher Art, überwiegende Finanzierung bzw. Aufsicht über die Leitung gemäß § 3 Abs.1 Z2 lit.c BVergG 2006) erfülle. Zusammenfassend ergebe sich, dass sämtliche Voraussetzungen des § 3 Abs.1 Z2 BVergG 2006 erfüllt seien, daher sämtliche Bestimmungen des BVergG 2006, mit Ausnahme des 3. Teils, anzuwenden seien.

Gemäß Art.14b Abs.2 Z2 lit.b sublit.aa und bb B-VG sei die Vollziehung in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch die in Art. 14b Abs.2 Z2 lit.a bis f aufgezählten Rechtsträger. Im vorliegenden Fall handle es sich jedenfalls nicht um eine Bundessache, weshalb das Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 anzuwenden sei.

Sollte der Oö. Verwaltungssenat zu der Ansicht kommen, dass es sich entgegen den Ausführungen bei der Auftraggeberin um keine Einrichtung des öffentlichen Rechts gemäß § 3 Abs.1 Z2 BVergG 2006 handle, seien dennoch gemäß § 3 Abs.2 BVergG 2006 die Bestimmungen des 1., 2. und 4. bis 6. Teils des BVergG 2006 anzuwenden, sohin insbesondere auch die Rechtsschutzbestimmungen, da es sich gegenständlich um eine Auftragsvergabe im Oberschwellenbereich sowie um einen Bauauftrag im Sinne des Anhanges II des BVergG 2006 handle, welcher zu mehr als 50% direkt subventioniert werde.

Die Auftraggeberin habe in den Ausschreibungsunterlagen selbst dargelegt, dass die Bestimmungen des BVergG 2006 im Oberschwellenbereich anzuwenden seien. Darüber hinaus seien mehrere Gewerke ausgeschrieben worden und betrage die Angebotssumme der Antragstellerin für das Gewerk "Baumeisterarbeiten" bereits 2.629.672,55 Euro. Bei Zusammenrechnung aller Gewerbe sei sohin davon auszugehen, dass der Schwellenwert für Bauaufträge von 5.150.000 Euro überschritten würde. Dass es sich beim gegenständlichen Bauauftrag um einen Auftrag im Sinne des Anhanges II des BVergG 2006 handle, sei evident. Die Antragstellerin gehe weiters davon aus, dass der gegenständliche Auftrag zu mehr als 50% direkt subventioniert werde. Bei der von Auftraggeberin betriebenen Krankenanstalt handle es sich jedenfalls um eine Einrichtung, die dem Gemeinwohl diene. Krankenanstalten würden bekannterweise überwiegend vom Land , Gemeinden oder anderen öffentlichen Auftraggebern subventioniert. Daraus ergebe sich, dass die gegenständliche Auftragsvergabe jedenfalls in den Anwendungsbereich des BVergG 2006 falle und daher der Oö. Verwaltungssenat für die Entscheidung zuständig sei.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin zunächst auf die Ausführungen im Hauptantrag und führt weiters aus, dass die Erlassung einer einstweiligen Verfügung unbedingt notwendig sei, zumal die bloße Feststellung einer rechtswidrigen Zuschlagserteilung und allenfalls zustehende Schadenersatzforderungen die Chance der Antragstellerin den Auftrag zu erhalten, nicht aufzuwiegen vermögen. Entgegenstehende öffentliche Interessen seien nicht gegeben. Eine korrekte, transparente, nachvollziehbare, sachadäquate und gleich behandelnde Auftragsvergabe müsse auch im Interesse der Auftraggeberin liegen. Auch andere entgegenstehende Interessen der Auftraggeberin würden nicht vorliegen. Die Fertigstellung sei erst für Ende des Jahres 2012 festgelegt. Eine einstweilige Aussetzung stelle daher für die Auftraggeberin keine unverhältnismäßige Belastung dar.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat sowohl die K W-G GmbH als Auftraggeberin als auch die O O M S GmbH als ausschreibende Stelle am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Schriftliche Stellungnahmen zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurden innerhalb der gesetzten Frist nicht abgegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art.14b Abs.2 Z2 lit.e B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch in Z1 lit.a bis d und lit.a bis d nicht genannte Rechtsträger, die vom Land allein oder gemeinsam mit dem Bund oder anderen Ländern finanziert werden, soweit die Vergabe nicht unter Z1 lit.e sublit.aa fällt.

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

Gemäß § 3 Abs.1 BVergG 2006 gilt dieses Bundesgesetz mit Ausnahme seines 3. Teils für die Vergabeverfahren von öffentlichen Auftraggebern (im Folgenden: Auftraggeber), das sind

1.      der Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände,

2.      Einrichtungen, die

         a)      zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im           Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die nicht gewerblicher Art sind, und

         b)      zumindest teilrechtsfähig sind und

         c)      überwiegend von Auftraggebern gemäß Z1 oder anderen Einrichtungen im Sinne der Z2 finanziert werden oder die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch letztere unterliegen oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die von Auftraggebern gemäß Z1 oder anderen Einrichtungen im Sinne der Z2 ernannt worden sind,

3.      Verbände, die aus einem oder mehreren Auftraggebern gemäß Z1 oder 2 bestehen.

 

§ 3 Abs.2 leg.cit. lautet: Wenn Auftraggeber im Oberschwellenbereich einer Einrichtung, die kein Auftraggeber im Sinne des Abs.1 ist, Bauaufträge über Tiefbauarbeiten im Sinne des Anhanges I oder Bauaufträge im Sinne des Anhanges II oder in Verbindung mit solchen Bauaufträgen vergebene Dienstleistungsaufträge zu mehr als 50 vH direkt subventionieren, so gelten bei der Vergabe dieser Bau- und Dienstleistungsaufträge die Bestimmungen des 1., 2. und des 4. bis 6. Teils dieses Bundesgesetzes. 

 

Die Auftraggeberin K W-G GmbH ist im Provisorialverfahren den umfassenden Ausführungen der Antragstellerin zur Auftraggebereigenschaft im Sinne des § 3 Abs.1 bzw. § 3 Abs.2 BVergG 2006 nicht entgegengetreten, sodass im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung – vorbehaltlich einer vertieften Überprüfung, welche im eigentlichen Nachprüfungsverfahren durchzuführen sein wird – davon auszugehen ist, dass die K W-G GmbH, wenn auch nur auf das gegenständliche Bauvorhaben bezogen, als  öffentlicher Auftraggeber zu behandeln ist.

 

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3.  Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung (Fertigstellung Ende 2012) handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt 

 

 

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