Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164203/11/Br/RSt

Linz, 30.06.2009

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des  Herrn T K, geb.    , S, gegen das Straferkenntnis der Bezirks­haupt­mann­schaft  Perg vom 27.2.2002, VerkR96-815-2009, zu Recht:

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straf­erkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

 

II.     Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrens­kostenbeiträgen.

 

    Rechtsgrundlagen:

Zu I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch, BGBl. I Nr. 20/2009 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit dem im Anschluss an eine Strafverhandlungsschrift erlassenen Straferkenntnis über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 800 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 264 Stunden) verhängt. Darin wurde ihm zur Last gelegt, er habe am 1. März 2009 um 14.05 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen    im Gemeindegebiet von Weißkirchen an der Traun, Kreuzungsbereich Treppelweg – Marchtrenkner Landesstraße in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt.

Außerdem wurde ihm neben den Verfahrenskosten in Höhe von 80 Euro (gemäß § 64 Abs.1 VStG, 10% der verhängten Geldstrafe, auf  § 5a Abs.2 StVO gestützt als Barauslagen die Kosten für das gerichtsmedizinische Gutachten in Höhe von 660 Euro auferlegt. Als Kosten des Strafverfahrens wurden ihm 80 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) und gemäß § 5a Abs.2 StVO für das gerichtsmedizinische Gutachten in der Höhe von 860 Euro auferlegt (richtig wohl wären 660 Euro gewesen).

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz stützte ihre Entscheidung auf das Schuldeingeständnis des Berufungswerbers nach dessen Kenntnisnahme der Aktenlage.

Was der Berufungswerber im Einklang mit der Aufforderung zur Rechtfertigung die Tat konkret vollinhaltlich zugegeben haben soll bzw. worin das erblickt werden könnte, ist nicht nachvollziehbar.

Es ist weder erkennbar was dem Berufungswerber konkret vorgehalten wurde und inwiefern er die nicht einmal aus der Aktenlage ableitbare Tat der Suchtgiftbeeinträchtigung zugegeben haben sollte.

 

 

2. Gegen das am Anschluss an die Berufungsverhandlung erlassene Straf­erkenntnis erhob der Berufungswerber schließlich auch fristgerecht Berufung, wobei er darin eine Beeinträchtigung durch Suchtgift in Abrede stellt, weil der vor dieser Fahrt gelegene Konsum bereits drei Tage zurück gelegen wäre. Das im sogenannten Kurzerkenntnis protokollierte und von ihm auch unterschriebene Geständnis wurde in der Berufung ebenfalls in Abrede gestellt. Der Berufungswerber ersucht abschließend um erneute Begutachtung (gemeint wohl Beurteilung der Sachlage).

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat  hat dem Berufungswerber vorerst durch ein Schreiben vom 2. Juni 2009 zur entsprechenden Begründung der Berufung aufgefordert. Die ursprünglich mit einer Woche eröffnete Frist wurde bis zum Vorliegen der Gutachtensergänzung erstreckt.

Beweis erhoben durch Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der Gutachter Drin. S u. Prof. Dr. K zum Inhalt des toxikologischen Gutachtens (ON 5 u. ON 8).

Den Parteien wurde dazu Gelegenheit sich dazu abschließend zu äußern eröffnet.

 

 

4. Die polizeilich festgestellten Fakten und der klinische Befund:

Der Berufungswerber lenkte am 1. März 2009 gegen 14.05 Uhr den im Spruch näher bezeichneten Personenkraftwagen. Da diese Fahrt in einem Fahrverbotsbereich erfolgte kam es seitens der Straßenaufsichtsorgane zur Lenkerkontrolle. Auf Grund des äußeren Erscheinungsbildes (Aussehens) des Berufungswerbers wurde vorerst ein Alkovortest durchgeführt. Dieser erbrachte eine Atemluftalkoholkonzentration von 0,13 mg/l.

Der nachfolgende durchgeführte Drogenschnelltest verlief positiv. Der Berufungswerber wurde in der Folge der praktischen Ärztin Drin. S S zur Blutabnahme und klinischer Untersuchung zugeführt.

Laut dem um 14.55 Uhr des Vorfallstages erstellten sogenannten Drogen-Check-Formular wird das Fahrverhalten und die Reaktionsfähigkeit, sowie die Sprache als unauffällig bezeichnet. Die Bindehäute waren beim Berufungswerber gerötet und die Pupillen erweitert. Sein äußeres Erscheinungsbild wird als ungepflegt, die Sprache mit deutlich und die Aufmerksamkeit als normal beschrieben. Sein Gang war sicher und die Einnahme von Medikamenten und Mohnspeisen in den letzten Tage wurde vom Berufungswerbers verneint.

Der im Teil B des Drogenchecks ab 15:45 Uhr erhobene ärztliche Befund weist eine Pulsfrequenz von 60 und einen Blutdruck von 150/90 aus. Injektionsstellen wurde nicht festgestellt, die Atmung wird an der Rubrik "Eupnoe" markiert. Die Augen wurden als klar, die Pupillenweiten im Raumlicht mit 6,0 im direkten und indirektem Licht mit 4,0  sowie die Lichtreaktion als prompt und die Augenbewegungen beidseitig als gleichmäßig diagnostiziert. Ein Augenzittern und ein Schielen wurde nicht und die Konvergenz als vorhanden festgestellt.

Ein Dreh-Nachnystagmus wurde mit sechs Sekunden als noch normal erhoben.

Mund und Nase wurden als "normal", der Beinstehtest beidseitig als "unsicher" diagnostiziert.

Die psychischen Befunderhebung verlief in allen Punkten unauffällig bzw. wurde als normal bezeichnet.

Der Fingertest verlief unsicher (seitliches horizontales Zusammenführen), der Finger-Nasentest ergab sich jedoch wiederum als treffsicher.

Im Arzt-Befund (Punkt 3.) wurde der Drogentest auf "Amphetamine und Cannabis" als positiv vermerkt. Die Blutabnahme erfolgte um 16:05 Uhr. Abschließend wurde in der Rubrik Gutachten eine Beeinträchtigung durch Suchtgift schlussgefolgert und in der entsprechenden Markierung angekreuzt.

Auch im Ergänzungsgutachten wird seitens der untersuchenden Ärztin nicht dargelegt inwiefern der Berufungswerber allenfalls aus anderen Gründen nicht fahrtauglich gewesen wäre.

 

 

4.1. Da sich aus dem toxikologischen Gutachten vom 16.3.2009 eine Beeinträchtigung durch Suchtgift zum Zeitpunkt des Lenkens offenkundig nicht ableiten lässt wurde der Frau Drin. S das Gutachten von Prof. Dr. K mit dem Ersuchen um Stellungnahme und Ergänzung ihres klinischen Gutachtens betreffend dem Kalkül "Fahruntauglich in Folge einer Beeinträchtigung durch Suchtgift" zur Kenntnis gebracht.

Dazu führt sie am 9.6.2009 in einer knapp gehaltenen Stellungnahme aus, dass von der Polizei Marchtrenk vom Berufungswerber  eine auf Amphetamine und Cannabis positive Urinprobe genommen worden war. Ihr sei es daher "wohl wissend" über eine  noch Tage nach einem Konsum bestehenden Nachweisbarkeit, nicht möglich gewesen den Probanden fahrtauglich zu erklären.

Dieser diplomatisch anmutenden und die h. Frage letztlich unbeantwortend lassende Mitteilung kann in Verbindung mit dem Ergebnis des toxikologischen Gutachtens, welches offenkundig keine für die Herbeiführung der Fahruntauglichkeit wirksame Substanzen im Venenblut des Berufungswerbers vorfinden konnte,  ein Nachweis einer Beeinträchtigung durch Suchtgift nicht abgeleitet werden.

Die zur Last gelegte Beeinträchtigung lag demnach definitiv nicht vor.

Aber auch ein Ausschuss der Fahrtauglichkeit zum Lenkzeitpunkt  iSd § 58 StVO 1960 lässt sich aus dem zwei Stunden erfolgten klinischen Untersuchung und dem im Ergebnis nur im Finger- und Rombergtest mit Gutachten letztlich auch nicht als gesichert rückschließen. Der Fingertest und auch die übrigen klinischen Parametern waren beispielsweise unauffällig.

 

 

4.2. Der Gutachter des gerichtsmedizinischen Institutes der Universität Salzburg führt zusammenfassend konkret aus, dass  Kappelmüller wohl neben Ethylalkohol (Trinkalkohol) auch Cannabisprodukte (vermutlich Haschisch und/oder Mari­huana) zu sich genommen hatte und noch aktiv am Straßenverkehr teilnahm. Zum Zeitpunkt der Blutprobenerhebung aber lediglich noch das pharmakologisch inaktive Stoffwechselprodukt von THC, THC-COOH, im Armvenenblut des Obengenannten nachweisbar war. Weitere gängige Drogen bzw. zentral wirksame Medikamentenwirkstoffe im Sinne von Schlafmittel, Beruhigungsmittel oder Psychopharmaka, die die Fahrtüchtigkeit negativ beeinflussen, waren im Armvenenblut von Herrn K nicht nach­weisbar.

Die daraus offenkundig zu ziehende Schlussfolgerung wurde nach eine schriftliche und fernmündliche Rückfrage bei Prof. Dr. K nochmals in einer Gutachtenspräzisierung durch ein umfassendes Ergänzungsgutachten vom 16. Juni 2009 dahingehend bestätigt, dass von einer Beeinträchtigung durch Suchtgift nicht ausgegangen werden könne. Konkret führt Prof. Dr. K aus, dass der Berufungswerber zum Zeitpunkt der Blutprobensicherstellung nicht unter dem Einfluss einer gängigen Droge bzw. unter der Wirkung gängiger zentral  wirksamer Medikamentenwirkstoffe im Sinne von Schlaf-, Beruhigungsmittel oder Psychopharmaka befand.

Die von der untersuchenden Ärztin klinisch festgestellte Fahruntüchtigkeit kann demnach nicht auf Suchtgift zurückgeführt werden.

Die Behörde erster Instanz tritt dem ergänzend erhobenen Beweisergebnis und der von h. zum Ausdruck gebrachten Beweisbeurteilung nicht entgegen. Dem Berufungswerber war daher in seinem Berufungsausführungen und seiner abschließenden Stellungnahme zum h. Parteiengehör zu folgen (PG v. 22.6.2009, ON 9).

 

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen (§ 5 Abs.1 StVO 1960).

Nach § 99 Abs.1b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 581 Euro bis 3.633 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.

Das zur Last gelegte Faktum konnte dem Berufungswerber nicht nachgewiesen werden bzw. wurde offenbar gemäß dem toxikologischen Gutachten nicht begangen.

 

5.1. Zur Frage der Beweiswürdigung ist zu bemerken, dass die Behörde die Verwirklichung des (objektiven) Tatbestandes durch den Beschuldigten nachzuweisen hat. Die Unterstellung eines Sachverhaltes auf Grund von ursprünglichen Indizien – hier durch das klinische Gutachten zum Ausdruck gebrachten einer durch Suchtgift bedingten Fahruntauglichkeit - würde dem Grundsatz eines fairen Verfahrens widersprechen.

Mit Blick auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist an einen Beweis ein strengerer Maßstab als bloß eine aus der Lebensnähe gezogene Schlussfolgerung zu stellen (dazu insb. Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372).

Der Verfassungsgerichtshof sieht selbst im Bereich der sogenannten Ungehorsamsdelikte gemäß § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG von der Beweispflicht durch die Behörde und nicht von einer Verpflichtung des Verdächtigen seine Unschuld nachzuweisen (VfSlg. 11195/1986).

Hier kann vielmehr gutachterlich gesichert gelten, dass keine suchtgiftspezifischen Wirkstoffe (mehr) vorhanden waren welche die Fahruntauglichkeit bewirken hätten können.

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

Es findet sich aber auch keine ausreichende Beweisgrundlage dem Berufungswerber innerhalb der noch offenen Verfolgungsfrist alternativ einen Verstoß nach § 58 Abs.1 StVO zu erheben. Aus dem klinischen Gutachten lassen sich diesbezüglich keine beweissicheren Anhaltspunkte ableiten.

 

II. Der Entfall von Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen  diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof     erhoben werden; diese  muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von  220 Euro  zu entrichten. 

 

 

 

Dr.  B l e i e r

 

 

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