Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231011/8/BMa/RSt

Linz, 29.06.2009

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der NI, geb. , gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 20. August 2008, Zl. Sich96-1015-2008, wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetztes 2005 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

II. Die Berufungswerberin hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

 

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009, iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009

zu   II.: § 66 Abs.1 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Bescheid wurde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Sehr geehrte Frau I !

 

Sie waren vom 14.02.2008 bis 25.07.2008 in Österreich, T unrechtsmäßig aufhältig.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 120 Abs.1 Ziffer 2 iVm. § 31 Fremdenpolizeigesetz 2005 i.d.g.F.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von 210,- Euro

 

Im Fall der Nichteinbringlichkeit eine Ersatzstrafe von 48 Stunden.

 

Ferner haben Sie gem. § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: 21,- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 231,- Euro.

 

Zahlungsfrist:

Wird keine Berufung erhoben, so ist der Bescheid sofort vollstreckbar. Der Gesamtbetrag (Strafe, Kosten, Barauslagen) ist sodann unverzüglich entweder mit dem beiliegenden Zahl-(Erlag)schein zu überweisen oder unter Mitnahme dieses Bescheides bei der Behörde einzuzahlen. Bei Verzug muss damit gerechnet werden, dass der Betrag – ohne vorhergehende Mahnung – zwangsweise eingetrieben und im Fall seiner Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird."

 

1.2. Begründend wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen ausgeführt, durch den als unbegründet abgewiesenen Asylantrag habe die Bw ihren illegalen, wenn auch geduldeten Aufenthalt in Österreich nicht legalisieren können. Daher sei ihr Aufenthalt seit dem 14. Februar 2008 unrechtmäßig. Darüber hinaus verfüge sie in der Zeitspanne seit Erlassen des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes (23.7.2008) bis zur neuerlichen Asylantragstellung (25.7.2008, 19.00 Uhr) über keinen faktischen Abschiebeschutz und sei daher per definitionem als illegal in Österreich aufhältige Fremde zu betrachten.

 

Die Verfahrenskarte gemäß § 50 Asylgesetz dokumentiere nur, dass sich ein Asyl-Antragsteller im Zulassungs- oder materiellen Asylverfahren befinde und Anspruch auf bestimmte Leistungen und Rechte habe.

 

1.3. Gegen dieses Straferkenntnis vom 20. August 2008 richtet sich die vorliegende, am 3. September 2008 – und damit rechtzeitig – bei der belangten Behörde eingelangte Berufung vom 27. August 2008.

 

1.4. Darin bringt die Bw im Wesentlichen vor, sie sei aufgrund asylrechtlich relevanter Verfolgung in ihrem Heimatland gezwungen gewesen, dieses zu verlassen. Von Polen kommend sei sie am 14. Februar 2008 nach Österreich eingereist. Noch am gleichen Tag habe sie in der E einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Ihr Asylantrag vom 14. Februar 2008 sei mittels Bescheid des Bundesasylamtes, erlassen am 23. Juni 2008, gemäß

§ 5 Asylgesetz als unzulässig zurückgewiesen worden und die dagegen erhobene Berufung durch Entscheidung des Asylgerichtshofs vom 22. Juli 2008 abgewiesen worden. Am 26. Juli 2008 habe sie einen Asylfolgeantrag gestellt.

 

Weil die ihr ausgestellte Verfahrenskarte gemäß § 50 Asylgesetz ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich bescheinige, sei ihre Bestrafung nach

§ 120 Abs.1 Z2 iVm § 31 Abs.2 FPG europarechtswidrig. Die Bestrafung widerspreche auch Art.31 der Genfer Flüchtlingskonvention. Gemäß dieser Bestimmung dürften Flüchtlinge nicht wegen illegaler Einreise in ein Aufnahmeland oder Anwesenheit in diesem bestraft werden.

 

Weiters sei die Strafe zu einem Zeitpunkt verhängt worden, zu dem noch nicht einmal über ihren Asylfolgeantrag abgesprochen worden sei. Dies verletze die Intention der Genfer Flüchtlingskonvention, Flüchtlingen Schutz zu gewähren.

 

Abschließend wurde beantragt, das Straferkenntnis zu beheben und von der Einhebung der Strafe abzusehen.

 

2. Weil im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

Über Antrag der belangten Behörde hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 10. Juni 2009 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der ein Vertreter der belangten Behörde, Mag. RB, gekommen ist.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Folgende Feststellungen werden getroffen:

IN, geb. am      Staatsangehörige der russischen Förderation, reiste am 14. Februar 2008 nach Österreich ein und hat noch am selben Tag einen Asylantrag bei der EAST West eingebracht. Sie war nicht in Besitz eines für Österreich gültigen Sichtvermerks. Der Asylantrag wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 22. Juli 2008, erlassen am 23. Juli 2008, als unbegründet abgewiesen. Ihre Abschiebung nach Polen war durchsetzbar.

 

Am 25. Juli 2008 wurde die Ticketreservierung für die Außerlandesbringung der Bw bestätigt und um unverzügliche Ankündigung der Überstellung durch die Fremdenpolizei ersucht. Die Transferdaten wurden am 28. Juli 2008 an Polen übermittelt. Daraufhin wurde von der zuständigen Behörde in Polen mitgeteilt, dass der geplante Transfertermin nicht möglich sei.

 

Am 25. Juli 2008 wurde von der Bw ein Asylfolgeantrag gestellt.

 

Das nunmehr bekämpfte Straferkenntnis vom 20. August 2008 ist während der Dauer der Anhängigkeit des Asylfolgeantrags ergangen.

 

3.2. Diese Feststellungen wurden aufgrund des Akteninhalts getroffen. Die Bw hat dagegen nichts vorgebracht.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

3.3.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 29/2009, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, wer als Fremder nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet einreist oder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Gemäß Abs.5 leg.cit. liegt eine Verwaltungsübertretung nach Abs.1 nicht vor, wenn der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und ihm der Status des Asylberechtigten oder subsidär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Während des Asylverfahrens ist das Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen.

 

Gemäß § 31 Abs.1 Z4 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt.

 

Gemäß § 12 Abs.1 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 29/2009, kann ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs.2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist geduldet. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 36 Abs.4 gilt.

 

Gemäß § 36 Abs.4 Asylgesetz 2005 ist die Ausweisung durchsetzbar, wenn einer Beschwerde gegen die Ausweisung die aufschiebende Wirkung nicht zukommt. Mit der Durchführung der diese Ausweisung umsetzenden Abschiebung oder Zurückschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen, bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Beschwerdenvorlage zuzuwarten. Der Asylgerichtshof hat das Bundesasylamt unverzüglich vom Einlangen der Beschwerdenvorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

 

3.3.2. Von 14. Februar 2008 bis 23. Juli 2008 war die Bw im Besitz einer Verfahrenskarte gemäß § 50 Asylgesetz und hat faktischen Abschiebeschutz genossen. Wie die belangte Behörde richtig festgestellt hat, ist ihr Aufenthalt im Bundesgebiet damit geduldet. Ein rechtmäßiger Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet wird durch den Besitz einer Verfahrenskarte gemäß § 50 Asylgesetz aber nicht begründet. Damit hat sie für den Zeitraum vom 14. Februar 2008 bis zum 23. Juli 2008 den objektiven Tatbestand der ihr vorgeworfenen Rechtsnorm erfüllt. Von 23. Juli 2008 bis zum Ende des ihr vorgeworfenen Tatzeitraums, dem 25. Juli 2008, war sie nicht mehr im Besitz einer gültigen Verfahrenskarte, ist doch ihr Asylantrag durch Erkenntnis des Asylgerichtshofs als unbegründet abgewiesen worden und ihre Abschiebung nach Polen war damit durchsetzbar. Auch in diesem Zeitraum hat sie den objektiven Tatbestand des § 120 Abs.1 Z2 FPG 2005 iVm § 31 FPG 2005 erfüllt.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung an der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Die Bw hielt sich von 14. Februar 2008 bis 23. Juni 2008 als geduldete Asylwerberin in Österreich auf. Weil ihr auf Grund der österreichischen Rechtsvorschriften der Status einer geduldeten Fremden eingeräumt wurde, kann ihr nicht unterstellt werden, dass sie hinsichtlich ihres Aufenthalts im österreichischen Bundesgebiet ein Unrechtsbewusstsein hatte. Es kann ihr auch nicht einmal fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden. Denn durch ihre Anwesenheit im Bundesgebiet hat sie nicht gegen ein Verbot verstoßen oder ein Gebot nicht befolgt, war ihr doch ex lege für den Zeitraum des Asylverfahrens faktischer Abschiebeschutz eingeräumt worden.

 

Es ist ihr aber auch nicht vorwerfbar, dass sie vom 23. Juni 2008 bis zum Ende des ihr vorgeworfenen Tatzeitraums (25. Juni 2008), weiter im Staatsgebiet von Österreich verblieben ist, geht doch aus dem vorgelegten Akt hervor, dass sie in diesem Zeitraum das Bundesgebiet gar nicht verlassen konnte. So wurde noch am 28. Juli 2008 von Polen mitgeteilt, dass der geplante Transfer-Termin nach Polen nicht möglich sei. Daraus ergibt sich, dass die Bw auch für den Zeitraum von 23. Juli 2008 bis 25. Juli 2008 an ihrem weiteren Verbleib in Österreich kein Verschulden trifft.

 

Weil die Bw den ihr vorgeworfenen Tatbestand in subjektiver Hinsicht nicht begangen hat, war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Eine weitere Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen erübrigt sich, wurde doch dem Begehren der Bw bereits aus den vorangeführten Gründen entsprochen.

 

5. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

Für die Richtigkeit

der Ausfertigung:

 

 

 

 

 

 

 

Rechtssatz zu VwSen-231011/8/BMa/RSt vom 29. Juni 2009

 

Norm: § 120 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 2 FPG

 

Weil der Bw auf Grund der österreichischen Rechtsvorschriften der Status einer geduldeten Fremden eingeräumt wurde, kann ihr nicht unterstellt werden, dass sie hinsichtlich ihres Aufenthalts im österreichischen Bundesgebiet ein Unrechtsbewusstsein hatte. Es kann ihr auch nicht einmal fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden. Denn durch ihre Anwesenheit im Bundesgebiet hat sie nicht gegen ein Verbot verstoßen oder ein Gebot nicht befolgt, war ihr doch ex lege für den Zeitraum des Asylverfahrens faktischer Abschiebeschutz eingeräumt worden.

 

 

 

 

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