Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281133/14/Py/Hu

Linz, 19.06.2009

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn G G, vertreten durch Prof. H & P Rechtsanwälte, K, P, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 28.10.2008, GZ: 0119608/2007, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 6. Mai 2009 zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das von der Erstbehörde verhängte Strafausmaß auf 300 Euro herabgesetzt wird. Die Ersatzfreiheitsstrafe bleibt unverändert. Im Übrigen wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

 

II.              Der Kostenbeitrag des Berufungswerbers zum Verfahren vor der Erstbehörde verringert sich auf 30 Euro. Zum Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  §§ 64 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 28. Oktober 2008, GZ: 119608/2007, wurde dem Berufungswerber (in der Folge: Bw),  gemäß §§ 10 Abs.1 Z4, 5 Abs.2 Z1 Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG) folgende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt:

 

"Der Beschuldigte, G G, geboren am , wohnhaft: L, K, hat folgende Übertretung als verwaltungsstrafrechtlich verantwortliches Vorstandsmitglied der Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft 'L' eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung mit dem Sitz in L, H-M-S,, zu vertreten:

 

Die Gemeinnütziger Wohnungsgenossenschaft 'L' eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung hat am 15.10.2007 als Baustellenkoordinator beim Bauvorhaben 'betreubares Wohnen,  A, H' nicht darauf geachtet, dass die Arbeitgeber den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan anwenden. Nach dem für diese Baustelle erstellen SiGe-Plan hätte während der Ausführung der Dacharbeiten ein Dachfanggerüst vorhanden sein müssen. Am 15.10.2007 wurde auf dem ca. 5° geneigten Flachdach bei einer Absturzhöhe von ca. 15 m durch die Fa. M Solar GmbH die Solaranlage montiert, ohne dass die im Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan enthaltenen kollektiven Schutzmaßnahmen vorhanden waren. Die Montage der Solaranlage wurde ohne jegliche Schutzmaßnahme durchgeführt."

 

Über den Bw wurde deshalb gemäß § 10 Abs.1 BauKG iVm §§ 9, 16 und 19 VStG eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 11 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 50 Euro vorgeschrieben.

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtslage aus, dass der im Spruch angeführte Sachverhalt mit Schreiben des Arbeitsinspektorates Linz vom 19. Oktober 2007 angezeigt wurde. Für die erkennende Behörde sei der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erwiesen. Das BauKG 1999 unterscheidet zwischen dem "bestellten" Koordinator und der zu "benennenden" natürlichen Person, die vom Koordinator als juristische Person zur Wahrnehmung der Koordinationsaufgaben namhaft gemacht werden müsse mit dem Zweck, für alle Betroffenen und für die Behörden Klarheit hinsichtlich der Zuständigkeit zu schaffen. § 10 Abs.1 BauKG sehe für den Bereich des BauKG die Strafbarkeit des Bauherrn, des Projektleiters, des Planungskoordinators und des Baustellenkoordinators vor; der davon zu unterscheidende "Benannte" finde sich in diesem Katalog nicht. Die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft "L" sei beim gegenständlichen Bauvorhaben sowohl Bauherr als auch Baustellenkoordinator gewesen. Herr R S sei nicht zum Baustellenkoordinator bestellt worden, sondern habe die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft "L" als Baustellenkoordinator ihrer Verpflichtung gemäß § 3 Abs.2 BauKG zur Benennung einer natürlichen Person dadurch Genüge getan, dass sie den Namen des Herrn S in der Vorankündigung angeführt habe. Herr S wurde für diese Baustelle demnach nicht als Baustellenkoordinator bestellt, sondern vom Baustellenkoordinator im Sinn des § 3 Abs.2 zweiter Satz BauKG benannt. Die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft "L" eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung habe am 15. Oktober 2007 als Baustellenkoordinator beim Bauvorhaben "betreubares Wohnen,  A, H" nicht darauf geachtet, dass die Arbeitgeber den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan anwenden, womit der Tatbestand der dem Beschuldigten angelasteten Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht erfüllt sei. Einen Schuldentlastungsbeweis habe der Bw in seiner Rechtfertigung nicht erbringen können, weshalb die gegenständliche Verwaltungsübertretung auch in hinsichtlich ihrer subjektiven Tatbestandsmäßigkeit erwiesen sei.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird ausgeführt, dass als strafmildernd die bisherige Unbescholtenheit des Bw gewertet werde, straferschwerende Umstände seien nicht zu werten, weshalb die verhängte Strafe dem Unrechtsgehalt der Tat sowie dem Verschulden des Bw angemessen sei.

 

2. Dagegen wurde rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung Berufung erhoben und vorgebracht, dass die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft L eingetragene Genossenschaft mbH beim gegenständlichen Bauvorhaben Bauherr gewesen sei, als Projektleiter, Planungskoordinator und Baustellenkoordinator sei der leitende Mitarbeiter R S in der "Vorankündigung von Bauarbeiten" angegeben worden. Von R S (= Projektleiter/Baustellenkoordinator) wurde u.a. ein Bauzeitplan, ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGe-Plan) und eine Baustellenordnung aufgestellt. Nach dem Bauzeitplan war vorgesehen, dass die Heizungsinstallation sowie die Spenglerarbeiten in der Zeit vom 24.9.2007 bis 12.10.2007 stattfinden werden. Dies wurde bewusst so geplant, um die Absturzsicherung sowohl für die Spengler- und Dachdeckerarbeiten als auch für die Heizungsinstallationsarbeiten verwenden zu können. Dies wurde dem Heizungsinstallateur der Firma W & R Installationen GmbH mitgeteilt und war der Firma W & R Installationen GmbH bewusst, dass alle Arbeiten bis spätestens Freitag, 12. Oktober 2007, abgeschlossen werden müssen, da gemäß dem SiGe-Plan das Dachfanggerüst nur über die Zeit der Dacharbeiten aufgebaut wurde.

 

Man sei davon ausgegangen, dass die Firma W & R Installationen GmbH alle Arbeiten selbst verrichten werde. Insbesondere wurde in der Baustellenordnung die Firma W & R Installationen GmbH dazu verpflichtet, vor einem geplanten Einsatz von Subunternehmern oder Selbstständigen, den Bauherrn und Projektleiter/Baustellenkoordinator zu informieren, sowie sämtliche sicherheitsrelevante Unterlagen an den Subunternehmer und Selbstständigen weiterzugeben. Ohne Wissen des Bauherrn und des Projektleiters/Baustellenkoordinators wurde jedoch von der Firma W & R Installationen GmbH die Firma M als Subunternehmer beauftragt. Bei den wöchentlich stattfindenden Besprechungen wurde dem Bauherrn und dem Projektleiter/Baustellenkoordinator stets bestätigt, dass die Firma W & R Installationen GmbH im Zeitplan sei und die Arbeiten vertragsgemäß vorangingen. Dass der unbekannte Subunternehmer M den von der Firma W & R Installationen GmbH erteilten Auftrag nicht gemäß dem Zeitplan, dem SiGe-Plan und der Baustellenordnung ausführte, war weder dem Bauherrn noch dem Projektleiter/Baustellenkoordinator bekannt bzw. musste diesem auch nicht bekannt sein. Davon, dass die Firma M am 15. Oktober 2007 unangemeldet und entgegen den Anordnungen sowie planwidrig die Solarkollektoren montierte, wusste weder der Bauherr noch der Projektleiter/Baustellenkoordinator. Dies war weder für den Bauherrn noch für den Projektleiter/Baustellenkoordinator vorhersehbar. Die Monteure der Firma M hätten sich auf der Baustelle auch nicht gemeldet, als diese mit ihren Arbeiten begannen.

 

In rechtlicher Hinsicht wird vorgebracht, dass die belangte Behörde keine taugliche Verfolgungshandlung innerhalb der Verjährungsfrist gesetzt habe, da dem Bw als verwaltungsstrafrechtlich verantwortliches Vorstandsmitglied vorgeworfen werde, dass die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft "L" eingetragene Genossenschaft mbH als Baustellenkoordinator nicht darauf geachtet habe, dass beim gegenständlichen Bauvorhaben die Arbeitgeber den Sicherheits- und Gesundheitsplan anwenden. Dem Bw könne aber lediglich vorgeworfen werden, dass die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft "L" ihre Pflichten nicht als Bauherr eingehalten habe. Ein Baustellenkoordinator, welcher gemäß § 10 Abs.1 Z3 und 4 BauKG zur Verantwortung gezogen werden könne, sei nicht bestellt worden.

 

Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Bauherr auch als Baustellenkoordinator bzw. gemäß § 10 Abs.1 Z5 BauKG zu bestrafen sei, könne dem Berufungswerber die gegenständliche Verwaltungsübertretung nicht angelastet werden. Es sei vom Baustellenkoordinator nicht zu verlangen, dass er, wenn am Freitag die Arbeiten abgeschlossen werden, am Montag in der Früh trotz abgeschlossener Arbeiten kontrolliert, ob dennoch unangemeldete und unbekannte Subunternehmer eventuell auf dem nicht gesicherten Dach sind und entgegen allen Anordnungen Arbeiten verrichten. Bei der Firma M habe es sich um einen unangemeldeten und unbekannten Subunternehmer gehandelt. Entgegen den Ausführungen im Straferkenntnis könne das Nichtaufstellen von Fanggerüsten für unbekannte und unangemeldete Subunternehmer dem Bw aber nicht vorgeworfen werden. Dem Bw könne auch nicht vorgeworfen werden, dass er nicht dafür gesorgt habe, dass der Koordinator seine Pflichten einhält. Es wurden vom Koordinator gegenüber dem Bauherrn alle erforderlichen Pläne, insbesondere SiGe-Plan, geliefert und war der Bauherr bei den wöchentlichen Besprechungen vor Ort und hat dafür Sorge getragen, dass der Koordinator seine Verpflichtung erfüllt. Selbst wenn man dem Koordinator eine Pflichtverletzung vorwirft, bedeute dies keine Haftung des Bauherrn, da dieser den Koordinator wöchentlich kontrollierte und dafür sorgte, dass dieser seine Pflichten einhält.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird ausgeführt, dass diese bei weitem überhöht sei, da, selbst wenn man von einem Verschulden ausgehe, dies äußerst gering sei. Der Bauherr habe nicht die Baustelle, sondern nur den Baukoordinator zu überprüfen, was wöchentlich geschehen sei. Zudem seien die Folgen der Übertretung unbedeutend, da niemand zu Schaden gekommen sei. Auch lag stets ein Tatsachengeständnis vor, weshalb ein Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen zu einer außerordentlichen Strafmilderung hätte führen müssen.

 

3.  Mit Schreiben vom 24. November 2008 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am       6. Mai 2009, die aufgrund des sachlichen Zusammenhangs der dem Verfahren zugrunde liegenden Verwaltungsübertretungen gemäß § 51e Abs.7 VStG gemeinsam mit den zu VwSen-281132, VwSen-281134 und VwSen-281135 anhängigen Berufungsverfahren betreffend die übrigen zur Vertretung nach außen berufenen Organe der Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft "L" eingetragenen GmbH durchgeführt wurde. An dieser haben der Rechtsvertreter der Bw, eine Vertreterin der belangten Behörde sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates als Parteien teilgenommen. Als Zeugin wurde der Arbeitsinspektor, der die gegenständliche Anzeige verfasste, sowie Herr R S von der Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft "L" einvernommen. Der in der Berufung gestellte Beweisantrag auf Einvernahme des Herrn Baumeister M K wurde vom Rechtsvertreter des Bw in der Berufungsverhandlung zurückgezogen.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist verwaltungsstrafrechtlich verantwortliches Vorstandsmitglied der Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft "L" eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in  L, H-M-S (in der Folge: Wohnungsgenossenschaft L).

 

Die Wohnungsgenossenschaft L war Bauherr und Baustellenkoordinator beim Bauvorhaben "betreubares Wohnen, A, H". Seitens für die Wahrnehmung der Koordinationsaufgaben wurde von der Wohnungsgenossenschaft L dessen Mitarbeiter, Herr R S, der beim gegenständlichen Projekt auch als Bauleiter tätig war, benannt. Er nahm an den wöchentlich auf der Baustelle stattfindenden Baubesprechungen teil.

 

Auf der Baustelle arbeiteten gleichzeitig bzw. aufeinanderfolgend Arbeitnehmer mehrer Arbeitgeber. In dem für das Bauvorhaben erstellten Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGe-Plan) wurde festgelegt, dass bei Dacharbeiten ein Dachfanggerüst vorgehalten werden muss. Nach dem Bauzeitplan war vorgesehen, dass die Heizungsinstallation sowie die Spengler- und Dachdeckerarbeiten in der Zeit vom 24. Oktober 2007 bis 12. Oktober 2007 stattfinden sollen. Die Heizungsinstallation wurde an die Firma W  & R Installationen GmbH vergeben und war beim Bauvorhaben auch die Anbringung einer Solaranlage am Dach durch die Firma W & R Installationen GmbH vorgesehen.

 

Bei der am Dienstag, 9. Oktober 2007 auf der Baustelle abgehaltenen Baubesprechung war für Herrn R S ersichtlich, dass die Solaranlage noch nicht montiert ist. Herr S war darüber informiert, dass am 12. Oktober 2007 das Dachfanggerüst abgebaut wird, jedoch wurde dieser Umstand bei der Baubesprechung am 9. Oktober 2007 mit dem Vertreter der Firma W & R Installationen GmbH von ihm nicht angesprochen sondern begnügte er sich mit der Information, dass "alles im Plan ist".

 

Am 15. Oktober 2007 wurde beim Bauvorhaben "betreubares Wohnen A" auf dem ca. 5° geneigten Flachdach bei einer Absturzhöhe von  ca. 15 m durch die Firma M Solar GmbH die Solaranlage montiert, ohne dass die im Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan enthaltenen kollektiven Schutzmaßnahmen vorhanden waren. Die Montage der Solaranlage wurde ohne jegliche Schutzmaßnahme durchgeführt.

 

Die Wohnungsgenossenschaft L hat in ihrer Funktion als Baustellenkoordinator nicht darauf geachtet, dass die Arbeitgeber den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan beim gegenständlichen Bauvorhaben anwenden.

 

4.2. Diese Feststellungen stützen sich auf den vorliegenden Verwaltungsstrafakt mit den darin einliegenden Urkunden sowie den glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussagen der bei der mündlichen Berufungsverhandlung einvernommenen Zeugen.

 

Das Nichtvorhandensein von kollektiven Schutzmaßnahmen am Tag der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat bei der gegenständlichen Baustelle ist auf der vom Kontrollorgan bei seiner Einvernahme vorgelegten Fotoaufnahme ersichtlich und wurde dieser Umstand vom Bw auch nie bestritten. Der sehr glaubwürdig vorgetragenen Schilderung des Zeugen R S ist zu entnehmen, dass die Funktion des Baustellenkoordinators bei der gegenständlichen Baustelle – wie auch bei anderen Bauvorhaben der Wohnungsgenossenschaft L - von dieser selbst wahrgenommen wurde. Nach seinen schlüssigen Angaben steht unzweifelhaft fest, dass die Wohnbaugenossenschaft L beim gegenständlichen Bauvorhaben sowohl als Bauherr als auch als Baustellenkoordinator vorgesehen war und der Zeuge S mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe als der für die Baustelle zuständige Bauleiter der Wohnungsgenossenschaft betraut wurde. Im übrigen ist dieser Umstand auch aus der im Akt einliegenden, von der Wohnungsgenossenschaft L mit Schreiben vom 27. März 2007 an das zuständige Arbeitsinspektorat übermittelten Vorankündigung von Bauarbeiten gemäß § 6 BauKG ersichtlich (vgl. dazu Tonbandprotokoll Seite 4, Zeuge S: "Wenn die Wohnungsgenossenschaft Bauträger bzw. Bauherr ist, dann übernimmt sie immer selbst auch die Rolle des Baustellenkoordinators. Dies war auch in diesem Fall so. Ich wurde dann mit dieser Aufgabe betreut beim gegenständlichen Bauvorhaben." … "Nicht ich war Baustellenkoordinator, sondern die Genossenschaft war Baustellenkoordinator." … "Interne Vorgänge zur Bestellung von Baustellenkoordinatoren gibt es nicht, es gibt nur die Vorankündigung, und die geht dann ans Arbeitsinspektorat.").

 

Der Umstand, dass die Wohnungsgenossenschaft L beim gegenständlichen Bauvorhaben als Baustellenkoordinator tätig war, geht im Übrigen auch aus der Stellungnahme des Bw vom 28. Jänner 2008 hervor, in der dieser ausführt, dass die Wohnungsgenossenschaft L "beim Bauvorhaben betreubares Wohnen,  A, H Bauherr und gleichzeitig Baustellenkoordinator war" und mit der Wahrnehmung dieser Koordinationsaufgaben Herr R S betraut wurde. Für das erkennende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates ist daher zweifelsfrei erwiesen, dass für alle Beteiligten beim gegenständlichen Bauvorhaben und aufgrund der schriftlichen Festlegung in der Vorankündigung feststand, dass Baustellenkoordinator beim gegenständlichen Bauvorhaben die (juristischen Person) Wohnungsgenossenschaft Lebensräume war und diese für die tatsächliche Ausübung der Koordinationstätigkeit auf der Baustelle Herrn R S namhaft machte.

 

Den Schilderungen des Zeugen R S über seine Funktion und Aufgaben auf der Baustelle ist auch zu entnehmen, dass er darüber informiert war, dass beim gegenständlichen Bauvorhaben eine Solaranlage am Dach zu montieren ist, diese jedoch anlässlich seiner wöchentlichen Besichtigung der Baustelle noch nicht montiert war. Er gab auch an dass er darüber informiert war, dass in wenigen Tagen das Dachfanggerüst abgebaut wird, jedoch dieser Umstand nicht der Baubesprechung thematisiert wurde (vgl. TBP Seite 5: "Ich habe an meiner Besichtigung am Dienstag wahrscheinlich gesehen, dass die Solaranlage noch nicht montiert wurde, ich kann mich aber daran erinnern, dass wir über die Solaranlage dezidiert nicht gesprochen haben") sondern er den Angaben der Installationsfirma vertraut habe (vgl. TBP Seite 5: "Nachdem mir mitgeteilt wurde, dass alles im Plan ist, habe ich mich nicht veranlasst gesehen, dass ich etwas ändere im Bauzeitplan"). Der Zeuge S schildert im Übrigen sehr anschaulich, dass ihm eine ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Baustellenkoordination schon aufgrund seiner zeitlichen Arbeitsverpflichtung als Bauleiter nicht möglich war und er durch die den Termin- und allgemein in der Baubranche herrschenden Kostendruck, den er als Bauleiter zu berücksichtigen hat, immer wieder in einen Interessenskonflikt gerät. Seinen Ausführungen ist zu entnehmen, dass sich seine Tätigkeit auf der Baustelle im Wesentlichen auf seine Funktion als zuständiger Bauleiter konzentrierte und ihm die Wahrnehmung einer ordnungsgemäßen, dem Gesetzeszweck entsprechenden Baustellenkoordination nicht ausreichend möglich war.

Aus diesem Umstand ist auch erkennbar, dass vom Bw in dem von ihm vertretenen Unternehmen offenbar keine systematisch gestalteten organisatorischen Maßnahmen und Kontrollen für die Einhaltung der Bestimmungen des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes eingerichtet wurden.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Im Verfahren wurde nicht bestritten, dass der Bw als verwaltungsstrafrechtlich verantwortliches Vorstandsmitglied der Wohnungsgenossenschaft L für die Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen auf der gegenständlichen Baustelle verantwortlich ist.

 

5.2. Gemäß § 3 Abs.1 BauKG hat der Bauherr einen Planungskoordinator für die Vorbereitungsphase und einen Baustellenkoordinator für die Ausführungsphase zu bestellen, wenn auf einer Baustelle gleichzeitig oder aufeinander folgend Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber tätig werden. Der Bauherr kann die Aufgaben des Planungs- und Baustellenkoordinators selbst wahrnehmen, wenn er die Voraussetzungen nach Abs.3 erfüllt.

 

Gemäß § 3 Abs.2 BauKG kann als Koordinator eine natürliche oder juristische Person oder sonstige Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit bestellt werden. Bei Bestellung einer juristischen Person oder sonstigen Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit hat diese eine oder mehrere natürliche Personen zur Wahrnehmung der Koordinationsaufgaben für sie zu benennen. § 3 Abs.4 dritter und vierter Satz gilt.

 

Gemäß § 5 Abs.2 Z1 BauKG hat der Baustellenkoordinator darauf zu achten, dass die Arbeitgeber den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan anwenden.

 

Gemäß § 10 Abs.1 Z4 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Baustellenkoordinator die Verpflichtung nach § 5 verletzt.

 

5.3. Ziel des BauKG ist es, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer auf Baustellen durch die Koordinierung bei der Vorbereitung und Durchführung von Bauarbeiten zu gewährleisten, unbeschadet der nach § 1 Abs.5 BauKG unberührt bleibenden Verpflichtung der Arbeitgeber, nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit zu sorgen.

 

Neben der Planungsphase eines Bauvorhabens hat auch in der Ausführungsphase die Umsetzung der allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung nach § 7 ASchG große Bedeutung. Die verpflichtende Bestellung von Koordinatoren für alle Baustellen, auf welchen Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber gleichzeitig oder aufeinander folgend beschäftigt werden, zählt zum Kernstück der durch die Umsetzung der RL 92/57/EWG des Rates vom 24.6.1992 über die auf zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen anzuwendenden Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheit. Damit soll wirksame Abhilfe gegen die aus dem gleichzeitig oder aufeinander folgenden Zusammentreffen der Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber auf einer Baustelle resultierende erhöhte Unfallgefahr geschaffen werden. Die Baustellenkoordinatoren haben Koordinations-, Organisations-, Überwachungs- und Informationspflichten. Die Umsetzung der Grundsätze der Gefahrenverhütung ist unter anderem wichtig bei der Anpassung der Fristen für die einzelnen Arbeiten an den Baufortschritt und der Organisation der Zusammenarbeit zwischen den Arbeitgebern und Selbstständigen auf der Baustelle. Dies gehört zu den wesentlichen Aufgaben des Koordinators. Von besonderer Bedeutung für den Arbeitnehmerschutz ist der zu erstellende Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGe-Plan). Er soll die Funktion eines wirksamen Instruments zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit erfüllen. Der Koordinator muss darauf achten, dass Arbeitgeber und Selbstständige den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan anwenden und er muss für die Aktualisierung sorgen.

 

Wie bereits ausgeführt, nahm beim gegenständlichen Bauvorhaben die Wohnungsgenossenschaft L als Bauherr auch die Aufgaben des Baustellenkoordinators wahr und machte für die Wahrnehmung dieser Aufgaben den Bauleiter R S namhaft. Wie bereits die Erstbehörde zutreffend ausführte, ist die vom Koordinator als juristische Person zur Wahrnehmung der Aufgaben "benannte" natürliche Person, im vorliegenden Fall Herr S, davon zu unterscheiden. Nach § 3 Abs.56 BauKG hat die Bestellung zum Baustellenkoordinator schriftlich zu erfolgen und sie ist nur wirksam, wenn der Koordinator zugestimmt hat, jedoch dient die schriftliche Urkunde lediglich Beweiszwecken. Durch schriftliche Mitteilung an das Arbeitsinspektorat ist die Bestellung ausreichend dokumentiert und geht im Übrigen auch aus der Aussage der Zeugen S eindeutig hervor. Als Baustellenkoordinator traf die WG-L die Verpflichtung darauf zu achten, dass die auf der Baustelle tätigen Arbeitgeber den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan einhalten.

 

Im vorliegenden Verfahren trat zutage, dass – wie der zur Wahrnehmung der Baustellenkoordination benannte Mitarbeiter selbst angab – die erforderliche Wahrnehmung der dem Baustellenkoordinator treffenden Verpflichtungen nicht gewährleistet war. Obwohl bei der gemeinsamen Baustellenbesprechung am Dienstag die Dacharbeiten noch nicht abgeschlossen waren und beim Bauvorhaben die Anbringung einer Solaranlage am Dach vorgesehen war, wurde die Einhaltung der Festlegungen im SiGe-Plan von dem vom  Baustellenkoordinator Benannten nicht ausreichend hinterfragt und der Bauzeitplan bzw. die Zeit der Vorhaltung eines Dachfanggerüstes entsprechend adaptiert. In weiterer Folge wurde das Schutzgerüst - obwohl die Dacharbeiten tatsächlich noch nicht abgeschlossen waren - entgegen den Festlegungen im SiGe-Plan abgebaut. Diesem Umstand wurde somit keine ausreichende Aufmerksamkeit beigemessen, sondern hat sich der mit der Wahrnehmung der Baustellenkoordination betreute Bauleiter R S auf die Angaben der auf der Baustelle arbeitenden Arbeitgeber verlassen, dass der vorgesehene Bauzeitplan auch eingehalten werde. Eine detaillierte Besprechung über die im SiGe-Plan festgelegten Schutzmaßnahmen bei der  wöchentlichen Besprechung erfolgte nicht. Den Aussagen des Zeugen S ist auch zu entnehmen, dass ihm bezüglich der Wahrnehmung der Koordinationsaufgaben keine konkreten Anweisungen seitens des Bw erteilt wurden. Vielmehr stellte seine gleichzeitige Funktion als Bauleiter auf der gegenständlichen Baustelle für ihn sogar einen Interessenskonflikt dar, da die Vorgaben des Bauherrn an den Bauleiter hinsichtlich rascher und kostengünstiger Abwicklung des Bauvorhabens mit jenen Pflichten, die er in Wahrnehmung der Baustellenkoordination zu treffen hat, nicht immer in Einklang zu bringen waren.

 

Aufgrund des erwiesenen Sachverhaltes arbeiteten am 15. Oktober 2007 auf dem ca. 5° geneigten Flachdach bei einer Absturzhöhe von 15 m Arbeitnehmer der Firma M Solar GmbH an der Montage der Solaranlage ohne jegliche Schutzmaßnahmen, obwohl im Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan für die Baustelle festgelegt war, dass während der Ausführung der Dacharbeiten ein Dachfanggerüst vorhanden sein musste und der Baustellenkoordinator darauf zu achten hat, dass die Arbeitgeber auf der Baustelle den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan anwenden.

 

Der objektive Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ist daher als erfüllt zu werten.

 

5.3. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht. Es ist daher zu prüfen, ob sich der Bw entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht fest, dass seitens des Bw keine entsprechenden Maßnahmen getroffen wurden, damit die Bestimmungen des BauKG auf der gegenständlichen Baustelle eingehalten werden. Alleine mit der Namhaftmachung eines Mitarbeiters zur Wahrnehmung der Baustellenkoordination kann der Bw den ihn nach § 5 Abs.1 VStG obliegenden Entlastungsbeweis nicht erbringen, sondern bedarf es weiterer Beweise dafür, dass auch für eine geeignete Anweisung und Kontrolle dieser Person Vorsorge getroffen wurde. Einen solchen Beweis konnte der Bw jedoch nicht erbringen, da von ihm keine entsprechenden Schritte gesetzt wurden, um die Einhaltungen der Bestimmungen des BauKG auf der gegenständlichen Baustelle zu gewährleisten. Der Umstand, dass die Montage der Solaranlage nicht von der beauftragten Installationsfirma W & R Installationen GmbH sondern von einer Subfirma, nämlich der Firma M S GmbH durchgeführt wurde, ändert nichts an der rechtlichen Bewertung des gegenständlichen Sachverhaltes und der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Baustellenkoordinators hinsichtlich des Nichteinhaltens der Arbeitnehmerschutzbestimmungen auf der von ihm zu betreuenden Baustelle.

 

Dem Bw ist daher der Entlastungsbeweis nicht gelungen, da kein Nachweis dazu erbracht wurde, durch welche Maßnahmen der Bw dafür Sorge getragen hat, dass die auf der Baustelle tätigen Arbeitnehmer den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan anwenden. Es ist daher auch vom Verschulden des Bw auszugehen und ist die Verletzung der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung auch subjektiv vorwerfbar.

 

5.5. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

Die belangte Behörde hat bei der Strafbemessung gemäß § 19 Abs.1 VStG die bisherige Unbescholtenheit des Bw als strafmildernd gewertet, straferschwerende Umstände seien nicht zutage getreten.

 

Zur Strafbemessung ist auszuführen, dass durch die Tatbegehung in hohem Maß die geschützten Interessen, nämlich Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer, gefährdet wurde. Als weiterer Milderungsgrund ist jedoch die lange Dauer des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens zu werten. Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Juni 2008, Zl. B304/07 ausgesprochen, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen ist. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, ist auch die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer relevant (vgl. VfSlg. 17.307/2004; 17.582/2005, 17.644/2005). Nicht eine lange Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnis der staatlichen Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art.6 Abs.1 EMRK anzunehmen wäre (vgl. VfSlg. 16.385/2001 mH auf die Rechtsprechung des EGMR).

 

Im gegenständlichen Verfahren sind seit der Tatbegehung und der Erlassung des Erkenntnisses des Oö. Verwaltungssenates nahezu zwei Jahre vergangen, weshalb aufgrund der vorliegenden Sach- und Rechtslage von keiner angemessenen Verfahrensdauer gesprochen werden kann. Dieser Umstand ist daher als Milderungsgrund zu werten und bei der Strafbemessung entsprechend zu berücksichtigen. Erschwerungsgründe sind auch im Berufungsverfahren nicht hervorgekommen, weshalb nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates die nunmehr verhängte Strafhöhe sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiven Gründen angemessen und gerechtfertigt erscheint und geeignet ist, den Bw künftig zu einem gesetzeskonformen Verhalten anzuhalten.

 

Ein Überwiegen der Milderungsgründe, die ein Vorgehen nach § 20 rechtfertigen würde, konnte jedoch nicht festgestellt werden. Für das beträchtliche Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen kommt es nicht auf die Zahl der Milderungs- und Erschwernisgründe, sondern ausschließlich auf deren Bedeutung – somit dem Gewicht nach – im Rahmen des konkret gegebenen Sachverhalts an und ist danach zu beurteilen (vgl. u.a. VwGH 92/02/0095 v. 27.2.1992). Auch scheidet eine Anwendung des § 21 VStG aus, da die Tat nicht hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurückblieb und die kumulativen Voraussetzungen zur Anwendung des § 21 VStG nicht vorliegen.

 

Zur Nichtherabsetzung der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ist zunächst auf § 16 Abs.2 VStG zu verweisen, wonach die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen darf. Die belangte Behörde hat eine Geldstrafe von 500 Euro festgelegt, welche rd. 23% der vorgesehenen Höchststrafe in Geld beträgt. Auch wenn ein fester Umrechnungsschlüssel nicht besteht, ist nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates die Festlegung der belangten Behörde der Ersatzfreiheitsstrafe mit 11 Stunden nicht schlüssig, wenn diese angeordnete Ersatzfreiheitsstrafe wesentlich weniger (konkret 3,2%) der gesetzlich vorgesehenen Höchstgrenze für die Ersatzfreiheitsstrafe beträgt. Durch die Nichtherabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe wurde dieses Missverhältnis zur verhängten Geldstrafe beseitigt.

 

 

6. Gemäß § 64 VStG war der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz entsprechend der nunmehr verhängten Geldstrafe neu festzusetzen. Da die Berufung zumindest teilweise Erfolg hatte, war ein Verfahrenskostenbeitrag zum Berufungsverfahren gemäß § 65 VStG nicht vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

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