Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420590/ /BP/Se

Linz, 22.06.2009

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                     4A13, Tel. Kl. 15685

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree aus Anlass der Beschwerde des X Y, L, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch dem Polizeidirektor von Linz sowie dem Sicherheitsdirektor für Oberösterreich zurechenbare Organe am 1. Mai 2009 in der Zeit von 10:45 Uhr bis ca. 13:30 Uhr, 4020 Linz, Blumauerplatz, in Form einer erzwungenen Identitätsfeststellung von Teilnehmern und Teilnehmerinnen einer angemeldeten und genehmigten Demonstration des Aktionskomitees 1. Mai, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 67c Abs. 1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2009 erhob der Beschwerdeführer (in der Folge Bf) als "Beauftragter des Aktionskomitees 1. Mai" Beschwerde gegen die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich und die Bundespolizeidirektion Linz wegen Verhinderung einer ordnungsgemäß angemeldeten und genehmigten Demonstration am 1. Mai 2009.

 

Obwohl keinerlei Gewalt oder sonstige gesetzwidrige Handlungen seitens der Demonstrationsteilnehmer bzw. –teilnehmerinnen vorgelegen hätten, sei am Sammelpunkt dieser Demonstration ein in keiner Weise gerechtfertigter und unverhältnismäßiger Polizeieinsatz, verbunden mit einer teilweise mit Gewalt durchgeführten Identitätsfeststellung bei einem Teil der Demonstrationsteilnehmer und –teilnehmerinnen, erfolgt. Durch den rund zweieinhalbstündigen Polizeieinsatz sei ein ordnungsgemäßer Ablauf der Demonstration verhindert worden, sodass diese nicht stattfinden habe können. Darin sehe der Bf das verfassungsmäßige Grundrecht der Demonstrationsfreiheit in Frage gestellt bzw. aufgehoben. Vor allem halte es der Bf als mit der Demonstrationsfreiheit unvereinbar, wenn die Polizei die Teilnahme an einer Demonstration von einer präventiven
Identitätsfeststellung abhängig mache.

 

Der Bf ersuchte den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich um entsprechende Behandlung seiner Beschwerde und legte dieser eine Sachverhaltsdarstellung bei.

 

1.2. In dieser Sachverhaltsdarstellung führt der Bf u.a. aus, dass er am 20. März 2009 per E-Mail wie alljährlich seit 1992 im Auftrag des überparteilichen und internationalistischen Aktionskomitees 1. Mai für den 1. Mai 2009 bei der BPD Linz eine Demonstration angemeldet habe (Treffpunkt 10 Uhr, Blumauerplatz, Demonstration 11 Uhr, Landstraße, Kundgebung 11:30 Uhr Hauptplatz).

 

Während der am 1. Mai 2009 (bedingt durch die lange Dauer des vorherigen SPÖ-Aufmarsches) erst ab ca. 10:45 Uhr beginnenden Aufstellung für die Demonstration des Aktionskomitees 1. Mai an der Ecke Blumauerplatz / Landstraße habe sich eine Gruppe von etwa 50 Personen aus dem autonomen Spektrum vor dem am Ende der Landstraße aufgestellten Lautsprecherwagen formiert. Davor habe sich über die Landstraße ein Kordon von Polizisten gebildet.

 

Der Einsatzleiter der Polizei habe dem Bf mitgeteilt, dass das Vermummungsverbot gelte und dass, solange dieses nicht eingehalten werde, die Demonstration nicht stattfinden könne. Daraufhin sei die autonome Gruppe vom Bf ersucht worden, sich am Ende der Demonstration einzureihen, wie das laut Demoplan vorgesehen gewesen sei, und auch das Vermummungsverbot einzuhalten. Nach Feststellung des Bf hätten von ca. 50 Personen in dieser Gruppe allerdings nur wenige ein Tuch vor dem Gesicht getragen; seitens der Polizei sei ihm aber erklärt worden, dass auch Sonnenbrillen, wie sie von mehreren Personen getragen worden seien, als Vermummung zu interpretieren seien.

 

Im Zuge der weiteren Aufstellung hätten sich entsprechend dem Demoplan die verschiedenen Gruppen nach dem Lautsprecherwagen eingereiht, während sich die autonome Gruppe und MAIZ (die Frauen hätten Mundschutz als Ausdruck des Protestes getragen, was von der Polizei ebenfalls als Vermummung interpretiert worden sei) am Ende des Zuges befunden hätten. Soweit der Bf dies habe feststellen können, sei zu diesem Zeitpunkt niemand mehr in irgend einer Weise vermummt gewesen.

 

In der Folge sei die autonome Gruppe jedoch von einem Großaufgebot von Polizisten eingekesselt worden; die Einsatzleitung habe erklärt, diese Gruppe könnte erst nach einer Identitätsfeststellung an der Demonstration teilnehmen; die Übrigen könnten mit der Demonstration beginnen.

 

Der Bf sei aufgefordert worden, die Eingekesselten zu einer Identitätsfeststellung zu bewegen, was er jedoch abgelehnt habe, da er dies nicht als Aufgabe der Demonstrationsleitung angesehen und es auch keinerlei Anlass etwa durch strafrechtlich relevante Handlungen gegeben habe, die eine solche Identitätsfeststellung erforderlich gemacht hätten. Mit dieser Eskalation sei deutlich, dass die Polizei offensichtlich ein Exempel statuieren und bestimmen habe wollen, wer an der Demo teilnehmen dürfe und wer nicht.

 

In Absprache mit den Verantwortlichen der anderen am Aktionskomitee beteiligten Gruppen sei vereinbart worden, dass die Demo so lange nicht beginnen würde, als die Polizei die autonome Gruppe an einer Teilnahme hindere.

 

Der mittlerweile dazugekommene Rechtsanwalt Dr. Q habe die Eingekesselten per Megaphon informiert, dass die Polizei ungeachtet konkreter Gesetzesverstöße eine Identitätsfeststellung erzwingen könne, wogegen später Rechtsmittel möglich seien.

 

Auf Grund der schon fortgeschrittenen Zeit sei in Absprache der Verantwortlichen des Aktionskomitees vereinbart worden, die Demo nicht mehr durchzuführen, sondern an Ort und Stelle als Kundgebung zu beenden. In der Folge hätten Vertreterinnen und Vertreter von ATIGF, ADA, ADHK, SLP und KPÖ kurz zu den laut Polizeiangaben 500 bis 700 Demonstrationsteilnehmern und
-teilnehmerinnen gesprochen. Während dieser improvisierten Kundgebung habe das Großaufgebot von über 200 Polizisten die Identitätsfeststellung mit Gewalt durchzusetzen begonnen, indem einzelne Personen aus dem Kessel herausgeholt worden seien, wenn zur Ausweisleistung Aufgeforderte nicht freiwillig dazu bereit gewesen seien. Im Zuge dessen seien zahlreiche Personen mit Brachialgewalt durch Einsatz von Pfefferspray, Schlagstöcken, Niederdrücken auf den Boden durch mehrere Polizisten und Fesselung mit Kabelbindern zur Identitätsfeststellung gezwungen und dabei auch mehrere Betroffene verletzt worden, welche sich in ärztliche Behandlung hätten begeben müssen. Alle Personen der Gruppe seien mit einem vorgehaltenen Namensschild fotografiert worden. Gegen die Vorgangsweise der Polizei habe sich massiver Protest der übrigen Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmer durch Sprechchöre usw. geregt. Aus der autonomen Gruppe seien einige Personen verhaftet und längere Zeit inhaftiert worden. Im Zuge der Amtshandlung seien mehrere Polizisten durch den von der Polizei selbst eingesetzten und vom Wind verwehten Pfefferspray verletzt worden. Als Ersatz für sie sei eine Gruppe von etwa 10 weißbehelmten Polizisten aus Richtung Landstraße mitten durch die Kundgebung marschiert, womit das Klima zusätzlich angeheizt worden sei.

 

Nach Abschluss der Identitätsfeststellung sei vom Bf die Kungebung um ca. 13:30 Uhr aufgelöst worden.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 26. Mai 2009 wurde der Bf von Seiten des Oö. Verwaltungssenates zur Verbesserung der von ihm eingebrachten Beschwerde aufgefordert, da aus dieser zunächst nicht klar ersichtlich sei, wogegen sich diese Beschwerde im Einzelnen richte und welche behaupteten Rechtsverletzungen welcher Person (Aktionskomitee 1. Mai und/oder der Bf persönlich) oder Personen ("autonome Gruppe", "Eingekesselte") behandelt werden sollten.

 

Sollte der Bf mit dem Anbringen eine förmliche Maßnahmenbeschwerde (Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG) oder eine Beschwerde nach dem Sicherheitspolizeigesetz – SPG an den UVS erheben wollen, werde er ersucht, binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens sein Anbringen im Sinn des § 67c Abs. 2 AVG zu konkretisieren und dabei – soweit zumutbar – insbesondere die Gründe anzugeben, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stütze. Dabei sei auch unumgänglich, dass der Bf – zeitlich und räumlich möglichst bestimmt – genau bekannt gebe, gegen welche Amtshandlung oder Amtshandlungen sich die Beschwerde konkret richte (Beschwerdepunkte).

 

Sollten einzelne Personen vom Bf vertreten werden, wäre weiters jedenfalls schriftlich mitzuteilen, welche Personen, allenfalls zusätzlich zum Bf selbst und/oder zum Aktionskomitee, noch als Beschwerdeführer oder Beschwerdeführerinnen anzusehen seien; für diese Personen wäre dann auch eine entsprechende einfache schriftliche Vollmacht vorzulegen. In diesem Fall wären die in den vorigen Absätzen genannten Angaben für jede einzelne Beschwerde zu machen, wobei insbesondere auch die Maßnahmen jeweils genau zu bezeichnen und der jeweils betroffenen Person zuzuordnen seien.

 

2.2. Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2009 entsprach der Bf diesem Verbesserungsauftrag und führt konkretisierend aus, dass die Beschwerde wegen Rechtsverletzungen vom Bf als Person X Y in seiner Eigenschaft als Anmelder der Demonstration und damit Vertreter gegenüber der Behörde erhoben werde.

 

Der Bf vertrete dabei keine weiteren Personen, daher seien Vollmachten oder Darstellungen deren Beschwerdegründe seinerseits nicht erforderlich. Jedoch seien unabhängig von seiner Beschwerde auch Beschwerden von durch den Polizeieinsatz betroffenen oder zu Schaden gekommenen anderen Personen möglich.

 

Der Bf führt weiter aus, dass sich seine Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG gegen die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich (vertreten durch Sicherheitsdirektor Mag. Dr. A L) und die Bundespolizeidirektion Linz (Polizeidirektor Dr. W W) richte.

 

Durch seine Beschwerde solle die Rechtsverletzung behandelt werden, dass durch den Polizeieinsatz vom 1. Mai 2009 eine vom Bf als Person angemeldete und von der Behörde genehmigte Demonstration durch die Amtshandlung einer ohne entsprechenden Anlass mit Befehls- und Zwangsgewalt durchgesetzten und gesetzlich nicht gerechtfertigten Identitätsfeststellung für einen Teil der Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmer verhindert worden sei. Der Bf verweist auf die in der ursprünglichen Beschwerde angeführte Sachverhaltsdarstellung.

 

Durch die Vorgangsweise der Polizei sehe er sich im verfassungsmäßig gewährleisteten Grundrecht der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit, verankert im Staatsgrundgesetz, Versammlungsgesetz sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention, verletzt. Sein Begehren richte sich darauf, die Vorgangsweise der Polizei für rechtswidrig zu erklären, um eine Beispielswirkung einer solchen Handlung für die Zukunft auszuschließen.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in die vorliegende Beschwerde. Gemäß § 67d Abs. 2 Z. 1 AVG kann die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen, wenn der verfahrenseinleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist.

 

2.4. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1. und 2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 5/2008, entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungs­be­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausge­nommen in Finanzstrafsachen. Solche Beschwerden sind nach § 67c Abs. 1 AVG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt beim unabhängigen Verwaltungs­senat einzubringen, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat.

 

Die behauptete Maßnahme fand – unbestritten – am 1. Mai 2009 statt. Die Beschwerde wurde ursprünglich am 13. Mai 2009 zur Post gegeben und ist daher rechtzeitig erhoben worden.

 

3.2. Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 29. Juni 2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl. Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu § 129a B-VG).

 

3.3. Auch wenn grundsätzlich festzuhalten ist, dass eine mit physischem Zwang durchgesetzte Identitätsfeststellung Gegenstand eines Maßnahmebeschwerdeverfahrens sein kann, ist im vorliegenden Fall zunächst die Frage zu klären, ob und inwieweit der Bf durch die behaupteten Maßnahmen der Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen subjektiven Rechten betroffen und beeinträchtigt war.

 

3.3.1. Der Bf selbst, der betont, nur in eigener Person aufzutreten und keine weitere Person zu vertreten, führt als expliziten Beschwerdepunkt an, dass durch den Polizeieinsatz vom 1. Mai 2009 eine von ihm angemeldete und von der Behörde genehmigte Demonstration durch die Amtshandlung einer ohne entsprechenden Anlass mit Befehls- und Zwangsgewalt durchgesetzten und gesetzlich nicht gerechtfertigten Identitätsfeststellung für einen Teil der Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmer verhindert worden sei. Aus dem vom Bf dargestellten Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei, dass er selbst keinerlei Identitätsfeststellung – welcher Natur auch immer – unterzogen wurde. Dies wurde von ihm auch zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht.

 

Also bleibt im Sinne seines Vorbringens zu überprüfen, ob er persönlich durch die – seiner Ansicht nach rechtswidrige – Identitätsfeststellung, die bei Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmern aus der rund 50 Personen zählenden "autonomen Gruppe", die nur knapp ein Zehntel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der angemeldeten Demonstration bildete, durchgeführt wurde, als in subjektiven Rechten verletzt angesehen werden kann; vor allem aber zunächst, ob die Verletzung subjektiver Rechte unter den von ihm dargestellten Umständen rechtlich überhaupt möglich war. Nur unter der Voraussetzung, dass diese Frage bejaht werden kann, ist dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nach den rechtlichen Vorgaben die Behandlung der vorliegenden Beschwerde überhaupt möglich.

 

3.3.2. Nach dem Wortlaut des § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungs­be­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein. Daraus ergibt sich aber, dass sich die Ausübung der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt gegen den Bf selbst gerichtet haben müsste. Ihm gegenüber wurde physischer Zwang weder angedroht noch ausgeübt. Wie bereits festgestellt – und vom Bf bestätigt – wurde er überhaupt nicht zur Identitätsfeststellung aufgefordert. Alleine daher fehlt dem Bf die Beschwerdelegitimation.

 

Im Übrigen ist festzuhalten, dass der Bf und die Mitorganisatoren zu keinem Zeitpunkt an der Durchführung der Demonstration an sich gehindert waren, sondern nur eine am Ende des Zuges befindliche Gruppe zunächst zur Identitätsfeststellung aufgefordert wurde. Die Demonstration wurde aber nicht verhindert, denn von 500 bis 700 Personen waren nur etwa 50 betroffen. Dass die Organisatoren die geplante Route abbrachen, ändert nichts an dieser Tatsache.

 

3.3.3. Es bleibt nun zu überprüfen, ob der Bf als Organisator bzw. Anzeiger der Demonstration durch die Identitätsfeststellung bei anderen Personen und dem dabei ausgeübten physischen Zwang in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt werden konnte.

 

Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit findet sich sowohl im Staatsgrundgesetz 1867 – StGG als auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK im Verfassungsrang verankert.

 

Art. 12 StGG bestimmt, dass die österreichischen Staatsbürger das Recht haben sich zu versammeln und Vereine zu bilden. Durch Art. 11 EMRK wurde Art. 12 StGG dahingehend erweitert, als das Vereins- und Versammlungsrecht nun nicht nur den österreichischen Staatsbürgern, sondern jedem Menschen gewährleistet ist. Beide Grundrechte stehen unter Gesetzesvorbehalt. Nach Art. 12 StGG wird die Ausübung dieser Rechte – mit einem formalen Gesetzesvorbehalt – durch besondere Gesetze geregelt; nach Art. 11 Abs. 2 EMRK kann die Ausübung dieser Rechte gesetzlichen Beschränkungen unterworfen werden (Eingriffsvorbehalt), die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.

 

Nach der Judikatur der Höchstgerichte zu Art. 12 StGG ist unter Versammlung eine Zusammenkunft mehrerer Menschen zu verstehen, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem "gemeinsamen Wirken" (Debatte, Diskussion, Manifestation usw.) zu bringen, sodass eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht (vgl. u.a. VfSlg. 4586, 5193, 5195 oder das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. März 2004, 98/01/0213). Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte – EGMR ist anzunehmen, dass Art. 11 EMRK einen weiteren Versammlungsbegriff enthält, der jede organisierte Zusammenkunft von Menschen zu einem gemeinsamen Ziel – und damit auch z.B. Festakte – umfasst (vgl. das Urteil vom 21. Juni 1988 Plattform Ärzte für das Leben, EuGRZ 1989/522).

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass es sich bei der Demonstration zum 1. Mai um eine derartige Versammlung handelt.

 

Das Recht auf Versammlungsfreiheit gewährleistet die Freiheit, sich zu versammeln, aber auch versammelt zu bleiben, also nicht auseinander gehen zu müssen (vgl. VfSlg. 14.772).

 

Dieses Recht ist im vorliegenden Fall jedoch nicht berührt, da zu keinem Zeitpunkt die Demonstration untersagt oder aufgelöst wurde, sondern nur bei einem Teil der Demonstrationsteilnehmer und -teilnehmerinnen eine Identitätsfeststellung durchgeführt wurde. Der Bf gibt selbst an, dass die Verantwortlichen der Demonstration übereingekommen seien, mit der geplanten Demonstration nicht fortzufahren, sondern aus Solidarität an Ort und Stelle eine Kundgebung abzuhalten. Diese hätten sie in der Folge dort selbst beendet. Dies zeigt – wie oben bereits ausgeführt –, dass der Bf in diesem Punkt nicht in seiner Versammlungsfreiheit beeinträchtigt wurde.

 

3.3.4. Zu diesem Schluss kommt man jedoch auch, wenn man die einfachgesetzliche Regelung des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98/1953, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 127/2002 heranzieht.

 

In diesem Gesetz werden zunächst die Bedingungen und Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Durchführung von Versammlungen dargelegt (wie z.B. rechtzeitige Anzeige usw.). Nach § 11 Abs. 1 VersG haben für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Versammlung zunächst deren Leiter und Ordner Sorge zu tragen. Gemäß Abs. 2 leg. cit. haben diese Personen gesetzwidrigen Äußerungen oder Handlungen sofort entgegenzutreten. Wenn ihren Anordnungen keine Folge geleistet wird, ist die Versammlung durch deren Leiter aufzulösen. Wenn gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. eine Versammlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet wird, ist sie von der Behörde zu untersagen und nach Umständen aufzulösen. Desgleichen ist gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung die Auflösung einer wenngleich gesetzmäßig veranstalteten Versammlung vom Abgeordneten der Behörde oder, falls kein solcher entsendet wurde, von der Behörde zu verfügen, wenn sich in der Versammlung gesetzwidrige Vorgänge ereignen oder wenn sie einen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter annimmt. Über Berufungen gegen derartige Verfügungen der Bezirksverwaltungsbehörden bzw. Bundespolizeidirektionen entscheidet gemäß
§ 18 VersG die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz.

 

Dem subjektiven Recht des Veranstalters (Anzeigers einer Demonstration) an der Durchführung der Versammlung wird also durch die eben beschriebenen Regelungen Rechnung getragen. Ein darüber hinausgehendes subjektives Recht des Anzeigers einer Demonstration, etwa zu bestimmen, welche Personen jedenfalls an der Versammlung teilnehmen dürfen, und somit ein "mittelbares" bzw. "übertragenes" subjektives Recht kann aus dem Versammlungsgesetz nicht abgeleitet werden.

 

Im Gegenteil wendet sich z.B. § 9 Abs. 1 VersG an einzelne Personen, die an einer Versammlung nicht teilnehmen dürfen, wenn sie ihre Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände verhüllen oder verbergen, um ihre Wiedererkennung im Zusammenhang mit der Versammlung zu verhindern oder wenn sie Gegenstände mit sich führen, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu  verhindern. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist von der Festnahme einer Person wegen eines Verstoßes gegen Abs. 1 abzusehen, wenn der gesetzmäßige Zustand durch Anwendung eines gelinderen Mittels hergestellt werden kann; § 81 Abs. 3 bis 6  des Sicherheitspolizeigesetzes gilt sinngemäß.

 

Hierbei findet sich kein Verweis auf allfällige ableitbare subjektive Rechte des Leiters bzw. Anzeigers einer Versammlung, weshalb bei Beeinträchtigungen des Rechtes auf Teilnahme an einer Versammlung nur die Person Rechtsverletzungen geltend machen kann, gegen die sich das behördliche Vorgehen richtet. 

 

3.4. Der Bf war durch die behaupteten Maßnahmen weder persönlich betroffen noch kann er sich zu Recht mittelbar auf die Versammlungsfreiheit anderer Personen stützen, weshalb die Maßnahmenbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden war.

 

 

Hinweis: Im Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Bernhard Pree

 

Rechtssatz

VwSen-420590/   /BP/Se vom 25. Juni 2009

§ 67c AVG,

 

Aus dem Wortlaut des § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG ergibt sich, dass sich die Ausübung der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt gegen den Bf selbst gerichtet haben müsste. Ihm gegenüber wurde weder physischer Zwang angedroht noch ausgeübt. Wie bereits festgestellt - und vom Bf bestätigt – wurde er überhaupt nicht zur Identitätsfeststellung aufgefordert. Alleine daher fehlt dem Bf die Beschwerdelegitimation.

 

Dem subjektiven Recht des Veranstalters (Anzeigers einer Demonstration) an der Durchführung der Versammlung wird also durch die eben beschriebenen Regelungen des Versammlungsgesetzes Rechnung getragen. Ein darüber hinausgehendes subjektives Recht des Anzeigers einer Demonstration, etwa zu bestimmen, welche Personen jedenfalls an der Versammlung teilnehmen dürfen, und somit ein "mittelbares" bzw. "übertragenes" subjektives Recht kann aus dem Versammlungsgesetz nicht abgeleitet werden.

 

 

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